Unbehandelte Psychose: Verlauf und Einblicke in die Gehirnmechanismen

Rund ein Prozent aller Menschen weist eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis auf.

Die Rolle des Dopaminsystems bei Schizophrenie

Bekannt ist, dass das Dopaminsystem bei von Schizophrenie Betroffenen übersensibilisiert ist und bei Stimulation überreagiert, so dass große Mengen des Neurotransmitters Dopamin freigesetzt werden.

Bei PatientInnen führt dies zur Entstehung von Schizophrenie-typischen Symptomen wie dem Hören von Stimmen, Wahnvorstellungen und Störungen im Denken.

Die zur Behandlung eingesetzten Antipsychotika wirken gegen diese Symptome, indem sie die Weiterleitung des Dopaminsignals dämpfen.

Vergleich des Dopaminsystems bei Gesunden und Schizophreniepatienten

In einer Studie der MedUni Wien wurde nun das Dopaminsystem von Gesunden mit jenem von PatientInnen mit Schizophrenie verglichen, die noch nie eine antipsychotische Therapie erhalten hatten.

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Bei der gesunden Vergleichsgruppe wurde das Dopaminsystem durch mehrmalige Verabreichung einer geringen Dosis Amphetamin „sensibilisiert“, um so die Veränderungen im Dopaminsystem der PatientInnengruppe ein Stück weit nachzuahmen.

Die Bedeutung des präfrontalen Cortex

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die überschießende Dopamin-Ausschüttung alleine noch keine Schizophrenie-typischen Symptome verursacht: In der Gruppe der gesunden ProbandInnen traten trotz der Sensibilisierung und der damit verbundenen erhöhten Dopaminausschüttung keine Symptome auf.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Dopamin-Ausschüttung bei gesunden ProbandInnen durch den präfrontalen Cortex (ein Areal im Gehirn) sehr gut reguliert wird, bei den PatienInnen funktioniert diese Regulation aber nicht so gut.

„Wir schließen daraus, dass von Schizophrenie Betroffene Schwierigkeiten haben, die Ausschüttung von Dopamin durch den präfrontalen Cortex zu steuern.

Es liegt weniger an der ausgeschütteten Dopaminmenge, vielmehr an einer Funktionsstörung der Regulationsprozesse durch den präfrontalen Cortex“, erklärt Erstautorin Ana Weidenauer von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien/AKH Wien.

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Methoden der Studie

Die Studie wurde mit Methoden der Magnetresonanztomographie und Positronen-Emissionstomographie durchgeführt, wobei letztere Methode einen Einblick in Stoffwechselprozesse und Veränderungen der Dopaminausschüttung unter Amphetamin bietet.

Sie zeigte auch, dass ein größeres Volumen des Sprachareals (BROCA-Zentrum) im präfrontalen Cortex bei den gesunden ProbandInnen mit einer geringeren Dopaminausschüttung einhergeht.

Bei Schizophrenie-PatientInnen gab es diesen Zusammenhang nicht.

Implikationen für die Behandlung

„Unsere Studie gibt detaillierte Einblicke in das Gehirn von unbehandelten SchizophreniepatientInnen“, erklärt Studienleiter Matthäus Willeit von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien/AKH Wien, „der präfrontale Cortex ist ein Gehirnbereich, bei dem Sprache, Emotionen und Gedächtnis zusammenlaufen. Es handelt sich um einen wichtigen Ansatzpunkt für therapeutische Entwicklungen.“

Zusammenfassung der Studienergebnisse

Die Studie der MedUni Wien liefert wichtige Erkenntnisse über die Mechanismen, die bei der Entstehung von Schizophrenie eine Rolle spielen.

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Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine gestörte Regulation des Dopaminsystems durch den präfrontalen Cortex eine zentrale Rolle spielt.

Dieser Befund könnte neue Wege für die Entwicklung von Therapien eröffnen, die gezielt auf die Verbesserung der Funktion des präfrontalen Cortex abzielen.

Tabelle: Vergleich von Gesunden und Schizophreniepatienten in Bezug auf Dopamin und präfrontalen Cortex

Merkmal Gesunde Probanden Schizophreniepatienten (unbehandelt)
Dopaminausschüttung nach Amphetamin Erhöht Überschießend erhöht
Regulation der Dopaminausschüttung durch präfrontalen Cortex Gut reguliert Gestört
Zusammenhang zwischen Volumen des Broca-Zentrums und Dopaminausschüttung Vorhanden Nicht vorhanden
Schizophrenie-typische Symptome Keine Vorhanden (z.B. Wahnvorstellungen, Halluzinationen)

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