Die bipolare Störung (bi=zwei) ist eine psychische Störung mit einem phasenhaften Verlauf. Es können sowohl depressive Episoden als auch Episoden mit deutlich gehobener Stimmung (Manie) voneinander abgegrenzt werden. Verlauf und Ausprägung sind sehr variabel, die Krankheitsepisoden dauern meistens mehrere Wochen oder auch Monate an.
Früher nannte man die bipolare Störung auch manisch-depressive Erkrankung. Das Krankheitsbild ist gekennzeichnet durch wiederholte Episoden deutlich beeinträchtigender Stimmung und Veränderungen im Aktivitätsniveau.
Es ist anzumerken, dass die Krankheitsdefinition in den zwei gängigen Diagnosekatalogen leichte Unterschiede aufweist. Im "ICD-10" (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) werden zumindest zwei Krankheitsepisoden gefordert. Im "DSM-V" (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) ist für die Diagnose einer bipolaren Störung bereits eine manische Episode ausreichend. Es wird hier auch zwischen der Bipolar-I (im Krankheitsverlauf manische Episoden in voller Ausprägung) und Bipolar-II Störung (im Krankheitsverlauf leichte manische Episoden) unterschieden.
Symptome der Bipolaren Störung
Leitsymptom einer Manie ist die deutlich gehobene oder manchmal auch gereizte Stimmung. Es finden sich häufig Größenideen, vermehrte Risikobereitschaft, Rededrang, Geselligkeit, vermehrte Kreativität, Libido und gesteigerte Leistungsfähigkeit. Das Schlafbedürfnis kann zeitweilig völlig aufgehoben sein. Die Manie kann manchmal ein Ausmaß annehmen, dass eine Krankenhauseinweisung notwendig ist. Hierbei bestehen im Einzelfall auch Psychoseaspekte mit schwerer Störung des Realitätsbezuges.
Nach dem Abklingen der Manie folgt häufig eine hartnäckige Depression. Ein Teil der Betroffenen leidet zusätzlich an Angst- oder Suchterkrankungen.
Lesen Sie auch: Alternativen zum Psychologiestudium in Österreich
Bei einer gemischten Episode treten manische und depressive Symptome gleichzeitig auf. Dies zeigt sich z.B. in gesteigertem Antrieb trotz depressiver Stimmung.
Bei Menschen mit einer bipolaren Störung treten extreme Stimmungsschwankungen auf. Betroffene erleben dabei wechselnde Phasen, die sich durch manische und depressive Episoden kennzeichnen. Ausprägung und Verlauf können sehr unterschiedlich sein. Meist überwiegen depressive Phasen mit Symptomen wie vermindertem Antrieb, Gefühlsleere oder Appetitverlust. Auf eine depressive Phase folgt eine manische: Sie lässt Betroffene vor Energie strotzen und treibt sie zu Höchstleistungen - bis der Absturz in die Depression kommt. Zwischen zwei Episoden können auch beschwerdefreie Phasen liegen.
Diagnose
Zu Beginn wird eine ausführliche Krankengeschichte (Anamnese) und Probleme der Patient:in erhoben (z.B. ). Es erfolgen genaue klinische Unterscheidungen zur Abklärung der Beschwerden (z.B. Klinisch-psychologische Diagnostik, CT/MRT, EEG). Die Zyklothymie zeigt anhaltende Stimmungsschwankungen zwischen leichter Depression und leichter Euphorie. Zudem können bestimmte Medikamente, insbesondere Antidepressiva, ähnliche Symptome wie Manie oder Hypomanie auslösen.
Therapie
Zur Behandlung der bipolaren Störung existieren hochwirksame und relativ gut verträgliche Medikamente (sog. Phasenprohylaktika). Einen hohen Stellenwert nimmt auch die Psychotherapie ein.
Die Ärztin/der Arzt bespricht mit Ihnen die Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen bzw. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Die Einnahme von Medikamenten sollte immer mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt abgestimmt werden. Halten Sie sich an den verordneten Therapieplan - auch wenn eine längere Behandlung erforderlich ist. Damit können Sie Ihre Genesung maßgeblich unterstützen und Rückfällen vorbeugen.
Lesen Sie auch: Diagnose von ADHS ohne Hyperaktivität im Erwachsenenalter
Welche Medikamente bei einer Bipolaren Störung verschrieben wird, hängt vom jeweiligen Verlauf der Erkrankung ab. Vor einer medikamentösen Therapie sollten Laborwerte erhoben werden, die für die Verlaufsbeobachtung wichtig sind.
Die deutsche Psychiatriegesellschaft empfiehlt zum Beispiel die "interpersonelle Psychotherapie und soziale Rhythmustherapie".
Unabhängig von der medikamentösen Therapie sollten noch andere Behandlungsmöglichkeiten wahrgenommen werden: regelmäßige Facharztbesuche, Psychotherapie, vor allem Psychoedukation, regelmäßige Bewegung, Entspannungsübungen, Selbsthilfegruppen, etc.
Nun schauen wir uns die Therapie einmal genauer an:
- Akuttherapie: Im Vordergrund steht die Verminderung der depressiven bzw. (hypo-)manischen Symptome.
- Phasenprophylaxe: Darunter versteht man eine vorbeugende Behandlung von (hypo-)manischen und depressiven Episoden. Das Auftreten von neuen Episoden sowie Einschränkungen der psychischen Funktion und Lebensqualität sollen dadurch vermieden werden.
Die Akuttherapie erfolgt meist in einem Krankenhaus, ggf. auch in einer Tagesklinik. Je nach Episode kommen Medikamente zum Einsatz sowie begleitende Therapien (z.B. Psychotherapie). Die Therapieziele sollten gemeinsam von Patientin/Patient und Ärztin/Arzt festgelegt werden. Es finden engmaschige Kontrollen bei der Fachärztin/dem Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin) statt, um die aktuellen Ziele der Behandlung zu besprechen, den Verlauf zu kontrollieren und ggf. auch Behandlungsalternativen anzubieten.
Lesen Sie auch: Tipps zur Bewältigung von Depressionen ohne Medikamente
Psychotherapie
Betroffene können im Rahmen einer Psychotherapie neben der medikamentösen Behandlung Unterstützung bekommen. Gemeinsam mit der Patient:in werden Therapieziele festgelegt, wie zum Beispiel das Verständnis und Milderung der Symptome oder ein besserer Umgang mit Gefühlen und Alltagsprobleme.
Psychotherapie ergänzt und unterstützt die medikamentöse Behandlung bei Bipolaren Störungen. Die Therapieziele werden gemeinsam mit der Patientin/dem Patienten festgelegt. Zum Beispiel: Symptome zu verstehen und zu mildern, die Lebensqualität zu steigern und Rückfälle zu verhindern.
Im Mittelpunkt stehen die therapeutische Beziehung, der Austausch und das Gespräch zwischen der Psychotherapeutin/dem Psychotherapeuten und der Patientin/dem Patienten über Gedanken, Gefühle, Beschwerden, Probleme im Alltag oder etwa die bisherige Lebensgeschichte. Diverse Übungen - je nach psychotherapeutischer Methode - können diesen Austausch unterstützen bzw. festigen. Auch soziale Kompetenzen können dabei erweitert werden.
Psychoedukation
Die sogenannte Psychoedukation ist ein wichtiger Baustein der Behandlung. Bei dieser soll das Verständnis für die Störung gefördert und der Bezug zum Alltag erläutert werden. Betroffene können so unter anderem auch lernen, ihr Verhalten, Fühlen und Denken besser zu verstehen und zu beobachten sowie bei nahenden Episoden so gut wie möglich gegenzusteuern.
Es wird dabei unter anderem besprochen welche Warnzeichen früh erkannt werden könnten, welche Lebensstilfaktoren hilfreich oder hindernd sein können und wie man mit Rückschlägen oder Stimmungsschwankungen umgehen kann. Weitere Informationen finden Sie unter Psychotherapie.
Mittels Psychoedukation können Betroffene lernen, in die Erkrankung und somit in ihr Leben gestalterisch einzugreifen.
Für den Arzt/Therapeuten ist es wichtig, aufzuspüren, welche Erfahrungen der Patient in seinem bisherigen Leben mit Stimmungsschwankungen gemacht hat, welche Sichtweise er dazu hat und wie er damit umgegangen ist bzw. umgeht. Die Betroffenen sollen vom Arzt/Therapeut Informationen erhalten, mit deren Hilfe sie sich ein eigenständiges Bild darüber machen können, was von dem bisher Erlebten Teil der Erkrankung war und was zum alltäglichen Leben gehört.
Denn erst die ausreichende und fachliche Information bietet den Betroffenen die Möglichkeit, selbst konstruktiv die geeigneten Schritte im Umgang mit der Erkrankung mitzugestalten, statt der Krankheit hilflos ausgeliefert zu sein.
Bei Psychoedukationsprogrammen erfahren Betroffene in 8 bis 21 Sitzungen - zumeist in Gruppen - alles rund um bipolare Erkrankungen. In die Sitzungen fließen auch wichtige Erfahrungen von Betroffenen mit ein. Individuelle Frühwarnzeichen, die auf eine beginnende Manie oder Depression hindeuten, werden ermittelt, damit rechtzeitig gegengesteuert werden kann. Psychoedukative Angebote reichen von reiner Informationsvermittlung bis hin zu psychotherapeutisch orientierten Maßnahmen.
Weitere Therapiemöglichkeiten
Neben den genannten Therapieformen gibt es auch weitere alternative Behandlungsansätze, die bei der Behandlung von Bipolaren Störungen eingesetzt werden können:
- Lichttherapie: Bei einer depressiven Episode - vor allem mit deutlicher Wiederkehr in den Wintermonaten - kommt diese Methode zum Einsatz. Dabei sieht die Patientin/der Patient einmal täglich (meist morgens) ein- bis zweimal pro Minute in das weiße Licht einer Leuchtstoffröhre. Die Dauer einer Sitzung beträgt zwischen 30 und 120 Minuten - je nach Lichtintensität. Dieser Vorgang wird über mehrere Wochen fortgesetzt. Die Ärztin/der Arzt berät Sie, ob Medikamente möglicherweise mit einer höheren Lichtempfindlichkeit einhergehen können.
- Wachtherapie: Diese Behandlungsform eignet sich ebenso für depressive Episoden. Dabei erfolgen zwei bis drei Wachperioden in einer Woche, bei der die Patientin/der Patient jeweils 36 bis 40 Stunden durchgehend wach ist. Alternativ kann auch der Nachtschlaf in der zweiten Nachthälfte ausfallen. Bei Neigung zu Epilepsie, schwerer körperlicher Erkrankung sowie psychotischen Symptomen ist die Wachtherapie nicht empfohlen.
- Elektrokonvulsionstherapie (EKT): Bei der EKT (früher auch Elektrokrampftherapie genannt) wird ein generalisierter Krampfanfall künstlich durch elektrische Erregung des Gehirns erzeugt. Dies geschieht unter kontrollierten Bedingungen in Kurznarkose. Die EKT ist mittlerweile eine etablierte Therapie bei schweren depressiven und bei manischen Episoden.
- Sport/Bewegungstherapie: Sportliche Aktivität bzw. Bewegung wirkt sich positiv auf die psychische Befindlichkeit aus. Vor allem die Ablenkung von negativen Gedanken, soziales Miteinander oder die Erfahrung eines positiven Körpergefühls dürften sich positiv auf die Stimmung auswirken.
- Entspannungsmethoden: Durch das Erlernen und Ausüben von Entspannungstechniken unter professioneller Anleitung wird gelernt, mit Belastungen besser umzugehen und zur Ruhe zu kommen (z.B. Progressive Muskelentspannung nach Jacobson).
- Ergotherapie: Mittels Ergotherapie soll es Betroffenen möglich gemacht werden, wieder mehr am Leben teilzunehmen. Dabei wird die Selbstständigkeit im Alltag (z.B. Selbstversorgung, Haushaltstätigkeiten) gefördert und somit die Lebensqualität gesteigert.
Auch Musiktherapie oder klinisch-psychologische Behandlung können zum Einsatz kommen. Hilfreich sind zudem ein guter Tagesrhythmus und eine ausgewogene Balance zwischen Anforderungen im Alltag und Erholungsmöglichkeiten. Zudem ist ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus empfehlenswert. Alkohol und Drogen hingegen verschlimmern die Erkrankung. Auch Stimmungstagebücher können unterstützend sein. Darin werden die Stimmung, wichtige Tagesereignisse, Therapiemaßnahmen etc. festgehalten. In einer Selbsthilfegruppe können sich Betroffene zudem austauschen und voneinander lernen. Zudem bieten psychosoziale Dienste Unterstützung für den Alltag.
Herausforderungen bei der Behandlung
Die bipolare Störung kann sowohl für die Betroffenen als auch für den Facharzt einige besondere Herausforderungen zur Folge haben. Zu nennen sind zunächst eine oft nur ungenügende Krankheitseinsicht zahlreicher Patienten. Die eigentliche Motivation, den Facharzt aufzusuchen entsteht nämlich oft gar nicht bei den Patienten selbst sondern bei deren Angehörigen. In weiterer Folge wird von diesen nicht selten Druck ausgeübt sich einer Behandlung zu unterziehen. Selbst wenn die Betroffenen schwere Krankheitsepisoden mit Krankenhauseinweisungen durchlaufen wird die Medikation oft selbständig und ohne Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt was das Risiko eines Rezidivs (=Rückfall) stark erhöht.
Selbsthilfegruppen
Auch Selbsthilfegruppen sind für viele Betroffenen hilfreich, denn hier ist Platz für Themen, die beim Arzt oder Therapeuten oder innerhalb der Familie niemals angeschnitten werden könnten. Durch Einbindung in eine Selbsthilfegruppe werden Patienten oftmals frühzeitig einer Behandlung zugeführt.
Gerade die Kinder von Bipolar-Erkrankten leiden oftmals unter Ängsten (Wie soll es weitergehen? Werde ich ebenfalls erkranken? etc.). Auch die Angehörigen von Betroffenen wünschen sich mehr Unterstützungsangebote.
Umgang mit der Erkrankung
Das Einhalten eines gleichmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus ist für Bipolar-Erkrankte von großer Bedeutung und hat rückfallverhütende Wirkung! Führen Sie einen Verlaufskalender! Darin werden jeden Tag Eintragungen bezüglich Stimmung, Schlaf etc. vorgenommen.
Menschen mit einer Bipolaren Störung haben ein erhöhtes Suizidrisiko. Sie denken an Suizid, machen sich um jemanden Sorgen oder haben einen Menschen aufgrund eines Suizidtodesfalls verloren? Erste-Hilfe-Tipps, Notfallkontakte und Hilfsangebote in Ihrem Bundesland sowie weiterführende Informationen zur Bewältigung dieser Notsituation finden Sie auf dem Österreichischen Suizidpräventionsportal.
Unter 142 erreichen Sie rund um die Uhr die kostenlose Telefonseelsorge.
Bei einem psychiatrischen Notfall (z.B. Suizidgefahr) ist rasche medizinische Hilfe unumgänglich. Rufen Sie in diesen Fällen sofort die Rettung unter 144! Wenn dies möglich ist, kann auch die nächstgelegene Ambulanz für Psychiatrie aufgesucht werden.
tags: #bipolar #ohne #tabletten #behandlung