Am Universitätsklinikum St. Pölten hat vor Kurzem die neu geschaffene Klinische Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin schrittweise ihren Betrieb aufgenommen. Mit einem ganzheitlichen, modernen Behandlungsansatz stärkt die Abteilung die psychiatrische Versorgung der Region und bietet Patientinnen und Patienten ein umfassendes medizinisch-therapeutisches Angebot.
„Mit der Eröffnung der Klinischen Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin setzen wir ein starkes Zeichen für die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Es ist unser Anspruch, Menschen in seelischen Krisen bestmöglich zu begleiten. Denn die psychische Gesundheit ist genauso wichtig, wie die körperliche Gesundheit. Beide Bereiche verdienen gleichermaßen Aufmerksamkeit, Verständnis, eine professionelle Unterstützung und qualitätsvolle medizinische Betreuung“, so der für Kliniken zuständige Ludwig Schleritzko.
Die neue Abteilung umfasst zwei Stationen mit insgesamt 40 stationären Behandlungsplätzen sowie eine Tagesklinik, die in der Ernst Höger-Straße zu finden ist. Zum Start werden derzeit zehn stationäre Plätze bereitgestellt. Eine Aufnahme ist ausschließlich mit fachärztlich-psychiatrischer Zuweisung und nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme möglich.
Die regionale Zuständigkeit der Abteilung erstreckt sich aktuell auf den Bezirk St. Pölten Stadt. Eine schrittweise Erweiterung auf St. Pölten Land und Lilienfeld ist vorgesehen. Das Angebot richtet sich an Patientinnen und Patienten ab dem 18. Lebensjahr. Das Behandlungskonzept basiert auf dem bio-psycho-soziotherapeutischen Modell und berücksichtigt individuelle Lebenskontexte sowie die enge Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen - von Fachärztinnen und Fachärzten über Pflegepersonen bis hin zu Therapeutinnen und Therapeuten.
„Mit der neuen Abteilung wurde ein hochmodernes Zentrum für psychiatrische Akutversorgung geschaffen, das auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert und in enger Kooperation mit Forschung und Lehre arbeitet“, so DDr. Gernot Fugger, Leiter der Klinischen Abteilung Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin.
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Durch die Einbettung in ein Haus der Maximalversorgung ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachrichtungen des Klinikums gesichert. Der Konsiliar- und Liaisondienst ermöglicht eine fachärztlich-psychiatrische Mitbetreuung stationärer Patientinnen und Patienten anderer Abteilungen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der nachhaltigen Nachsorge: Noch während des stationären Aufenthalts wird gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten die Weiterbehandlung nach Entlassung - in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten, Psychosozialen Diensten oder Reha-Einrichtungen - geplant.
Aufnahmen erfolgen ausschließlich nach telefonischer Rücksprache und fachärztlicher Überweisung.
Aktuelle Entwicklungen in der Psychiatrie
Im Videointerview mit der Ärzte Krone berichtet Univ.-Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in Eva Reininghaus, MBA, Vorständin der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an der MedUni Graz, welche aktuellen Entwicklungen es in der Psychiatrie gibt. So kommen immer mehr Apps und Programme auf den Markt, welche die Patient:innen unterstützen. In der Psychiatrie gab es in den letzten Jahren viele neue Entwicklungen. Besonders hervorzuheben ist der Einsatz neuer digitaler Medien. So gibt es z. B. in Deutschland schon viele zugelassene Apps bzw. Programme, dank denen Patient:innen, die z. B.
Nach wie vor scheuen viele Menschen die Diagnose einer psychischen Erkrankung, weil diese in der Gesellschaft anders wahrgenommen wird als eine körperliche Erkrankung. Eine Herausforderung ist es oft, wenn Patient:innen aus dem niedergelassenen Bereich in den stationären wechseln bzw. umgekehrt.
Bei Depressionen liegt ein großer Gender-Gap vor. So wird das Traurig- und Verletzlichsein sehr oft mit Frauen assoziiert. Sind Männer aggressiv oder trinken Alkohol, wird das nur in seltenen Fällen mit Depressionen in Verbindung gebracht. Frauen suchen auch viel öfter Hilfe. Die Expertin plädiert für mehr Austausch zwischen dem niedergelassenen Bereich und der Klinik. Sie spricht sich dafür aus, bei Fragen einfach in der Klinik für Psychiatrie anzurufen und bezüglich der Behandlung von Patient:innen nachzufragen.
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Forschungsfokus: Transitionspsychiatrie
Als relativ neues (Forschungs-)Feld innerhalb der Psychiatrie beschäftigt sich die Transitionspsychiatrie mit den psychischen Herausforderungen heranwachsender, junger Menschen zwischen 15 und 25 bzw. 30 Jahren. Für Jugendliche am Übergang zwischen Kindheit und Erwachsensein besteht eine besondere Versorgungslücke, da oft weder die Angebote der Kinderpsychiatrie noch die der Erwachsenenpsychiatrie adäquat oder attraktiv erscheinen. Die Adoleszenz und das junge Erwachsenenalter sind sensible Lebensabschnitte, in denen die Weichen für das weitere Leben gestellt werden. Verschiedene Herausforderungen müssen bewältigt werden, um ein sozial wie ökonomisch erfolgreiches Erwachsenenleben führen zu können. Diese Problemlage wird von dem national sowie international stark vernetzten Forschungsteam adressiert.
Des Weiteren sollen die Forschungsergebnisse zu einem besseren Verständnis der psychischen Entwicklung im Jugendalter, im (nicht-)klinischen Bereich beitragen. Das Forschungszentrum Transitionspsychiatrie wurde im Juli 2022 gegründet und hat sich aus der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe D.O.T. (Die offene Tür) entwickelt.
Forschungsprojekte und Initiativen
Eine Vielzahl von Forschungsprojekten und Initiativen tragen dazu bei, die psychiatrische Versorgung und das Verständnis psychischer Erkrankungen zu verbessern. Hier einige Beispiele:
- Organisationsforschung im Strafvollzug: Untersuchung des organisationalen Wandels durch die Einführung des "Cockpit"-Systems.
- Ausbildungsforschung der Psy-Berufe: Monitoring der Persönlichkeitsentwicklung von Studierenden psychosozialer Berufe.
- Temporäre Infrastrukturen im ländlichen Raum: Analyse der Bedeutung temporärer sozialer Orte zur Bewältigung von Infrastrukturmangel.
- Gemeinsam psychisch stärker: Kooperationsprojekt zur Erhebung von Belastungsfaktoren und Ressourcen im Bereich der mentalen Gesundheit an Schulen.
- Ment4EU: Förderung von Mentoring-Programmen zur sozialen Inklusion.
- PEERS: Psychosoziale Versorgungsangebote für Studierende durch Peer-Arbeit.
- SPUR: Untersuchung sozialräumlicher Rahmenbedingungen für inklusive Wohnformen für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.
- TELL!: Entwicklung eines digitalen Tools zur Förderung der Kommunikation und Selbstreflexion von Jugendlichen.
- DiFIS NÖ: Erforschung von Haltungen gegenüber digitalen Forschungsinformationssystemen.
- C_ALL: Untersuchung der längerfristigen Auswirkungen der Covid-Pandemie auf Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen.
- Dissertationsvorhaben: Analyse der Versorgungs-, diskursiven und gelebten Praxis von Psychiatrie und "mental illness" aus raumrelationaler Perspektive.
- Mood-Tracking Apps: Untersuchung der gesellschaftlichen Implikationen von Tools zur digitalen Gefühlsvermessung.
- MentEd: Internationales Netzwerk zur Förderung mentalisierungsbasierter Ansätze in Bildung und Pädagogik.
- Inklusives Krisenmonitoring: Entwicklung eines Prototyps zur nachhaltigen Bewältigung von Krisennachwirkungen.
Forschungsgruppen und Schwerpunkte
Verschiedene Forschungsgruppen widmen sich spezifischen Schwerpunkten innerhalb der Psychiatrie:
- Clinical Neuroimaging & Digital Health Lab: Untersuchung digitaler und bildgebender Prädiktoren für Rückfälle, Behandlungsansprechen oder Remission bei affektiven Störungen.
- Arbeitsgruppe Elektrokonvulsionstherapie: Erforschung der Wirkungsweise der Elektrokonvulsionstherapie mittels biochemischer und bildgebender Verfahren.
- Forschung genetischer Faktoren und Biomarker: Multidimensionaler translationaler Ansatz zu neuropsychiatrischen Erkrankungen.
- Dopaminforschung: Erforschung dopaminerger Veränderungen bei Schizophrenie und psychotischen Störungen.
- Substanzgebrauchsstörungen: Multidisziplinäre Behandlung von Patienten mit Substanzgebrauchsstörungen inklusive Verhaltenssüchte.
Personalisierte Medizin und Psychopharmaka
Gerade in den letzten Jahren hat die Forschung hier große Fortschritte gemacht. Deshalb stehen heute bereits sehr spezifische Psychopharmaka zur Verfügung, die auch bei unterschiedlichen Krankheitsverläufen im Sinne einer personalisierten Medizin ganz individuell eingesetzt werden können.
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