Unfall, Psychosomatische Bedeutung, Ursachen und Behandlung

Ein schwerer Unfall ist ein einschneidendes Erlebnis. Die Betroffenen werden völlig unvorbereitet aus der Bahn geworfen.

In Österreich wurden im Jahr 2021 über 41.000 Menschen durch Verkehrsunfälle verletzt. Das entspricht 112 Verletzten pro Tag, darunter 19 Schwerverletzte. Die akute medizinische Versorgung bei Verletzungen ist in Österreich in der Regel gut.

Um die körperliche Leistungsfähigkeit wieder herzustellen, sind außerdem oft langfristige Rehabilitationsmaßnahmen notwendig. Ein psychisches Trauma wird durch die Konfrontation mit einer ernsthaften körperlichen oder seelischen Verletzung, durch Todesgefahr oder das Erlebnis des Todes anderer verursacht. Ein schwerer Unfall ist eine Situation, die ein solches Trauma verursachen kann. Eine starke emotionale Reaktion ist nach einem solchen Erlebnis normal.

Was ist ein Trauma?

Ein Trauma ist eine psychische Ausnahmesituation, die durch überwältigende Ereignisse (wie Gewalt, Tod oder Krankheit) ausgelöst wird. Ausgelöst durch überwältigende Ereignisse (z.B. Gewalttat, Krieg oder Katastrophe), die eine Bedrohung für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen oder einer nahestehenden Person darstellt.

Nicht immer muss das traumatische Ereignis außerhalb normaler menschlicher Erfahrungen liegen. Auch Unfälle (z.B. beim Sport oder im Straßenverkehr) können sich etwa traumatisierend auswirken. In der medizinischen Fachsprache wird der Begriff Trauma übrigens auch für akute schwere Verletzungen des Körpers (z.B. Polytrauma nach schwerem Verkehrsunfall) verwendet.

Lesen Sie auch: Umgang mit Unfalltrauma

Unterschiedlichste schreckliche Geschehnisse können traumatisierend wirken. Ein Trauma geschieht unerwartet - eine Vorbereitung ist daher nicht möglich. Betroffene Menschen sind Erfahrungen von extremer Angst, Kontrollverlust und Ohnmacht ausgesetzt. Die meisten Menschen sind zunächst kaum in der Lage, solche Situationen „extremer“ Hilflosigkeit zu verarbeiten.

Die Bewältigungsmechanismen reichen momentan nicht aus, um mit einer derartigen Situation umgehen zu können - wörtlich stürzt eine Welt zusammen. In großen Stresssituationen hat der Mensch instinktiv den Impuls, entweder zu fliehen oder zu kämpfen. Ist beides nicht möglich, erscheint die Situation ausweglos.

Ursachen und Risikofaktoren

Es scheint einen direkten Zusammenhang zwischen der Schwere des traumatischen Ereignisses und dem Auftreten und der Schwere einer Traumafolgestörung zu geben. Die individuelle Lebenssituation und ihre Rahmenbedingungen dürften eine wesentliche Rolle spielen. Biologische, psychische sowie soziale Faktoren spielen mit traumaspezifischen Umständen zusammen.

Untersuchungen zeigten, dass Einflüsse vor und rund um die Geburt sowie auch spätere Lebensumstände genetische Faktoren beeinflussen können. Das nennt man Epigenetik. Vieles ist jedoch in diesem Bereich noch unklar. Epigenetik könnte eine Erklärung dafür sein, warum Traumafolgen über Generationen hinweg wirken können (z.B. Kriegstraumata).

Ob ein Ereignis tatsächlich im Sinne einer Traumatisierung erlebt wird, hängt auch vom Erleben der jeweiligen Person und den Umständen des Traumas ab. Wird jemandem Gewalt von einem nahestehenden Menschen zugefügt (z.B. aus der Familie bzw. dem Freundeskreis), hinterlässt dies besonders tiefe Spuren, da es einen massiven Vertrauensbruch darstellt.

Lesen Sie auch: Richtiges Verhalten nach einem Tunnelunfall

Auch das Vorliegen von bereits vorbestehenden psychischen Störungen oder Erkrankungen (z.B. Angsterkrankungen) oder früherer Traumatisierungen (besonders in der Kindheit) erhöhen das Risiko an einer Traumafolgestörung zu erkranken.

Symptome

Eine akute Belastungsreaktion äußert sich durch vielfältige Symptome. Folgende Anzeichen und Symptome sind typisch für einen Nervenzusammenbruch:

  • Veränderte Wahrnehmung (Derealisation, Depersonalisation): Der Patient nimmt die Umwelt oder sich selbst als fremd und unbekannt war.
  • Bewusstseinseinengung: Die Gedanken des Patienten kreisen ausschließlich um wenige Themen - in dem Fall um die belastende Situation.
  • Wiedererleben der Ausnahmesituation in Alpträumen oder Flash-Backs
  • Erinnerungslücken
  • Übererregung im Sinne von Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Schreckhaftigkeit, erhöhter Reizbarkeit
  • Vermeidungsverhalten wie sozialer Rückzug
  • Gefühlsstörungen (Affektstörung) wie Stimmungsschwankungen zwischen Aggression (z. B. geht ein Nervenzusammenbruch in einigen Fällen mit einem Wutausbruch einher), Angst und Trauer oder unangemessenes Weinen und Lachen
  • Körperliche Symptome (z. B. Erröten, Schweißausbrüche, Herzrasen, Blässe, Übelkeit)
  • Sprachloses Entsetzen: Der Patient kann Erlebtes nicht in Worte fassen und dadurch schlechter verarbeiten.

Mitunter bestehen wenige offensichtliche Symptome, bevor es zu einem Nervenzusammenbruch kommt. Manche Symptome eines Nervenzusammenbruchs beziehungsweise einer akuten Belastungsstörung ähneln denen einer Depression, sind aber davon abzugrenzen.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) stellt eine verzögerte oder verlängerte Reaktion auf eine schwere Belastung bzw. Bedrohung dar.

Einige Menschen erleben aufdringliche Erinnerungen an die traumatische Situation (Nachhallerinnerungen) oder Albträume, die Angst und körperliche Reaktionen (z. B. Anspannung, Schmerzen) hervorrufen können. Betroffene vermeiden Gedanken und Erinnerungen sowie Aktivitäten, Situationen oder Personen, die mit dem traumatischen Ereignis verbunden sind.

Lesen Sie auch: Herausforderungen in der Borderline-Versorgung

Auch lange nach der traumatischen Situation kann es sein, dass sich Betroffene durch die mögliche Wiederkehr neuer traumatischer Erlebnisse bedroht fühlen. Das anhaltende Gefühl von Bedrohung kann dazu führen, dass Betroffene eine erhöhte Schreckhaftigkeit aufweisen.

Untersuchung und Diagnose

Sollte bei Ihnen der Verdacht auf eine akute Belastungsreaktion bestehen, ist ein Psychiater oder Psychologe der richtige Ansprechpartner. Um mehr über Ihre Krankheitsgeschichte (Anamnese) zu erfahren, befragt er Sie zunächst ausführlich. Dabei stellt er Ihnen unter anderem folgende Fragen:

  • Welche körperlichen Symptome nehmen Sie an sich wahr?
  • Wie hat sich Ihr Zustand in der Zeit seit dem Ereignis verändert?
  • Haben Sie Ähnliches bereits in der Vergangenheit erlebt?
  • Wie sind Sie aufgewachsen?
  • Sind Vorerkrankungen bei Ihnen bekannt?

Der Therapeut achtet darauf, dass Sie sich während des Gesprächs sicher fühlen. Besteht der Verdacht auf einen Nervenzusammenbruch, gehören zum Ablauf der Diagnostik auch körperliche Untersuchungen, wie die Messung von Herzfrequenz, Blutdruck und Atemfrequenz. So lassen sich körperliche Reaktionen auf das Geschehene erkennen.

Des Weiteren stellt er fest, ob bei Ihnen Risikofaktoren vorliegen, die eine akute Belastungsreaktion begünstigen und den Verlauf unter Umständen verschlimmern.

Behandlung

Wie so oft hängt der Erfolg einer Therapie maßgeblich davon ab, dass die Erkrankung schnell erkannt und die Behandlung begonnen wird. Je früher sich Patienten dazu entschließen, umso besser sind die Heilungschancen. Wenn sie keine familiäre Anbindung haben und mit ihren Sorgen allein dastehen, passiert das oft nicht.

Ist eine PTBS diagnostiziert, gilt es, zügig einen Platz für eine Einzel- oder Gruppentherapie zu bekommen. Das kann schwierig werden, denn Psychotherapeuten haben oft monatelange Wartezeiten. Und die Zahl der Psychotherapien, die durch die Krankenkasse finanziert werden, ist in Österreich durch Kontingente gedeckelt.

Opfer eines unverschuldeten Verkehrsunfalls stehen vor eine weiteren Herausforderung: von der Kfz-Versicherung des Unfallverursachers die Übernahme der Kosten für eine Psychotherapie zu erreichen. Dafür muss die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden.

In einer Therapie werden Betroffene dazu ermutigt, über das traumatische Ereignis zu sprechen. Eine etablierte Behandlungsmethode ist die „Exposition”. Das heißt, die Betroffenen stellen sich ihrem Trauma. Dies geschieht zunächst nur in ihrer Vorstellung. In einem weiteren Schritt suchen sie mit ihrem Therapeuten Orte oder Situationen auf, die sie an den Unfall erinnern. Beispielsweise setzen sie sich wieder in ein Auto und fahren.

Nervenzusammenbruch-Behandlung: Erste Hilfe

Im ersten Schritt der Therapie steht die Kontaktaufnahme zu dem Patienten im Vordergrund. In einer sicheren Umgebung erhält der Betroffene Unterstützung.

Erkennt die betreuende Person in ersten Gesprächen mit dem Patienten eine mögliche Gefahr der Selbsttötung (Suizidalität), veranlasst sie, dass der Patient stationär aufgenommen wird. Besteht keine akute Gefahr, erfolgt die Behandlung meistens ambulant. Sie besteht aus verschiedenen psychologischen Therapien wie:

  • Verhaltenstherapie (Patienten sollen ein gestörtes Verhalten verlernen und ein neues lernen)
  • Psychoedukation (Patienten sollen die akute Belastungsreaktion als Krankheit verstehen lernen und so besser bewältigen)
  • EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing; durch bestimmte Augenbewegungen soll das Trauma neu erlebt und besser verarbeitet werden)
  • Hypnose

Wenn der Patient zum Beispiel durch Schlafstörungen extrem belastet ist, verschreibt der Arzt gegebenenfalls kurzzeitig schlafanstoßende und dämpfende Medikamente wie Benzodiazepine, Z-Substanzen oder sedierende Antidepressiva.

Psychotherapie

Posttraumatische Belastungsstörungen lassen sich mit Psychotherapie behandeln. Im Vordergrund der Verhaltenstherapie steht die Aufarbeitung, in welcher die Patienten durch den Psychotherapeuten angeleitet werden, das Trauma zu schildern und zu verarbeiten.

Bei der EMDR-Methode (Eye Movement Desensitization and Reprocessing = Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung) führen zusätzliche gezielte Augenbewegungen dazu, dass das Gehirn bilateral stimuliert wird. Hierbei werden Inhalte der Behandlung über ein technisches Medium (z. B. über eine Online-Plattform) vermittelt. Betroffene erhalten bei der Durchführung zusätzliche menschliche Unterstützung, um motiviert zu bleiben und Rückmeldung zu erhalten.

Neben der Verhaltenstherapie sind bestimmte Medikamente wie Antidepressiva oder Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer in der Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen wirksam.

Prävention

Es gibt keine Maßnahme, durch die sich einem Nervenzusammenbruch oder einer akuten Belastungsreaktion zuverlässig vorbeugen lässt. Traumatische Ereignisse ereilen Menschen schicksalshaft, und es lässt sich nicht vorhersagen, wie betroffene Personen darauf reagieren.

Ein frühzeitiges Hilfsangebot - unmittelbar nach dem Ereignis (möglichst noch vor Ort) - hilft bei der Bewältigung und setzt das Risiko für die Entwicklung späterer Traumafolgestörungen herab. Dieses Angebot sollte sich jedoch flexibel an den Bedürfnissen der Betroffenen orientieren.

Ist das Trauma sehr schwerwiegend oder ist die/der Betroffene sehr beeinträchtigt, sollte anschließend an die Erstintervention eine Krisenintervention Anspruch genommen werden. Dabei wird durch Gespräche akut geholfen, die belastende Situation zu bewältigen. In den folgenden Wochen sollte die/der Betroffene je nach Ihren/seinen Bedürfnissen begleitet werden, um verzögerte Traumafolgen rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Selbsthilfe-Strategien

Neben der professionellen Therapie können auch Selbsthilfestrategien eine wichtige Rolle spielen:

  • Achtsamkeit und Meditation: Diese Techniken helfen, im gegenwärtigen Moment zu bleiben und die Kontrolle über die eigenen Gedanken und Gefühle zurückzugewinnen.
  • Körperliche Aktivität: Bewegung, wie zum Beispiel Yoga oder Spazierengehen, kann helfen, Stress abzubauen und das körperliche Wohlbefinden zu verbessern.
  • Soziale Unterstützung: Der Austausch mit Freund:innen, Familie oder Selbsthilfegruppen kann emotionale Unterstützung bieten und das Gefühl der Isolation mindern.

Präventive Maßnahmen

Obwohl nicht alle traumatischen Erlebnisse verhindert werden können, gibt es doch einige präventive Maßnahmen, die dazu beitragen können, das Risiko eines Traumas zu verringern oder dessen Auswirkungen abzumildern:

  • Stärkung der Resilienz: Resilienz, also die Fähigkeit, mit Stress und Herausforderungen umzugehen, ist ein wichtiger Schutzfaktor bei Trauma.
  • Soziale Unterstützung: Ein starkes soziales Netzwerk aus Familie, Freund:innen und Gemeinschaften bietet emotionale Unterstützung und kann als Schutzschild gegen die Auswirkungen traumatischer Erlebnisse dienen.
  • Frühzeitige Intervention: Wenn ein belastendes Ereignis stattgefunden hat, kann eine sofortige psychologische Betreuung helfen, die Entstehung eines Traumas zu verhindern.
  • Psychoedukation: Das Wissen um die eigenen emotionalen und körperlichen Reaktionen auf Stress kann Menschen helfen, diese besser zu verstehen und zu bewältigen.
  • Stressbewältigungstechniken: Regelmäßige Anwendung von Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder progressive Muskelentspannung kann die allgemeine Stressbelastung reduzieren und die psychische Widerstandskraft stärken.
  • Vermeidung von Risikosituationen: In bestimmten Fällen kann es hilfreich sein, sich von potenziell gefährlichen oder belastenden Situationen fernzuhalten, wenn dies möglich ist.
  • Selbstfürsorge: Regelmäßige Selbstfürsorge, wie gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und die Pflege von Hobbys und Interessen, kann das allgemeine Wohlbefinden stärken und die Fähigkeit verbessern, mit schwierigen Situationen umzugehen.
  • Training und Vorbereitung: In Berufen oder Lebenssituationen, die ein höheres Risiko für traumatische Erlebnisse beinhalten (z.B. Einsatzkräfte, Militär), kann gezieltes Training helfen, besser auf solche Ereignisse vorbereitet zu sein.

Heilungschancen

Posttraumatische Belastungsstörungen haben in der Mehrzahl der Fälle gute Heilungschancen, sofern eine geeignete Therapie eingeleitet wird. Etwa die Hälfte der Betroffenen wird sogar ohne Behandlung gesund (sog. Spontanremission). Eine PTBS dauert mit adäquater Behandlung durchschnittlich 36 Monate, ohne Therapie durchschnittlich 64 Monate.

Wo kann man Hilfe finden?

In Akutfällen sollte man den Notruf (112) verständigen oder sich in eine psychiatrische Notfallambulanz begeben.

tags: #unfall #psychosomatische #bedeutung #ursachen #behandlung