Autogenes Training: Anleitung zur Entspannung und Stressbewältigung

Autogenes Training ist eine klassische Entspannungsmethode. Es hilft, in stressigen Lebensphasen zu mehr Ruhe zu gelangen. Viele Menschen nutzen Autogenes Training zum Einschlafen oder vorbeugend zur Psychohygiene. Geübte setzen sie auch ein, um ihre Konzentration, Leistungsfähigkeit und Kreativität zu steigern.

Was ist Autogenes Training?

Autogenes Training ist eine Methode, um sich körperlich und geistig zu entspannen. Das kann beispielsweise helfen, Ängste und Stress im Alltag zu überwinden - oder um sich besser konzentrieren und auf herausfordernde Situationen (wie Prüfungen) vorbereiten zu können.

Es gibt verschiedene Übungen, die den Menschen in einen Ruhezustand versetzen beziehungsweise eine Balance zwischen Entspannung und Anspannung schaffen sollen. Man kann sie im Büro ebenso wie zu Hause oder auf Reisen anwenden.

Bis auf wenige Ausnahmen endet jede Übung mit der sogenannten Rückführung (Rücknahme). Diese soll die leichte Trance oder Benommenheit, die während der Übungen entsteht, wieder verfliegen lassen.

Autogenes Training ist seit vielen Jahren ein anerkanntes psychotherapeutisches Verfahren. Es basiert auf der Erkenntnis, dass Körper und Psyche eines Menschen immer in Abhängigkeit voneinander agieren und reagieren. Das heißt, mit dem Geist lässt sich der Körper steuern und umgekehrt.

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Damit das funktioniert, ist es notwendig, den Körper in eine Art Trance zu versetzen. Diese ist nicht so tief wie bei der Hypnose, ermöglicht es aber, das Unterbewusstsein zu aktivieren. Man richtet seine gedankliche Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Körperreaktion, und diese Trance tritt dann tatsächlich ein.

Wenn die reine Idee eine Körperfunktion auslöst, bezeichnen Fachleute das als Carpenter-Effekt oder Ideoplasie. So erzeugt die bloße Vorstellung einer Bewegung zum Beispiel einen messbaren elektrischen Strom in den Muskeln.

Wie Autogenes Training das autonome Nervensystem reguliert

Der Mechanismus dahinter: Mit der Kraft der Gedanken steuert man das autonome (vegetative) Nervensystem. Dieser Bereich des menschlichen Nervensystems enthält Nervenfasern, die Organe, glatte Muskulatur und Hormondrüsen regulieren. So steuert der Körper grundlegende Vorgänge wie beispielsweise den Herzschlag und die Schweißbildung, ohne dass wir bewusst darüber entscheiden müssen.

Das autonome Nervensystem arbeitet mit zwei Schaltkreisen: Der eine löst Entspannung aus (Parasympathikus), der andere sorgt für Anspannung (Sympathikus). In gefährlichen Situationen ist die Anspannung ein wichtiger Mechanismus, der uns schnell reagieren lässt. Danach folgt normalerweise eine Phase der Ruhe.

Wenn man unter Stress oder innerer Unruhe leidet, ist das Gleichgewicht zwischen Entspannung und Anspannung gestört. So ist der Sympathikus bei vielen Menschen aufgrund von hohem Leistungsdruck im Beruf oder Doppelbelastung durch Familie und Arbeit zu häufig angeschaltet.

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Oft kann der Körper dadurch den Parasympathikus zur Entspannung gar nicht mehr richtig benutzen - es drohen beispielsweise Verspannungen, Erschöpfung, Ängste und depressive Verstimmung. Diese Schieflage lässt sich durch Autogenes Training wieder geraderücken.

Übung der Selbsthypnose

Autogenes Training beginnt immer mit den Grundübungen: Ruhe, Schwere und Wärme. Diese können Sie gut zu Hause ausführen. Damit Sie keine Fehler machen und motiviert bleiben, empfehlen Expertinnen und Experten jedoch, in einer Gruppe unter fachlicher Anleitung zu üben. Audioanleitungen können ebenfalls eine gute Unterstützung zum Einstieg sein.

Bevor Sie beginnen, sollten Sie sich darüber informieren, wie die sogenannte Rücknahme funktioniert. Denn diese sollte sich an fast alle Übungen anschließen.

Rücknahme

Die Rücknahme schließt das Training ab und stellt sicher, dass Sie Ihre alltäglichen Aufgaben danach wieder mit voller Kraft angehen können. Mit der Übung können Sie vermeiden, sich nach dem Training müde und benommen zu fühlen.

Ausnahme: Wenn Sie mithilfe von Autogenem Training einschlafen möchten oder bestimmte Schmerzlinderungsübungen gemacht haben, dann können Sie die Rücknahme weglassen.

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Für eine erfolgreiche Rücknahme können Sie beispielsweise die Formel „Arme fest!“ laut und kräftig aussprechen. Atmen Sie mehrmals tief ein und aus und strecken Sie dabei alle Körperteile. Sollten Sie sich anschließend immer noch benommen fühlen, war die Rücknahme nicht korrekt. Wiederholen Sie diese dann einfach.

Die richtige Übungshaltung

Es gibt drei Positionen, die sich für Autogenes Training bewährt haben:

  • Liegehaltung: Sie liegen bequem auf dem Rücken auf der Couch oder im Bett. Im Nacken und in den Kniekehlen befinden sich stützende Kissen. Die Arme liegen seitlich neben dem Körper oder Sie legen die Hände auf die Oberschenkel. Die Fußspitzen zeigen entspannt leicht nach außen.
  • Lehnsesselhaltung: Sie lehnen Ihren Oberköper locker an die Lehne eines Sessels. Die Kopfhaltung ist locker, die Füße berühren mit der ganzen Sohle den Boden. Der Kniewinkel ist größer als 90 Grad. Die Arme liegen entspannt auf der Lehne oder im Schoß.
  • Droschkenkutscherhaltung: Sie sitzen auf einem Stuhl, einem Hocker oder einer Bank. Schultern und Kopf neigen sich leicht nach vorne, die Hände liegen entspannt auf den leicht geöffneten Oberschenkeln. Oder Sie beugen den Oberkörper etwas weiter nach vorne und stützen sich mit den Ellbogen auf den Oberschenkeln ab; die Hände hängen nach innen herunter, der Kopf ist gesenkt. In dieser Position ist kein Muskel im Körper angespannt.

Egal, welche Übungshaltung Sie wählen: Lockern Sie im Vorfeld einengende Kleidung. Am besten ziehen Sie auch die Schuhe aus.

Autogenes Training: Anleitung zur Ruheübung

Die Grundübungen haben zum Ziel, einen Zustand der Ruhe, Schwere und Wärme herzustellen - das ist der Beginn der Entspannung: Sie fühlen sich angenehm schwer, Ihre Muskulatur wird lockerer, und die Wärme regt die Durchblutung an. Folgendermaßen kann die Ruheübung ablaufen:

  1. Sorgen Sie dafür, dass Sie ungestört sind, und nehmen Sie eine Übungshaltung ein.
  2. Schließen Sie Ihre Augen. Atmen Sie einige Male tief in den Bauch ein und dann wieder aus.
  3. Stellen Sie sich einen Ort vor, den Sie mit Ruhe verbinden. Denken Sie an Gerüche, Geräusche und Eindrücke von diesem Ort.
  4. Konzentrieren Sie sich auf Ihren Körper.
  5. Abschweifende Gedanken lassen Sie entspannt vorüberziehen und richten dann Ihren Fokus wieder auf Ihren Körper.
  6. Sagen Sie die Formel „Ich bin ruhig. Ich bin ganz ruhig“ monoton und gelassen in sich hinein.
  7. Wiederholen Sie die Formel ganz geduldig drei- bis sechsmal.
  8. Spüren Sie dabei Ihren Körper und erspüren Sie, wie er ganz ruhig wird.
  9. Führen Sie die Rücknahme durch. Das ist der Abschluss für Ihr Autogenes Training.

An die (wiederholte) Ruheformel können sich - vor der Rücknahme - weitere Formeln anschließen, etwa die Schwereformeln („Mein rechter Arm ist schwer“ etc.). Um die Wärme in den Mittelpunkt zu stellen, eignen sich Formeln wie „Arme und Beine sind angenehm warm“.

Formeln beeinflussen Psyche und Körper

Die Grundstufe mit Formeln für Ruhe, Schwere und Wärme lässt sich mit zunehmender Übung durch weitere Formeln (Vorsatzformeln) erweitern. Mit ihrer Hilfe kann man das Unterbewusstsein während der Selbsthypnose gezielt ansteuern und nachhaltig verändern - dem Körper werden klare Aufträge erteilt.

Die Palette reicht von einfachen Formeln wie Herzschlagformeln („Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig“) bis hin zu komplexen Formeln (z.B. „Ich trete selbstbewusst und souverän auf“ oder „Bei der morgigen Prüfung bin ich fokussiert und konzentriert“).

Die Formeln sprechen Sie während der Trance in sich hinein. So wirken sie im Anschluss weiter nach.

Regelmäßig angewendet können die Übungen beispielsweise helfen, körperliche Beschwerden zu lindern, inneren Stress abzubauen und Kräfte zu mobilisieren. Fortgeschrittene können das Autogene Training auch nutzen, um ihre Persönlichkeit zu stärken und sich auf gewünschte Verhaltensweisen neu zu „programmieren“ - beispielsweise mit dem Ziel, die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern, sich besser konzentrieren zu können oder kreativer zu sein.

Erwarten Sie nicht, dass sich die gewünschten Effekte schon nach Ihrem ersten Autogenen Training einstellen!

Wie oft und wie lange übt man?

Wie lange Sie Autogenes Training am besten durchführen, hängt von Ihrem Trainingszustand ab. Für Anfänger sollten es zwei- bis dreimal täglich fünf bis zehn Minuten sein, jedoch nicht mehr. Trainieren Sie lieber häufig und kurz als nur ab und zu und lange.

Mit zunehmender Erfahrung reichen dann oft schon wenige Minuten, um sich bewusst und tief entspannen zu können.

Insgesamt braucht man ungefähr einen Monat, bis Autogenes Training das eigene Leben wirksam verändert: Die mehrfach täglich „empfangene“ Botschaft kann sich in dieser Zeit fest im Gehirn verankern.

Was ist Autogenes Training: Entstehung & Einsatz

Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelte der deutsche Psychiater Prof. Johannes Heinrich Schultz (1884-1970) das Autogene Training. Er hatte sich ausführlich mit Hypnose beschäftigt und entdeckt, dass sich Patienten und Patientinnen mit entsprechender Übung auch selbst in einen hypnotischen Zustand bringen können. Anschließend fühlten sie sich entspannt.

Aus dieser Erkenntnis entwickelte Schultz die Methode des autogenen („selbsttätigen“) Trainings. Er stellte sie 1926 erstmals vor. Heute belegen wissenschaftliche Untersuchungen die Wirksamkeit von Autogenem Training bei verschiedenen Anwendungsgebieten.

Anwendungsgebiete für Autogenes Training

Autogenes Training kann unter anderem bei folgenden Beschwerden angewendet werden:

  • Stress und Burnout
  • Ängsten (wie Flugangst, Prüfungsangst)
  • Schlafstörungen
  • Schmerzen (wie Kopfschmerzen)
  • Herz-Kreislauf-Beschwerden
  • Verdauungsproblemen
  • Muskelverspannungen

Darüber hinaus kann die Methode unter anderem in folgenden Situationen beziehungsweise zu folgenden Zwecken hilfreich sein:

  • Prüfungsvorbereitung, Prüfungssituationen
  • Sportwettkämpfe
  • unmittelbar bevorstehende wichtige Termine
  • Steigerung von Fokus und Konzentration
  • Persönlichkeitsentwicklung, z.B. Steigerung des Selbstwertgefühls

Für wen ist Autogenes Training geeignet?

Grundsätzlich ist Autogenes Training für jeden Menschen geeignet. Laut Prof. Schultz ist die Methode bereits ab dem vierten Lebensjahr erlernbar. Man muss sie allerdings verstanden haben, um sie richtig anwenden zu können, und zudem einigermaßen regelmäßig üben.

Menschen mit starken psychischen Beeinträchtigungen (z.B. Schizophrenie, zwanghafte Persönlichkeitsstörungen) können Autogenes Training nur schwer erlernen. Denn Grundvoraussetzung für Autogenes Training ist: Sie sollten sich konzentrieren und klar denken können.

Wenn Sie Neuling und unsicher sind, sprechen Sie am besten mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin darüber, ob es etwas gibt, was in Ihrem Fall gegen Autogenes Training spricht.

Praktische Übungen für das Autogene Training

Hier sind einige praktische Übungen, die Ihnen helfen, das autogene Training zu erlernen und in Ihren Alltag zu integrieren. Es ist wichtig, diese Übungen regelmäßig zu wiederholen, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Grundformeln des Autogenen Trainings

  1. Ich bin ruhig. (Wichtig für die Entspannung)
  2. Mein rechter Arm ist schwer. Mein linker Arm ist schwer. Meine Arme sind schwer. Mein rechtes Bein ist schwer. Mein linkes Bein ist schwer. (Fördert die Muskelentspannung)
  3. Mein rechter Arm ist warm. Mein linker Arm ist warm. Meine Arme sind warm. Mein rechtes Bein ist warm. Mein linkes Bein ist warm. (Verbessert die Durchblutung)
  4. Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig. (Reguliert den Herzschlag)
  5. Meine Atmung ist ruhig und gleichmäßig. (Vertieft die Entspannung)
  6. Mein Bauch ist warm. (Fördert die Entspannung der Bauchorgane)
  7. Meine Stirn ist kühl. (Hilft bei der Konzentration)

Durchführung des Autogenen Trainings

  1. Suchen Sie sich einen ruhigen Ort. Egal ob im Sitzen oder Liegen, Sie sollten bestenfalls für die nächsten 20 bis 30 Minuten ungestört sein.
  2. Schließen Sie die Augen und konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem.
  3. Starten Sie mit den Formeln des autogenen Trainings. Wiederholen Sie jede Formel mehrmals in Gedanken.
  4. Spüren Sie, wie sich Ihr Körper entspannt und die Wärme sich ausbreitet.
  5. Wenn Sie das autogene Training nicht zum Einschlafen einsetzen, ist es sehr wichtig, dass Sie nach der letzten Formel die sogenannte Rücknahme durchführen.
  6. Lesen Sie sich alle Formeln einmal in Ruhe durch.

Rücknahme

  1. Arme fest: Winkeln Sie beide Arme an und geben Sie Spannung in Ihre Muskulatur.
  2. Tief durchatmen: Atmen Sie mehrmals tief ein und aus.
  3. Augen öffnen: Öffnen Sie die Augen und strecken Sie sich.

Tipps für den Erfolg

  • Um die Wirkung des autogenen Trainings richtig zu entfalten, empfehlen wir Ihnen, die Übungen 2 bis 3 mal wöchentlich zu machen.
  • In den praktischen Übungen geben wir Ihnen einen einfachen Leitfaden für die Durchführung des autogenen Trainings.
  • Wiederholen Sie diese Übung oft. Wir empfehlen Ihnen, zu Beginn täglich zu trainieren.
  • Beim autogenen Training geht es wie bei sportlicher Aktivität darum, immer neue Reize zu setzen.
  • Auf diese Reize passt sich unser Körper an und wird immer besser darin.

Autogenes Training im Alltag

Wir nehmen Stress im Alltag oft nicht wahr. Das kann Folgen für den Körper haben. Durch Entspannungsübungen werden wir flexibler, anpassungsfähiger und grundsätzlich entspannter. Das hilft uns, im Alltag mit vielen stressigen Situationen leichter umzugehen und den Stress gar nicht erst ausbrechen zu lassen, sondern mit einem gelassenen Mindset unsere Aufgaben anzugehen.

Wenn wir Stress haben, ist unser Stresshormon, das sogenannte Cortisol sehr hoch. Durch aktive Entspannung können Sie Ihren Cortisolspiegel schneller senken.

Alternativen zum Autogenen Training

Gut zu wissen: Andere beliebte Entspannungstechniken sind zum Beispiel Yoga, Meditation und progressive Muskelrelaxation.

Wissenschaftliche Belege

Autogenes Training gehört zu den am besten wissenschaftlich nachgewiesenen Entspannungstechniken [2]-[4].

Die entspannende Wirkung des autogenen Trainings spüren Sie unmittelbar. Je öfter Sie die Übungen wiederholen, umso stärker wird sich die Entspannung ausbreiten.

Formel Wirkung
Ich bin ruhig. Fördert die allgemeine Entspannung und hilft, zur Ruhe zu kommen.
Mein rechter Arm ist schwer. Bewirkt eine Entspannung der Muskeln und ein Gefühl der Schwere.
Mein rechter Arm ist warm. Fördert die Durchblutung und erzeugt ein angenehmes Gefühl der Wärme.
Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig. Hilft, den Herzschlag zu regulieren und innere Ruhe zu finden.
Meine Atmung ist ruhig und gleichmäßig. Vertieft die Entspannung und fördert einen ruhigen Atemrhythmus.
Mein Bauch ist warm. Entspannt die Bauchorgane und fördert das Wohlbefinden.
Meine Stirn ist kühl. Hilft, einen klaren Kopf zu bewahren und die Konzentration zu fördern.

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