Schizophrenie: Ein Leitfaden für Angehörige

Die Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, die das Erleben und Verhalten der Betroffenen stark beeinflusst. Sie gehört zu den Psychosen, bei denen die Realitätswahrnehmung verändert ist. Etwa einer von 100 Menschen erkrankt im Laufe des Lebens an Schizophrenie, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen. In Österreich leidet etwa 1 % der Bevölkerung an dieser Erkrankung. Für Betroffene ist nicht nur die Krankheit an sich das Problem, sondern auch der Umstand, dass sie von der Umwelt meist als "verrückt" abgewertet werden.

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Was ist Schizophrenie?

Schizophrenie ist eine schwere psychische Störung. Die Betroffenen leiden phasenweise unter massiven Veränderungen ihrer Gedanken, Gefühle und ihrer Wahrnehmung. Auch ihr Verhalten ändert sich dramatisch und wirkt auf Außenstehende oft bizarr oder beängstigend.

Experten zählen die Schizophrenie zu den endogenen Psychosen: Psychosen sind psychische Erkrankungen, bei denen die Patienten die Realität verändert wahrnehmen oder verarbeiten. „Endogen“ bedeutet, dass die betreffende Erkrankung durch verschiedene Faktoren „von innen heraus“ entsteht, also ohne erkennbare körperliche Ursache und ohne erkennbaren Zusammenhang mit bestimmten Erlebnissen.

Schizophrenie ist keine Persönlichkeitsstörung. Erkrankte Menschen tragen nicht zwei oder mehrere Persönlichkeiten in sich, die abwechselnd zum Vorschein kommen, wie das bei einer dissoziativen Identitätsstörung der Fall ist. Sie haben keine gespaltene Persönlichkeit, wie vielfach angenommen wird.

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Symptome der Schizophrenie

Bei einer Schizophrenie kommt es zu Phasen von akuten Psychosen. In diesen nehmen Betroffene ihre Umwelt und auch sich selbst anders wahr als sonst. Sie hören zum Beispiel Stimmen oder fühlen sich verfolgt. Die Symptome können vielfältig sein:

  • Halluzinationen: Wahrnehmung von etwas, das in der Realität nicht da ist. Häufiges Hören von Geräuschen oder Stimmen, die freundlich oder bedrohlich sein können.
  • Wahn: Fehlbeurteilung der Wirklichkeit mit festen Überzeugungen, wie Verfolgungswahn oder dem Gefühl, zu etwas Besonderem berufen zu sein.
  • Beeinträchtigung der Sprache: Schwierigkeiten, Sätze richtig zu formulieren, oft unverständliches Sprechen.
  • Denkstörungen: Durcheinanderes und wirres Denken, Wiederholung derselben Gedanken.
  • Ich-Störung: Gefühl, dass andere Menschen das Erleben und Denken steuern oder Gedanken lesen.
  • Bewegungsauffälligkeiten: Zielloser Bewegungsdrang, Nachahmung von Bewegungen, Grimassieren oder Erstarren in ungewöhnlichen Körperhaltungen.
  • Auffällige Gefühle: Innere Leere, fehlende Gefühle, depressive Verstimmung, plötzliche Stimmungswechsel oder unpassendes Verhalten.
  • Eingeschränkte Denkleistung: Störung von Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis.
  • Sozialer Rückzug: Starker Rückzug vom sozialen Leben.

An Schizophrenie Erkrankte haben ein erhöhtes Risiko, sich das Leben zu nehmen (Suizidrisiko). Besonders gefährdet sind Menschen mit einer unbehandelten akuten Psychose und direkt nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Spricht eine Betroffene oder ein Betroffener von Suizid, ist das immer ernst zu nehmen und sofort eine Ärztin oder ein Arzt zu rufen. Die betroffene Person darf in dieser Situation keinesfalls alleine gelassen werden.

Akute Psychosen kündigen sich meist schon Wochen oder Monate vor Ausbruch an. Auch Angehörige merken dabei, dass sich die Person verändert. Es kommt zum Beispiel zu Ruhelosigkeit und Angespanntheit. Betroffene schlafen schlechter und haben Probleme mit Gedächtnis und Konzentration. Ebenso können depressive Verstimmung, Stimmungsschwankungen oder Ängste auftreten. Es zeigen sich etwa Probleme in der Schule, im Studium oder am Arbeitsplatz. Betroffene ziehen sich zurück. Auch können sich bereits leichte Halluzinationen oder Wahnvorstellungen zeigen, zum Beispiel das Gefühl, beobachtet zu werden. Die genannten Symptome können auch andere Ursachen haben.

Formen von Schizophrenie

Es gibt verschiedene Formen von Schizophrenie:

  • Paranoide Schizophrenie: Wahnvorstellungen und Halluzinationen (vor allem Stimmenhören) stehen im Vordergrund. Betroffene haben das Gefühl, von anderen Menschen beeinflusst und beobachtet zu werden. Diese Form beginnt meist im Alter zwischen 25 und 35 Jahren und ist die häufigste Form der Schizophrenie.
  • Hebephrene Schizophrenie: Veränderungen des Gefühlslebens stehen im Vordergrund. Die Gefühle passen dabei nicht zur jeweiligen Situation. Das Denken wirkt zerstreut und überreizt, das Verhalten erscheint unangemessen. Diese Form beginnt meist im Alter zwischen 15 und 25 Jahren.
  • Katatone Schizophrenie: Auffälligkeiten der Bewegung stehen im Vordergrund. Zum Beispiel ist der Bewegungsdrang ausgeprägt, wirkt jedoch ziellos. Betroffene können auch erstarren oder ungewöhnliche Grimassen schneiden. Diese Form beginnt meist im Alter zwischen 15 und 25 Jahren.
  • Schizophrenes Residuum: Chronische Beschwerden bleiben nach einer akuten Psychose zurück. Betroffene sind antriebslos und bedrückt. Sie ziehen sich sehr zurück. Der Gesichtsausdruck (Mimik) und das sprachliche Ausdrucksvermögen sind reduziert. Es kann zudem zu Störungen von Gedächtnis und Konzentration kommen.

Verlauf der Schizophrenie

Manchmal treten akute Psychosen einmal oder wenige Male im Leben von Menschen mit Schizophrenie auf. Es ist jedoch auch möglich, dass es zu dauerhaften Beschwerden kommt. Bei ungefähr 60 von 100 Betroffenen kommt es innerhalb von zwei Jahren nach einer akuten Psychose zu einem Rückfall. Die akute Phase kann Wochen bis Monate dauern. Danach brauchen Betroffene noch Zeit, um den Alltag wieder gut für sich zu gestalten. Bei ca. einem Viertel der Menschen mit Schizophrenie bestehen dauerhaft Beschwerden.

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Ursachen und Risikofaktoren

Bis jetzt hat die Forschungswelt die genauen Ursachen von Schizophrenie noch nicht geklärt. Es ist wahrscheinlich, dass es verschiedene Risikofaktoren gibt. Diese könnten sich gegenseitig beeinflussen. Manche Menschen haben ein erblich bedingtes erhöhtes Risiko, an Schizophrenie zu erkranken. Das Risiko ist vor allem erhöht, wenn ein Eltern- oder Geschwisterteil daran erkrankt ist. Es beträgt etwa 12 Prozent von Kindern, bei denen Mutter bzw. Vater an Schizophrenie erkrankt sind. Zudem können große Lebensveränderungen die Neigung zu einer Schizophrenie begünstigen. Zum Beispiel ein Umzug, eine berufliche Veränderung oder Trennung von einer nahestehenden Bezugsperson.

Die gegenwärtige Forschung geht davon aus, dass eine Erkrankung mit dem "Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell" in Zusammenhang steht. In diesem Konzept werden sowohl neurobiologische, psychologische als auch soziale Kriterien berücksichtigt, die die Entstehung der Erkrankung bzw. die Disposition für diese Krankheit erklären sollen. Basierend auf diesem Konzept werden genetische Faktoren, aber auch Ereignisse verantwortlich gemacht, die noch vor der Geburt oder knapp danach eingetreten sind, wie z.B. Geburtskomplikationen. Ein nicht intaktes Umfeld oder psychischer Stress sind weitere Faktoren, die Betroffene stark beeinflussen und verletzen. Dieser negative Einfluss verstärkt sich, wenn Probleme nicht mehr bewältigt werden können, Mediziner sprechen von einem nicht ausreichenden "Coping".

Diagnose der Schizophrenie

Die Ärztin oder der Arzt erhebt für die Diagnosestellung die Krankengeschichte (Anamnese) und beobachtet das Verhalten. Auch die Einbindung von Angehörigen kann sinnvoll sein. Diese können zum Beispiel dabei helfen, das Verhalten im Alltag zu schildern. Die Ärztin oder der Arzt führt zudem eine körperliche und neurologische Untersuchung durch. Bildgebende Verfahren helfen dabei, mögliche organische Gehirnerkrankungen zu erkennen.

Um die Diagnose Schizophrenie stellen zu können, ist ein ausführliches Gespräch mit dem oder der Betroffenen notwendig. Dabei werden die auftretenden psychischen Symptome genauestens erfragt. Dafür gibt es festgelegte Kriterien und spezielle klinische Fragebögen.

Für die Diagnose muss mindestens ein eindeutiges Symptom (bzw. zwei oder mehr Symptome, wenn sie weniger eindeutig sind) der Gruppen 1-4 oder es müssen mindestens zwei Symptome der Gruppen 5-8 auftreten, und zwar fast durchgängig während eines Monats oder länger.

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Auch weiterführende Untersuchungen zur Abklärung der Ursachen der Beschwerden können notwendig sein, um Beispiel eine klinisch-psychologische Diagnostik.

Behandlungsmöglichkeiten

Die Therapie einer Schizophrenie orientiert sich an den Bedürfnissen der betroffenen Person. Je früher die Beschwerden behandelt werden, desto besser sind die Chancen für einen günstigen Verlauf der Erkrankung. Zudem sollte ein sogenannter Krisenplan im Rahmen der Behandlung erstellt werden. Die Patientin oder der Patient bespricht dabei mit der Ärztin oder dem Arzt bzw. gegebenenfalls auch anderen behandelnden Personen die Vorgehensweise, wenn es zur Verschlechterung von Symptomen oder einer akuten Krisen kommt. Es ist sinnvoll, auch Angehörige in diesen Krisenplan miteinzubeziehen. Zudem kann es allgemein hilfreich sein, die Angehörigen in Gespräche über die Behandlung mit einzubeziehen.

Die gängige Behandlung erfolgt mit Neuroleptika. Die Vorzüge dieser Substanzen sind vielfältig, sie wirken einerseits beruhigend, andererseits verhindern sie einen Realitätsverlust (antipsychotisch).

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

  • Medikamente: Sogenannte Antipsychotika helfen gegen die Symptome und können vor Rückfällen schützen. Antipsychotika hemmen die Aktivität von bestimmten Botenstoffen im Gehirn. Sie werden auch Neuroleptika genannt.
  • Psychotherapie: Durch Psychotherapie (z.B. Verhaltenstherapie oder systemische Familientherapie) können sich die Beschwerden bessern. Eine Psychotherapie hilft unter anderem dabei, besser mit einer Schizophrenie und ihren Folgen umzugehen. Betroffene können offen und vertraulich über ihre Erfahrungen, Beschwerden und Ziele sprechen. Psychotherapie unterstützt zudem dabei, einen Sinn im Leben (wieder) zu finden.
  • Psychoedukation: Bei der Psychoedukation lernen Betroffene etwas über die Erkrankung: Welche Anzeichen und Symptome es gibt, wie die Behandlung erfolgt und was im Umgang damit helfen kann. Die Psychoedukation soll dabei unterstützen, die Krankheit zu verstehen und mit ihr besser zurechtzukommen.
  • Training sozialer Fähigkeiten: Betroffene werden dabei unterstützt, besser im Alltag und sozialen Beziehungen zurechtzukommen. Dieses Training ist vor allem sinnvoll, wenn es zu stärkeren Beeinträchtigungen der sozialen Fähigkeiten kommt (z.B. Probleme mit Kommunikation oder Aufbau eines Freundeskreises).
  • Training von kognitiven Funktionen: Dabei übt die betroffene Person Denkaufgaben, zum Beispiel für das Gedächtnis oder zum Lösen von Problemen. Dies kann den Antrieb und die Fähigkeiten zur Alltagsbewältigung steigern.
  • Bewegungstherapie: Physiotherapie und mit der Ärztin oder dem Arzt abgesprochene sportliche Tätigkeiten können Betroffene ebenfalls unterstützen und zur Steigerung der Lebensqualität beitragen.
  • Soziotherapie: Tageszentren, Berufs- und Ausbildungszentren, therapeutische Wohngemeinschaften etc. können helfen, sich beruflich und sozial einzugliedern und ein eigenständiges Leben zu führen.

Wenn bisherige Behandlungsangebote (vor allem Medikamente) keinen ausreichenden Therapieerfolg zeigen, kann die Ärztin oder der Arzt eine Elektrokrampftherapie (Elektrokonvulsionstherapie/EKT) empfehlen.

Unterstützung für Angehörige

Wenn sich ein vertrauter Mensch plötzlich verändert, verunsichert das Angehörige. Nur durch umfassendes Wissen kann man dieser Verunsicherung entgegenwirken. Es sind gerade die Angehörigen, die in der Krankheitssituation Stütze und Bezugspersonen sind und ihm die Krankheit erleichtern können. Doch viele Angehörige sind überfordert, Reaktionen wie Scham, Schuldgefühle oder das Gefühl der Rat- und Ausweglosigkeit sind ständige Begleiter. In diesem Fall können Selbsthilfegruppen einen Teil dieser Last abnehmen.

Als Angehöriger eines an Schizophrenie erkrankten Menschen benötigen Sie ausführliche Informationen zur Krankheit und zum Umgang mit den Betroffenen. Auch ein spezielles Kommunikationstraining kann für Sie sinnvoll sein.

Holen Sie sich Rat, wenn Sie sich überfordert fühlen und nicht weiterwissen. Sprechen Sie mit den Ärzten und Therapeuten ihres erkrankten Familienmitglieds.

Eine Hilfe können auch Angehörigengruppen sein. Über die Nationale Kontakt- und Informationsstelle (NAKOS) finden Sie eine Gruppe in Ihrer Nähe: www.nakos.de

Regelmäßige Arztbesuche sind jedoch wichtig. Unterstützung und Hilfe, damit Sie sich als Angehörige in dieser Situation richtig verhalten können, finden Sie beim behandelnden Arzt oder in einer der erwähnten Angehörigengruppen.

Wo finden Sie Hilfe?

Haben Sie den Verdacht, an einer Schizophrenie zu leiden, oder möchten Sie jemandem aus Ihrer Umgebung helfen, ist die Fachärztin oder der Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin) die erste Anlaufstelle. Sie können auch zuerst ein Gespräch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt für Allgemeinmedizin führen. Diese oder dieser leitet dann weitere Schritte ein (z.B. Überweisung an eine Fachärztin oder einen Facharzt bzw. an eine Ambulanz).

Zusätzlich zur Therapie kann es hilfreich sein, sich in einer Selbsthilfegruppe auszutauschen. Auch Hobbies und eine gute Tagesstruktur unterstützen Betroffene bei der Bewältigung des Alltags. Familie, der Freundeskreis oder die Arbeitsumgebung können Betroffene unterstützen, zum Beispiel durch ein offenes Ohr und Hilfe im Alltag.

Für Angehörige ist der Umgang mit der psychischen Erkrankung eines nahestehenden Menschen jedoch auch im Alltag oft sehr belastend. Wie der Umgang damit leichter fallen kann und wohin Sie sich wenden können, finden Sie unter Angehörige von psychisch Erkrankten.

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