Kliniken für Borderline-Patienten: Ein umfassender Überblick

Jeder Mensch besitzt individuelle Eigenschaften und Verhaltensweisen, die seine Persönlichkeit ausmachen. Steht die Ausprägung dieser Merkmale einem harmonischen Miteinander mit anderen Menschen im Wege und schränkt die Lebensqualität der Betroffenen ein, spricht man von Persönlichkeitsstörung.

Es gibt verschiedene Persönlichkeitsstörungen - wie es auch verschiedene Persönlichkeitsstile gibt. Zu den häufigsten Persönlichkeitsstörungen gehören z.B. die narzisstische Persönlichkeitsstörung oder die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, die sich auch als „Borderline-Störung“ zeigen kann.

Persönlichkeitsstörungen treten häufig gemeinsam mit anderen psychosomatischen Erkrankungen wie Depressionen auf, was in der Behandlungsplanung berücksichtigt wird. Zudem passen wir die Therapie an den aktuellen Zustand der Patientin bzw. des Patienten an, sei es eine stabile Phase oder eine psychische Krisensituation. Ausschlaggebend für den Erfolg der Therapie ist eine tragfähige und vertrauensvolle Beziehung zwischen Patientin bzw.

Das Krankheitsbild der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Das komplexe Krankheitsbild der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPD) stellt nicht nur eine Herausforderung für Betroffene und Angehörige dar, sondern auch für das Gesundheits- und Sozialsystem. Die Erkrankung wird zudem in der Regel durch andere psychiatrische Komorbiditäten wie depressive Phasen, Suchterkrankungen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, ADHS, somatoforme Störungen und Essstörungen verkompliziert.

Aus diesem komplexen Krankheitsbild resultiert über die Zeit eine intensive Inanspruchnahme verschiedener Gesundheitsdienstleistungen wie akutpsychiatrische Dienste, kurzfristige Kriseninterventionen, stationäre Behandlung, intensive psychiatrische Pflege, teilstationäre Angebote, Sozialarbeit und insbesondere ambulante Psychotherapie.

Lesen Sie auch: Herausforderungen in der Borderline-Versorgung

Die BPD stellt eine hohe Belastung für Patient:innen und deren Angehörige dar, aber auch für die beteiligten medizinischen und psychotherapeutischen Fachkräfte. Aufgrund einer besonderen Spezifität der Borderline-Persönlichkeitsstörung, vornehmlich der emotionalen Instabilität, die mit einer Neigung zu Beziehungsabbrüchen und Spaltungstendenzen einhergeht, ist das behandelnde Umfeld laufend damit konfrontiert, dass die Adhärenz in Bezug auf den Therapieplan, der ein Management von verschiedenen Gesundheitsberufen erfordert, durch die Erkrankung selbst erschwert wird.

In gewisser Weise kann dies als indirekter Ausdruck allgemeiner selbstschädigender Tendenzen verstanden werden, der die Inanspruchnahme von Behandlungen und somit den eigentlichen Nutzen der Behandlungsangebote schmälert.

Die ohnehin bestehenden Inkohärenzen im Behandlungssystem und ein häufig weiterhin fehlendes Schnittstellenmanagement zwischen stationärem und ambulantem Bereich tragen zur Brüchigkeit eines Behandlungsplans bei, der in der Regel eine konzertierte Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen, Sozialarbeiter:innen und anderen Berufen erfordert.

Die für eine erfolgreiche Behandlung nötigen Zeitressourcen für Gesprächsführung und Psychoedukation mit BPD-Patient:innen und deren Angehörigen, aber auch Vernetzung, Supervision und Fortbildung von Helfer:innen sind institutionell häufig nicht gegeben und werden von den Krankenkassen nicht erstattet oder in der Arbeitsplatzkultur auch nicht gewürdigt.

In Österreich besteht ein dringender Bedarf an einer koordinierten, gemeinschaftlichen Anstrengung, die Behandlungsbedürftigkeit und Komplexität der Borderline-Erkrankung anzuerkennen und entsprechende Maßnahmen zu treffen, um die Behandlungspraxis von Patient:innen mit BPD zu verbessern, zu vereinheitlichen und die Behandler:innen mit Ressourcen auszustatten, um der herausfordernden Behandlung nach aktuellem Wissensstand gerecht werden zu können.

Lesen Sie auch: Psychosomatik-Behandlung in Hessen

Von der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien wurde daher 2021 die Gründung eines Borderline-Netzwerks initiiert, die zur Zusammenkunft mit 35 verschiedenen, mit der BPD-Behandlung vertrauten Institutionen und Gesundheitsberufen geführt hat.

Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass circa drei Prozent der Gesamtbevölkerung, aber bereits etwa fünf bis sechs Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter der Diagnose Borderline leiden.

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)

Hilfe erhalten Betroffene am Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums durch den Einsatz der sogenannten Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT). Diese Therapie ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Verfahren für die Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Bei dieser Methode werden verhaltenstherapeutische Behandlungstechniken mit achtsamkeitsbasierten Ansätzen aus dem Zen kombiniert, um den Betroffenen Fertigkeiten an die Hand zu geben, z.B. mit hoher Anspannung, Selbstverletzungsdruck, Suizidalität oder emotionaler Überforderung umzugehen.

Auf Grund der hohen Wirksamkeit werden DBT-basierte Skillsgruppen mittlerweile in unterschiedlichen Einrichtungen und vielen Kliniken angeboten.

Lesen Sie auch: Behandlung von Depressionen: Klinikübersicht

Das Besondere einer zertifizierten DBT-Behandlungseinheit ist, dass hier ein umfassendes Behandlungsprogramm ermöglicht wird, das die Kriterien eines multimodularen Behandlungsangebots nach den Richtlinien des Dachverbandes DBT erfüllt. Neben einer ausreichenden Therapiedichte von DBT-basierter Einzel- und Gruppentherapie, einer regelgeleiteten Selbsthilfegruppe und regelmäßiger kollegialer Supervision beinhalten diese vor allem ein Behandlungsteam mit zertifizierten DBT-Therapeutinnen sowie zertifizierten DBT-Therapeuten für Sozial- und Pflegeberufe.

Durch die langjährige Erfahrung mit Borderline-Patientinnen und Borderline-Patienten sowie die hohe Bereitschaft im gesamten multiprofessionellen Behandlungsteam, sich in der DBT weiterzubilden ist es jetzt gelungen, das Gütesiegel vom Dachverband Dialektisch Behaviorale Therapie e.V.

Kürzlich wurde das Department für Psychosomatik am Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums vom Dachverband Dialektisch Behaviorale Therapie e.V. zertifiziert.

„Man muss sich diese Patientinnen und Patienten wie Ferraris vorstellen. Sie sind ständig mit 500 PS unterwegs. Das ist auf einer Geraden toll, kann aber bei Kurven schnell zum Problem werden“, erklärt OA Dr. Michael Barth, interimistischer Leiter des Departments am Kepler Uniklinikum und betont: „Unsere Therapie hilft, das große Potential der Betroffenen gut und sinnvoll zu nutzen.

Eine Borderline-Störung ist anders als etwa ein Burnout oder eine Depression für Außenstehende nicht leicht zu erkennen. „Resultierend daraus tun sich Betroffene schwer, stabile zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln bzw. ecken sie auch am Arbeitsmarkt immer wieder an. Unbehandelt können sich zudem somatische - also körperliche - Symptome entwickeln“, schildert OA Dr. Barth die Problematiken, die mit dieser Erkrankung einhergehen.

Weitere Therapieansätze und Angebote

Psychosomatisches Zentrum Waldviertel - Klinik Eggenburg

Das Psychosomatische Zentrum Waldviertel - Klinik Eggenburg ist ein österreichisches Kompetenzzentrum für Psychosomatik, Gesundheitswissenschaften und Psychotherapie. Das Leistungsspektrum umfasst die Diagnostik und Behandlung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen. Selbstverständlich orientieren sich alle Behandlungsangebote am neusten Stand der Medizin, klinischen Psychologie, Psychotherapie und Pflegewissenschaft. Langjährige Erfahrung sowie stetige Kompetenzerweiterung zeichnen unser multiprofessionelles Team aus. Die Klinik Eggenburg verfügt über 100 Einzelzimmer und ist baulich auf dem neuesten Stand und von einem parkähnlichen Areal umgeben.

Im Rahmen eines offiziellen Besuchs informierte sich Landesrat DI Ludwig Schleritzko über das Psychosomatische Zentrum Eggenburg und dessen Angebote in der Behandlung psychosomatischer Erkrankter.

Unser Angebot richtet sich an Patient:innen, die unter dauerhaften und tiefgehenden Schwierigkeiten im Umgang mit sich sebst und im zwischenmenschlichen Beziehungen.

  • Differentialdiagnostische Abklärung, wenn indiziert mittels psychodiagnostischer Testverfahren (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-5-Störungen - SCID-5; Strukturiertes Interview zur Persönlichkeitsorganisation - STIPO; Adult Attachment Interview - AAI)
  • Nachfolgende Beratung und Therapieplanung
  • Durchführung von Psychotherapien mit besonderem Fokus auf Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP), einer evidenzbasierten Therapie für Borderline-Persönlichkeitsstörung.
  • Therapieplanung und Therapieempfehlung erfolgen nach eingehender Beratung im Team der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie (Ambulanzkonferenz).

Jede patient:innenbezogene Tätigkeit unterliegt der Verschwiegenheitspflicht nach dem Psychotherapiegesetz (BGBl. 361 vom 7.

AMEOS Privatklinikum Bad Aussee

Aus diesem Grund ist die Behandlung am AMEOS Privatklinikum Bad Aussee individuell auf das jeweilige Störungsbild zugeschnitten.

Psychosomatische Medizin

Eine psychosomatische Behandlung unterstützt Patientinnen und Patienten dabei, körperliche und seelische Zusammenhänge besser zu verstehen und bessere Lösungen als bisher zu finden. Gemeinsam mit den Behandelnden entwickeln sie Ziele, die sie für sich erreichen wollen.

Wir können bei uns Menschen vier wesentliche Grundbedürfnisse unterscheiden, die zu einem gewissen Grad erfüllt sein müssen, damit wir uns stabil fühlen. Menschen benötigen ein ausreichendes Maß an Kontrolle und Sicherheit sowie an stabilen Bindungserfahrungen. Darüber hinaus strebt jeder Mensch nach Selbstwerterhöhung und nach Lusterleben. Wenn sich jedoch das, was erlebt wird, sehr davon unterscheidet von dem, was man sich wünscht, wie es sein sollte, entstehen innere Konflikte.

Sie erledigen etwa Ihre beruflichen Aufgaben engagiert und gewissenhaft. Trotzdem werden Sie ignoriert, andere sind beliebter als Sie und werden Ihnen vorgezogen. Der daraus resultierende innere Konflikt kann zu inneren Spannungen und vermehrtem Stresserleben führen. Die Folge können Angst, Schlafstörungen und körperliche Schmerzen sein.

Häufig werden Lösungsversuche unternommen, die das Stresserleben weiter verstärken: Betroffene strengen sich noch mehr an, um das Gewünschte zu erreichen oder sie ziehen sich zurück, um nicht verletzt zu werden, obwohl sie sich nach Nähe und Anerkennung sehnen. Bei der Stressverarbeitung spielen frühere Erfahrungen eine große Rolle, weiß die FÄ für Psychiatrie: „Wenn wir etwas Neues erleben, werden frühere Erinnerungsmuster mit den dazugehörigen Gedanken und Gefühlen aktiviert mit dem Ziel, die Situation zu bewältigen. Im ungünstigen Fall führt dies dazu, dass wir uns in der aktuellen Situation nach alten Mustern verhalten und in unseren Möglichkeiten eingeengt sind und enttäuschende Erfahrungen sich wiederholen.“

Chronisches Stresserleben führt schließlich auch zu körperlichen Veränderungen, z. B. zu Verschiebungen im vegetativen Nervensystem und in der hormonellen Regulation.

Körpertherapie

Jeder von uns hat, ohne dass wir uns dessen bewusst sind, gelernt, seinen Körper ganz individuell „zu gebrauchen“. Erkrankt jemand psychosomatisch, ist auch der Körper immer unmittelbar betroffen und es ist an der Zeit, dieses unbewusste Umgehen mit der eigenen Körperlichkeit näher zu beleuchten. Der Umgang mit dem eigenen Körper bzw. das Körperbewusstsein wird durch Erziehung und vorgelebte Körperkompetenz unserer Bezugspersonen geprägt und körperlich abgespeichert.

Unsere körperliche Erscheinung hilft mit, das physische Potential und unser entwickeltes Selbstbild auszudrücken. Psychosomatische Symptome lösen zunächst eine Unsicherheit aus - plötzlich „funktioniert“ der Körper nicht mehr so, wie wir es gewohnt waren bzw. wie er „soll“. Die oft lange Ungewissheit über die Ursache der Beschwerden lässt ein Misstrauen gegenüber dem Körper entstehen, da dieser sich offenbar nicht mehr kontrollieren lässt.

In Folge entstehen Zweifel: Für welche Aufgaben Vorhaben und Lebensentwürfen habe ich künftig überhaupt noch die nötigen körperlichen Voraussetzungen? Erschwerend kommt hinzu, dass psychosomatische Beschwerden kaum auf herkömmliche Therapiemethoden ansprechen. Die Patientinnen und Patienten fühlen sich dem Körper gegenüber schließlich ohnmächtig und versuchen, die vorerst unverständlichen körperlichen Signale zu verdrängen und ihn zu „bezwingen“ - nach dem Motto „das gibt sich schon wieder“.

Früher oder später kann dabei jedoch das gesamte bisherige Körper- und Selbstbild ins Wanken geraten. „Das vorrangige therapeutische Ziel in dieser Situation ist es daher, gemeinsam mit den Betroffenen Möglichkeiten zu entwickeln, wieder Einfluss auf den Körper zu gewinnen, um die empfundene Ohnmacht in eine Eigenmächtigkeit zurück zu verwandeln“, sagt Nadja Kindlmann, Physiotherapeutin an der Psychosomatischen Tagesklinik. Sie und ihr Kollege Josef Humpl, Physiotherapeut und akad. Atempädagoge, unterstützen die Patientinnen und Patienten dabei, indem sie Wissen über die Funktionen des Körpers (Anatomie und Physiologie) vermitteln, das individuelle Bewegungsvermögen fördern und weiterentwickeln und dabei helfen, neue Kommunikationsschienen zwischen Körper und Bewusstsein entstehen zu lassen.

„Gelingt es, die Patientinnen und Patienten wieder neugierig auf den eigenen Leib zu machen, tritt Interesse an die Stelle von Ignoranz, Ablehnung, Misstrauen, Abwertung oder Verdrängung und der wesentlichste Schritt ist getan“, weiß Josef Humpl. All dies geschieht in vertrauensvollem Rahmen, um Neues ausprobieren zu können, begleitet durch die Therapeutinnen und Therapeuten, die zur rechten Zeit ermutigen, bestärken und Durststrecken und Rückschläge mitaushalten, bis das Fundament des Leibes wieder trägt.

Insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Essstörungen spielt die Leibtherapie eine große Rolle. Die Betroffenen lernen in Gruppensettings, den eigenen Körper wieder „neu“ zu erleben. Ihr vermeintliches „Ideal“ wird hierbei immer wieder in Frage gestellt. Gleichzeitig wird an das Abgelehnte langsam und behutsam herangeführt, um es spielerisch zu integrieren.

Musiktherapie

Musik spricht Gefühle an, dass kennt jeder: Man hört ein Lied und verknüpft, häufig binnen Sekunden, ein Erlebnis, ein Gefühl, eine Situation damit. Musik dient aber auch als nonverbales Ausdrucksmittel, um z. B. Gefühle, Bedürfnisse, Stimmungen, innere Konflikte oder Spannungen zu transportieren, mitzuteilen und zu bearbeiten. Dabei ist das freie musikalische Spielen und Töneproduzieren (Improvisieren) genauso zielführend wie Musikhören oder das Bewegen zur Musik. Um das musikalisch Erlebte bewusst zu machen, sind die verbale Aufarbeitung und Reflexion notwendiger Therapiebestandteil.

Am Department für Psychosomatik bieten insgesamt drei Musiktherapeutinnen und -therpeuten im stationären, tagesklinischen und auch im ambulanten Bereich Einzel- und Gruppentherapien mit unterschiedlichen Behandlungsschwerpunkten an.

Bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzstörungen werden eingeengte Beziehungsmuster reflektiert und der emotional-affektive Spielraum erweitert. Die dabei erlebten Gefühle ermöglichen es, den Schmerz umzudeuten und in neue Zusammenhänge zu stellen. Bei Patientinnen und Patienten mit einer Borderline- oder Essstörung hingegen geht es vor allem darum, die Wahrnehmungsfähigkeit zu fördern. Emotionale Blockaden oder unreguliertes Erleben von Gefühlen werden dabei mit musikalischen Mitteln bearbeitet.

Achtsamkeit

Leben Sie den Moment! Achtsamkeit ist nichts Selbstverständliches. Von klein an lernen wir, eher unachtsam mit uns umzugehen: Andere scheinen besser zu wissen, wann wir hungrig sind, wann wir müde sein sollten, wann wir dieses oder jenes können sollten. So müssen wir als Erwachsene Achtsamkeit häufig wieder neu lernen und in unser tägliches Leben integrieren. In der Achtsamkeit nehmen wir Dinge wahr, wie sie im Hier und Jetzt sind. Achtsamkeit ist dieser Moment.

DGKP Friedrich Marksteiner, Stationsleiter an der Abteilung für Psychosomatik, erklärt: „Der Begriff 'Achtsamkeit' sagt es bereits, wir achten darauf, was wir erleben. Wir beobachten das Kommen und Gehen von Gedanken und Gefühlen. Wir beschreiben, was wir sehen und geben dem Erlebten Worte. Wir nehmen teil, an dem, was wir gerade tun und erleben, ohne nachzugrübeln, was gerade los ist.“ Der Effekt liegt klar auf der Hand: Die Konzentration auf etwas Bestimmtes wirkt automatisch entspannend. Wir beschäftigen uns nur mit einer Sache. Wir nehmen etwas wahr, ohne zu urteilen, ohne zu bewerten und lassen Gedanken und Gefühle vorbeiziehen.

Jon Kabat-Zinn, emeritierter US-Professor und Molekularbiologe entwickelte für seine Patientinnen und Patienten in den späten 1970er-Jahren, ausgehend von einem buddhistischen Kontext und aufgrund eigener Erfahrungen, „Mindfulness-Based Stress Reduction“ (MBSR), ein achtwöchiges, standardisiertes und mittlerweile international anerkanntes Programm zur Stressbewältigung. Die amerikanische Psychologin Marsha Linehan ergänzte das Programm durch hilfreiche Übungen und integrierte MBSR in das von ihr entwickelte DBT-Konzept (Dialektisch-Behaviorale-Therapie).

„Achtsamkeit, in Form von MBSR, vermittelt, bildet eine der Grundlagen für die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten. Am Department für Psychosomatik lernen sie Achtsamkeit in Theorie und Praxis kennen, wobei der Praxisteil klar im Vordergrund steht“, betont Marksteiner. In MBSR geschulte Pflegekräfte leiten die Patientinnen und Patienten in Gruppensettings an. Dabei werden verschiedene Achtsamkeitsübungen wie zum Beispiel Atmung, 5-Sinne-Übungen, achtsames Hören, Sehen, Gehen sowie der Body-Scan und vor allem auch kurze, leicht und überall anwendbare Übungen erklärt und ausprobiert.

„Die Patientinnen und Patienten finden so die für sie selbst passenden Übungen, die sie in ihren Alltag, auch nach dem Klinikaufenthalt, mühelos integrieren können“, weiß der Stationsleiter. Achtsamkeitspraxis ist ein ständiges Üben. So gelingt es, Schritt für Schritt und immer besser, stressige Situationen, Hochspannung, starke Emotionen, aber auch kleine Veränderungen in der eigenen Stimmungslage früher wahrzunehmen und entsprechend handeln zu können.

DBT-Körpertherapie

Die Borderline Persönlichkeitsstörung geht mit Beeinträchtigungen in der Beziehung zum eigenen Körper einher, mit Gefühlen von Hass, Ekel und Scham. Der Körper wird abgelehnt, es bestehen Körperwahrnehmungsstörungen, Angst vor körperlicher Berührung und eine Störung der Körpergrenze. Für viele Betroffene ist der Körper ein Objekt, das unlustvoll erlebt wird, hohe Spannungszustände erzeugt und Träger psychosomatischer Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen ist. Borderline-Patientinnen und Borderline-Patienten reduzieren ihren Körper oft auf einen „Austragungsort“ destruktiver Handlungen (Selbstverletzungen wie Ritzen, Nägelbeißen etc.).

Mit Unterstützung der DBT-Körpertherapie kann eine Verbesserung der Körperwahrnehmung und eine körperliche Akzeptanz erreicht werden. Dies geschieht durch die Vermittlung von körperbezogenen Fertigkeiten zur Spannungs- und Emotionsregulation. „Die Methoden zur Verbesserung der Körperwahrnehmung basieren primär auf Achtsamkeitsübungen, die die sensorischen Informationen der Körperoberfläche fokussieren. Die Betroffenen lernen Veränderungen am Körper wahrzunehmen, ohne dies zu bewerten oder ohne das Erlebte direkt verändern zu wollen“, erklärt Brigitte Rack, Physiotherapeutin.

Kennzeichnend für viele Borderline-Patientinnen und Borderline-Patienten ist, dass sie Spannungszustände und Emotionen erst wahrnehmen, wenn diese schon gravierend im Ausmaß sind. Es müssen also zunächst Voraussetzungen geschaffen werden, die inneren Zustände rechtzeitig wahrzunehmen. Die DBT-Körpertherapie findet von Beginn des klinischen Aufenthaltes an in Einzelsettings einmal wöchentlich statt. Zunächst werden die körperlichen Beschwerden gemeinsam eruiert bzw. ein Bewusstsein dafür geschaffen, da viele Betroffene dazu tendieren, Körpersignalen wenig Aufmerksamkeit zu schenken.

Konkrete Übungen zur Verbesserung gegebener Schwächen tragen zu einer Optimierung des Körpergefühls bei, wirken Ich-stützend und können auch zur Spannungsregulation eingesetzt werden. Weiters werden die derzeitigen körperlichen Aktivitäten erfragt. „Wir ermutigen die Patientinnen und Patienten individuell, wieder gezielt sportliche Aktivitäten aufzubauen, auch um die emotionale Verletzlichkeit dadurch zu reduzieren. Die nachfolgenden Einheiten beinhalten Übungen zur Verbesserung von Gleichgewicht, Kraft, Kondition und Koordination“, sagt Michael Reichhardt, Physiotherapeut.

Die weiteren Themen der DBT-Körpertherapie reichen von der Unterscheidung von Oberflächen- und Tiefensensibilität und der bewussten Steuerung und Veränderung der Körperhaltung über die Bedeutung von selektiver Aufmerksamkeit für die Aktivierung von Emotionen, die Wahrnehmung von Körpersignalen, die durch Nähe entstehen bis hin zu spezifischen Übungen zur Spannungsregulation (Vertiefung der Atmung, rhythmische Bewegungen, Aufmerksamkeitsfokussierung, Muskelarbeit).

Klinische Sozialarbeit

Klinische Sozialarbeit stellt neben der Medizin und Pflege, der Psychologie und der Psychotherapie ein grundlegendes Behandlungsangebot im Rahmen des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells für psychosomatische Patientinnen und Patienten und deren Angehörige dar, denn die Bedeutung des sozialen Umfeldes als Irritations- oder Stabilisierungsfaktor für Erkrankungen darf nicht unterschätzt werden. Im Mittelpunkt des Interesses steht immer die Patientinnen/der Patient mit ihren/seinen persönlichen und sozialen Ressourcen.

Die zentralen Methoden der Klinischen Sozialarbeit sind psychosoziale Beratung, Soziotherapie, Krisenintervention, Case Management und psychoedukative Gruppenarbeit. „Da die Auftragslagen in der Regel komplex sind, ist lösungs- und ressourcenorientiertes Vorgehen besonders wichtig. In der Einzelfallarbeit ist es unerlässlich, alle individuellen, familiären, rechtlichen, finanziellen und beruflichen Belange einzubeziehen“, sagt Mag.a Sophie Prieschl, Klinische Sozialarbeiterin.

tags: #Kliniken #für #Borderline #Patienten