Freude, schöner Götterfunken: Entstehung und Geschichte einer Hymne

Die Geschichte der Europahymne beginnt mit zwei berühmten Männern, die beide davon überzeugt waren, dass Freude die Welt verbessern kann: Friedrich Schiller und Ludwig van Beethoven.

Friedrich Schiller und die "Ode an die Freude"

Friedrich Schiller, ein berühmter deutscher Dichter, schrieb im Jahr 1785 das Gedicht „An die Freude“. Für Schiller war Freude etwas, das alle Menschen verbindet, egal, woher sie kommen oder wie sie aussehen. Tatsächlich hat dieses Gedicht vielen Menschen Freude bereitet.

„An die Freude“ mit den Anfangsworten „Freude, schöner Götterfunken“ ist eines der berühmtesten Gedichte Friedrich Schillers und beschreibt das klassische Ideal einer Gesellschaft gleichberechtigter Menschen, die durch das Band der Freude und der Freundschaft verbunden sind. Die Ode entstand im Sommer 1785.

Schillers Gedicht An die Freude erschien erstmals 1786 in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Thalia. Schon bald darauf beschäftigte Beethoven die Idee einer Vertonung. Zusätzlich inspirierte ihn Schillers Gedicht Die Götter Griechenlandes, in dem Schiller dem harmonischen Miteinander von Religion und Wissenschaft zur Zeit der Antike den christlichen Ansatz gegenüberstellt, der - bedauerlicherweise - eine geistliche Gotteswelt von einer entgötterten Natur trenne.

Der mit Schiller und Beethoven befreundete Bonner Jurist Bartholomäus Fischenich schrieb am 26. Januar 1793 an Charlotte von Schiller über ein Gespräch mit Beethoven: „Er wird auch Schiller’s Freude und zwar jede Strophe bearbeiten.

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Ludwig van Beethoven und die 9. Sinfonie

Einer von ihnen war Ludwig van Beethoven. Er war ein berühmter Komponist aus Bonn (eine Stadt im heutigen Deutschland) und entdeckte das Gedicht „An die Freude“, als er noch jung war.

Fast 40 Jahre später war es so weit. Beethoven lebte damals in Wien. Als er 1817 mit der Arbeit an seinem Meisterwerk begann, hörte er schlecht, er war fast taub. Also legte er seinen Kopf auf das Klavier, um die Töne zu spüren, und stellte sich die Melodie im Kopf vor. Obwohl es nicht üblich war, Worte in eine Sinfonie einzubauen, verwendete Beethoven im letzten und vierten Teil des Werkes das Gedicht von Schiller. Damit die Menschen beim Zuhören Freude empfinden, schrieb er dazu eine besonders fröhliche und kraftvolle Musik. Es funktionierte.

Beethoven widmete „in höchster Ehrfurcht“ die Sinfonie König Friedrich Wilhelm III.

Die 9. Sinfonie in d-Moll op. 125, uraufgeführt 1824, ist die letzte vollendete Sinfonie des Komponisten Ludwig van Beethoven. Im Schlusssatz werden zusätzlich zum Orchester auch Gesangssolisten sowie ein gemischter Chor eingesetzt. Als Text wählte Beethoven hierfür das Gedicht An die Freude von Friedrich Schiller.

Als erste sogenannte Sinfoniekantate stellt das Werk eine Zäsur in der Musikgeschichte dar und beeinflusste nachfolgende Generationen von Komponisten. Mit seiner Aufführungsdauer von rund 70 Minuten sprengte das Werk deutlich die üblichen Dimensionen und bereitete so den Boden für die teils abendfüllenden Sinfonien der Romantik - wie jene von Bruckner oder Mahler.

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Heute ist Beethovens Neunte weltweit eine der populärsten Kompositionen der klassischen Musik.

Die Sommer 1821, 1822 und 1823 verbrachte Beethoven in Baden bei Wien (heute Beethovenhaus Baden, Rathausgasse 10) und schrieb dort wesentliche Teile der 9. Symphonie. Der vierte und letzte Satz wurde in Beethovens Wohnung in der Ungargasse 5 in der Wiener Vorstadt Landstraße fertiggestellt.

Anlass war 1817 ein Auftrag der Londoner Philharmonic Society für zwei Symphonien. Es entstanden erste Skizzen und Entwürfe, an denen erkennbar ist, wie beharrlich Beethoven an der Themenbildung feilte. Schon 1818 dachte er, das Finale um Singstimmen zu erweitern. Obwohl die Absicht der Vertonung von Schillers Hymne fast das ganze Leben Beethovens begleitete, hat er sich erst relativ spät entschieden, die Verse im Finale der 9. Sinfonie zu verwenden. Wie die Skizzen zeigen, fiel eine Entscheidung für den Chor erst gegen Ende des Jahres 1823. Zur selben Zeit, im Dezember 1823, erwog Beethoven in einem Skizzenheft noch einmal ein „finale instromentale“.

Die 9. Sinfonie gelangte in einem Konzert zur Uraufführung, das Beethoven am 7. Mai 1824 im Theater am Kärntnertor veranstaltete. Es begann mit der Ouvertüre zu Die Weihe des Hauses op. 124, gefolgt von Auszügen aus der Missa solemnis op. 123. Danach folgte wahrscheinlich eine Pause, ehe zum Schluss erstmals die 9. Sinfonie op. 125 erklang.

Solisten der Uraufführung waren Henriette Sontag (Sopran), Caroline Unger (Alt), Anton Haizinger (Tenor) und Joseph Seipelt (Bariton). Der Dirigent war Michael Umlauf. Beethoven, der bereits völlig ertaubt war, stand beim Schlusssatz mit dem Rücken zum Publikum und las die Worte der Sänger von ihrem Munde ab. Nach der Aufführung brach ein frenetischer Beifall los. Nach Aussagen von Sigismund Thalberg, der unter den Zuhörern war, drehte Caroline Unger Beethoven nach dem Ende des Scherzo zum jubelnden Publikum, laut Anton Schindler auch nach dem Ende des Chorfinales. Er sah die begeisterte Menge und verbeugte sich dankend.

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Dass das musikalische Werk eine neue Phase der Musikgeschichte einläutete, war auch schon bei der Uraufführung klar. Erstmals erklang das weit über eine Stunde dauernde Werk im 1708 fertiggestellten und 1873 abgerissenen Wiener Kärntnertortheater.

Beim Publikum war das Stück sogleich ein Erfolg, die Kritiker beurteilten die musikalische Revolution allerdings ambivalenter. Diese war das Ende eines langen Schaffensprozesses, trug sich Beethoven doch bereits kurz nach dem Erscheinen von Schillers Gedicht „An die Freude“ im Jahr 1786 mit dem Gedanken, das Poem zu vertonen.

Es folgte eine jahrzehntelange Suche nach der Form, die schließlich im Aufbrechen des sinfonischen Kanons mündete, in dem der bereits weitgehend taube Komponist im letzten Satz Chor und Solisten einfügte. Die König Friedrich Wilhelm III. von Preußen gewidmete, letzte vollendete Sinfonie Beethovens ebnete damit den stilistischen Weg für Nachfolger wie Anton Bruckner und Gustav Mahler.

Die erste Aufführung der 9. Sinfonie am 7. Mai 1824 war ein großer Erfolg. Das Publikum klatschte begeistert, doch Beethoven konnte den Applaus nicht hören.

Die Freude über dieses Meisterwerk ist bis heute geblieben und wurde vor mehr als 50 Jahren zur Hymne der EU.

Die "Ode an die Freude" als Europahymne

1972 nahm der Europarat (dieselbe Organisation, die die europäische Flagge entworfen hatte) Beethovens "Ode an die Freude" als eigene Hymne an. Der bekannte Dirigent Herbert von Karajan wurde damit beauftragt, drei Instrumentalfassungen - für Solopiano, Blas- und Symphonieorchester - zu arrangieren. 1985 wurde sie von den Staats- und Regierungschefs der Union als offizielle Hymne der EU angenommen.

1972 wurde das vokale Hauptthema des letzten Satzes (Freude schöner Götterfunken) vom Europarat zu seiner Hymne erklärt und 1985 von der Europäischen Gemeinschaft als offizielle Europahymne angenommen. In der Begründung heißt es, „sie versinnbildliche die Werte, die alle teilen, sowie die Einheit in der Vielfalt“.

1985 beschloss die EU, nur Musik ohne Worte zu verwenden, damit sich alle Menschen in Europa gleich fühlen, wenn sie diese Musik hören, und sich niemand ausgeschlossen fühlt, weil er die Worte nicht versteht.

Beethovens berühmte Ode „An die Freude“ wurde 1972 vom Europarat zur Hymne erkoren, 1985 von der damaligen Europäischen Gemeinschaft zur Europahymne gekürt.

Es ist eines der monumentalen Werke der Menschheit, das - zumindest in Auszügen - selbst jene kennen, die sonst keinen Bezug zur klassischen Musik haben: die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven samt der Ode „An die Freude“.

Die "Ode an die Freude" kennen auch jene, die sonst weniger mit Klassik anfangen können. Das komplexe Meisterwerk wurde zur massentauglichen Europahymne. Am Anfang stand jedoch ein Trinklied.

Für seine neunte Sinfonie griff Beethoven auf ein Gedicht zurück, das damals sehr bekannt war und zuvor von anderen vertont worden war. Schiller hatte "An die Freude" 1785 geschrieben, wenige Jahre vor der Französischen Revolution. "Bettler werden Fürstenbrüder" heißt es etwa in dem Originaltext, der mit den Worten "Freude, schöner Götterfunken" beginnt.

Das Lied war schon vor der Adelung durch Beethoven ein Gassenhauer, wie die Beethoven-Forscherin Beate Kraus vom Beethoven-Haus Bonn der dpa sagte. Dafür sei nicht nur der revolutionäre Text verantwortlich. Die Hymne auf Freude und Freundschaft sei auch in Studentenkreisen beliebt gewesen. "Das ist einfach ein Sauflied", meinte Kraus.

Unter dem Titel "Ode an die Freude" wurden Schillers Verse zum inhaltlichen Kern der Neunten. Seit der Uraufführung hätten der Genie-Kult um Beethoven und die Vielschichtigkeit dieser Sinfonie dazu geführt, dass sie mit unterschiedlichsten Inhalten aufgeladen wurde, meinte Kraus. "Deshalb kann jeder sich herauspicken, was er oder sie favorisiert", sagte die Wissenschaftlerin.

Beethovens Musik wurde in der NS-Zeit instrumentalisiert. Die neunte Sinfonie erklang etwa zum Geburtstag von Adolf Hitler. In der DDR wurde das Werk des Komponisten im kommunistischen Sinne als Musik des Friedens und der Völker-Freundschaft gedeutet.

Die "Ode an die Freude" begleitete die Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands. In den 50er und 60er Jahren diente sie bei Olympischen Spielen als deutsche Hymne für die gesamtdeutschen Teams aus west- und ostdeutschen Athletinnen und Athleten. Nach dem Mauerfall führte Stardirigent Leonard Bernstein die Neunte mit dem umgedichteten Text "Freiheit, schöner Götterfunken" im Dezember 1989 in Ost- und Westberlin auf.

Anfang der 70er Jahre dampfte Herbert von Karajan den komplexen vierten Satz mit seinen Dissonanzen, dramatischen Wendungen und verflochtenen Gesangsstimmen zu einer massentauglichen Hymne für den Europarat ein. Später wurde sie auch zur Hymne der Europäischen Union. Dadurch wurde Beethovens Melodie auch zum politischen Reibebaum: So drehten sich etwa Abgeordnete der britischen Brexit-Partei während der Hymne im Europäischen Parlament demonstrativ um.

Man kann Beethovens Meisterwerk aber auch einfach nur genießen. Das tun viele Menschen in Japan, wo Aufführungen der Neunten mit Amateur-Chören zu den Traditionen rund um den Jahreswechsel gehören.

Jubiläum für Beethovens 9. Sinfonie

Beethovens 9. Sinfonie feiert ihr 200-Jahr-Jubiläum.

Zahlreiche Institutionen in ganz Österreich begehen nun den 200. Geburtstag dieses Stücks.

Die Wiener Philharmoniker würdigen das Jubiläum gemeinsam mit dem Theatermuseum und der Staatsbibliothek zu Berlin. So hat man es geschafft, die größte je in Österreich gezeigte Auswahl an Blättern der handschriftlichen Partitur temporär von Berlin nach Wien zu holen.

Im einstigen Musikzimmer der Theatermuseumsheimstatt Palais Lobkowitz sind die Blätter noch bis 1. Juli unter dem Titel „Freude, schöner Götterfunken“ zu sehen.

Die Wiener Philharmoniker unter Riccardo Muti lassen die Sinfonie seit Samstag in mehreren Terminen im Musikverein erklingen, wobei man sich Stars wie Mezzosopranistin Marianne Crebassa und Bass Günther Groissböck an die Seite geholt hat. Ö1 überträgt das Konzert am Dienstag live.

Am Donnerstag zeigt ORF2 ab 22.20 Uhr eine Aufzeichnung.

Das Konzert ist Teil eines Themenabends, zu dem auch die neue Dokumentation „Beethovens Neunte und das Kärntnertortheater - Ein musikalischer Krimi“ gehört. Darin zeichnet Regisseurin Barbara Weissenbeck die Geschichte des abgetragenen Uraufführungsortes nach, von dem ein bis in alle Details korrektes Modell erstellt wurde, um die damaligen akustischen Bedingungen im Detail nachvollziehbar zu machen.

Im Musikverein nimmt bereits seit 3. Mai die Kinderschiene „Agathes Wunderkoffer“ den „Götterfunken“ ins Zentrum.

Die Wiener Symphoniker wollten sich unterdessen am 7. Mai als dem offiziellen Jubiläumstag Joana Mallwitz ans Pult holen, um im Konzerthaus mit Solisten wie Tanja Ariane Baumgartner und Andreas Schager die Sinfonie erklingen zu lassen. Die 37-Jährige musste das Vorhaben jedoch aus gesundheitlichen Gründen absagen.

Das Ganze ist schließlich Teil eines Projekts des Kultursenders Arte, der aus Anlass des Jahrestages zeitversetzt die vier Sätze der Sinfonie gespielt von vier verschiedenen Orchestern überträgt. Den Symphonikern bleibt in diesem Mammutvorhaben der Königssatz, also der vierte, über.

Eröffnet wird dieser Vierstationenabend vom Gewandhausorchester Leipzig unter Andris Nelsons, dem das Orchestre de Paris unter Klaus Mäkelä folgt, bevor Riccardo Chailly mit dem Orchestra del Teatro alla Scala Satz Nr. 3 intoniert. Wer lieber ganz auf Wiener Klang setzt, für den überträgt ORF III ab 20.15 Uhr zeitversetzt das Konzert.

Noch weit über das eigentliche Jubiläum hinaus ist im Beethovenhaus Baden die neue Sonderausstellung „Der Weg der Neunten - von Baden in die Welt“ zu sehen, die bereits eröffnet ist. Bis 3. November wird hier die umfassende Kulturgeschichte der 9.

Die Präsentation der Originalhandschrift erfolgt im Musikzimmer des Palais Lobkowitz, in dem Beethoven selbst oft musiziert hat.

„Aus den Dokumenten kann man ersehen, dass die Idee zur Gründung der Wiener Philharmoniker auch durch die Uraufführung der Neunten Symphonie entstanden ist. So spielten einige Musiker, die danach Gründungsmitglieder der Wiener Philharmoniker wurden, bei der vom Komponisten veranstalteten Uraufführung im Kärntnertortheater mit. Seit damals gab es eine kontinuierliche Pflege der Werke von Beethoven.

Zum 200-Jahr-Jubiläum der Uraufführung von Beethovens Neunter Symphonie haben die Wiener Philharmoniker veranlasst, dass erstmals eine beeindruckende Auswahl unterschiedlicher Beispiele aus den 397 Seiten des Autographs in Wien präsentiert wird. Die Präsentation erfolgt in Kooperation mit dem Theatermuseum und der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz und wird von DDr.

Die Originalhandschrift von Beethovens Neunter Symphonie war schon bei Beethovens Tod aufgeteilt, einzelne Seiten wurden danach als Erinnerungsstücke weitergegeben. Von 1846 bis 1901 wurde die Handschrift annähernd vollständig in der heutigen Staatsbibliothek zu Berlin wieder vereinigt.

Die Präsentation will Verstehen und Wissen um die Niederschrift dieses Kunstwerkes vermitteln.

Die Idee, Schillers „Ode an die Freude“ zu vertonen, hat Beethoven während all der 32 Jahre begleitet, die er von der Ankunft in Wien bis zur Uraufführung der Neunten hier verbracht hat.

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