Sprechen über sich selbst in der dritten Person: Psychologie und Ursachen

Ertappt man sich hin und wieder dabei, mit sich selbst zu reden, bedeutet das nicht automatisch, dass etwas nicht stimmt, im Gegenteil - ein ordentliches Selbstgespräch kann durchaus positiv wirken. Im Generellen vermeiden wir es jedoch, in der Öffentlichkeit solche Selbstgespräche zu führen, da sie als bizarr bewertet, häufig sogar mit psychischen Erkrankungen assoziiert werden.

Doch die Münchner Psychologin Julia Haneveld ist da anderer Meinung: „Selbstgespräche […] sind sehr normal beziehungsweise weit verbreitet. Die Forschung schätzt, dass 96 Prozent der Erwachsenen regelmäßig ihre innere Stimme verbalisieren“.

Der Sinn und Zweck von Selbstgesprächen

Im Alltag muss man an viele Dinge gleichzeitig denken - an die noch zu erledigenden Aufgaben im Büro, an den Einkauf, an die Wäsche, die gewaschen werden muss. Sagt man sich all das laut vor, können Gedanken strukturiert werden, denn „[d]ie intensiven Erlebnisse der Welt, die auf sie einströmen und zu viel für das Gehirn sind, müssen schließlich eingeordnet werden“, so der deutsche Psychiater und Psychotherapeut Peter Falkai.

Vor allem im Spitzensport-Bereich kann beobachtet werden, wie Sportler*innen vor Wettkämpfen mit sich selbst sprechen, sich motivieren, Mut machen und sich fokussieren. Und auch dahin gehend, sich etwas gedanklich besser einzuprägen (beispielsweise den Lernstoff oder eine Rede), kann das Selbstgespräch von großem Nutzen sein, denn „[m]anche Leute können sich Sachen besser merken, wenn sie vor sich hinreden.

Gemäß den Ausführungen dienen Selbstgespräche also durchaus der Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit. Doch in manchen Fällen können Selbstgespräche das Gegenteil bewirken bzw. Selbstgespräche können nämlich einen gegenteiligen Effekt erzielen, wenn diese vornehmlich negativer Natur sind.

Lesen Sie auch: Verkehrsregeln Kreuzungen

Wann Selbstgespräche auf eine Störung hindeuten

Zwar werden Selbstgespräche im öffentlichen Raum häufig mit einer psychischen Erkrankung in Verbindung gebracht, sind aber nur selten ein Anzeichen dafür. Wann Selbstgespräche tatsächlich auf eine Störung hindeuten, erklärt Haneveld wie folgt: „Die Grenze zur psychischen Erkrankung verläuft quasi an der Stelle, an der Betroffene nicht mehr unterscheiden können, was der Realität entspricht und was nicht“.

Dem zuzuordnen seien beispielsweise Demenzerkrankungen, Depressionen oder Schizophrenie, denn sie würden „als Kernsymptom eine Störung der Denkabläufe“ aufweisen, so ihre weitere Ausführung.

Dennoch gilt im Allgemeinen, dass „Selbstgespräche […] in einem angemessenen Rahmen ganz und gar nicht schlecht“ seien, wie die deutsche Psychologin Corinna Reichl betont. Sie können nämlich, wie eben ausgeführt, zur Selbstorganisation hinsichtlich Gedanken und Aufgaben, zur Motivation und zur Steigerung des eigenen Selbstwertes dienen und damit zur Aufrechterhaltung des psychischen Wohlbefindens beitragen.

Werden sie jedoch dazu genutzt, um fehlende soziale Kontakte aufgrund von Einsamkeit zu kompensieren oder um sich selbst fortlaufend abzuwerten, sollten sie als Warnhinweis für die Entstehung einer psychischen Erkrankung wie Depression oder Angststörung verstanden werden, was sodann auch psychotherapeutische Hilfe notwendig macht.

Illeismus: Sprechen von sich selbst in der dritten Person

Wenn eine Mutter ihr Kind zärtlich bittet „Gib’ der Mama einen Kuss“ oder ein Ausdauersportler mit dem Ansporn „Der träge Sack darf jetzt nicht schlapp machen“ letzte Kräfte mobilisiert, reden Menschen in der dritten Person mit und von sich selbst. Linguisten nennen es Illeismus (lateinisch ille = jener / er und dem Kennzeichen für Hauptwörter -ismus) wenn jemand von sich selbst in der dritten Person spricht.

Lesen Sie auch: Wie sich intelligente Menschen verhalten

Entweder gilt es als rethorischer Kniff soziale oder familiäre Beziehungen zu betonen, als literarischer Kunstgriff (Julius Caesar spricht im Bello Gallico von „Caesar“, wenn er sich als erfolgreichen Feldherrn schildert) oder als Ausdruck enorm entwickelter Eitelkeit.

Illeismus zur emotionalen Selbstkontrolle

Forscher der Michigan State University in East Lansing und der University of Michigan in Ann Arbor (USA) erkannten in den Selbstgesprächen eine potentielle Technik zur Selbstbeherrschung und Stressbewältigung. Sie untersuchten in getrennt durchgeführten Experimenten die gemeinsame Fragestellung, inwiefern die Illeismus-Selbstdistanzierung hilft, Emotionen zu kontrollieren.

Im ersten Experiment präsentierten die Forscher 37 Probanden emotional neutrale und irritierende, verstörende Bilder (beispielsweise ein Mann, der sich eine Pistole an den Kopf hält). Dabei wurden mit Elektroenzephalogramm (EEG) die Gehirnströme gemessen. Je nach Bild sollten sich die Versuchsteilnehmer in einem kurzen Selbsttest in der ersten Person („Warum verstört mich dieses Bild?“) oder in der dritten Person nach der Ursache der emotionalen Reaktion befragen.

Dabei zeigte sich, dass die innere Anspannung durch irritierende Bilder sehr viel schneller abklang, wenn das Selbstgespräch in der dritten Person formuliert wurde.

Das zweite Experiment überprüfte dieses Ergebnis an weiteren 52 Probanden mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT). Die Hirnscans sind präziser in der räumlichen Auflösung als das EEG. Die aktiven Gehirnareale können genauer bestimmt werden. Doch die Versuchssituation wird durch den Aufenthalt in der „Röhre“ von den Probanden oftmals als beklemmend empfunden. Zudem ist die zeitliche Auflösung, die Präzision beim Messen des Reiz-Reaktions-Zusammenhangs, schlechter als beim EEG.

Lesen Sie auch: Mehr emotionale Stärke

Auch in dieser Versuchsanordnung war die emotionale Hirnaktivität bei Selbstgespräche in der dritten Person besonders gering.

"Wirklich interessant ist, dass die Daten beider unabhängiger Experimente darlegen, dass Selbstgespräche in der dritten Person, eine vergleichsweise mühelose Form der emotionalen Selbstkontrolle darstellen“, fassen die Forscher ihre Ergebnisse im Fazit zusammen und erklären diesen Effekt durch die sprachliche Distanzierung und den gedanklichen Abstand: „Von sich selbst in der dritten Person zu sprechen führt dazu, dass Leute mehr über sich selbst nachdenken wie über andere Menschen.“

Die Erkenntnis, dass diese Form der emotionalen Selbstkontrolle nur geringe geistige Anstrengung voraussetzt, könnte das Dritt-Person-Selbstgespräch zu einem hilfreichen Therapieansatz für stressgeplagte Menschen machen.

Der Third-Person-Effekt

Menschen glauben an die Wirkung von Medien - nur glauben sie nicht, dass sie selbst davon betroffen sind. Menschen oder Gruppen, die uns ähnlich sind, denen trauen wir auch mehr zu. Wer anders ist, dem nicht. Das führt uns zu einer krassen Fehleinschätzung, mit der wir den Medieneinfluss auf andere überschätzen.

Der Kommunikationswissenschafter W. Er gilt als Schöpfer und Namensgeber des Effekts. Der Third-Person-Effekt ist eine Theorie der Medienwirkung. Sie beschreibt eine Wirkung von Medieninhalten auf eine oder mehrere Personen.

  1. Wahrnehmungs-Komponente: Menschen glauben, dass andere Menschen stärker von Medien beeinflusst werden als sie selbst.
  2. Nehmen wir an Sebastian, 34, hält es nicht für sonderlich problematischen, wenn er täglich Videospiele spielt. Er glaubt nicht, dass diese ihn isolieren oder aggressiv machen. Dennoch hält er es für problematisch, wenn Jugendliche andauernd Videospiele spielen. Gerade gewalttätige Inhalte machen diese doch aggressiv. Deshalb fände er es besser, wenn solche Spiele für Jugendliche verboten wären. Sebastian glaubt also an eine Wirkung der Medien auf andere. Er selbst hält sich für immun.

Marco Dohle, Kommunikationswissenschaftler und Autor von „Der Third-Person-Effekt“, fast die Begriffe Davisons so zusammen:

  1. ICH (First Person): die eigene Person
  2. DU (Second Person): Menschen, die einem nahestehen

Jeder einzelne von uns ist nun also seine eigene „First Person“. Und wir vertrauen auch unserer Umgebung, dass sie den Umgang mit den Medien beherrscht. Aber wir nehmen an, dass es diese „anderen“ gibt, die sich relativ stark beeinflussen lassen. Es sind die Fans von True-Crime-Shows, die sich in der eigenen Nachbarschaft nicht mehr sicher fühlen.

Gruppen, denen wir uns nicht zugehörig fühlen. Die wahrgenommene Distanz zwischen sich selbst und einer solchen Gruppen nennt man die soziale Distanz. Je höher die soziale Distanz zwischen der First-Person und der Third-Person, desto höher ist die Third-Person-Wahrnehmungsdifferenz. Diese soziale Distanz kann politisch, gesellschaftlich oder psychologisch sein.

Alter, Geschlecht, Bildung, Wohnort und Ansichten - all das fließt in die wahrgenommene Distanz mit ein. Sie kann Ähnlichkeit, Vertrautheit und Identifikation sein.

Mutismus: Wenn Schweigen zur Störung wird

Mutismus (lat. mutitas „Stummheit“, mutus „stumm“; psychogenes Schweigen) ist eine Kommunikationsstörung, wobei keine Defekte der Sprechorgane und des Gehörs vorliegen. Der Mutismus tritt mehrheitlich in Verbindung mit einer Sozialphobie auf. Im Jugend- und Erwachsenenalter ist das Schweigen häufig eingebettet in Depressionen.

Man unterscheidet beim Mutismus zwischen dem (s)elektiven Mutismus, dem totalen Mutismus sowie dem akinetischen Mutismus.

Formen des Mutismus

  • Selektiver Mutismus: Die Unfähigkeit zur Artikulation liegt nur in spezifischen Situationen vor. In vertrauten Umgebungen spricht der Erkrankte meist sogar überdurchschnittlich viel, als ob der versäumte Gesprächsstoff nachgeholt werden müsse.
  • Totaler Mutismus: Die betroffene Person kann in keiner Situation mit anderen Personen verbal kommunizieren. Der totale Mutismus kann durch Schockerlebnisse ausgelöst werden.
  • Akinetischer Mutismus: Ein neurologisches Syndrom, das durch eine schwere Störung des Antriebes gekennzeichnet ist. Dabei ist der Betroffene wach und hat keine Lähmungen. Er bewegt sich aber selbst nicht (Akinese), spricht nicht (Mutismus) und zeigt auch keine Emotionen, da hierzu jeglicher Antrieb fehlt.

Ursachen und Behandlung

Der Mutismus ist in der Regel durch eine Disposition bedingt. Traumata können eine Rolle spielen. Die Störung ist oft mit Sozialangst, Rückzug oder Widerstand verbunden. Die Behandlung erfolgt sprachtherapeutisch, psychotherapeutisch und/oder psychiatrisch.

Eine mutismusspezifische Behandlungskonzeption ist die Systemische Mutismus-Therapie (SYMUT) von Hartmann. Sie verbindet sprachtherapeutische und verhaltenstherapeutische Maßnahmen.

Wahn: Wenn die Realität verzerrt wird

Unter einem Wahn versteht man eine unkorrigierbare Fehlbeurteilung der Wirklichkeit. Häufig treten Wahnvorstellungen bei Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Manie auf. Es gibt unterschiedliche Arten von Wahnthemen wie den Beziehungswahn oder Eifersuchtswahn.

Die Übergänge zwischen normalen Vorstellungen und krankhaften Wahnvorstellungen sind meist fließend. Entscheidend ist die subjektive Gewissheit der Patient:in über die Wahninhalte. Die Behandlung eines Wahns kann mittels Psychotherapie oder Medikamenten erfolgen.

Rund 2 - 3 % aller Menschen sind von wahnhaften Störungen betroffen. Bei Wahn werden realen Sinneswahrnehmungen (z. B. ein Auto, das vor der Haustür parkt) abnorme Bedeutungen zugeordnet (z. B., dass man von jemandem überwacht wird).

Arten des Wahns

Man unterscheidet folgende Wahnthemen:

Wahnthema Beschreibung Vorkommen
Beeinträchtigungswahn Ständige Benachteiligung und Ungerechtigkeiten werden wahrgenommen Besonders bei älteren Menschen (ab dem 6. / 7. Lebensjahrzehnt)
Beziehungswahn Erkrankte:r hat das Gefühl, alles um ihnherum geschieht seinetwegen und um ihm ein Zeichen zu geben; Gefühl, dass andere über einen spotten und lachen Häufigstes Thema bei wahnhafter Störung und oft bei beginnender Schizophrenie
Eifersuchtswahn Betroffene Person ist unkorrigierbar von der Untreue der Partner:in überzeugt Bei wahnhafter Störung, Alkoholismus, Schizophrenie; bei Männern häufiger als bei Frauen
Größenwahn Eigene Person, Fähigkeiten und Bedeutung werden maßlos überschätzt Bei Schizophrenie, Manie, organischen psychischen Störungen
Verfolgungswahn Erkrankte:r hat das Gefühl, bedroht und verfolgt zu werden bzw., dass ein Komplott (gegen ihn) geschmiedet wird Besonders häufig bei Schizophrenie

tags: #von #sich #in #der #3 #person