Die unipolare Depression zählt zu den häufigsten Erkrankungen weltweit, wobei in Europa derzeit ca. 30,3 Millionen Menschen betroffen sind. Die Lebenszeitprävalenz variiert hierbei zwischen 11,2 und 16 Prozent. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Depression derzeit am vierten Platz der führenden Ursachen für die globale Krankheitslast, und anhand aktueller Schätzungen wird sie im Jahr 2030 die erste Stelle annehmen. Weitere Untersuchungen zeigten, dass bis zu zehn Prozent depressiver Patienten einen Suizidversuch begehen.
Nur rund ein Drittel der Patienten mit Depressionen erreichen unter einer pharmakologischen Behandlung mit einem Antidepressivum eine vollständige Remission. In der Literatur finden sich 20 bis 30 Prozent, die partiell ansprechen. Depressionen, die nur unzureichend oder gar nicht auf therapeutische Interventionen ansprechen, stellen Behandler vor eine Reihe von Herausforderungen.
Definition und Herausforderungen der Therapieresistenz
Der Begriff Behandlungsresistenz wird meistens bei einem unzureichenden Ansprechen auf therapeutische Interventionen angewendet. Eine einheitliche Definition ist derzeit jedoch nicht verfügbar. Für die Operationalisierung von Therapieansprechen im Rahmen einer antidepressiven Behandlung wurden bisher bereits mehrere StagingModelle vorgestellt.
Die European Medicines Agency (EMA), deren Kriterien für Therapieansprechen häufig in klinischen Studien angewendet werden, unterscheidet zwischen Behandlungsresistenz und inadäquater Response. Ein praktischer Ansatz für die Beurteilung von unzureichendem Therapieansprechen wurde von Kasper und Akimova (2013) eingeführt. Hierbei sollte die Definition einer „inadäquaten Response“ bei einem unzureichenden Ansprechen auf eine adäquate antidepressive Therapie angewendet werden. Eine „NonResponse“ liegt bei einem unzureichenden Ansprechen auf zwei adäquate antidepressive Behandlungen vor. Wenn es trotz mehrerer adäquater antidepressiver Behandlungen zu einem unzureichenden Ansprechen kommt, sind die Betroffenen als „therapierefraktär“ zu bezeichnen. Die anhand dieser Klassifizierung erstellten Definitionen für die Beurteilung von unzureichendem Therapieansprechen sind in Tabelle 1 angeführt.
In den WFSBPKriterien für Therapieansprechen werden zusätzlich die MontgomeryÅsbergDepressionsskala (MADRS) oder die HamiltonDepressionsskala (HAMD) miteinbezogen. Eine Remission wird nach den WFSBPKriterien als ein HAMDGesamtscore von ≤7 und eine Verbesserung der psychosozialen und beruflichen Funktionalität definiert. Von einer Response spricht man bei einer Reduktion der Symptomschwere von ≥50 Prozent, während eine partielle Response als eine Reduktion der depressiven Symptomatik von 26 bis 49 Prozent charakterisiert wird.
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Laut internationaler Evidenz konnten früher Krankheitsbeginn, Schwere der Erkrankung, wiederkehrende Episoden, Anzahl der notwendigen Hospitalisierungen, Suizidalität, komorbide Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen sowie Nichtansprechen auf die initiale antidepressive Psychopharmakotherapie mit einer TRD assoziiert werden.
Tabelle 1: Definitionen für die Beurteilung von unzureichendem Therapieansprechen
| Begriff | Definition |
|---|---|
| Inadäquate Response | Unzureichendes Ansprechen auf eine adäquate antidepressive Therapie |
| Non-Response | Unzureichendes Ansprechen auf zwei adäquate antidepressive Behandlungen |
| Therapierefraktär | Unzureichendes Ansprechen trotz mehrerer adäquater antidepressiver Behandlungen |
Diagnostische Maßnahmen bei unzureichendem Therapieansprechen
Bei unzureichendem Ansprechen auf eine initiale antidepressive Therapie zählt der Ausschluss einer sogenannten Pseudoresistenz zu den ersten (diagnostischen) Maßnahmen. Eine Pseudoresistenz geht meistens mit einer unzureichenden Behandlungsdauer bzw. einer unzureichenden Tagesdosis des verordneten Antidepressivums einher. Weiters können insuffiziente Plasmaspiegel, relevante und ev. nicht entsprechend behandelte psychiatrische und/oder somatische Komorbiditäten, psychosoziale Belastungen, Non-Adhärenz sowie das Auftreten von unerwünschten Nebenwirkungen auf eine Pseudoresistenz hinweisend sein.
Nach Ausschluss einer Pseudoresistenz sollte das Ausmaß des unzureichenden Therapieansprechens genau eingestuft werden. Im Jahr 2013 wurde ein praktischer Ansatz für die Beurteilung einer insuffizienten Therapieresponse beschrieben, um die möglichen, gerade in letzter Zeit erarbeiteten Behandlungsoptionen, für jeden Patienten optimal einsetzen zu können.
- Evaluierung der laufenden antidepressiven Therapie bzgl. Einnahmedauer, Tagesdosis, Plasmakonzentration und ev. Nebenwirkungen: Da die Zeit vom Behandlungsbeginn bis zur Symptomverbesserung zwischen einzelnen Patienten erheblich variieren kann, wird derzeit eine Behandlungsdauer von mindestens zwei bis drei Wochen unter einer adäquat dosierten antidepressiven Medikation empfohlen, um den Therapieeffekt entsprechend beurteilen zu können.
- Evaluierung der Therapieadhärenz: Eine nicht ausreichende Therapieadhärenz ist ein häufiger Grund für eine Behandlungsunterbrechung. Es konnte gezeigt werden, dass eine Großzahl von Patienten ihre Medikation nicht verordnungsgemäß einnimmt.
- Evaluierung von psychosozialen Belastungen: Nachdem psychosoziale Belastungen die Lebensqualität und Funktionalität der Patienten und somit auch die Wirksamkeit der verordneten antidepressiven Therapie deutlich beeinträchtigen können, sollten sie sorgfältig evaluiert werden.
- Validierung der gestellten Diagnose und Erfassung von psychiatrischen und somatischen Komorbiditäten und deren Behandlung: Im Rahmen der differenzialdiagnostischen Überlegungen sollte zuerst überprüft werden, ob die zu behandelnde depressive Störung die primäre Diagnose darstellt. Außerdem ist zu evaluieren, ob es sich um eine unipolare bzw. eine bipolare Depression handelt bzw. ob die depressive Symptomatik im Rahmen einer psychotischen Grunderkrankung (z.B. schizoaffektive Störung, Negativsymptomatik im Rahmen einer Schizophrenie) aufgetreten ist.
Therapiemöglichkeiten bei Nichtansprechen
Bei Nichtansprechen auf die initiale antidepressive Behandlung und nach Ausschluss der oben genannten Pseudoresistenz werden in der klinischen Routine derzeit folgende Therapiemöglichkeiten angewendet, um eine ausreichende Symptomverbesserung zu erreichen:
- Erhöhung der Tagesdosis der laufenden antidepressiven Monotherapie (Dosiseskalation, Hochdosistherapie)
- Kombinationstherapie (gleichzeitige Verabreichung von zwei oder mehreren Antidepressiva)
- Augmentationstherapie (Verabreichung von Antipsychotika der zweiten Generation bzw. Lithium zusätzlich zur laufenden antidepressiven Therapie)
- Kombinationstherapie mit weiteren pharmakologischen und nicht pharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten (z.B. intravenöse bzw. intranasale Verabreichung von Ketamin, Elektrokonvulsionstherapie (EKT), Transkranielle Magnetstimulation (TMS), Vagusnervstimulation, Schlafentzug, Lichttherapie, Psychotherapie)
- Umstellung des Antidepressivums auf ein anderes Präparat im Rahmen einer antidepressiven Monotherapie (Switching).
Psychopharmakotherapie
Im Rahmen der Psychopharmakotherapie stellen Antidepressiva eine etablierte FirstlineStrategie dar, wobei ihre Wirksamkeit in einer Vielzahl von klinischen Studien bewiesen werden konnte. Antidepressiva stellen die Therapieoption der ersten Wahl in der Behandlung der unipolaren Depression dar. Die Effektivität konnte in einer Vielzahl von international durchgeführten klinischen Studien und Metaanalysen gezeigt werden.
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Aufgrund ihrer mehrfach nachgewiesenen Effektivität und guten Verträglichkeit werden SSRIs als Antidepressiva der ersten Wahl betrachtet. Für Patienten mit Ein- und Durchschlafstörungen sind Antidepressiva mit sedierenden Eigenschaften wie z.B. das NaSSA Mirtazapin oder das SARI Trazodon geeignet. Bei Patienten mit einer ausgeprägten Antriebslosigkeit stellen wiederum Antidepressiva mit einem noradrenergen Wirkmechanismus wie z.B. die SNRIs Venlafaxin, Milnacipran oder Duloxetin eine sinnvolle Therapieoption dar.
Im Vergleich zu den moderneren Substanzen wie z.B. SSRIs, SNRIs, NaSSAs, NDRIs, SARIs sowie Agomelatin und Vortioxetin, welche über ein günstiges Nebenwirkungsprofil verfügen, weisen TZAs wesentlich mehr unerwünschte Nebenwirkungen auf, wobei das cholinerge Spektrum besonders erwähnenswert ist. Daher stellen TZAs eine „Second-Line“-Therapieoption dar.
Augmentationstherapie
Hinsichtlich der Psychopharmakotherapie stellt gegenwärtig die Augmentationstherapie mit Antipsychotika der zweiten Generation oder Lithium eine evidenzbasierte First-line-Strategie für TRD dar. Antipsychotika der zweiten Generation, die im Rahmen einer Augmentationstherapie zusätzlich zu Antidepressiva verabreicht werden, verstärken nachweislich ihre antidepressive Wirksamkeit. Es ist hierbei erwähnenswert, dass bei depressiven Patienten in der Regel geringere Dosierungen als in der Behandlung einer Schizophrenie notwendig sind (z.B. Quetiapin XR 50-300mg tgl., Aripiprazol 2,5-10mg tgl., Olanzapin 2,5-10mg tgl.).
Lithium ist sowohl in den USA als auch in Europa für die Augmentationstherapie im Rahmen einer depressiven Störung zugelassen. Bei Patienten mit einer bipolaren Depression ist von Lithium eine hohe Effektivität zu erwarten. Darüber hinaus verfügt Lithium über eine sehr gute antisuizidale Wirksamkeit, welche unabhängig von der Grunderkrankung beobachtet werden konnte.
Kombinationstherapie
Im Rahmen einer Kombinationstherapie mit zwei oder mehreren Antidepressiva sollten vorzugsweise Antidepressiva mit verschiedenen Wirkmechanismen (z.B. Monoamin-Wiederaufnahmehemmer mit präsynaptischen Autorezeptor-Inhibitoren) gewählt werden. Die internationalen Therapierichtlinien empfehlen eine Kombinationstherapie nur dann, wenn zwei antidepressive Substanzen mit verschiedenen Wirkungsprofilen kombiniert werden. Beispielsweise hat sich die Kombinationstherapie mit einem SSRI und Mirtazapin mehrfach als sehr wirksam erwiesen, während die Kombinationstherapie mit Venlafaxin und Mirtazapin mit einem potenziell höheren Risiko für die Entwicklung unerwünschter Nebenwirkungen assoziiert wurde.
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Weitere Behandlungsmöglichkeiten
- Dosiseskalation: Nach den aktuellen Behandlungsrichtlinien der internationalen psychiatrischen Gesellschaften wird derzeit eine Dosiserhöhung über die offiziell zugelassene Tagesdosis hinaus generell nicht als evidenzbasierte Behandlungsstrategie für TRD erachtet.
- Switching: Die Umstellung eines Antidepressivums auf ein anderes im Rahmen einer antidepressiven Monotherapie kann derzeit nicht als evidenzbasierte Therapieoption bei TRD angesehen werden. Laut aktueller internationaler Therapierichtlinien sollte Switching nur bei absoluter Non-Response bzw. bei Auftreten von nicht tolerablen Nebenwirkungen angewendet werden.
- Off-Label-Behandlung mit Ketamin: Ketamin konnte bereits mehrfach in klinischen Phase-III-Prüfungen eine rasche antidepressive und eine antisuizidale Wirksamkeit beweisen.
- Elektrokonvulsionstherapie (EKT): Bei der Elektrokonvulsionstherapie, kurz EKT oder auch Elektrokrampftherapie genannt, erfolgt in einer Kurznarkose eine Verabreichung von Stromimpulsen über Elektroden an der Kopfhaut. Dies führt zu einem Krampfanfall.
- Repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS): Bei der repetitiven Transkraniellen Magnetstimulation (rTMS) wird eine Spule an die Kopfhaut angelegt. Diese erzeugt elektromagnetische Impulse, die wiederholt verabreicht werden.
- Lichttherapie: Bei Depressionen, die einen Zusammenhang mit den Jahreszeiten zeigen, empfehlen Fachleute mitunter Lichttherapie. Diese hat das Ziel, den Spiegel der Hormone Serotonin und Melatonin zu regulieren.
- Schlafentzugstherapie: Diese findet in einem Krankenhaus auf einer Station oder in einer spezialisierten Ambulanz statt. Dabei kommt es zu einem Schlafentzug über die ganze Nacht oder in der zweiten Nachthälfte.
Psychotherapie
Im Rahmen der Psychopharmakotherapie stellen Antidepressiva eine etablierte FirstlineStrategie dar, wobei ihre Wirksamkeit in einer Vielzahl von klinischen Studien bewiesen werden konnte. Von einer alleinigen Pharmakotherapie ist jedoch abzuraten - sie sollte stets durch psychologisch-therapeutische Behandlungen ergänzt werden. Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) stellt eine sehr wirkungsvolle und belastungs-reduzierende Methode zur Behandlung von Depressionen dar.
Medikamentöse Therapie: Schwere Depressionen müssen auf jeden Fall auch medikamentös behandelt werden. Am erfolgreichsten ist eine Kombinationstherapie bestehend aus Psychotherapie und Pharmakotherapie.