Die Transaktionsanalyse (TA) nach Eric Berne geht davon aus, dass jeder Mensch bei seiner Geburt „ok“ ist. Jeder Mensch mit psychischem Leiden ist als vollwertiger und vollständiger Mensch anzuerkennen, und jeder Mensch hat die nötigen kognitiven und kommunikativen Fertigkeiten, die er braucht, um sein Leben selbstbestimmt zu führen und positiv zu gestalten. Für Coaching, Pädagogik und allgemein Arbeit und Interaktion mit Menschen in professionellen sowie in privaten Settings ist dies eine immens wichtige Grundannahme, welche ein lösungsorientiertes Handeln überhaupt erst ermöglicht. Dieser Artikel erklärt, was genau unter Transaktionsanalyse verstanden wird, wofür sie angewendet wird und worauf sie abzielt.
Bei der Transaktionsanalyse handelt es sich um eine psychologische Methode, bei welcher das Verhalten und die Kommunikation von Menschen analysiert werden. Die TA ermöglicht es Menschen, ihre Wahrnehmung zu ergründen, zu reflektieren und wenn nötig zu ändern. Dadurch kann menschliches Verhalten besser verstanden, vorhergesehen und auch verändert werden. Besonders gut eignet sich der Einsatz der TA daher zur Bearbeitung und Auflösung von diversen Konflikten.
Die drei Ich-Zustände
Berne unterteilte das Verhalten des Menschen in drei sogenannte „Ich-Zustände“ bzw. „Ich-Positionen“: das „Eltern-Ich“, das „Kind-Ich“ und das „Erwachsenen-Ich“. Zwischen diesen wechselt der Mensch ständig hin und her. Wir sprechen hier also von einer Transaktion. Bei der Transaktionsanalyse werden dieser Wechsel sowie das dabei geänderte Verhalten und die Kommunikation der Person genau unter die Lupe genommen.
- Das Eltern-Ich: Von klein auf lernt und imitiert der Mensch seine Eltern bzw. das Verhalten von Vorbildern.
- Das Kind-Ich: Das Kind-Ich steht im Kontrast dazu.
- Das Erwachsenen-Ich: Eric Berne war davon überzeugt, dass jede menschliche Handlung einer dieser drei Kategorien zugeordnet werden kann.
In der Kommunikation bietet die Transaktionsanalyse somit eine Verständnishilfe, das eigene aber auch das Kommunikationsverhalten anderer zu verstehen. Denn ist man sich sowohl der eigenen Zustands-Charakteristika und Transaktionsmuster als auch der des sozialen Umfelds bewusst, so kann man das eigene Verhalten sowie das der anderen besser einschätzen und auch bis zu einem gewissen Grad beeinflussen.
Die vier Grundhaltungen
Als Basis der Transaktionsanalyse gelten neben den drei Ich-Positionen auch die vier Grundhaltungen, die Menschen in verschiedenen Situationen besetzen. Obwohl wir auch zwischen diesen Positionen kontextabhängig wechseln, wird angenommen, dass jeder Mensch von klein auf eine dieser vier Grundeinstellungen als Lebenseinstellung hat und somit die meiste Zeit des Lebens in dieser „Home-Base“ verbringt. Bin ich mir meiner Lebenseinstellung aber erst einmal bewusst, habe ich mehr Chancen, in manchen Situationen bewusst und gezielt in eine angemessenere Einstellung zu wechseln.
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- Ich bin ok. Du bist ok. Eine Person in dieser Lebensgrundhaltung nimmt sich und andere positiv war.
- Ich bin ok. Du bist nicht ok. Bei dieser Grundhaltung nimmt man sich selbst als der Umwelt überlegen wahr und sucht vermeintliche Fehler meist zuerst in der Umwelt und bei den anderen. Der eigene Beitrag wird nicht hinterfragt.
- Ich bin nicht ok. Du bist ok. Hier ist es genau umgekehrt: Die eigene Person wird abgewertet, die Umwelt ist für Missstände nicht verantwortlich.
- Ich bin nicht ok. Du bist nicht ok. Diese Position steht im Zeichen absoluter Verzweiflung, da man sowohl sich selbst als auch die Umwelt negativ bewertet.
Weitere Konzepte der Transaktionsanalyse
- Die drei Ich-Zustände („Eltern-Ich“, „Erwachsenen-Ich“ und „Kind-Ich“) helfen Menschen dabei, das eigene Denken, Fühlen und Handeln sowie das von anderen besser zu verstehen. Weiß man, in welchem Zustand man selbst und der/die andere sich gerade befindet, so kann man angemessener und zielführender kommunizieren und reagieren.
- Diesen Wechsel zwischen den drei Ich-Zuständen nennt man Transaktion. Während wir Menschen alltäglich mehrmals in verschiedenen Situationen und Kontexten unbewusst zwischen unseren Ich-Positionen hin und her wechseln, arbeiten Transaktionsanalytiker*innen mit dem gezielten Herbeiführen dieser Transaktionen. Äußert beispielsweise eine erwachsene Person trotzig den Glaubenssatz „Aber ich kann das einfach nicht!“, so kann es eine transaktionsanalytische Intervention sein, wenn man die Person fragt: „Was bräuchtest du, um es doch zu schaffen?“. Dadurch fängt die Person wahrscheinlich an, rational und objektiv zu überlegen und wechselt langsam vom trotzigen, hilflosen Kind-Zustand in den Erwachsenen-Zustand mit größerem und lösungsorientiertem Handlungsspielraum.
- Ausnahmslos jeder Mensch hat überlebenswichtige psychologische Grundbedürfnisse. Sei es das Bedürfnis nach Sicherheit, Anerkennung, Zuneigung oder etwas anderem: im Streben nach der Befriedigung dieser Grundbedürfnisse handeln Menschen äußerst unterschiedlich. In der Transaktionsanalyse beschäftigt man sich damit, wie diese Bedürfnisse auf eine positive und gesunde Art und Weise befriedigt werden können.
- Ein weiteres spannendes Konzept in der Transaktionsanalyse ist das sogenannte „Lebensskript“. Dabei handelt es sich um eine Art Drehbuch unseres eigenen Lebens, welches wir unbewusst in unserer Kindheit und Jugend selbst „schreiben“. Das heimtückische dabei ist allerdings genau das: es ist uns meist nicht bewusst, wie unser eigenes Drehbuch aussieht und dennoch leben wir danach und treffen unsere Entscheidungen daran angemessen. In der TA ist es somit ein wichtiger erster Schritt, diesen unbewussten Lebensplan sichtbar und bewusst zu machen. Denn nur wenn das gegeben ist, kann dieser auch kritisch hinterfragt und bearbeitet werden.
- Ob bewusst oder unbewusst, wir alle spielen sie - psychologische Spiele. Psychologische Spielchen sind sowohl im Single- als auch im Multiplayermodus möglich und auf lange Sicht gehen meist mehr Verlierer*innen als Gewinner*innen aus dem Spiel. Auch wenn wir uns unserer psychologischer Spiele manchmal bewusst sind, so stecken meistens dennoch unbewusste Motive dahinter. Egal ob in Partnerschaften, Freundschaften, in Arbeitsbeziehungen oder mit dir selbst: verfällst du in ähnlichen Situationen immer wieder in die gleichen (unangebrachten bzw. nicht zielführenden) Verhaltensmuster und blockierst damit dich selbst und deine Beziehungen, so ist es wahrscheinlich, dass du hier unbewusst psychologische Spiele spielst. Diese erschweren maßgeblich die positive Entwicklung von Beziehungen und persönlicher Weiterentwicklung.
- Obwohl wir alle gleiche Gefühle empfinden, ist die Art und Weise wie wir diese nach außen hin zeigen oftmals sehr unterschiedlich. Häufig sind wir hier geprägt von unserer Kindheit und Jugend und der Reaktion unserer Außenwelt (allem voran unserer Eltern) auf das Zeigen unserer Gefühle. Von Ersatzgefühlen spricht man dann, wenn die Primäremotion (z.B. Trauer) durch eine Sekundäremotion (z.B. Wut) ausgedrückt bzw. überdeckt wird. Erfährt ein Kind beispielsweise nicht die gewünschte Bedürfnisbefriedigung (z.B. Trost) auf den angemessenen Ausdruck (z.B. Weinen) der empfundenen Primäremotion (z.B. Trauer), sondern wird von den Eltern gerügt, so ist es wahrscheinlich, dass das Kind auf Dauer lernt, diese Primäremotion zu unterdrücken und anders auszudrücken. Bekommt das Kind beispielsweise mehr Aufmerksamkeit, wenn es wild schreit und mit Sachen um sich wirft, als wenn es weint, so kann es sein, dass auch im späteren Leben Trauer eher durch Wut ausgedrückt wird.
- Das Konzept der Passivität zeigt ein unbewusstes Konzept der Selbstsabotage. Es geht darum, was Menschen unbewusst tun, um ihre eigentlichen Ziele nicht zu erreichen. In der Transaktionsanalyse werden diese Blockaden sichtbar gemacht, sodass die Personen wieder ins lösungsorientierte Tun kommen.
- Innere Antreiber sind meist mit inneren Zwängen verbunden. Sie sind wie unbewusste Mantras, welche wir im Laufe unseres Lebens erlernt und mitbekommen haben, welche uns aber oftmals auch im Weg stehen und unserer persönliche Freiheit einschränken können.
Anwendung der Transaktionsanalyse
Transaktionsanalyse kann menschliche (Inter-)Aktion sichtbar und verständlich machen. Sie ist ein äußert wertvolles Tool, welches in zahlreichen Feldern und Situationen Anwendung findet. Die TA spielt eine wichtige Rolle in der Psychologie, der Psychotherapie, im Coaching, in pädagogischen Settings sowie im beruflichen oder privaten Alltag bei der Interaktion mit Menschen oder bei der Selbstreflexion. Mithilfe der TA lernen wir uns selbst und unser soziales Umfeld besser kennen. Folglich können wir auch uns selbst sowie unsere Mitmenschen besser verstehen und sind somit in unserem Handeln flexibler und kontrollierter. Wir können unsere Kommunikation zielführender einsetzen und so diversen Konflikten mit uns selbst oder der Umwelt öfter vorbeugen oder diese lösen.
Weitere Methoden zur Verhaltensanalyse
Neben der Transaktionsanalyse gibt es weitere Methoden zur Verhaltensanalyse, wie zum Beispiel die wissenschaftliche Beobachtung. Durch eine Beobachtung werden auf visuelle oder auf auditive Weise verschiedene Geschehnisse genauer in den Blick genommen. Untersucht werden kann jegliche Art von sozialen oder interaktiven Prozessen. Es gibt zwei grundlegend verschiedene Wege, eine Beobachtung durchzuführen: qualitative und quantitative Beobachtung.
Formen der Beobachtung
- Offene Beobachtung: Der Versuchsteilnehmer weiß, dass er beobachtet wird.
- Systematische (oder auch „strukturierte”) Beobachtung: Der Beobachter erhält genaue Vorgaben dazu, was und wie er beobachten und protokollieren soll.
- Unsystematische Beobachtung: Es gibt nur grobe Richtwerte.
- Vermittelte Beobachtungen: Technische Hilfsmittel wie Videoaufzeichnungen werden verwendet.
- Selbstbeobachtung: Der oder die Forschende analysiert das eigene Verhalten.
- Fremdbeobachtung: Das Verhalten anderer wird erfasst.
Profiling und Verhaltensanalyse im Unternehmen
Jeder Mensch liefert durch sein Verhalten (Mimik, Gestik, Körpersprache, Sprache, Stimme, etc) wichtige Informationen über sich selbst. Mit unterschiedlichen wissenschaftlich fundierten Methoden, die in der Mimik- und Verhaltensanalyse vereint und eingesetzt werden, kann daher menschliches Verhalten analysiert, durch gezieltes Kombinieren von Informationen ein Gesamtbild erstellt und anschließend eine objektive Einschätzung über das Verhalten und die Persönlichkeit der betreffenden Person(en) durchgeführt werden.
Auch der Cultural Fit ist ein wichtiges HR-Instrument für den Arbeitgeber geworden: Passen die neue Führungskraft zu uns, ins Team und zu unserer Unternehmenskultur? ArbeitnehmerInnen, deren Wertevorstellungen und Arbeitsweisen sich mit jenen des Arbeitgebers decken, sind zufriedener, leistungsbereiter und bleiben dem Unternehmen länger erhalten. Mit Profiling Führungspotenziale erkennen, fördern und motivieren!
Selbstreflexion als Werkzeug zur Verhaltensanalyse
Die Zeit des Jahreswechsels ist stets von Rückblicken geprägt. Diese Phase bietet auch eine gute Möglichkeit für die Selbstreflexion, um eigenes Handeln und eigene Muster zu überdenken, Ressourcen zu erkennen sowie Maßnahmen für die Zukunft abzuleiten. Unter Selbstreflexion versteht man das Vermögen, das eigene Verhalten möglichst neutral wahrzunehmen und analysieren zu können, um daraus Schlüsse für das weitere Vorgehen zu ziehen. Das bildet den Grundpfeiler für selbstbestimmtes Lernen und Weiterentwicklung.
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Methoden der Selbstreflexion
- Die Reflexionsspirale: Reflektieren in drei Stufen - Zurückschauen, Analyse, Handlung.
- Das Filtermodell: Rückblick zuerst rational, dann emotional.
- SWOT-Analyse: Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken analysieren.
- Zeitachse: Jahresverlauf mit Höhen und Tiefen grafisch darstellen.
Im Rahmen der Selbstreflexion insgesamt wichtig ist, die Aufmerksamkeit von möglichen Problemen der Vergangenheit auf Ressourcen (z.B. eigene Stärken oder unterstützende Kollegen) und neue Ideen zu lenken. Der Blick wird daher lösungsorientiert auf die Zukunft gerichtet, um wieder neue, erreichbare (Zwischen-)Ziele zu formulieren.
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