Depressionen bei Männern: Symptome, Diagnose und Behandlung

Depressionen werden bei Männern seltener diagnostiziert als bei Frauen. Ein möglicher Grund dafür liegt in der nach wie vor mangelnden Kenntnis darüber, dass sich die psychische Erkrankung bei Männern mit anderen Symptomen äußert als bei Frauen. Erst in den vergangenen Jahren wurde das Konzept der „Male Depression“, also der männlichen Depression, in Fachkreisen entwickelt.

Unterschiedliche Symptome bei Männern und Frauen

Während eine gedrückte Stimmungslage, der Verlust von Interessen und Freude, verminderter Antrieb, aber auch Schuldgefühle, vermindertes Selbstwertgefühl, Pessimismus, herabgesetzte Aufmerksamkeit, Suizidgedanken bzw. Suizidhandlungen, Schlafstörungen und verminderter Appetit bei beiden Geschlechtern auf eine Depression hinweisen können, finden sich bei Männern zusätzlich häufiger Reizbarkeit, Aggressivität und Risiko- bzw. Suchtverhalten. Männer gestehen sich eher ein, dass sie gereizt oder wütend sind, als dass sie niedergeschlagen sind.

Johannes Wancata von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien schärft anlässlich des Weltmännertags das Bewusstsein dafür, dass unter anderem bei anhaltender Reizbarkeit oder auffälligem Risikoverhalten das Vorliegen einer Depression in Betracht gezogen und professionelle Hilfe gesucht werden sollten.

Im Gegensatz zu Frauen neigen Männer dazu, eher die körperlichen Symptome einer Depression (wie Müdigkeit oder Gewichtsverlust) zu erkennen und zu beschreiben.

Studien, wie die Gotland-Studie, deuten darauf hin, dass Männer in depressiven Episoden häufiger Ärger-Attacken, Gereiztheit und Frustration verspüren.

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Weil sich diese Symptome eben von landläufig bekannten Anzeichen einer Depression unterscheiden, wird die Krankheit bei Männern häufig erst spät oder gar nicht als solche wahrgenommen.

Die Rolle von Hormonen und sozialen Faktoren

Dass Depressionen bei Männern seltener diagnostiziert werden, wird heute nur mehr zum Teil darauf zurückgeführt, dass sie seltener ärztliche Hilfe suchen als Frauen. Laut Forschungen könnten dabei auch die Hormone eine Rolle spielen. So wird z. B. eine unterschiedliche Dichte an Östrogen- und Progesteronrezep-toren in diesem Zusammenhang als weitere mögliche Erklärung diskutiert.

Gender-Unterschiede beschreiben Wissenschafter:innen auch bei den möglichen Auslösern von Depressionen: „Zahlreiche Studien berichten über soziale Risikofaktoren für das Auftreten von Depressionen bei Frauen. Dazu gehören die Mehrfachbelastung durch Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf.

Alkoholabhängigkeit und Depression

Bekannt hingegen ist, dass Alkoholabhängigkeit bei Männern häufiger auftritt als bei Frauen. Ob es sich dabei um eine durch den Alkoholkonsum „verdeckte“ Depression handelt oder um ein eigenes Krankheitsbild, kann nach aktuellem Stand der Wissenschaft wiederum nicht eindeutig beantwortet werden.

Epidemiologie und Prävalenz

In Österreich leben derzeit rund 730.000 Menschen mit einer Depression, 264.000 davon gehören dem männlichen Geschlecht an. Im Laufe eines Jahres leiden in Österreich 7,4 Prozent der Männer und 12,6 Prozent der Frauen an einer Depression, wie eine im Jahr 2017 an der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der MedUni Wien durchgeführte repräsentative Studie ergab.

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Dennoch sind Männer im Vergleich zu Frauen seltener von Depressionen betroffen - das Verhältnis liegt bei etwa 1:1,6 bis 1:3. Ein Grund dafür könnte sein, dass Männer seltener Hilfe bei psychischen Problemen suchen.

Laut den Forschenden kann die Erkenntnis, dass externalisierende Symptome zum Krankheitsbild einer Depression gehören, zunächst jedoch zu einer Verschlechterung führen. Der Grund: Die Männer realisieren häufig erst dann das tatsächliche Ausmaß ihrer psychischen Erkrankung.

Suizidrisiko bei depressiven Männern

Ein besonders besorgniserregendes Thema bei depressiven Männern ist das Risiko für Suizid. Obwohl die Anzahl der Suizidversuche zwischen den Geschlechtern ähnlich ist, sind Männer deutlich häufiger von vollendeten Suiziden betroffen.

Männer wählen dabei oft gewalttätigere Methoden wie Erschießen oder Erhängen, während Frauen eher Tablettenüberdosierungen bevorzugen.

Schwere Depressionen führen häufig zum Suizid. Die Suizidrate bei Männern ist wesentlich höher als bei Frauen. 20 von 100.000 Frauen in Österreich begehen Suizid, bei Männern sind es 180 von 100.000. Besonders suizidgefährdet sind ältere Männer.

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Diagnose und Behandlung

Depressionen bei Männern bleiben oft unerkannt, da Männer seltener über psychische Probleme sprechen und stattdessen eher körperliche Symptome wie Müdigkeit oder Schmerzen hervorheben. Auch die typisch männliche Tendenz, emotionale Probleme als Schwäche zu empfinden, erschwert die Diagnose.

Zur Behandlung von Depressionen stehen heute eine Vielzahl von Medikamenten zur Verfügung, aber es gibt kein spezifisches Antidepressivum, das ausschließlich für Männer geeignet ist. Besonders problematisch sind für Männer die Nebenwirkungen mancher Antidepressiva, insbesondere die Beeinträchtigung der sexuellen Funktion.

Neben der medikamentösen Behandlung hat sich auch die Psychotherapie als äußerst wirksam erwiesen. Studien belegen, dass eine Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie erfolgreicher ist als eine alleinige Therapie.

Leider nehmen Männer Psychotherapie seltener in Anspruch als Frauen, was teilweise mit gesellschaftlichen Rollenbildern zusammenhängt.

Johannes Wancata appelliert abschließend: „Falls es zu Suizidgedanken oder konkreten Suizidwünschen kommt, sollte rasch Hilfe gesucht werden!

Hilfe annehmen ist männlich

An der Studie nahmen 152 Männer teil. Jeder von ihnen hatte bereits eine diagnostizierte Depression. Im ersten Schritt gaben rund 40 Prozent an, schwere Symptome zu haben, weitere 40 Prozent sprachen von einem milden Krankheitsbild, der Rest war nur leicht depressiv.

Sie wurden unabhängig von der Schwere ihrer Depression in zwei Gruppen eingeteilt:Eine Gruppe erhielt Material mit allgemeinen Informationen zum Thema Depressionen, welche sich auf die klassische Verhaltenstherapie bezogen,die andere Gruppe bekam geschlechtsspezifische Informationen zum Krankheitsbild.

Die „maskulin“ formulierten Informationen betonten die externalisierenden Symptome sowie gesellschaftliche Normen und traditionelle Vorstellungen davon, wie Männern „zu sein“ hätten. Im Mittelpunkt stand die Wichtigkeit von professioneller Unterstützung. Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es durchaus stark und männlich ist, sich helfen zu lassen.

Schamgefühl nimmt ab

Unmittelbar nachdem die Probanden die Infomaterialien durchgelesen hatten, sollten sie weitere Fragen beantworten. Das Ergebnis: In der Gruppe mit den Männer-spezifischen Informationen zeigte sich ein stärkerer Rückgang des Schamgefühls über die Krankheit als bei den anderen Teilnehmern. Auch die damit verbundenen negativen Emotionen gingen leicht zurück.

Zudem konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feststellen, dass sich das ideologische Bild, wie Männlichkeit wahrgenommen wird, bei den Teilnehmern veränderte. Diese Art von Vorurteilen führen häufig dazu, dass Männer sich nicht in Therapie begeben. Somit könnte Aufklärungsarbeit, die explizit auf Männer zugeschnitten ist, nicht nur helfen, die krankheitsbedingten Symptome lindern, sondern auch die Therapiequoten erhöhen.

Tabelle: Unterschiede in der Symptomatik und Häufigkeit von Depressionen bei Männern und Frauen

Aspekt Männer Frauen
Typische Symptome Reizbarkeit, Aggressivität, Risikoverhalten, Suchtverhalten, körperliche Symptome (Müdigkeit, Gewichtsverlust) Gedrückte Stimmung, Verlust von Interessen, Antriebslosigkeit, Schuldgefühle, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit
Häufigkeit Geringer diagnostiziert, aber möglicherweise ähnlich häufig betroffen Häufiger diagnostiziert
Suizidrate Höher Niedriger
Therapiebereitschaft Geringer Höher

Frühe Diagnose und eine gezielte Therapie, die sowohl medikamentöse als auch psychotherapeutische Ansätze umfasst, sind entscheidend, um das Leiden zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

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