Wenn Zweifel an der Fahreignung einer Person bestehen, insbesondere im Zusammenhang mit Alkohol- oder Drogenkonsum, kann eine Begutachtung erforderlich sein. Dabei sind zwei Haupttypen von Gutachten zu unterscheiden: das ärztliche Gutachten und das medizinisch-psychologische Gutachten (MPU). Beide dienen der Beurteilung der Fahreignung, werden aber unter unterschiedlichen Voraussetzungen angeordnet und haben unterschiedliche Schwerpunkte.
Ärztliches Gutachten
Ein ärztliches Gutachten wird in der Regel angeordnet, wenn Bedenken hinsichtlich der körperlichen oder geistigen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen. Die juristische Grundlage hierfür bildet § 11 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV).
§ 11 FeV - die juristische Grundlage:
Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen.
Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen.
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Die Anordnung zum verkehrsmedizinischen Gutachten muss nicht zwangsläufig mit einer Rechtsverletzung in Verbindung stehen.
Wann ist ein ärztliches Gutachten erforderlich?
Ein ärztliches Gutachten kann in folgenden Fällen angeordnet werden:
- Bei bestimmten Krankheitsbildern oder körperlichen Beeinträchtigungen, wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurologischen Erkrankungen, Diabetes oder Einschränkungen des Seh- oder Hörvermögens.
- Bei Suchtproblematiken wie Alkohol- oder Drogenkonsum.
- Bei Erteilung oder Verlängerung bestimmter Führerscheinklassen (z.B. C, CE, D, DE).
Ablauf eines ärztlichen Gutachtens
Wird ein Gutachten angeordnet, muss sich die betroffene Person einen Arzt aussuchen. Es darf sich dabei nicht um den eigenen Hausarzt handeln. Die Arztwahl wird dann der Behörde mitgeteilt, woraufhin diese den Arzt über das vermutete, zu untersuchende Krankheitsbild informiert.
Qualifizierte Ärzte für ein Gutachten sind:
- Fachärzte mit einer Qualifikation für Verkehrsmedizin
- Gesundheitsamtliche Ärzte
- Arbeitsmediziner und Betriebsärzte
- Rechtsmedizinische Fachärzte
- Begutachtungsstellen für Fahreignung (BfF)
Der Arzt benötigt Informationen über die Krankheitsvorgeschichte des Betroffenen. Man sollte also ärztliche Atteste, Entlassungsberichte, Behandlungsberichte, Medikamentenpläne mitbringen, wenn diese vorhanden sind. Bei der Untersuchung wird zunächst ein Gespräch zwischen Arzt und Betroffenen stattfinden, danach starten die notwendigen Untersuchungen. Beim Gespräch muss nicht auf alle Fragen geantwortet werden, wenn diese zu persönlich erscheinen. Die Untersuchungen können je nach Aufwand mehrere Stunden in Anspruch nehmen.
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Der Betroffene bzw. der Auftraggeber erhält das Gutachten nach Fertigstellung per Post zugestellt. Dieses muss anschließend der Behörde übermittelt werden, das sollte so rasch wie möglich geschehen, um Fristen einzuhalten. Die Fahrerlaubnisbehörde beurteilt im Anschluss die Nachvollziehbarkeit des Gutachtens und im Fall eines positiven Ergebnisses die Fahrerlaubnis erteilen.
Untersuchungsumfang
Je nach Fragestellung können verschiedene Untersuchungen erforderlich sein:
- Psychische Leistungsfähigkeit: Optische Orientierung, Konzentrationsfähigkeit, Reaktionsfähigkeit, Belastbarkeit
- Sehvermögen: Zentrale Tagesschärfe, Nachtsehvermögen
- Hörvermögen: Tonaudiogramm zur Messung der Hörfähigkeit verschiedener Frequenzen
- Gleichgewichtssinn: Gleichgewichtstests unter erschwerten Bedingungen
- Herzerkrankungen: Elektrokardiogramm (EKG)
- Diabetes: Untersuchung zur Stabilisierung der Stoffwechsellage
- Nierenerkrankungen: Blutchemische Untersuchungen zur Bestimmung des Grades der Leistungseinschränkung
- Nervenerkrankungen: Neurologische Untersuchungen zur Feststellung der Beherrschbarkeit und der Entwicklung der Symptome
Kosten
Die Kosten für ein ärztliches Gutachten trägt in der Regel der Betroffene selbst. Die Höhe richtet sich nach dem Untersuchungsaufwand und kann je nach Arzt variieren. Es ist empfehlenswert, sich vor der Untersuchung nach den entstehenden Kosten zu erkundigen. Der Kostenaufwand kann je nach Untersuchung mehrere Hundert bis mehrere tausend Euro betragen.
Medizinisch-Psychologisches Gutachten (MPU)
Die medizinisch-psychologische Untersuchung MPU (der so genannte "Idiotentest") wird derzeit wieder stark diskutiert.
Die MPU wird angeordnet, wenn schwere Verkehrsverstöße vorliegen, insbesondere im Zusammenhang mit Alkohol oder Drogen am Steuer. Eine verkehrspsychologische Untersuchung (VPU) wird ab 1,6 Promille am Steuer bzw. bei der Verweigerung der Ermittlung des Atemalkoholgehaltes verordnet.
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Einige Führerscheinbehörden haben mit der Begründung des Vorliegens eines Hochpromille- bzw. Verweigerungsdelikt die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangt.
Wann ist eine MPU erforderlich?
Eine MPU kann in folgenden Fällen angeordnet werden:
- Nach einem "Hochpromilledelikt" (0,8 mg/l Atemluft- bzw. 1,6 %o Blutalkoholgehalt und mehr).
- Nach einem Verweigerungsdelikt (Verweigerung des Alkotests, der klinischen Untersuchung oder der Blutabnahme).
- Nach dem Lenken eines Kfz in einem stark durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,8 mg/l Atemluft- bzw. 1,6 %o Blutalkoholgehalt und mehr).
- Bei wiederholten Trunkenheitsfahrten.
- Bei Drogenkonsum am Steuer.
Ablauf einer MPU
Die MPU umfasst eine ärztliche Untersuchung und ein Gespräch mit einem Psychologen. Im Falle einer Situation, die schnelles Handeln und eine schnelle Entscheidung erfordert, z. B. das Ausweichen wegen eines Rehs auf der Fahrbahn, kann das Ergebnis mit und ohne Alkoholgenuss völlig anders aussehen.
Der Praxisteil findet an einem Testgerät statt, welches Reaktionsvermögen, Beobachtungsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit sowie Persönlichkeitsmerkmale, die für das Verhalten im Straßenverkehr notwendig sind, überprüft. An diesem mit Joysticks, Farbknöpfen und Pedalen ausgestatteten Testgerät (Computerkenntnisse sind nicht erforderlich!) müssen unterschiedliche Aufgabenstellungen gelöst werden. Die Einnahme von Medikamenten - vor allem Beruhigungsmittel - verändert die Wahrnehmung.
Im anschließenden Vier-Augen-Gespräch mit einem Verkehrspsychologen werden der Anlass der Untersuchung sowie bisherige Erfahrungen im Straßenverkehr und Probleme, die möglicherweise in diesem Zusammenhang aufgetreten sind, besprochen. Das Gespräch findet in einer angenehmen Atmosphäre statt, wobei etwaiger Stress bzw. Belastungen für den Teilnehmer so gering wie möglich gehalten werden.
Nach der Untersuchung wird das Original der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom KFV an die zuständige Führerscheinbehörde übermittelt.
Ziele der MPU
Ziel der MPU ist es, festzustellen, ob der Betroffene sein Verhalten geändert hat und zukünftig ein Kraftfahrzeug nicht mehr unter Alkohol- oder Drogeneinfluss führen wird.
Abstinenznachweise
Bei Suchtkrankheiten werden Abstinenznachweise erforderlich. Labortechnische Untersuchungen wie Urin-, Blut- oder Haaranalyse geben dabei Hinweis auf Kurzzeit- oder Langzeitkonsum von Suchtmitteln. Liegen zwei unauffällige Untersuchungsergebnisse innerhalb von drei Monaten vor, kann die Fahrerlaubnis erteilt werden.
Die Haaranalyse ermöglicht eine Rekonstruktion des Substanzkonsums (Häufigkeit und Intensität, was keine konkreten Rückschlüsse auf Tagesdosen zulässt). Es können mit diesem Verfahren insbesondere Pflanzengifte, Schwermetalle und toxikologische relevante Substanzen nachgewiesen werden. Die Analysierung wird von einem toxikologischen Institut bzw. einem spezialisierten Labor durchgeführt.
Bei Werten bis zu 7 pg/mg EtG (jüngst wird auch ein Wert von 5 pg/mg vertreten) ist nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft völlige Alkoholkarenz nachgewiesen; ein Wert bis 29 pg/mg belegt einen mäßigen Alkoholkonsum, Werte darüber einen gehäuften, Werte über 50 pg/mg einen übermäßigen, missbräuchlichen und Werte von 70 bzw. 100 pg/mg einen chronischen Alkoholmissbrauch.
Die kombinierte EtG- und FSEE-Haaranalyse kann in einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten klar belegen, ob ein Alkoholmissbrauch vorliegt oder nicht. Durch die Kombination wird die Aussagegenauigkeit im Vergleich zur Anwendung nur einer Methode sehr stark erhöht. Dabei ist eine falsch positive oder falsch negative Diagnose weitestgehend ausgeschlossen.
Kosten
Die Preise für die verkehrspsychologische Untersuchung sind gesetzlich geregelt und liegen zwischen 156 und 576 Euro. Eine volle Untersuchung kostet 576 Euro, für die Überprüfung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung bezahlt man 360 Euro und für die Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit werden 216 Euro in Rechnung gestellt.
Wird im Rahmen einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) ein Gutachten zum Beweis der Abstinenz verlangt, muss der Betroffene die Kosten für das Drogenscreening selbst zahlen. Da die unterschiedlichen Verfahren oft sehr aufwendig sind, kann ein Drogentest schnell mehrere hundert Euro kosten.
Zusammenfassung
Der wesentliche Unterschied zwischen einem ärztlichen Gutachten und einer MPU besteht darin, dass das ärztliche Gutachten in der Regel bei Bedenken hinsichtlich der körperlichen oder geistigen Eignung angeordnet wird, während die MPU bei schweren Verkehrsverstößen, insbesondere im Zusammenhang mit Alkohol oder Drogen, erforderlich ist.
Beide Gutachten dienen der Beurteilung der Fahreignung, haben aber unterschiedliche Schwerpunkte und Untersuchungsansätze.
Merkmal | Ärztliches Gutachten | Medizinisch-Psychologisches Gutachten (MPU) |
---|---|---|
Anlass | Bedenken hinsichtlich der körperlichen oder geistigen Eignung | Schwere Verkehrsverstöße (Alkohol, Drogen) |
Ziel | Beurteilung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit | Beurteilung der Verhaltensänderung und zukünftigen Fahreignung |
Untersuchung | Ärztliche Untersuchung, ggf. spezielle Tests (Sehvermögen, Hörvermögen, etc.) | Ärztliche Untersuchung, psychologisches Gespräch, Leistungstests |
Kosten | Mehrere Hundert bis mehrere Tausend Euro | Gesetzlich geregelt, zusätzliche Kosten für Abstinenznachweise möglich |
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