Psychiatrischer Notdienst in Deutschland: Hilfe in psychischen Krisen

Menschen in psychischen Krisen brauchen unverzüglich, unbürokratisch und professionell Hilfe. Bei einem psychiatrischen Notfall tritt eine psychiatrische Störung akut auf oder verschlimmert sich bis hin zu einem medizinischen Notfall. Es handelt sich dabei um teils lebensbedrohliche Zustände. Daher ist bei einem psychiatrischen Notfall rasche medizinische Hilfe unumgänglich!

Was ist ein psychiatrischer Notfall?

Auch ein akutes körperliches Leiden (z.B. Gehirnblutung, Stoffwechselstörung) kann zu psychiatrischen Symptomen führen. Dabei kommt es zu einer unmittelbaren Gefährdung von Leben und Gesundheit der betroffenen Person (sowie ggf. auch seiner Umgebung). Bei einem psychiatrischen Notfall droht Lebensgefahr (z.B. bei Gefahr der Selbstschädigung oder eskalierender Gewalt). Eine akute Verschlechterung eines Krankheitszustandes mit unter Umständen nicht rückgängig zu machenden Folgen ist möglich.

Symptome und Anzeichen eines psychiatrischen Notfalls

  • Störungen des Bewusstseins
  • Störung des Realitätsbezugs: Wahrnehmung, Denken und Handeln sind nicht realitätsnah und wirken „komisch“
  • hochgradige Erregung (z.B. schwere Vergiftungen, die psychiatrische Symptome auslösen)
  • überflutende Gefühle
  • Ankündigung von selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten
  • „Nervenzusammenbruch“ (akute Belastungsreaktion) etc.

Wie man in einem psychiatrischen Notfall handelt

Betroffene in Notsituation ansprechen: Versuchen Sie, Ruhe zu bewahren und die Lage zu erfassen. Sprechen Sie die betroffene Person an. Betroffene sollten Raum bekommen, selbst zu erzählen, wie es Ihnen geht. In jedem Fall ist die Privatsphäre der Person zu akzeptieren.

Rasch Hilfe holen: Rufen Sie die Rettung unter 144 oder die Polizei unter 133 bei Risiko einer Selbst- oder Fremdgefährdung. In Kontakt bleiben bis die Rettung kommt: Versuchen Sie die Betroffene/den Betroffenen nicht alleine zu lassen! Bleiben Sie wenn möglich mit ihr/ihm in Kontakt, ermöglichen Sie jedoch auch einen Rückzugsraum.

Vermeiden Sie Zurechtweisungen. Versuchen Sie diejenige/denjenigen zu beruhigen und gegebenenfalls noch weitere Hilfe zu holen. Nehmen Sie die Person und ihre Wahrnehmung ernst, stellen Sie diese nicht in Frage. Die Rettungsleitstelle kann Ihnen auch über das Telefon Anweisungen geben, die Sie befolgen sollten.

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Diskutieren Sie jedoch nicht lange - holen Sie Hilfe! Manchmal kann es sein, dass das Hilfsangebot abgewiesen wird. Das gilt in den wenigsten Fällen Ihnen persönlich. Holen Sie dennoch Hilfe! Einfühlsam zu sein und gleichzeitig konsequent Hilfe zu organisieren, muss kein Widerspruch sein.

Versuchen Sie zudem, bei Menschen, die aggressiv sind, ruhig zu bleiben und sorgen Sie für Ihre Sicherheit, halten Sie Abstand. Zeigen Sie klar Ihre Grenzen.

Krisendienste und Notrufnummern

Bei psychischen oder suizidalen Krisen sowie im akuten Notfall ist es wichtig, rasch Krisentelefonnummern und Notrufnummern bei der Hand zu haben.

Bundesweite 24-Stunden-Krisentelefone und Notrufnummern

  • Rettung: 144
  • Polizei: 133
  • Ö3-Kummernummer: täglich von 16 bis 24 Uhr (zum Nulltarif erreichbar, absolut anonym)

Regionale Angebote

  • Sozialpsychiatrischer Notdienst (SND) Wien: 01 31330 (täglich von 0.00 bis 24.00 Uhr, 365 Tage im Jahr, flächendeckend für ganz Wien)
  • PsyNot - Das psychiatrische Krisentelefon für die Steiermark: 0800/44 99 33 (rund um die Uhr)
  • Krisenhotline Oberösterreich: Telefonische Hilfe bei psychischen Krisen rund um die Uhr für Anruferinnen/Anrufer aus ganz Oberösterreich.

Psychosoziale Krise

Im Unterschied zur psychiatrischen Krise besteht bei einer psychosozialen Krise keine unmittelbare Gefährdung. Sie ist jedoch ebenso sehr belastend und kann zu einem Notfall werden. Eine psychosoziale Krise wird durch belastende Lebensereignisse und/oder veränderte Umstände ausgelöst. Betroffene können diese momentan nicht mit ihren üblichen Problemlösungsstrategien bewältigen. In der Folge haben sie Schwierigkeiten, ihr Berufsleben sowie ihr soziales Leben zu meistern.

Durch rechtzeitiges Handeln können so manche Folgeerkrankungen (z.B. posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen) oder gefährliche Situationen (z.B. Suizid, Gewalthandlung) vermieden werden.

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LOOK, LISTEN, LINK - Ein Leitfaden für Ersthelfer

Prim. Dr. LOOK: Um zu einer Einschätzung der Situation zu gelangen, orientieren wir uns an vier Parametern:

  • Das eigene Bauchgefühl ist ein sehr zuverlässiger innerer Ratgeber.
  • Die Intensität der Verhaltensänderung kann wichtige Informationen liefern.
  • Die Kontaktfähigkeit der Person, also ob und wie nachvollziehbar die Person reagiert.
  • Ob eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt.

Je mehr die vier Parameter ausgeprägt sind, desto eher handelt es sich um eine Situation mit akutem Handlungsbedarf.

LISTEN: Eine unterstützende und offene Grundhaltung ist sehr wichtig für betroffene Personen. Am besten kann das durch aktives Zuhören vermittelt werden. Aktives Zuhören bedeutet zu signalisieren, dass man für die Person da ist und ihr die volle Aufmerksamkeit schenkt. Sehr wichtig ist dabei die nonverbale Kommunikation: Augenkontakt, Nicken, offene und zugewandte Körperhaltung angemessene Distanz: Berührungen nur, wenn angebracht Bei der verbalen Kommunikation gilt folgendes: Nachfrage, Wiederholung, Bestärkung Aber auch hier ist grundsätzlich immer zu beachten: Selbstschutz vor Fremdschutz.

LINK: Unterstützung wird bei psychiatrischen Notfällen in vielen Fällen über das Hinzuziehen des Rettungsdienstes geleistet. Damit wird eine rasche medizinische Versorgung herbeigeführt, um schlimmere Folgeschäden zu vermeiden. Hier gilt, dass Zuwendung und Verständnis, aber auch konsequentes Hilfeholen, wenn notwendig, sich nicht gegenseitig ausschließen. Betroffene Personen sollen nach Möglichkeit eingebunden werden. Sie selbst wissen häufig am besten, wer gut helfen kann oder was als hilfreich empfunden wird. Ist das allerdings nicht möglich, kann es in manchen Situationen auch notwendig sein, eigenständige Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu treffen und den Notruf zu wählen. Das gilt vor allem in Situationen mit Selbst- oder Fremdgefährdung.

Krisenhotlines können gegebenenfalls auch Ersthelfer:innen bei dem weiteren Vorgehen und bei Entscheidungen helfen.

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