Psychotherapie ist eine spezialisierte Form der Hilfe, die Menschen bei der Bewältigung ihrer emotionalen und psychischen Probleme unterstützt. Die Psychotherapie bietet Dir die Möglichkeit, Klienten dabei zu helfen, ihre inneren Konflikte zu erkennen und zu verstehen. In der Therapie arbeitest Du gemeinsam mit Deinen Klienten & Klientinnen an deren Gedanken, Gefühlen und Verhaltensmustern.
In Österreich gibt es ein Gesetz, das die Ausbildung zum Psychotherapeuten oder zur Psychotherapeutin regelt: das Psychotherapiegesetz (PthG). Dieses Gesetz ist seit 1991 in Kraft und beschreibt die strukturierte Ausbildung, die aus zwei aufeinander aufbauenden Teilen besteht: dem Propädeutikum und dem Fachspezifikum. Zunächst absolvierst Du das Propädeutikum.
Das Psychotherapeutische Propädeutikum
Das Propädeutikum ist der erste und allgemeine Teil der Ausbildung. Hier erwirbst du das theoretische Fachwissen sowie praktische Kompetenzen, die die gemeinsame Grundlage für die psychotherapeutische Tätigkeit für alle sogenannten psychotherapeutischen Orientierungen bilden.
In Theorieseminaren des Propädeutikums begegnen dir folgende Inhalte:
- Grundlagen und der Psychotherapie
- Allgemeine Psychologie und die Entwicklungspsychologie
- Persönlichkeitstheorien
- Rahmenbedingungen für die Ausübung der Psychotherapie
- Psychologische Diagnostik und Begutachtung
- Psychosoziale Interventionsformen
- Psychiatrie, Psychopathologie und Psychosomatik
- Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Gerontopsychotherapie
Du beschäftigst dich im Rahmen der Ausbildung ebenfalls mit Fragen der Ethik deines Berufes. Zudem erwirbst du umfassende Kompetenzen der Forschungs- und Wissenschaftsmethodik. Neben den Theorieseminaren absolvierst du ein Praktikum in einer Einrichtung des Gesundheits- und Sozialwesens, im Umgang mit psychisch leidenden oder verhaltensgestörten Personen. Du absolvierst dein Praktikum unter Anleitung erfahrener Fachkräfte aus dem psychosozialen Bereich. Weitere Bestandteile des Propädeutikums sind die Selbsterfahrung (Auszubildende erleben in der Rolle von Patienten selbst Behandlungsmethoden, bevor diese an Patienten angewendet werden) sowie Supervision (Beratung zum eigenen therapeutischen Handeln durch erfahrene Psychotherapeuten).
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Voraussetzungen für das Propädeutikum
Für jeden Teil der Psychotherapie Ausbildung musst du jeweils andere Voraussetzungen erfüllen. Du bist berechtigt das Propädeutikum anzutreten, wenn du …
- das 18. Lebensjahr vollendet hast und
- über die Matura oder Abitur (inklusive Berufsmatura) oder einen der Matura gleichwertigen, nostrifizierten Schulabschluss oder
- über die Studienberechtigungsprüfung oder
- über das Diplom des Krankenpflegefachdienstes oder
- über das Diplom des medizinisch-technischen Dienstes oder
- über eine Sondergenehmigung des Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz verfügst.
Das Fachspezifikum
Das Fachspezifikum stellt, wie schon erwähnt, den zweiten Teil der Psychotherapie-Ausbildung dar. Im Fachspezifikum spezialisierst du dich auf eine Therapiemethode, anhand derer du deine Patienten behandeln wirst. In Österreich gibt es insgesamt 23 anerkannte Therapiemethoden, die sich vier Orientierungen zuteilen lassen:
- Die Tiefenpsychologisch‐psychodynamische Orientierung umfasst Ansätze, die unbewusste seelische Vorgänge als wichtigen Faktor für die Erklärung menschlichen Verhaltens und Empfindens werten und fokussiert die Auflösung beispielsweise unterbewusster innerer Konflikte.
- Die Humanistisch‐existenzielle Orientierung umfasst Methoden, die auf die innere Zustimmung zum eigenen Handeln abzielen. Sie setzen häufig an Unklarheiten, Unentschiedenheiten und Verfremdungen sowie am Verstehen der eigenen Gefühlswelt an.
- Die Systemische Orientierung beinhaltet die Neuro-Linguistische Psychotherapie (besondere Berücksichtigung von Repräsentationssystemen, Modellbildungsprozessen und Beziehungssystemen der Person) und Systemische Familientherapie (versteht die Probleme des Einzelnen im Kontext seiner/ihrer sozialen Beziehungen).
- Die Verhaltenstherapeutische Orientierung fokussiert die direkte Konfrontation mit problematischen Situationen.
In deinen Theorieseminaren befasst du dich unter anderem mit:
- Persönlichkeits- und Interaktionstheorien der gesunden und psychopathologischen Persönlichkeitsentwicklung
- therapeutischen Prozessen und Therapeut-Klient-Beziehung
- Diagnostik in der Verhaltenstherapie
- Standardmethoden Klinischer Diagnostik
- Umgang mit Suizid und Krisen
- Einführung in Psychopathologie und Psychopharmakologie
Du durchläufst ein klinisches sowie ein psychosoziales Praktikum, Supervision und Selbsterfahrungs-Sitzungen. Du absolvierst zudem eine mindestens 600-stündige psychotherapeutische Tätigkeit mit verhaltensgestörten oder leidenden Personen.
Voraussetzungen für das Fachspezifikum
Du bist berechtigt das Fachspezifikum anzutreten, wenn du …
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- das Propädeutikum erfolgreich absolviert hast und
- das 24. Lebensjahr vollendet hast und
- einen sogenannten Quellberuf erworben bzw. ein entsprechendes Studium absolviert hast oder
- über eine Sondergenehmigung des Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz verfügst.
Gesetzlich anerkannte Quellberufe sind unter anderem:
- Mediziner/in
- Pädagoge/in
- Psychologe/in
- Lehrer/in
- Musiktherapeut/in
- Kommunikationswissenschaftler/in
- Diplomierte/r Krankenpfleger/in
Mit welcher abgeschlossenen Ausbildung bzw. Wenn du über einen vergleichbaren Abschluss einer ausländischen Universität verfügst, muss dieser in Österreich nostrifiziert sein. Achtung: Damit dein Studienabschluss einem Quellberuf entspricht, musst du in der Regel einen Masterabschluss in deinem Studienfach erwerben. Ausnahmen bilden die Studien Sozialarbeit und Studien des gehobenen medizinisch-technischen Dienstes, die berufsqualifizierend mit einem Bachelor abschließen.
Dauer und Kosten der Ausbildung
Die Psychotherapie Ausbildung dauert insgesamt zwischen fünf und sieben Jahren. Das Propädeutikum kann in zwei bis drei Jahren abgeschlossen werden, das Fachspezifikum in der Regel in drei Jahren.
Im Rahmen des Propädeutikums leistest du mindestens 765 Stunden Theoriestunden und 550 Praxisstunden ab. Nachdem du alle theoretischen und praktischen Einheiten absolviert hast, beendest du das Propädeutikum mit einer Abschlussprüfung. Die Form kann je nach Bildungseinrichtung variieren. Mögliche Abschlussprüfungen sind: eine ca. 60-minütige mündliche Prüfung und/oder eine schriftliche Abschlussarbeit und/oder die Abgabe eines Studienbuchs
Das Fachspezifikum umfasst mindestens 300 Theoriestunden und 1600 Praxisstunden. Nachdem du alle Bestandteile deiner Ausbildung erfolgreich absolviert hast, legst du die Abschlussprüfung ab. Umfang und Form können sich je nach Ausbildungsinstitut unterscheiden. Du kannst aber damit rechnen, dass du eine schriftliche Abschlussarbeit verfassen und einen oder mehrere Fallberichte zu deinen Behandlungen einzelner Patienten einreichen musst, die du im Rahmen einer mündlichen Prüfung (Abschlusskolloquium) verteidigst.
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Die Kosten für die Psychotherapie Ausbildung fallen je nach Bildungseinrichtung bzw. Universität unterschiedlich aus. Die Lehrgangskosten für das Propädeutikum betragen ca. zwischen 4.000 und 8.000 Euro. Für die Supervision und Selbsterfahrung bezahlst du jeweils einen Stundensatz an die Lehrtherapeuten (ca. zwischen 20 und 80 Euro, je nachdem, ob es sich um Einzel- oder Gruppensitzungen handelt). Diese Stundensätze können sich in der Summe zusätzlich auf einige Tausend Euro belaufen. Das Fachspezifikum kostet insgesamt (Theorie- und Praxisanteil) zwischen ca. 20.000 und 50.000 Euro.
Akademisierung der Psychotherapieausbildung
Aktuell kann die Psychotherapieausbildung in Österreich noch in 2 Schritten (Propädeutikum und Fachspezifikum) kostenpflichtig absolviert werden, wobei dieses Modell mit längeren Übergangsfristen auslaufen wird. In Zukunft soll die Ausbildung 3-teilig sein: Bachelorstudium, Masterstudium und daran anschließend Fachausbildung in einer Fachgesellschaft (clusterspezifisch) mit einer staatlichen Approbationsprüfung am Ende.
Es ist geplant, dass mit WS 2026/27 ein Masterstudium für Psychotherapie an öffentlichen Universitäten in Österreich angeboten werden wird. Die Universität Graz ist bestrebt, ein entsprechendes Angebot zu schaffen.
Der dritte Ausbildungsteil umfasst die postgraduelle psychotherapeutische Fachausbildung, die theoretische Inhalte, die praktische Tätigkeit, Lehrsupervision, Selbsterfahrung und die Approbationsprüfung. Dieser Ausbildungsteil wird auch weiterhin mit Kosten verbunden sein.
Universitätslehrgang Psychotherapie: Psychoanalytische/Psychodynamische Methoden (ULG-PPPM)
Der Universitätslehrgang Psychotherapie: Psychoanalytische/ Psychodynamische Methoden (ULG-PPPM) wird von der MedUni Wien in Kooperation mit akkreditierten außeruniversitären Ausbildungseinrichtungen, sog. Fachspezifikums-Anbieter:innen (FS-Anbieter:innen) aus dem Bereich der psychoanalytischen/ psychodynamischen Psychotherapie ausgerichtet. Die MedUni Wien stellt dabei den akademischen Rahmen zur Verfügung und bietet die wissenschaftliche Ausbildung im Bereich der Psychotherapieforschung bis hin zur Masterarbeit an. Die FS-Anbieter:innen bringen im Bereich der fachspezifischen Theorie der jeweiligen Psychotherapierichtung sowie im Hinblick auf die praktische Ausbildung zum:zur Psychotherapeut:in Expertise ein.
Die fachspezifische Ausbildung entsprechend dem Psychotherapiegesetz findet bei den genannten Anbieter:innen statt, an der Medizinischen Universität Wien werden die Ausbildungsmodule zur Psychotherapieforschung sowie die Masterarbeit absolviert.
Voraussetzungen für den Universitätslehrgang
Voraussetzung für die Zulassung zum Universitätslehrgang ist der Nachweis über:
- ein abgeschlossenes Bachelorstudium im Ausmaß von mindestens 180 ECTS (oder ein Studium mindestens desselben hochschulischen Bildungsniveaus an einer anerkannten in- oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung) in einer der folgenden Disziplinen:
- Medizin
- Psychologie
- Psychotherapie
- Soziale Arbeit
- Pädagogik
- Philosophie
- Musiktherapie
- Publizistik und Kommunikationswissenschaften
- eine mehrjährige einschlägige Berufserfahrung (mindestens zwei Jahre) in einem oder mehreren der folgenden Bereiche:
- Medizin
- Psychologie
- Psychotherapie
- Soziale Arbeit
- Pädagogik
- Philosophie
- Musiktherapie
- Publizistik und Kommunikationswissenschaften
Als „einschlägig“ werden berufliche Tätigkeiten verstanden, bei denen persönliche Kommunikation und Interaktion mit Menschen im Zuge von Betreuung, Begleitung, persönlicher oder beruflicher Entwicklung, Beratung oder Versorgung im Vordergrund stehen.
- die erfolgreiche Absolvierung eines psychotherapeutischen Propädeutikums
- die Annahme als Ausbildungskandidat:in für die fachspezifische Psychotherapieausbildung gemäß den Vorgaben des geltenden PthG von einem:r der unter § 3 genannten Kooperationspartner:innen der MedUni Wien; dies impliziert jedenfalls, dass das 24. Lebensjahr vollendet wurde.
Die Studienwerber:innen haben die für den erfolgreichen Studienfortgang notwendigen Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen nachzuweisen. Des Weiteren werden Kenntnisse der englischen Sprache auf dem Niveau B2 vorausgesetzt.
Vorausgesetzt werden weiters Computerkenntnisse, die eine problemlose Nutzung einer Lehr- und Lernplattform sowie die Benützung von Literaturdatenbanken ermöglichen.
Dem Antrag auf Zulassung ist ein Bewerbungsschreiben und ein Curriculum Vitae beizulegen.
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