Sigmund Freud, geboren am 6. Mai in Mähren (heute Příbor, Tschechische Republik) und gestorben am 23. September in London, war ein einflussreicher österreichischer Neurologe und der Begründer der Psychoanalyse. Seine Theorien und Behandlungsmethoden haben die moderne Psychologie und Psychotherapie maßgeblich geprägt.
Freuds Leben und Wirken
Freuds Familie zog 1859 nach Leipzig und 1860 nach Wien, wo er 1881 zum Doktor der Medizin promoviert wurde. Er arbeitete im physiologischen Institut von Ernst Brücke und in der Neurologie am Allgemeinen Krankenhaus in Wien, was ihm grundlegende Erfahrungen in neurologischer Klinik und Diagnostik verschaffte.
Freud studierte 1885/86 bei J. M. Charcot in Paris und 1889 bei Liébault und Bernheim in Nancy die Hypnosetechnik und die Probleme der Hysterie. Er heiratete Martha Bernays (1861-1951) und hatte mit ihr sechs Kinder. 1897 begann Freud mit seiner Selbstanalyse.
Ab 1902 lehrte Sigmund Freud als Professor für Neuropathologie an der Universität Wien. Er etablierte in seiner Wohnung die "Psychologische Mittwochsvereinigung", eine Runde, in der Forschungsergebnisse diskutiert wurden.
Im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 wurde die Schrift "Warum Krieg?", die in Zusammenarbeit zwischen Freud und Albert Einstein entstand, veröffentlicht. 1935 wurde er zum Ehrenmitglied der British Royal Society of Medicine ernannt.
Lesen Sie auch: Verdrängung nach Freud
Aufgrund des aufkeimenden Antisemitismus und der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste Freud 1938 nach London fliehen, wo er 1939 an Krebs starb. Sein Denkmal steht im Arkadenhof der Universität Wien, und ein Gedenkstein befindet sich im 9. Bezirk im Sigmund-Freud-Park sowie auf der Bellevuewiese im 19. Bezirk.
Bekannte Werke und Theorien
Freud entwickelte die Traumdeutung, mit der er die Grundbegriffe der Psychoanalyse schuf. Seine Psychoanalyse stellt die Grundlage der modernen Tiefenpsychologie und Psychotherapie dar und war Ausgangspunkt weiterer Lehren, so der Individualpsychologie A. Adlers, C. G. Jungs komplexer Psychologie und der Lehre W. Stekels.
Freuds psychischer Apparat des Menschen besteht im Wesentlichen aus drei Ebenen, die sich in einem steten Kräftespiel von Trieb und Kontrolle befinden:
- Das ES: Die älteste psychische Instanz, die die ererbten Anlagen birgt und dem Lustprinzip gehorcht.
- Das ICH: Die bewusste Vernunft- und Entscheidungsebene, die sich in der Begegnung mit der Umwelt entwickelt.
- Das ÜBER-ICH: Repräsentiert die gesellschaftlich-kulturelle Ebene und speichert Informationen aus Erziehung und Moralvorstellungen.
Nach Freuds psychischem Konzept entstehen Neurosen, Psychosen und andere seelische Fehlleistungen durch die Unterdrückung von Trieben. Eine Neurose fungiert als Ersatzhandlung und stellt den Versuch des jeweiligen Menschen dar, einem größeren Übel auszuweichen, in der Regel einem Konflikt mit dem ÜBER-ICH und daraus resultierendem Liebesverlust.
Einige seiner bekanntesten Werke sind:
- Studien über Hysterie (1895): Zusammen mit Josef Breuer verfasst, behandelt dieses Werk die Ursachen und Behandlung von Hysterie.
- Die Traumdeutung (1900): Eine grundlegende Schrift, die die Bedeutung von Träumen als Ausdruck des Unbewussten analysiert.
- Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1901): Untersucht Fehlleistungen und deren psychologische Bedeutung.
- Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905): Erläutert die Entwicklung der menschlichen Sexualität von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter.
- Totem und Tabu (1913): Untersucht die Übereinstimmungen im Seelenleben von Wilden und Neurotikern.
- Jenseits des Lustprinzips (1920): Führt den Todestrieb als Gegenpol zum Lebenstrieb ein.
- Das Ich und das Es (1923): Beschreibt die Struktur der menschlichen Psyche mit den Instanzen Ich, Es und Über-Ich.
- Die Zukunft einer Illusion (1927): Kritische Auseinandersetzung mit Religion.
- Das Unbehagen in der Kultur (1930): Betrachtung der Konflikte zwischen individuellen Trieben und den Anforderungen der Kultur.
Die Phasen der psychosexuellen Entwicklung nach Freud
Freud entwickelte ein Modell der psychosexuellen Entwicklung, das verschiedene Phasen umfasst, in denen bestimmte Körperzonen und psychische Konflikte im Vordergrund stehen:
Lesen Sie auch: Kritische Auseinandersetzung mit Freud
- Orale Phase (1. Lebenshalbjahr): Die Mundregion ist das primäre Bezugsorgan.
- Narzisstische Phase (2. Lebenshalbjahr): Das Kind entdeckt den eigenen Körper und entwickelt Lustgefühle (Autoerotismus).
- Anale Phase (2.-3. Lebensjahr): Die Lust wird in dieser Phase durch den Vorgang der Defäkation erzielt.
- Phallische Phase (4.-5. Lebensjahr): Die Genitalien werden zu erogenen Zonen. Es kommt zum Ödipuskomplex.
- Latenzphase (6.-7. Lebensjahr): Eine scheinbare Unterbrechung der sexuellen Entwicklung tritt ein.
- Genitale Phase (8. Lebensjahr-Pubertät): Es kommt zu einem Wiederaufleben der Sexualität und des Ödipuskomplexes.
Abwehrmechanismen des Ichs
Zur Bewältigung des Triebimpuls/Abwehr-Konfliktes stehen dem Ich verschiedene Mechanismen zur Verfügung, die jedoch keine optimalen Lösungen darstellen, sondern ein Wiederaufleben des Konfliktes zu einem späteren Zeitpunkt begünstigen:
- Verdrängung: Ein psychischer Vorgang, mit dem die mit einem Trieb verbundenen Vorstellungen ins Unbewusste abgeschoben werden.
- Reaktionsbildung: An die Stelle eines verdrängten Wunsches tritt eine, diesem entgegengesetzte Vorstellung oder Verhaltensweise.
- Verschiebung: Ein ursprüngliches Triebobjekt wird durch ein anderes (Ersatz-) Objekt ersetzt.
- Rationalisierung: Verhaltensweisen, Gedanken, Gefühle usw., deren wirkliche Motive nicht erkannt werden, werden eine logische oder moralisch akzeptable Erklärung gegeben.
- Sublimierung: Ein Vorgang zur Erklärung derjenigen Verhaltensweisen, die scheinbar keinen Bezug zur Sexualität haben, deren treibende Kraft aber die Sexualität ist.
- Kompensation: Eine Verhaltensweise, durch die psychische Mängel (z.B. Minderwertigkeitsgefühle) ausgeglichen werden sollen.
- Verleugnung: Die Leugnung bestimmter unangenehmer Gefühle vor sich selbst und der Umgebung.
- Isolierung: Ein Gedanke oder ein Verhalten wird isoliert, so dass die Verbindung mit anderen Gedanken oder mit der übrigen Existenz des Subjekts unterbrochen ist.
- Identifikation, Introjektion, Projektion: Die Identifikation des Ich mit dem Objekt kann sowohl über die Projektion als auch die Introjektion erfolgen.
Freuds Vermächtnis
Mit der Entwicklung der Psychoanalyse hat Freud die Wahrnehmung des seelisch leidenden Menschen verändert. Er hat dem Wissen um das Unbewusste ein theoretisches Interesse zugewandt und dabei erstmals die fundamentale Rolle des Unbewussten für die menschliche Entwicklung fomuliert. Seine Theorien und Behandlungsmethoden haben die moderne Psychologie und Psychotherapie maßgeblich geprägt.
Zeitleiste wichtiger Ereignisse in Freuds Leben
| Jahr | Ereignis |
|---|---|
| 1856 | Sigismund Freud wird am 6. Mai in Freiberg, Mähren geboren. |
| 1881 | Freud promoviert zum Doktor der Medizin. |
| 1886 | Freud eröffnet seine Privatpraxis in Wien. |
| 1895 | Veröffentlichung der "Studien über Hysterie" zusammen mit Breuer. |
| 1900 | Veröffentlichung von "Die Traumdeutung". |
| 1902 | Freud wird Professor für Neuropathologie an der Universität Wien. |
| 1908 | In Salzburg findet der 1. Internationale Psychoanalytische Kongreß statt. Veröffentlichung von "Der Wahn und die Träume in W. Jensens »Gradiva«". |
| 1933 | Die Schrift "Warum Krieg?", die in Zusammenarbeit zwischen Freud und Albert Einstein entstand, wird veröffentlicht. |
| 1938 | Freud flieht vor den Nationalsozialisten nach London. |
| 1939 | Sigmund Freud stirbt am 23. September in London. |
Lesen Sie auch: Sigmund Freud und der Determinismus
tags: #sigmund #freud #bekannteste #werke #zusammenfassung