High-Functioning Autismus: Definition und Erscheinungsformen

Autismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene tiefgreifende Entwicklungsstörungen, wobei die genaue Bezeichnung Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) lautet. Die Erscheinungsbilder sind je nach Form und Schweregrad der Störung sehr unterschiedlich. Es gibt Betroffene, die nur einen leichten Autismus entwickeln, der ihr Alltagsleben wenig beeinflusst, während andere schwer behindert sind.

Zu den Autismus-Spektrum-Störungen zählen verschiedene Formen von Autismus und verwandte Störungen. Dazu gehören:

  • Frühkindlicher Autismus
  • Asperger-Syndrom
  • Atypischer Autismus

Unter anderem sind Intelligenz und Sprachfähigkeiten sehr unterschiedlich ausgeprägt: Der größere Teil der Autisten ist geistig eingeschränkt, aber es gibt auch normal und sogar hochbegabte Betroffene. Teilweise gehen die verschiedenen Autismusformen auch fließend ineinander über.

Autismus: Symptome und Hauptmerkmale

Die meisten autistischen Menschen zeigen folgende drei Hauptmerkmale:

  • Ihre sozialen Fähigkeiten sind gestört.
  • Ihre Kommunikation und Sprache sind beeinträchtigt.
  • Sie zeigen wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und Interessen.

Art und Schweregrad der Symptome sind individuell und je nach Autismus-Form sehr unterschiedlich. So sind etwa beim Asperger-Syndrom die Symptome im Allgemeinen schwächer ausgeprägt als beim Frühkindlichen Autismus. Bei letzterer Form gibt es unter den Betroffenen ebenfalls große Unterschiede - die Palette reicht von nur leichter Beeinträchtigung bis hin zu schwer ausgeprägten Störungen.

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Gestörte soziale Interaktion

Vielen Autisten fällt es schwer, Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen. Das fällt oft schon im Säuglingsalter auf. So können viele autistische Kinder keine enge Bindung zu den Eltern aufbauen und nicht auf Reize aus der Umgebung reagieren.

Beispielsweise suchen Babys normalerweise den Blick der Mutter und körperlichen Kontakt, um Nähe aufzubauen. Autistische Babys hingegen weichen meist einem Blickkontakt aktiv aus. Viele ahmen auch das Lächeln ihres Gegenübers nicht nach. Das lässt sie oft teilnahmslos oder starr erscheinen. Manche Eltern vermuten anfangs sogar, ihr Kind sei taub oder blind, weil es kaum Reaktionen auf die Umwelt zeigt.

Auch im späteren Kindesalter sowie im Jugend- und Erwachsenenalter haben Autisten oftmals Probleme, Blickkontakt aufzubauen und zu halten.

Bei einer ausgeprägten autistischen Störung können Betroffene zudem kaum freundschaftliche Beziehungen eingehen. So spielen betroffene Kinder am liebsten allein. Ihre Mitmenschen nehmen sie oft nur wahr, wenn diese ihre Bedürfnisse erfüllen sollen (z.B. bei Hunger).

Menschen mit Autismus tun sich oft schwer, die Gefühle anderer Menschen nachzuvollziehen und sich in andere hineinzuversetzen. Auch ihre eigenen Gefühle können sie oft nur schlecht oder gar nicht ausdrücken. So zeigen sie häufig kaum spontane Gefühlsregungen wie Freude oder Interesse an anderen und an verschiedenen Tätigkeiten. Außerdem können Autisten ihre Reaktion oftmals nicht der allgemeinen Stimmungslage anpassen. So kann es etwa passieren, dass sie scheinbar grundlos einen Lachanfall bekommen.

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Beeinträchtigte Kommunikation

Die Sprache von Autisten ist ebenfalls häufig gestört. So können viele Kinder mit frühkindlichem Autismus keine normale Sprache erlernen. Sprechen sie doch, wiederholen sie oft gleiche Sätze. Auch die Sprachmelodie fehlt, wodurch manchmal ein roboterhafter Eindruck entsteht.

Bei Patienten mit Asperger-Syndrom hingegen ist die Sprache oft sehr hoch entwickelt, wirkt aber manchmal seltsam monoton und gestelzt.

Für die Sprache haben Experten wichtige allgemeine Autismus-Symptome definiert:

  • Die Sprachentwicklung hinkt hinterher.
  • Die Kinder versuchen nicht, sich durch ihre Gestik oder Körpersprache auszudrücken.
  • Die Kinder haben Probleme, eine Unterhaltung zu beginnen oder aufrechtzuerhalten.
  • Der Umfang der Sprache ist sehr begrenzt und einseitig. Oft werden Sätze oder Fragen nachgesprochen.

Stereotype Verhaltensweisen und Interessen

Das dritte große Hauptsymptom bei Autismus ist das oft stereotype Verhalten. So führen viele Betroffene beharrlich bestimmte Handlungen, Rituale und Gewohnheiten aus. Werden sie dabei unterbrochen oder daran gehindert, reagieren Sie teilweise mit Schreianfällen und Panikattacken.

Oft können sich Autisten auch nicht von ihren Lieblingsdingen trennen und nehmen sie überall hin mit.

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Außerdem konzentriert sich bei vielen Autisten scheinbar das ganze Interesse auf bestimmte spezielle Details oder Dinge, die sie voll und ganz in Beschlag nehmen.

Zusammengefasst sind bei diesem Symptomkomplex folgende Auffälligkeiten charakteristisch für Autisten:

  • Die Betroffenen befassen sich vornehmlich mit einem ungewöhnlichen Detail oder haben ein ungewöhnliches Interesse.
  • Bestimmte Handlungen oder Rituale können sie nicht aufgeben.
  • Die Handlungen sind oft stereotyp und monoton.
  • An einem Spielzeug suchen sie ein ganz bestimmtes Detail aus, mit dem sie sich beschäftigen. Selten binden sie den kompletten Gegenstand ins Spiel ein.
  • Die Spiele betroffener Kinder sind eher fantasielos und stereotyp. Auch nachahmendes Spielverhalten bleibt aus.

Inselbegabung

Viele Autisten weisen zusätzlich das Savant-Syndrom auf, was bedeutet, dass sie über eine spezielle Inselbegabung verfügen. Manche sind zum Beispiel wahre Rechengenies, andere haben ein fotografisches Gedächtnis oder erlernen Sprachen in Rekordzeit. Sie widmen sich ihrer besonderen Begabung mit großer Ausdauer, haben aber oft kaum andere Interessen.

Manche Savants weisen in Bereichen außerhalb ihres Spezialgebiets eine verminderte Intelligenz auf. Es gibt jedoch auch sowohl insgesamt normal intelligente als auch hochbegabte Savants.

Autismus-Formen im Überblick

Frühkindlicher Autismus

Wenn man von Autismus spricht, ist meist der Frühkindliche Autismus gemeint. Erste Symptome wie Kontaktscheu zeigen sich schon beim Säugling. Die Diagnose erfolgt aber meist erst um den 18. Lebensmonat herum.

Typisch für Kinder mit Frühkindlichem Autismus sind die klassischen Autismussymptome, also mangelnde soziale Kompetenz, Sprach- und Kommunikationsprobleme sowie stereotype Verhaltensweisen.

Asperger-Syndrom

Das Asperger-Syndrom macht sich in der Regel erst nach dem dritten Lebensjahr bemerkbar. Die Kinder zeigen einige Symptome des frühkindlichen Autismus, zum Beispiel gestörte soziale Kompetenzen, ein stereotypes Verhaltensmuster oder ein besonderes Interesse für eine spezielle Sache. Viele sind zudem motorisch ungeschickt und etwas “tollpatschig”.

Beim Asperger-Syndrom sind die Symptome allerdings weniger stark ausgeprägt als beim Frühkindlichen Autismus. Viele der Betroffenen sind normal intelligent. Sie können durch unterstützende Gruppentherapien lernen, mit ihrer „Andersartigkeit“ im Alltag sehr gut klarzukommen und ein selbstständiges Leben zu führen.

Atypischer Autismus

Der Atypische Autismus (psychogener Autismus) wird auch frühkindlicher Autismus mit atypischem Erkrankungsalter oder atypischer Symptomatik genannt.

Er unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus dadurch, dass betroffene Kinder erst nach dem dritten Lebensjahr die autistische Störung entwickeln oder nicht alle Symptome aufweisen.

High-Functioning Autismus

Der High-Functioning Autismus ist keine offizielle Diagnoseklassifikation. Er beschreibt Menschen mit typischen Symptomen eines Frühkindlichen Autismus, die über eine relativ hohe Intelligenz oder besondere Fähigkeiten in einzelnen Bereichen verfügen.

Darüber hinaus wird der Begriff auch für Autisten verwendet, bei denen im Kindesalter die Diagnose Frühkindlicher Autismus gestellt wurde, die sich aber gut entwickelt haben und im Erwachsenenalter selbstständig leben können.

Weitere Entwicklungsstörungen

Neben den drei typischen Autismus-Formen gibt es noch weitere tiefgreifende Entwicklungsstörungen, die ähnliche Symptome wie Autisten aufweisen, aber die diagnostische Definition „Autismus“ nicht erfüllen.

Therapieansätze bei Autismus

Wesentliche Ziele der Therapie sind die Förderung folgender Fähigkeiten:

  • Selbstständigkeit
  • Kontaktbereitschaft
  • Soziale Kompetenz
  • Kommunikative Kompetenz
  • Empathie
  • Sprechen und Sprachverständnis
  • Verständnis von Gesten
  • Alltagsverhalten

TEACCH-Ansatz

TEACCH (Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children) ist ein auf autistische Menschen spezialisiertes Programm. Es ist für Kinder ebenso geeignet wie für Erwachsene.

Wichtigstes Ziel des Programms ist es, die Selbstständigkeit und Lebensqualität autistischer Menschen zu verbessern. Dazu wird für jeden Klienten ein individuelles Konzept entwickelt, das seine besonderen Stärken und Interessen berücksichtigt.

Klare Strukturen sind für Menschen mit Autismus besonders wichtig. Sie verleihen ihnen Sicherheit und ermöglichen es ihnen, sich besser auf neue Situationen einstellen. Das gilt für den Alltag ebenso wie für das Lernen. TEACCH setzt dabei auf zwei zentrale Prinzipien:

  • Strukturiertes Unterrichten: Hier geht es um die Einteilung des Lehrmaterials und des Lernumfelds in räumliche und zeitliche Strukturen. Das gibt den Betroffenen Sicherheit, erleichtert ihnen die Orientierung und hilft ihnen beim Lernen.
  • Visualisierung: Viele autistische Menschen haben Schwierigkeiten, gehörte Informationen zu verarbeiten. Sie besitzen aber oft herausragende Aufnahmefähigkeiten über das Sehen. Diese werden genutzt, um Lerninhalte entsprechend aufzubereiten und leichter zugänglich zu machen.

Beispiele für die praktische Anwendung dieser beiden Prinzipien:

  • Der Unterrichtsraum wird optisch in einen Lern- und einen Ruhebereich unterteilt.
  • Das Lehrmaterial wird nach Farben und Formen sortiert.
  • Die Unterrichtszeit wird durch Signale wie Klingeln oder Anfangs- und Schlussrituale zeitlich strukturiert.

Applied Behavior Analysis (ABA)

Eine weitere Therapieoption ist die Applied Behavior Analysis (ABA), zu Deutsch „Angewandte Verhaltensanalyse“, und das ergänzende Verbal Behavior (VB). Damit lassen sich soziale und kommunikative Fähigkeiten trainieren.

Dazu stellt der Therapeut zunächst fest, welche Fähigkeiten ein autistisches Kind schon besitzt und welche es noch erlernen sollte. Dann werden komplexe Verhaltensweisen in kleinste Teilschritte zerlegt, die das Kind dann Schritt für Schritt erlernen kann. Erwünschtes Verhalten wird dabei belohnt und so verstärkt.

Unangemessenes Verhalten wie Schreien, Wutanfälle oder Weglaufen werden konsequent ignoriert. Im Prinzip basiert die ABA damit auf der klassischen Konditionierungstherapie.

Training von Selbstkontrolle

Zwei typische Schwächen erschweren vielen Autisten soziale Kontakte: mangelnde Selbstkontrolle und fehlende „Theory of Mind.“

Als Theory of Mind bezeichnet man die intuitive Fähigkeit, Emotionen, Gedanken und Absichten anderer Menschen zu verstehen. Normalerweise entwickelt sich das bei Kindern automatisch und ganz nebenbei. Kinder mit Autismus müssen sich das Deuten von Gesichtsausdrücken, Blicken oder Gesten dagegen mühsam aneignen. Ebenfalls schwer fällt es ihnen, Ironie oder Metaphern zu verstehen.

Spezielle Übungen können Autisten helfen, zwischen den eigenen Gedanken und denen ihres Umfelds zu unterscheiden. Zudem können die Übungen das Verständnis für die Gefühle anderer Menschen trainieren.

Umgekehrt haben Menschen mit Autismus auch Probleme, die eigene Gefühlswelt auszuloten. Auch hier helfen ihnen Übungen, ihre Gefühle zu erkennen, einzuordnen und rechtzeitig wahrzunehmen, wenn sie überfordert oder frustriert sind. So lassen sich emotionale Ausbrüche und Krisen im Vorfeld entschärfen.

Hilfe für die Familie

Eltern autistischer Kinder sind im Alltag einer viel größeren Belastung ausgesetzt als Eltern normaler Kinder. Daher gibt es eine Reihe von Programmen, die ihnen helfen sollen, Stress abzubauen und den richtigen Umgang mit ihren autistischen Kindern zu erlernen.

SALO-Reha-Team

Durch die zielgerichtete Arbeitsweise des SALO-Reha-Teams unter der Leitung von Frau Angela Holtze wird für die Betroffenen in sieben Autismus-Kompetenzzentren der Weg in den ersten Arbeitsmarkt in Deutschland geebnet.

Unverzichtbar für den Erfolg unserer Arbeit ist dabei die enge Zusammenarbeit mit dem sozialen Netzwerk unserer Kunden (Familie, betreuende Einrichtungen etc.). Dieser ganzheitliche Ansatz ermöglicht den Aufbau einer stabilisierten Basis auf dem Weg in den Berufsalltag am jeweiligen Heimatort.

Der Alltag in den Autismus-Kompetenzzentren von SALO+PARTNER ist eine Kombination aus berufsbezogenen Lernebenen im Schulungsbereich und ganz lebenspraktischem Selbständigkeitstraining wie beispielsweise gemeinsamem Kochen und Freizeitgestaltung. Diese Zielsetzung steht immer bei ambulanter Teilnahme im Vordergrund.

Die Entwicklung größtmöglicher Handlungskompetenz, um den beruflichen Alltag zu meistern, kann auf diesem Weg optimal verlaufen. Insbesondere unsere jüngeren Rehabilitanden profitieren von der entstehenden Gruppendynamik und Zugehörigkeit in einer Gemeinschaft mit klarem Ziel. So können Freundschaften entstehen, neue Interessen können sich entwickeln und Gemeinsamkeiten entdeckt werden.

Unsere Erfahrung zeigt, dass Menschen mit Autismus gute Chancen zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben. Ein laufender Einstieg in unsere Maßnahmen mit berufsbezogener Zielsetzung und individuellem Förderverlauf ist jederzeit möglich.

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