Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die sich in der Regel vor dem dritten Lebensjahr manifestiert. Betroffene Individuen werden als Autisten oder als autistisch bezeichnet.
Autismus und Asperger-Syndrom zählen zu den sogenannten Störungen des Autismus-Spektrums (ASS). Das DSM-5 und die ICD-11 enthalten keine Subtypen mehr und sprechen nur noch von einer allgemeinen Autismus-Spektrum-Störung (ASS; englisch autism spectrum disorder, kurz ASD).
Die Häufigkeit für Autismus-Spektrum-Störungen (gesamt) liegt lt. 0,6 - 1 % (Baird et.al.).
Symptome und Diagnose
Bei Störungen des Autismus-Spektrums kommt es zu Schwierigkeiten im sozialen Verhalten und in der Kommunikation. Welche Symptome zeigen sich? Die soziale Interaktion und Kommunikation sind bei Betroffenen häufig eingeschränkt.
Menschen mit ASS haben oft Schwierigkeiten, Mimik und Gestik anderer richtig zu interpretieren und sich in deren Perspektive hineinzuversetzen. Besonders Small Talk kann herausfordernd sein, da subtile nonverbale Signale schwer zu deuten sind.
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Auch sich immer wiederholende Verhaltensweisen oder Bewegungsmuster sowie eingeschränkte Interessen treten auf. Zudem kann sowohl eine Überempfindlichkeit als auch eine Unterempfindlichkeit der Sinne vorliegen.
Bei Kindern mit frühkindlichem Autismus zeigen sich folgende Auffälligkeiten der sozialen Kommunikation: Schwierigkeiten, einen Dialog zu führen, Einschränkungen im Gesichtsausdruck bzw. des Blickkontakts während der Kommunikation und der Gestik. Zum Beispiel die Beschäftigung mit sich immer wiederholenden Tätigkeiten: Diese können auch ungewöhnlich sein.
Zum Beispiel das Drehen von Dingen oder Aufreihen von Gegenständen beim Spielen. Oder Wippen bzw. Wie stark der frühkindliche Autismus ausgeprägt ist, ist verschieden. Die intellektuellen Fähigkeiten sind ebenso sehr unterschiedlich. Ungefähr ein Drittel der Menschen mit Autismus ist von einer Intelligenzminderung betroffen.
Es ist möglich, dass Kinder mit frühkindlichem Autismus nur minimale oder gar keine sprachlichen Fähigkeiten erwerben. Autismus besteht ein Leben lang. Zudem kann es zum Beispiel zu Angststörungen, Essstörungen, starken Wutausbrüchen bzw. eingeschränkter Regulation der Gefühle sowie Schlafstörungen kommen.
Die Diagnose von Autismus erfolgt meist multidisziplinär durch Ärztinnen und Ärzte und weitere Gesundheitsberufe, zum Beispiel aus dem Bereich der Klinischen Psychologie oder Logopädie.
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Bei einer Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) ist unter anderem wesentlich, seit wann Symptome bestehen und ob sonstige Krankheiten bzw. Entwicklungsverzögerungen aufgetreten sind. Zudem findet eine körperliche Untersuchung statt.
Ebenso erfolgen eine neurologische Untersuchung, die Abklärung des Entwicklungsstandes und der Kompetenzen in Bezug auf Sprache bzw. Auch standardisierte Testverfahren finden Anwendung. Zum Beispiel das Diagnostische Interview für Autismus oder die Diagnostische Beobachtungsskala für autistische Störungen.
Die Ärztin oder der Arzt schlägt meist auch ein EEG sowie eine Prüfung von Hören und Sehen vor. Die Ärztin oder der Arzt schließt zudem mögliche andere Erkrankungen aus. Eine Diagnose von frühkindlichem Autismus ist zumeist bereits im Alter von zwei Jahren möglich.
Im Mittelpunkt des Asperger-Syndroms stehen Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen. Anders als beim frühkindlichen Autismus verlaufen die intellektuelle und sprachliche Entwicklung in der Regel unauffällig.
Menschen mit Asperger-Syndrom haben zudem oft ganz bestimmte Interessengebiete, für die sie viel Zeit aufwenden. Betroffene können unterschiedliche Begabungen haben, zum Beispiel ein besonders gutes Gedächtnis oder Wahrnehmung von Details.
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Allerdings kann es zu Schwierigkeiten kommen, Probleme und Zusammenhänge zu verstehen und zu erklären. Ebenso kann zielgerichtetes Planen über mehrere Arbeitsschritte oder die Umsetzung von Abläufen einer Tätigkeit Menschen mit Asperger-Syndrom zu schaffen machen.
Die Symptome eines Asperger-Syndroms können sich je nach Lebensalter ändern. Allerdings besteht ein Asperger-Syndrom prinzipiell bereits seit der Kindheit. Es ist möglich, dass die Diagnose eines Asperger-Syndroms erst im Erwachsenenalter gestellt wird. Meist suchen Betroffene dann Hilfe auf, wenn sie Probleme im sozialen Umfeld bekommen.
Erwachsene mit Asperger-Syndrom sind oft Einzelgänger und leben eher zurückgezogen. Es ist nicht leicht für sie, soziale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Es kann Erwachsenen mit Asperger-Syndrom auch schwer fallen, Wichtiges von Unwichtigem im Alltag zu unterscheiden.
Die Ärztin oder der Arzt führt eine Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) sowie eine körperliche und eine neurologische Untersuchung durch. Dabei fragt die Ärztin/der Arzt zum Beispiel auch, seit wann Symptome bestehen und ob bis jetzt sonstige Krankheiten bzw.
Die Ärztin oder der Arzt beobachtet zudem das Verhalten und schätzt bei Kindern den Entwicklungsstand ein. Es gibt verschiedene Standard-Testverfahren, die bei der Diagnose unterstützen. Zum Beispiel die Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom. Eine klinisch-psychologische Diagnostik kann ebenso hilfreich sein.
Weiters schließt die Ärztin oder der Arzt eine andere psychische bzw. Nicht jede Person mit Asperger-Syndrom leidet unter den vorhandenen Symptomen oder benötigt Behandlung.
Behandlung
Die Behandlung wird auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt. Bei Therapieprogrammen speziell für Kinder mit Autismus werden möglichst früh gezielt Maßnahmen gesetzt. Die Fachwelt nennt diese auch programmbasierte Interventionsprogramme.
Zur Behandlung bzw. Logopädie sowie ggf. Psychotherapie: vor allem Verhaltenstherapie. Zudem sind soziale Unterstützungsmöglichkeiten im Alltag eine wesentliche Säule für Kinder und Jugendliche bzw. Erwachsene mit Autismus. Dazu zählen unter anderem Assistenz in der Schule oder Hilfe durch psychosoziale Dienste.
Die Ärztin oder der Arzt kann auch Medikamente verschreiben. Diese wirken jedoch nicht direkt gegen Autismus. Bei Unruhe, Reizbarkeit oder Aggressivität kommt vor allem der Wirkstoff Risperidon zum Einsatz. Liegen Symptome vor, die einem ADHS ähnlich sind, können sogenannte Stimulantien hilfreich sein.
Bei Schlafproblemen kommt etwa das Hormon Melatonin zum Einsatz. Die Ärztin oder der Arzt kann auch Medikamente verschreiben, wenn begleitende Erkrankungen vorliegen.
Wird das Asperger-Syndrom frühzeitig erkannt, kann durch Fördermaßnahmen und Behandlung die Entwicklung deutlich unterstützt werden. Mögliche Folgeprobleme wie soziale Isolation, Belastung durch Mobbing oder Verhaltensauffälligkeiten können so deutlich reduziert werden.
Eine möglichst früh beginnende Behandlung ist jedoch meist von Vorteil. Eltern bzw. Verbesserung der sozialen Fähigkeiten, z.B. Die Behandlung wird auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt. Psychotherapie: In erster Linie Verhaltenstherapie bzw. verhaltenstherapeutische Ansätze. Dies ist auch in der Gruppe möglich.
Ein geregelter Tagesablauf und stabile soziale Kontakte sind wichtig. Die Ärztin oder der Arzt kann zudem Medikamente verschreiben, wenn begleitende Erkrankungen vorliegen.
Soziale Unterstützungsmöglichkeiten können eine wesentliche Säule für Kinder bzw. Menschen mit Asperger-Syndrom sein. Dazu zählen unter anderem Assistenz in der Schule oder Hilfe durch psychosoziale Dienste. Für betroffene Jugendliche und Erwachsene kann zudem der Besuch einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein.
Nahestehenden Personen stellen sich manchmal Fragen bei der Bewältigung des Alltags. Beratungsangebote wie z.B. Elternberatung oder auch Selbsthilfegruppen können hier unterstützen. Zudem können praktische Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene den gemeinsamen Alltag einfacher gestalten. Zum Beispiel persönliche Assistenz oder psychosoziale Dienste.
Bezüglich Autismus bzw. Ambulatorien für Sozialpädiatrie bzw. Sie können auch zuerst ein Gespräch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt für Allgemeinmedizin oder Kinder- und Jugendheilkunde führen. Diese oder dieser leitet dann weitere Schritte ein (z.B. Überweisung an spezialisierte Stellen). Weitere Gesundheitsberufe können zur Diagnose und Therapie hinzugezogen werden.
Autismus und Persönlichkeitsstörungen
Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung weichen in ihren Verhaltensmustern und ihrem Erleben deutlich von gesellschaftlich erwarteten Normen ab. Das Verhalten ist zudem sehr starr. Dies führt zu Leidensdruck der betroffenen Person bzw.
Es gibt unterschiedliche Formen bzw. Ausprägungen von Persönlichkeitsstörungen. Die ersten Anzeichen für eine Persönlichkeitsstörung zeigen sich meist bereits in der Kindheit bzw.
Die Fachwelt geht derzeit davon aus, dass Persönlichkeitsstörungen durch ein Zusammenwirken von verschiedenen Faktoren entstehen: Biologische Faktoren und Psychosoziale Faktoren.
In der derzeitig gebräuchlichen Diagnoseeinteilung, dem ICD-10, unterteilen Fachleute Persönlichkeitsstörungen in unterschiedliche Formen, die in ihrer Ausprägung relativ stabil bleiben. Neue Forschungen haben jedoch ergeben, dass sich Persönlichkeitsstörungen stärker verändern können als gedacht.
Im ICD-11 definieren Fachleute eine Persönlichkeitsstörung aufgrund ihres Schweregrads etwa in leicht, mittelschwer und schwer. Die Schweregrade beziehen sich auf die eigene Person und wie sehr sie davon betroffen ist. Sie beziehen sich jedoch auch darauf, wie stark andere Personen durch die Situation belastet sind.
Fachleute empfehlen, die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nicht vor dem 15. Lebensjahr zu stellen, jene für eine dissoziale Persönlichkeitsstörung nicht vor dem Alter von 18 Jahren. Zudem raten sie, die Diagnose nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt zu stellen, sondern im Rahmen des Verlaufs.
Die Behandlung einer Persönlichkeitsstörung erfolgt in erster Linie durch Psychotherapie. Diese kommt vor allem bei Menschen zum Einsatz, die aufgrund der Persönlichkeitsstörung schwerwiegende Probleme mit ihrem Verhalten und eigenen Erleben haben.
Medikamente können vor allem gezielt gegen Symptome zum Einsatz kommen. Dies empfehlen Fachleute vorrangig jedoch in Kombination mit Psychotherapie. Im Rahmen einer Psychotherapie können Betroffene über ihre Probleme bzw. ihr Leben sprechen. Es erfolgt die Vereinbarung von individuellen Therapiezielen.
Besonders gut wissenschaftlich untersucht ist die Psychotherapie bei einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Die Ärztin oder der Arzt kann auch Medikamente vorschlagen. Der Einsatz von Medikamenten kann vor allem sinnvoll sein bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, die schwere Symptome und größere Beeinträchtigungen dadurch haben bzw.
Gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten bespricht die Ärztin oder der Arzt Therapieziele und richtet die Medikation danach aus. Bei starker Impulsivität bzw. Bei Störungen mit der Stimmung wie depressive Verstimmungen, Stimmungsschwankungen, große Ängste oder Wut können ebenso Stimmungsstabilisierer zur Anwendung kommen.
Die Ärztin oder der Arzt berät Sie zu weiteren Möglichkeiten einer medikamentösen Behandlung - je nach Form der Persönlichkeitsstörung. Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung sprechen allgemein weniger gut auf Medikamente an als Menschen mit etwa Angststörungen oder Krankheiten mit Beeinträchtigungen der Stimmung, wie z.B.
Die Ärztin oder der Arzt schlägt Kontrolluntersuchungen vor. Diese dienen unter anderem dazu, die Medikamente möglichst optimal an den Verlauf der Beschwerden und die Lebenssituationen anzupassen. Der Verlauf von Persönlichkeitsstörungen ist sehr unterschiedlich.
Neurodiversität
Nicht alle Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion rechtfertigen die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung. Das Bewusstsein der Existenz autistischer Züge in der Bevölkerung ist jedoch wichtig für Ärzt:innen, und das Erklärungsmodell der Neurodiversität ist für viele Betroffene ansprechend.
Das Konzept der Neurodiversität entstand aus dem „Autism Rights Movement“ und wurde bereits vor etwa 25 Jahren geprägt. In Analogie zum Konzept der Biodiversität werden Menschen hier als natürlich unterschiedlich in ihrem kognitiven Set-up und ihren kognitiven Prozessen betrachtet, beispielsweise in den Bereichen Aufmerksamkeit, Lernen, Sensibilität und Stimmungsregulation sowie bei sozialen Kognitionen und Fertigkeiten.
Damit werden auch neuronale Entwicklungsstörungen nicht mehr zwingend als rein biologisch pathologisch betrachtet. Während das Konzept nicht unangefochten ist und es keinesfalls dazu verleiten sollte, das Leiden junger Betroffener zu relativieren, wirkt es oft bei der Suche nach einer Identität entstigmatisierend und identitätsstiftend.
„Nicht neurotypisch“ zu sein bedeutet nicht unbedingt krank zu sein, sondern einfach, anders zu sein. Hier gilt es, mit Betroffenen ein realistisches Modell für die eigenen Erlebnisse zu entwickeln und möglicherweise übersteigerte subjektive Wertigkeiten von Symptomen (z. B. bei im Vordergrund stehenden Aversionen gegenüber bestimmten akustischen oder haptischen Reizen) zu hinterfragen.
Gemeinsam sollten somit adaptive Wege für den Umgang mit Symptomen gefunden werden. Dies gilt sowohl bei der Autismus-Spektrum-Störung nach ICD-11 als auch bei einem atypischen Autismus nach der alten ICD-10.
Trotz umfangreicher Forschungsanstrengungen gibt es derzeit keine allgemein anerkannte Erklärung der Ursachen autistischer Störungen.
Autismus ist auch eine Störung der Wahrnehmungsverarbeitung. (Quelle: Bölte: Autismus, Spektrum, Ursachen, Diagnostik, Interventionen, Perspektiven, 1. A. B.
Alte Subtypen
Im deutschsprachigen Raum sind drei Diagnosearten des Autismus gebräuchlich:
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