Verhalten eines Autisten: Merkmale und Besonderheiten

"Autismus" ist laut Definition eine Entwicklungsstörung. Der Begriff setzt sich aus den griechischen Wörtern „autos“ (selbst) und „ismos“ (Ort) zusammen und bedeutet frei übersetzt: „bei sich selbst“. Die Autistische-Spektrum-Störung fasst die sehr variablen Ausprägungen autistischer Symptome zusammen. Sie zählt zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen. Patienten/-innen zeigen in der Regel Abweichungen in der sozialen Interaktion und in der Kommunikation. Weiterhin finden sich eingeschränkte Interessen und Aktivitäten.

Merkmale und Symptome von Autismus

Die Symptome bei Autismus, also der Autistischen-Spektrum-Störung, können in Erscheinung und Intensität sehr unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich liegen allerdings in drei wesentlichen Lebensbereichen Einschränkungen vor.

Sprachliche Entwicklung

An Autismus Erkrankte zeigen sehr oft Auffälligkeiten in der sprachlichen Entwicklung. In einigen Fällen erlernen sie das Sprechen gar nicht oder mit zeitlicher Verzögerung. Die Sprache wird ferner nicht, wie bei gesunden Personen, interaktiv und dynamisch eingesetzt. Viel mehr sprechen Kinder mit Autismus oder autistische Erwachsene häufig monoton, wiederholen bestimmte Worte immer wieder oder kreieren ganz neue Vokabeln. Darüber hinaus haben sie Probleme, „zwischen den Zeilen“ zu verstehen.

Soziale Interaktion

Im sozialen Miteinander haben Autisten/-innen große Schwierigkeiten, da ihnen häufig die Fähigkeit fehlt, sich in Andere hineinzuversetzen. Empathie und das Verständnis für die Gedankengänge des Gegenübers fallen ihnen äußerst schwer. Das führt sehr oft dazu, dass sie sich nicht an gesellschaftliche Konventionen halten oder Schwierigkeiten dabei haben, enge Bindung zu anderen Menschen aufzubauen.

Wiederholende Tätigkeiten und Interessen

Besonders auffällig ist bei vielen ASS-Patienten das Wiederholen von bestimmten Tätigkeiten. Betroffene können sich äußerst ausdauernd mit einer Sache beschäftigen. Dabei kann es sich zum Beispiel um schaukelnde Bewegungen, Fingerspiele oder das Beobachten von sich drehenden Dingen oder Wasser handeln. Darüber hinaus fällt es von Autismus betroffenen sehr schwer, mit Veränderungen umzugehen. Autistische Kinder brauchen häufig lange, um windelfrei zu werden.

Weitere Auffälligkeiten

Auch das Schmerzempfinden kann Besonderheiten aufweisen. Beispielsweise können Bagatellen zu übermäßig empfundenem Schmerz führen. Genauso gut ist aber auch das Gegenteil möglich. Es kommt vor, dass bei schweren Verletzungen kein Schmerz angegeben wird. Außerdem neigen ASS-Patienten/-innen zu Selbstverletzungen und sind motorisch oft sehr unruhig. Der Intellekt kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.

Formen von Autismus

Die Autismus-Spektrum-Störung (kurz ASS) ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die auf eine veränderte Zusammenarbeit verschiedener Gehirnstrukturen zurückzuführen ist. Entwicklungsauffälligkeiten sowie der Schweregrad von Autismus können individuell sehr stark variieren. Deshalb spricht man in diesem Zusammenhang von einem Spektrum an Erscheinungsformen.

Asperger-Syndrom

Das Asperger-Syndrom ist nach einem österreichischen Kinderarzt benannt und stellt eine Variante der Autistischen-Spektrum-Störung dar. Auch Patienten/-innen mit Asperger-Syndrom weisen typische Anzeichen der Autismus-Spektrum-Störungen auf. Im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus haben sie allerdings in der Regel einen normalen oder überdurchschnittlich hohen Intelligenzquotienten. Ihre Fähigkeiten der sozialen Interaktion und des Empathie-Empfindens sind typischerweise auffällig.Im Mittelpunkt des Asperger-Syndroms stehen Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen. Anders als beim frühkindlichen Autismus verlaufen die intellektuelle und sprachliche Entwicklung in der Regel unauffällig. Wird das Asperger-Syndrom frühzeitig erkannt, kann durch Fördermaßnahmen und Behandlung die Entwicklung deutlich unterstützt werden. Mögliche Folgeprobleme wie soziale Isolation, Belastung durch Mobbing oder Verhaltensauffälligkeiten können so deutlich reduziert werden.

Frühkindlicher Autismus

Frühkindlicher Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung und betrifft somit verschiedene Entwicklungsbereiche. Er tritt vor dem dritten Lebensjahr auf. Auffälligkeiten der sozialen Kommunikation zeigen sich in Schwierigkeiten, einen Dialog zu führen, Einschränkungen im Gesichtsausdruck bzw. des Blickkontakts während der Kommunikation und der Gestik. Beschäftigung mit sich immer wiederholenden Tätigkeiten können auch ungewöhnlich sein, zum Beispiel das Drehen von Dingen oder Aufreihen von Gegenständen beim Spielen oder Wippen.Wie stark der frühkindliche Autismus ausgeprägt ist, ist verschieden. Die intellektuellen Fähigkeiten sind ebenso sehr unterschiedlich. Ungefähr ein Drittel der Menschen mit Autismus ist von einer Intelligenzminderung betroffen. Es ist möglich, dass Kinder mit frühkindlichem Autismus nur minimale oder gar keine sprachlichen Fähigkeiten erwerben.

Ursachen von Autismus

Störungen des Autismus-Spektrums entwickeln sich bereits ab der frühen Kindheit. Deutliche Symptome zeigen sich mitunter erst, wenn die Herausforderungen des sozialen Lebens die eigenen Fähigkeiten übersteigen. Die Fachwelt geht jedoch davon aus, dass Vererbung eine wesentliche Rolle spielt. So haben Familien mit einem autistischen Kind ein deutlich erhöhtes Risiko, ein weiteres Kind mit Autismus zu bekommen. Sehr selten können Änderungen der Erbsubstanz auch ohne Vererbung auftreten. Dabei dürfte eine Kombination von verschiedenen spontanen Mutationen in Genen die Störung auslösen.Es gibt eine genetische Komponente: Es wird eine genetische Prädisposition von etwa 90 Prozent angenommen. Zudem haben auch Umweltfaktoren einen Einfluss.

Diagnose von Autismus

Die Diagnose von Autismus erfolgt meist multidisziplinär durch Ärztinnen und Ärzte und weitere Gesundheitsberufe, zum Beispiel aus dem Bereich der Klinischen Psychologie oder Logopädie. Bei einer Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) ist unter anderem wesentlich, seit wann Symptome bestehen und ob sonstige Krankheiten bzw. Entwicklungsverzögerungen aufgetreten sind. Zudem findet eine körperliche Untersuchung statt. Ebenso erfolgen eine neurologische Untersuchung, die Abklärung des Entwicklungsstandes und der Kompetenzen in Bezug auf Sprache bzw. Auch standardisierte Testverfahren finden Anwendung, zum Beispiel das Diagnostische Interview für Autismus oder die Diagnostische Beobachtungsskala für autistische Störungen. Die Ärztin oder der Arzt schlägt meist auch ein EEG sowie eine Prüfung von Hören und Sehen vor. Die Ärztin oder der Arzt schließt zudem mögliche andere Erkrankungen aus.Eine Diagnose von frühkindlichem Autismus ist zumeist bereits im Alter von zwei Jahren möglich.

Therapie und Unterstützung

Aufgrund der vielen Besonderheiten des Lebens mit „Autismus“, kann der Alltag, sowohl für Betroffene als auch deren Angehörige, sehr herausfordern sein. In Fachkreisen wird daher eine intensive, langfristige und früh einsetzende Therapie nahegelegt. Dabei stehen Verhaltenstherapie und Kompetenztraining im Vordergrund. Unterstützend kommen häufig auch Physiotherapie oder Ergotherapie zum Einsatz. Das Hilfe-Netzwerk für Betroffene ist aufgrund der relativen Häufigkeit der Erkrankung recht gut ausgebaut.

Therapeutische Unterstützung

Therapeutische Unterstützung erfahren Autismus-Spektrum-Störung-Patienten/-innen oft schon sehr früh. Diese zielt auf das Erlernen von “normalen” Verhaltensweisen und Regeln ab. Kommunikative und interaktive Kompetenzen stehen dabei im Mittelpunkt. Auch Problemlösungsstrategien, Hilfe bei der sozialen Wahrnehmung oder der Regulation von Gefühlen werden angeboten.

Logopädie und Ergotherapie

Patienten/-innen mit Sprachstörungen, wie sie ASS-Patienten/-innen oft aufweisen, finden Unterstützung bei einem/-r Logopäden/-in. Logopäden/-innen führen beispielsweise Wahrnehmungsübungen, Lautbildungsübungen oder Atem- und Stimmtrainings durch. Dabei kommen Computer, Gebärden oder Sprechtafeln zum Einsatz. Mit Hilfe von Ergotherapie schaffen es „Autismus“-Patienten/-innen, also etwa Menschen mit Autismus oder Menschen mit Asperger-Syndrom, im Alltag besser zurecht zu kommen. Ergotherapeuten/-innen unterstützen dabei, ein möglichst selbstständiges Leben führen zu können. Dazu werden verschiedenste Kompetenzen trainiert. Beispielsweise können Konzentrations- und Gedächtnistrainings, kreative Übungen oder Bewegungstrainings hilfreich sein.

Medikamentöse Behandlung

Die Ärztin oder der Arzt kann auch Medikamente verschreiben. Diese wirken jedoch nicht direkt gegen Autismus. Bei Unruhe, Reizbarkeit oder Aggressivität kommt vor allem der Wirkstoff Risperidon zum Einsatz. Liegen Symptome vor, die einem ADHS ähnlich sind, können sogenannte Stimulantien hilfreich sein. Bei Schlafproblemen kommt etwa das Hormon Melatonin zum Einsatz. Die Ärztin oder der Arzt kann auch Medikamente verschreiben, wenn begleitende Erkrankungen vorliegen.

Bedeutung des sozialen Umfelds

Die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Bezugspersonen ist für den Behandlungserfolg wesentlich, zum Beispiel, um erlernte Fähigkeiten im sozialen Umfeld einzusetzen. Familien bzw. Bezugspersonen können auch selbst Unterstützung in Anspruch nehmen, z.B.

Frühzeitige Intervention

Ein möglichst früher Eingriff kann dabei helfen, das Ausmaß der Beeinträchtigungen, die mit Autismus verbunden sein können, zu reduzieren. Sie brauchen Unterstützung durch das soziale Umfeld, denn Sie tun gut daran, sich für diesen Weg von Anfang an Unterstützung zu holen.

Umgang mit Autismus im Alltag

Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung empfinden ihre Umwelt oft als chaotisch und unvorhersehbar. Sie haben große Schwierigkeiten damit, sich flexibel an neue Situationen und Abläufe anzupassen und sich adäquat zurechtzufinden. Durch den Einsatz bestimmter Verhaltensmuster versuchen Betroffene daher ihre Umwelt vorhersehbarer und durchschaubarer zu gestalten.

Verhaltensweisen und Interessen

  • Repetitive/stereotype Verhaltensweisen: Darunter versteht man bestimmte Handlungen, die immer wieder (auf dieselbe Art und Weise) wiederholt werden. Manche Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung zeigen auffällige Körperbewegungen, wie zum Beispiel mehrmaliges Flattern mit Armen oder ein Schaukeln des Oberkörpers. Außerdem bevorzugen sie fixe Abläufe und Strukturen, die für andere nicht immer Sinn ergeben.
  • Spezialinteressen: Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung entwickeln oft ein großes Interesse an bestimmten Themen oder Objekten. Damit beschäftigen sie sich sehr intensiv und ungewöhnlich lange. Die Auswahl des Spezialinteresses hängt dabei von den Vorlieben und dem Entwicklungsstand der jeweiligen Person ab.

Kommunikation

Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung haben oft Probleme mit dem Inhalt und der Anwendung von Sprache:
  • Expressive Sprache: Die Fähigkeit Sprache gezielt einzusetzen um etwas Bestimmtes auszudrücken oder zu bekommen ist bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung oft beeinträchtigt.
  • Rezeptive Sprache: Es kann vorkommen, dass Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung nur wenig auf sprachliche Kontaktangebote oder Aufforderungen reagieren. Manchmal ist aber auch das sprachliche Verständnis soweit eingeschränkt, dass nur einfache Begriffe und kurze Sätze verstanden werden. Außerdem haben Betroffene Schwierigkeiten doppeldeutige, sarkastische oder ironische Bemerkungen zu verstehen.
  • Non-verbale Kommunikation: Bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung besteht die Schwierigkeit vor allem darin non-verbale Signale zu erkennen und sie zu deuten.
Soziale Interaktionen, also Situationen in denen es zu Kontakten mit anderen Menschen kommt, gestalten sich für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung oft schwierig.

Tipps für Eltern

* Denken Sie daran, dass Ihr autistisches Kind in kleinen Schritten lernt. Es reicht zum Beispiel, wenn es erst einmal immer wieder ein bestimmtes Teil in ein Puzzle einsetzt, erst dann muss es das nächste Teil ausprobieren.* Ihr Kind braucht sehr viel Lob, wenn es etwas gut gemacht hat!* Viele autistische Kinder lieben Belohnungen (so genannte "Verstärker"), die Geräusche machen oder blinken und/oder leuchten.* Wenn Ihre gemeinsamen Spielsequenzen einmal nicht so erfolgreich sind wie sonst, lassen Sie sich nicht entmutigen.* Sie sind nicht allein! In Ihrer Nähe gibt es Eltern, denen es ähnlich geht, und Sie tun gut daran, sich mit diesen zu verabreden und auszutauschen.

Filme und Serien zum Thema

Die aktuell wohl bekannteste Serie, in der die Hauptfigur Sam Autist ist, heißt "Atypical". Darin geht es - mal humorvoll, mal sehr ernst - um das Aufwachsen von Sam in seiner Familie und seinem Weg ins Erwachsenenleben. Seit dem der Schauspieler Dustin Hoffman im Film "Rain Man" eine autistische Person spielte, so viele Kritiker/innen, sei der Autismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das Jahr 1988, in dem der Film erschien, setzte so einen kleinen, aber wichtigen Meilenstein für die Repräsentanz von Menschen im Spektrum.
Aspekt Autismus-Spektrum-Störung (ASS) Asperger-Syndrom Frühkindlicher Autismus
Intelligenz Variabel, oft Intelligenzminderung Normal bis überdurchschnittlich Variabel, oft Intelligenzminderung
Sprachentwicklung Verzögert oder fehlend Normal Oft verzögert oder fehlend
Soziale Interaktion Deutliche Beeinträchtigungen Schwierigkeiten, aber oft Interesse Starke Beeinträchtigungen
Interessen und Verhalten Repetitiv, eingeschränkt Spezifische, intensive Interessen Repetitiv, stereotyp
Diagnosealter Variabel Oft später, nach dem Kleinkindalter Früh, meist vor dem 3. Lebensjahr

Lesen Sie auch: Hilfe bei Angst

Lesen Sie auch: Was tun bei einer Hai-Begegnung?

Lesen Sie auch: Wichtige Verhaltensregeln nach Katarakt-OP

tags: #verhalten #eines #autisten #merkmale