Unter dem Begriff „Autismus“ werden mehrere Diagnosen zusammengefasst, die in der Medizin als Autismus-Spektrum-Störungen bezeichnet werden. Dabei handelt es sich dem deutschen Robert Koch-Institut (RKI) zufolge um komplexe Erkrankungen, deren Ursachen nicht vollständig geklärt seien. „Einen einzelnen Auslöser von Autismus gibt es aber nicht.“
Definition von Autismus
Es handelt sich um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung mit gravierender Beeinträchtigung der sozialen Interaktion, der Kommunikation und dem Vorhandensein von Stereotypien mit sich wiederholenden Aktivitäten und Interessen. Die Diagnose Autismus wird ausschließlich nach der bestehenden Verhaltensweise gestellt und sagt folglich nur wenig über das Erleben und Empfinden des Kindes aus.
Autismus zählt zwar zu den schweren psychischen Störungen des Kindesalters, kann aber ohne Behandlung und auch mit Behandlung abhängig von der Ausprägung des Schweregrades bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben. In ca. 75% der Fälle besteht zusätzlich eine geistige Beeinträchtigung, die möglicherweise in einer Wechselwirkung zum Autismus selbst steht. Manche Menschen mit Autismus weisen aber auch eine Hochbegabung auf, vor allem mit erstaunlichen Teilleistungen auf Einzelgebieten wie zum Beispiel Mathematik oder Musik. Autismus findet man in allen Nationalitäten. Meist treten die Symptome vor dem dritten Lebensjahr auf.
Betroffen sind etwa drei bis fünf Kinder pro 10.000 Neugeborene; Buben drei bis viermal häufiger als Mädchen.
Die Häufigkeitszahlen sind in den letzten Jahren angestiegen, was nicht auf ein höheres Vorkommen und auch nicht nur auf eine bessere Diagnostik zurückzuführen ist .Wie auch bei der Trenddiagnose ADHS wird derzeit auch die Diagnose Autismus vermutlich überhäufig gestellt.
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Nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10 wird neben dem Autismus auch das Asperger-Syndrom mit den gleichen Verhaltensmustern wie beim Autismus beschrieben, nur mit Fehlen der sprachlichen und intellektuellen Beeinträchtigung. Hierunter würden auch jene autistischen Menschen mit Hochbegabung fallen. Weiters sind im Klassifikationssystem verschiedene Untergruppierungen bis hin zu einer Restkategorie angegeben, die nur Teilaspekte des Autismus umfassen.
Symptome von Autismus
Es bestehen drei Hauptsymptome, die nach Verhaltensweisen diagnostiziert werden:
- Störung der sozialen Interaktion: Die Kinder neigen dazu, Personen wie Gegenstände zu benutzen und die Bedürfnisse anderer nicht wahrnehmen zu können. Sie reagieren nicht adäquat auf Gefühle anderer Menschen, da sie diese nicht erfassen können, sie spielen häufig lieber alleine, ziehen Gegenstände oft menschlichen Spielpartnern vor, haben kein Verständnis für soziale Regeln.
- Störung der Kommunikation: Kein Blickkontakt, kein Körperkontakt, eingeschränkte Sprache, keine oder wenig Mimik und Gestik, mechanische Wort-und Satzwiederholungen, Verwechslungen von" ich" und "du".
- Stereotype Interessen und Aktivitäten: Ausdauerndes, gleichförmiges drehen, schaukeln, hüpfen, manipulieren an beweglichen Teilen. Interessensgebiete sind kontrollierbare Gegenstände, wie Lichtschalter, Wasserhahn, technische Geräte…, Sie befühlen, beriechen, beklatschen Gegenstände. Sie können Abweichungen von gewohnten Handlungsabläufen und das Einführen von Neuerungen schwer ertragen und reagieren darauf mit Angst und verzweifelter Wut.
Neben den drei spezifischen Merkmalen gibt es eine Reihe von unspezifischen, den Autismus begleitenden Symptomen, die aber ohne die oben genannten Kriterien keineswegs zum Autismus zählen: Ängste aller Art, Aggression und auch Aggression gegen sich selbst gerichtet sowie Schlaf-und Essstörungen sind häufige Begleiterscheinungen des Autismus. Diese Verhaltensauffälligkeiten sind besonders für die Eltern im alltäglichen Umgang mit ihren Kindern sehr belastend.
Ursachen von Autismus
Beim Autismus handelt es sich um eine organisch bedingte Wahrnehmungsstörung. Es gibt derzeit kein einheitliches Bild über die möglichen unterschiedlichen Ursachen, vor allem Vererbung, Hirnschädigung und Hirnfunktionsstörung werden als Ursachen diskutiert. Es kann aber davon ausgegangen werden, und darin decken sich die unterschiedlichsten Ansätze, dass es eine organische Grundlage gibt. Autismus wird folglich nicht durch die Erziehung verursacht, die Symptomatik kann durch diese aber sowohl positiv als auch negativ beeinflusst werden.
Im Rahmen aktueller Studien werden auch verschiedene Gene als Ursache vermutet. Einige Studien weisen darauf hin, dass eines der Gene, das zu Autismus führen kann, auf Chromosom 7 liegen könnte, es gibt auch Hinweise darauf, dass die Chromosomen 2, 16 und 15 in Frage kommen könnten. J. Buxbaum von der Mount Sinai School of New York betont aber: "Eine der genetischen Varianten zu besitzen, scheint das Erkrankungsrisiko zu verdoppeln, aber erst die Kombination mehrerer Faktoren führt zur Krankheit". Eine verstärkte Produktion des Eiweißstoffes ACG1 (Aspartat/Glutamat-Carrier) könnte eine besondere Rolle spielen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der eineiige Zwilling eines autistischen Kindes ebenfalls unter Autismus leidet liegt bei etwa 95 Prozent.
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Genetische Ursachen
Viele Formen von Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) haben vermutlich genetische Ursachen. Mutationen in hunderten verschiedenen Genen werden mit ASS in Verbindung gebracht. Eines davon ist Cullin 3. Mutiert es, führt dies mit ziemlicher Sicherheit zu einer Form von ASS.
Forscher des IST Austria haben nun ein ASS-Hochrisiko-Gen (Cullin 3) untersucht und dabei dessen wichtige Rolle in der Gehirnentwicklung entdeckt. Dabei fiel ihnen eine geringfügige, aber konstante Veränderung der Lage einiger Gehirnzellen auf. Diese Neuronen wandern üblicherweise von ihrem Entstehungsort in Richtung der obersten Schichten, bis sie ihren vorgesehenen Platz in der Großhirnrinde erreichen.
Auf der Suche nach der Ursache fanden die beiden Doktorandinnen, dass sich das Protein Plastin 3 in Gehirnen mit mutiertem Cullin 3-Gen anreichert. Das Gen kennzeichnet Proteine an ihrem Lebensende, damit sie abgebaut werden. Diese Prozesse finden in einem sehr frühen Stadium der Gehirnentwicklung statt, etwa in der Mitte der Schwangerschaft.
Novarino hofft, dass die weitere Erforschung von Plastin 3 den Weg für neue Therapeutika ebnen könnte. Durch eine verringerte Anhäufung des Proteins ließen sich eventuell einige der Symptome lindern.
Weitere Risikofaktoren
Es gibt noch weiteren Risikofaktoren für Autismus-Spektrum-Störungen wie Frühkindlichen Autismus. Einige Beispiele:
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- Mit zunehmendem Alter der Eltern steigt verschiedenen Untersuchungen zufolge das Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen bei den Kindern. Das liegt unter anderem vermutlich daran, dass es mit höherem Alter häufiger zu spontanen Genveränderungen (Spontanmutationen) kommt.
- Vorerkrankungen der Eltern - besonders der Mütter - spielen ebenfalls eine Rolle für das Auftreten von Autismus-Spektrum-Störungen bei den Kindern. Das können sowohl Vorerkrankungen sein, die sich auf körperlicher Ebene (somatisch) manifestieren, wie zum Beispiel Schuppenflechte (Psoriasis). Es können aber auch neurologische und psychiatrische Vorerkrankungen relevant sein, zum Beispiel Depressionen.
- Darüber hinaus sind für Autismus-Spektrum-Störungen wie Frühkindlichen Autismus Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Schwangerschaft bekannt. Dazu zählen beispielsweise eine Röteln-Infektion bei Schwangeren sowie die Anwendung verschiedener Medikamente in der Schwangerschaft (z.B. krampflösender Mittel = Antiepileptika).
Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft
Wie sich die Mutter in der Schwangerschaft ernährt, könnte die Hirnentwicklung des Kindes beeinflussen. Besonders ein Nahrungsbestandteil scheint Autismus zu fördern.
Insbesondere, wenn die Schwangere viele verarbeitete Nahrungsmittel zu sich nimmt, könnte das die Gehirnentwicklung des Ungeborenen stören, zeigt eine US-Studie. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Propionsäure. Sie wird als Konservierungsmittel in Fertigprodukten eingesetzt, aber auch Brot zugefügt, damit es weniger schnell schimmelt.
Forscher um Dr. Saleh Naser von der University of Central Florida haben anhand von Laborexperimenten nachgewiesen, dass ein hoher Gehalt an Propionsäure die Entwicklung der neuronalen Stammzellen beeinflusst. Zum einen stört die Säure die Balance der verschiedenen Typen von Gehirnzellen.
Während weniger Neuronen entstehen als sonst üblich, nimmt die Zahl der sogenannten Gliazellen zu. Diese unterstützen zwar die Entwicklung der Neuronen und schützen sie. Sind jedoch zu viele Gliazellen vorhanden, stören sie die Vernetzung der Nervenzellen untereinander. Sie können auch stille Entzündungsreaktionen hervorrufen, wie sie häufiger in den Gehirnen autistischer Kinder nachgewiesen wurden.
Größere Mengen Propionsäure verkürzen und beschädigen zudem die Schaltwege, über die Neuronen mit dem übrigen Körper kommunizieren. Die Kombination aus beschädigten Kommunikationswegen und reduzierter Neuronenzahl könnte Verhaltensweisen fördern, die typisch für Menschen mit Autismus sind. Dazu gehören stereotype Verhaltensmuster sowie die Unfähigkeit, mit den Mitmenschen zu interagieren.
Dabei ist Propionsäure nicht einmal eine künstliche Chemikalie, sondern entsteht auch bei der Verwertung von Nahrung im Darm. Größere Mengen, die die Mutter über die Nahrung aufnimmt, könnten aber zusätzlich an den Fötus weitergegeben werden.
Diagnose von Autismus
Beim Autismus handelt es sich um eine organisch bedingte Wahrnehmungsstörung. Es gibt derzeit kein einheitliches Bild über die möglichen unterschiedlichen Ursachen, vor allem Vererbung, Hirnschädigung und Hirnfunktionsstörung werden als Ursachen diskutiert. Es kann aber davon ausgegangen werden, und darin decken sich die unterschiedlichsten Ansätze, dass es eine organische Grundlage gibt. Autismus wird folglich nicht durch die Erziehung verursacht, die Symptomatik kann durch diese aber sowohl positiv als auch negativ beeinflusst werden.
Therapie von Autismus
Auch wenn eine organische Grundlage vorliegt, sind Sozial-und Kommunikationsstörungen und übersteigerte Ängste immer auch durch Erfahrungen in Beziehungen zu beeinflussen. Gerade das nach außen kontaktvermeidende Verhalten macht es der Umgebung schwer, mit dem Kind in eine Beziehung zu treten. Aber gerade dies sollte ständig auch in der Therapie versucht werden: einen Weg zu finden, das Kind zu erreichen und mit ihm in Berührung und Beziehung zu kommen und zu bleiben.
Autistische Kinder nehmen beispielsweise intensiv am Gruppenerleben teil, auch wenn sie dies in der Regel nicht zeigen können. Ziel der Therapie ist es, die Beziehungsfähigkeit zu verbessern, kommunikative Fähigkeiten zu erlernen und die unspezifischen Begleitsymptome wie z.B. Ängste und Aggressionen zu bearbeiten.
Zudem sollen andere Fertigkeiten wie z.B. Lesen und Schreiben gefördert werden und gegebenenfalls neben Psychotherapie auch funktionelle Therapien, wie Logopädie zur Verbesserung der Sprache und Ergotherapie zur Verbesserung von z.B.: der Wahrnehmung oder motorischer Fertigkeiten , Selbständigkeit etc eingesetzt werden Die Eltern müssen einbezogen werden. Psychotherapeutische Unterstützung ,wenn möglich bereits im Säuglingsalter beginnend, für Eltern und Kind gemeinsam stellt die besten Voraussetzungen dar. Hiermit kann das Beziehungsgeschehen möglichst früh zwischen Eltern und Kind unterstützt und verbessert werden, womit sowohl die Beziehungsfähigkeit als auch die Gesamtentwicklung des Kindes einen deutlich besseren Lauf nimmt. Dass hiermit auch eine Entlastung seitens der Eltern stattfindet, ist für die gesamte Familiensituation von Bedeutung.
Bei älteren Kindern ist die Einbeziehung und intensive Arbeit mit den Eltern nicht minder wichtig. Zu diesem Zeitpunkt hat sich meist bereits zusätzlich zur "mitgebrachten" Problematik ein Beziehungsteufelskreis entwickelt. Die Eltern fühlen sich durch ein autistisches Kind zurückgewiesen und können ihrerseits nicht in üblicher Form kommunizieren.
Ebenso ist die Vernetzung aller mit dem Kind wesentlich betrauten Personen ein wichtiger Bestandteil.
So wie bei allen Störungsbildern gibt es auch bei Autismus unterschiedliche psychotherapeutische Ansätze. Obwohl strukturiertes Lernen und psychoedukative Angebote ein wichtiger und sinnvoller Bestandteil sein können, ist es doch wesentlich zu beachten, dass der ganze Mensch nicht aus dem Blick geraten darf und die Erfahrungen in Beziehungen auch und gerade bei diesen Kindern einen zentralen Stellenwert einnehmen sollte.
Bisher gibt es keine Medikamente, die Autismus behandeln können, häufig werden aber die Begleitsymptome medikamentös behandelt.
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