Therapie bei ADHS: Methoden und Behandlungsansätze

ADHS ist nicht heilbar, aber die Symptome können durch eine individuell angepasste Behandlung gelindert beziehungsweise stabilisiert werden. Eine bewährte Methode ist die Kombination aus Medikamenten, Verhaltenstherapie und Elterntraining.

Bausteine für eine erfolgreiche ADHS-Behandlung

Folgende Bausteine sind grundsätzlich für eine erfolgreiche ADHS-Behandlung bei Kindern wichtig:

  • Aufklärung und Beratung der Eltern, des Kindes/Jugendlichen und des Erziehers beziehungsweise des Klassenlehrers
  • Zusammenarbeit mit Erziehern und Lehrern (Kindergarten, Schule)
  • Elterntraining, Miteinbeziehen der Familie (einschließlich Familientherapie), um die Symptomatik im familiären Umfeld zu vermindern
  • Kognitive Verhaltenstherapie des Kindes/Jugendlichen (ab dem Schulalter): Impulsives und unorganisiertes Verhalten kontrollieren lernen und Selbstmanagement lernen (Umgang mit Problemverhalten)
  • Medikamente (meist Amphetamine wie Methylphenidat), um Symptome in der Schule, im Kindergarten, im Familienkreis oder in anderen Umgebungen zu vermindern

ADHS-Behandlung je nach Alter

Die ADHS-Behandlung wird an das Alter des Betroffenen angepasst. Das liegt zum Beispiel daran, dass einige Medikamente erst ab einem bestimmten Alter zugelassen oder wirksam sind. Zudem sind jüngere Kinder psychisch noch nicht ausgereift, sodass Mediziner hier die noch ausstehende Entwicklung berücksichtigen müssen.

Therapie im Vorschulalter

Im Vorschulalter stehen vor allem das Elterntraining sowie die Aufklärung des Umfeldes über die Störung im Vordergrund. Eine kognitive Therapie ist in diesem Alter noch nicht möglich.

Haben die Kinder Schwierigkeiten, längere Zeit bei einer Sache zu bleiben, kann ein Spieltraining diese Fähigkeit fördern. Einige Kliniken bieten eine spezielle Mutter-Kind-Kur an. ADHS wird in diesen Kliniken unter anderem mit einer Kombination aus Lerntraining und Beziehungsarbeit behandelt.

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Experten warnen davor, bereits Vorschulkinder mit Medikamenten gegen ADHS zu behandeln. Für den Einsatz von Methylphenidat bei Kindern unter sechs Jahren liegen bisher nur wenige Erfahrungen vor. Es ist unklar, wie sich Medikamente wie Methylphenidat auf die kindliche Entwicklung auswirken. Manche Fachleute befürchten, dass ADHS-Medikamente die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen.

Therapie im Schul- und Jugendalter

Im Schul- und Jugendalter sind die Aufklärung und Beratung der Kinder und Eltern sowie das Elterntraining die Grundlage der Therapie.

Eine wichtige erste Maßnahme ist das sogenannte Selbstinstruktionstraining. In einer sprachlichen Selbstanweisung geben sich die Kinder ihre nächsten Handlungsschritte vor.

Das Motto „Erst Handeln, dann Denken" wird so umgekehrt zu „Erst denken, dann Handeln“. Die Fähigkeit, sich selbst konkrete Anweisungen zu geben, stärkt die Selbstkontrolle und hilft, das eigene Verhalten zu überdenken.

In fünf Schritten lässt sich die Selbstinstruktion zur Behandlung von ADHS erlernen:

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  1. Der Therapeut oder Erzieher spricht die "Selbstanweisungen" modellhaft vor und handelt auch entsprechend.
  2. Das Kind handelt nach den gerade gehörten Anweisungen des Lehrers (externe Verhaltenssteuerung).
  3. Das Kind lenkt sein Verhalten durch eigene Selbstanweisungen mit lautem Sprechen (offene Selbstinstruktion) .
  4. Das Kind flüstert die Selbstanweisung (ausgeblendete Selbstinstruktion).
  5. Das Kind soll lernen, sich durch das Einüben der verinnerlichten Selbstinstruktion selbst zu steuern (verdeckte Selbstinstruktion).

Sind Kinder / Jugendliche trotz Therapien und Training extrem unruhig oder aggressiv, können zusätzlich Medikamente sinnvoll sein.

Verhaltenstherapie bei ADHS

Die Verhaltenstherapie umfasst die Zusammenarbeit mit den Kindern, deren Eltern und auch der Schule. Die Kinder lernen, ihren Alltag zu strukturieren und ihr Verhalten besser zu kontrollieren. In vielen Fällen ist es sinnvoll, dass ein professioneller Helfer die Kinder einige Zeit auch in der Schule unterstützt.

Auch das Üben in Modellsituationen kann hilfreich sein. Im Rahmen von Rollenspielen, zum Beispiel unter Gleichaltrigen, üben ADHS-Kinder in einer praxisnahen Situation ein Verhalten, das sie später auch zu Hause oder in der Schule anwenden können. Erleben sie dabei Anerkennung, werden sie das neue Verhaltensmuster schnell in ihr Repertoire aufnehmen.

Elterntraining bei ADHS

Ein wichtiger Bestandteil der ADHS-Therapie ist das Elterntraining. Um ihre Sprösslinge besser zu unterstützen, lernen die Eltern einen konsequenten, aber liebevollen Erziehungsstil. Dazu gehören unter anderem:

  • klare Strukturen vorgeben, sich unmissverständlich ausdrücken
  • eigenes Verhalten mit den Anweisungen in Übereinstimmung bringen
  • Ablenkungen von einer gerade anstehenden Aufgabe vermeiden
  • Rückmeldung geben, ob sie das Verhalten des Kindes positiv oder negativ finden
  • erwünschtes Verhalten deutlich erkennbar belohnen

Viele Eltern suchen auch Hilfe bei Elterninitiativen. Der Austausch mit anderen hilft ihnen aus der Isolation und kann mögliche Schuldgefühle reduzieren. Oft schaffen Eltern von ADHS-Kindern es erst dank des Rückhalts durch die Gruppen, ihr hyperaktives Kind so zu akzeptieren, wie es ist.

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Medikamente bei ADHS

Medikamente zur Behandlung von ADHS können bei stark ausgeprägten ADHS-Symptomen helfen, die sonst erhebliche Schwierigkeiten im Alltag verursachen. Sie wirken meist schnell und gut. Bei starken Verhaltensproblemen schaffen sie oft erst die Voraussetzung für eine Verhaltenstherapie.

In weniger ausgeprägten Fällen sollten ADHS-Kinder erst dann Medikamente erhalten, wenn eine verhaltenstherapeutische Behandlung nicht ausreicht.

Wichtig ist: Medikamente können ADHS nicht heilen, aber Symptome lindern. Dafür müssen sie regelmäßig eingenommen werden. Viele Betroffene nehmen die Medikamente über Jahre, manchmal auch bis ins Erwachsenenalter ein.

Mindestens einmal im Jahr sollte der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin den Verlauf der Störung überprüfen und feststellen, ob Wirkstoff und Dosis für den Betroffenen noch optimal sind. Haben sich die ADHS-Symptome über einen längeren Zeitraum deutlich gebessert, können die Medikamente möglicherweise abgesetzt werden (in ärztlicher Absprache).

ADHS-Medikamente sollten nicht auf eigene Faust abgesetzt werden!

Methylphenidat

Das am häufigsten eingesetzte Medikament zur Behandlung von ADHS ist Methylphenidat. Es ist vor allem unter den Handelsnamen Ritalin und Medikinet bekannt.

Der Wirkstoff ist kein Beruhigungsmittel, sondern ein sogenanntes Psychostimulans aus der Gruppe der Amphetamine. Als solches fördert er die Aktivität. Dies scheint zunächst widersprüchlich, da Kinder mit ADHS ohnehin hyperaktiv sind. Sein Einsatz macht aber dennoch Sinn:

Methylphenidat erhöht die Konzentration des Nervenbotenstoffs Dopamin im Gehirn. Dieser spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Bewegungen, ist aber auch wichtig für den psychischen Antrieb und die Konzentrationsfähigkeit.

Bei den meisten ADHS-Kindern mindert Methylphenidat auf diese Weise Unaufmerksamkeit und Ruhelosigkeit und verbessert ihre Konzentration. Manchen Kindern ermöglicht Methylphenidat überhaupt erst die Teilnahme am Unterricht und erleichtert erheblich die sozialen Kontakte.

So wirkt Methylphenidat

Methylphenidat blockiert die Wiederaufnahme von den Botenstoffen Dopamin und Noradrenalin in die Nervenzelle. Die freien Botenstoffe können so vermehrt an passende Rezeptoren binden und so die Konzentrationsfähigkeit verbessern.

  • Schneller Wirkeintritt: Methylphenidat wirkt schnell. Schon nach einer Stunde spüren die Anwender eine deutliche Wirkung.
  • Individuell angepasste Dosierung: Zu Beginn der Therapie ermittelt der Arzt oder die Ärztin die niedrigste Methylphenidat-Dosis, die bei der Patientin oder beim Patienten wirksam ist. Dazu fängt man mit einer ganz niedrigen Dosis an und steigert diese nach ärztlicher Anweisung langsam - so lange, bis sich der gewünschte Effekt einstellt.

Diese Zieldosis ist individuell verschieden: Manche ADHS-Betroffene brauchen eine einzige, niedrig dosierte Tablette pro Tag, während andere bis hin zu drei hoch dosierte Tabletten täglich einnehmen.

Für ADHS-Kinder, die eine ganztägige Stabilisierung brauchen, eignen sich Retard-Tabletten, die einmalig morgens eingenommen werden. Sie setzen den Wirkstoff kontinuierlich über den ganzen Tag frei. Die regelmäßige Tabletteneinnahme wird nicht so leicht vergessen. Auch Schlafstörungen treten seltener auf.

Gesetzliche Regelung: Methylphenidat fällt unter das Betäubungsmittelgesetz (Deutschland, Schweiz) beziehungsweise das Suchtmittelgesetz (Österreich). Um Missbrauch zu verhindern, dürfen Mediziner solche Medikamente nur für einen begrenzten Zeitraum und nur auf einem speziellen Rezeptformular (Betäubungsmittel- beziehungsweise Suchtgiftrezept) verschreiben. Eine körperlich süchtigmachende Wirkung hat Methylphenidat aber nicht.

Bei sachgemäßer Anwendung unter ärztlicher Aufsicht sind die Risiken von Betäubungsmitteln beziehungsweise Suchtgiften gering. Bei missbräuchlicher Anwendung können sie jedoch die Gesundheit gefährden - etwa wenn Methylphenidat zum “Gehirn-Doping” (also zum Verbessern der Hirnleistung) eingenommen wird.

Atomoxetin

Ein neuerer Wirkstoff zur Behandlung von ADHS ist Atomoxetin. Er wirkt tendenziell etwas weniger gut als Methylphenidat, bietet aber eine Alternative.

Atomoxetin steigert vor allem die Konzentration des Nervenbotenstoffes Noradrenalin im Gehirn, indem es dessen Abbau verlangsamt. Der Botenstoff bleibt so länger aktiv und verbessert so die Signalübertragung im Gehirn.

Anders als Methylphenidat fällt Atomoxetin nicht unter das Betäubungsmittel- beziehungsweise Suchtgiftgesetz. Es ist ab einem Alter von sechs Jahren für die Behandlung von ADHS zugelassen.

Vergleich von Methylphenidat und Atomoxetin

Substanz Methylphenidat Atomoxetin
Wirkungsweise Wirkt auf den Dopamin-Stoffwechsel im Gehirn, erhöht Dopaminkonzentration Beeinflusst Noradrenalin(NA)-Stoffwechsel, NA wird langsamer in die Zelle wiederaufgenommen und wirkt so länger
Wirksamkeit Hilft in der Mehrheit der Fälle Effektivität eher geringer als die von Methylphenidat, kann bei Patienten wirksam sein, die nicht auf Methylphenidat ansprechen
Wirkdauer 1 bis 3 Gaben pro Tag, neuere Retardpräparate gewährleisten Wirkdauer von 6 bzw. 12 Stunden Kontinuierliche Wirkung über den gesamten Tag
Erfahrung Seit mehr als 50 Jahren Seit den 2000er Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz zugelassen. Studienerfahrung seit 1998
Nebenwirkungen In der Anfangsphase für 2-3 Wochen:
  • Kopfschmerzen
  • Magenbeschwerden
  • verstärkte Reizbarkeit
  • Übelkeit und Erbrechen
Häufig:
  • Appetitlosigkeit
  • Gewichtsabnahme
  • Benommenheit
  • Muskelzucken/Tics
  • Allergische Hautreaktionen
Selten:
  • Anstieg von Blutdruck und Puls
  • Seltene Berichte über ein Ansteigen der Leberwerte oder Leberentzündungen (Hepatitis)
  • Bremst das Längenwachstum und die Gewichtszunahme der Kinder
Vor allem in der Anfangsphase:
  • Kopfschmerzen
  • Mundtrockenheit (Erwachsene)
  • Bauchschmerzen
  • verminderter Appetit
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Verstopfungen
  • Müdigkeit
  • Stimmungsschwankungen
Häufig:
  • verminderter Appetit
  • Gewichtsabnahme
  • leichter Anstieg von Blutdruck und Puls
Gelegentlich:
  • allergische Reaktionen
Selten:
  • zusätzliche Verhaltensstörungen mit aggressiver Komponente
  • Sehr seltene Berichte über ein Ansteigen der Leberwerte, Gelbsucht oder Leberentzündungen (Hepatitis)
  • Bremst das Längenwachstum und die Gewichtszunahme der Kinder wohl nur vorübergehend
Spätfolgen Keine erhöhte Rate von Spätfolgen, Befürchtungen wegen Parkinson-Erkrankung oder Hirnschäden nicht belegbar. Spätfolgen noch nicht absehbar
Suchtgefahr Richtig angewendet keine erhöhte Suchtgefahr; wird bei ADHS sogar reduziert (Verlaufsstudien). Keine Suchtgefahr
Gegenanzeigen
  • epileptische Anfallsleiden
  • Angst und Anspannung
  • erhöhter Augeninnendruck
  • Tourette-Syndrom
  • gleichzeitige Einnahme von Medikamenten aus der Arzneimittelgruppe der MAO-Hemmer zur Behandlung von Depressionen
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • schwere Angina pectoris
  • Herzrhythmusstörungen
  • Schwerer Bluthochdruck
  • schwere Depressionen
  • Magersucht
  • Psychosen
  • Tic-Störungen
  • Medikamentenmissbrauch
  • Alkohol- oder Drogenmissbrauch
  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Prostatavergrößerung
  • kürzlich aufgetretener Schlaganfall
  • gleichzeitige Einnahme von Medikamenten aus der Arzneimittelgruppe der MAO-Hemmer zur Behandlung von Depressionen
  • erhöhter Augeninnendruck (Engwinkelglaukom)
Verordnung Betäubungsmittel- / Suchtgift-Rezept, für Reisen ins Ausland Bestätigung des behandelnden Arztes erforderlich. Normales Rezept

Weitere Medikamente

Wenn Methylphenidat und Atomoxetin nicht ausreichend wirken, können auch verschiedene Neuroleptika, Antidepressiva, Beruhigungsmittel und weitere Amphetamine sowie Fenetyllin und Pemolin verordnet werden.

ADHS-Therapie am Computer - Neurofeedback

Das Neurofeedback ist ein Verfahren auf verhaltenstherapeutischer Basis. Dabei lernt man, die eigenen Hirnaktivitäten positiv zu beeinflussen. Die Methode kann bei Kindern über sechs Jahren und Jugendlichen eingesetzt werden, wenn andere, wirkungsvollere Therapien dadurch nicht verzögert oder behindert werden.

Beim Neurofeedback werden Elektroden auf die Kopfhaut eines Patienten geklebt, die seine Gehirnströme ablesen, sodass sie auf einem Monitor sichtbar werden. Diese Messung nennt sich auch Elektroenzephalografie (EEG).

Durch Konzentration gelingt es dem Patienten, seine Gehirnaktivität auf einem bestimmten Level zu halten. Bei längerem Training lässt sich die erlernte Fähigkeit dann auch im Alltag, in der Schule oder im Beruf anwenden.

Für viele Kinder und Jugendliche ist das Neurofeedback eine effektive Methode zur Konzentrationssteigerung. Es umfasst mindestens 25 bis 30 Sitzungen mit Überprüfungen des Erfolgs durch das Kind / den Jugendlichen und die Eltern.

Nach neuesten Untersuchungen hält der Erfolg eines Neurofeedback-Trainings auch nach sechs Monaten unverändert an.

Homöopathie bei ADHS

Es gibt auch alternative Versuche zur Behandlung von ADHS. Sie können die schulmedizinische Therapie ergänzen.

Eine der alternativen Heilmethoden, die bei ADHS Anwendung finden, ist die Homöopathie. Manche Betroffene beziehungsweise deren Eltern berichten von einer Verbesserung der ADHS-Symptome bei Einnahme von Homöopathika.

Die Auswahl an homöopathischen Mitteln, die hier in Betracht komen, ist groß. Abhängig von den Symptomen verwendet man Globuli auf Basis von Kalium phosphoricum (soll die Konzentrationsfähigkeit fördern...

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