Was ist die Emotional Instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline)?

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) gehört zu den sogenannten "emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen". Menschen mit dieser schweren psychischen Störung leiden unter ihren intensiven und unkontrollierbaren Emotionen. Zu den Hauptmerkmalen dieser Störung gehören laut der Borderline-Definition starke Schwankungen der Stimmung sowie heftige Wutausbrüche. Auch ein ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken ist typisch für Borderliner.

Das Wort Borderline bedeutet auf deutsch Grenzlinie. Der US-amerikanische Psychoanalytiker Adolf Stern beschrieb 1938 die meisten Symptome, die heute zur Diagnose BPS führen, und sprach von „the border line group”. Diese Bezeichnung beruht auf einem psychoanalytischen Verständnis, das eine Art Übergangsbereich von neurotischen und psychotischen Störungen annimmt, da man Symptome aus beiden Bereichen identifizierte. Seit den Arbeiten Kernbergs ist der Begriff in der psychoanalytischen Diagnostik keine „Verlegenheitsdiagnose“ mehr, sondern als eigenes Krankheitsbild anerkannt.

Die moderne operationalisierte Diagnostik hat sich von diesen theoriegeleiteten Konzepten weitgehend abgelöst. Sie beschreibt Erlebens- und Verhaltensmuster, die das Störungsbild kennzeichnen. Nachfolgend wurde der Begriff auch in das DSM aufgenommen, die ICD verweist lediglich mit Borderline-Typ auf den Begriff. In der Psychotraumatologie zählt man das Symptombild zu den komplexen posttraumatischen Belastungsstörungen.

Andere Wissenschaftler fordern die Aufgabe des Begriffs, da er eigentlich keine Persönlichkeitsstörung, sondern differentialdiagnostische Probleme bezeichne. Zu Fragen der Ursachen, Abgrenzung und Therapie gibt es bisher keinen Konsens.

Klassifikation der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die WHO (Welt-Gesundheits-Organisation) unterteilt Menschen mit emotional instabilen Persönlichkeiten zusätzlich in zwei verschiedene Typen: den Impulsiven Typ und den Borderline-Typ.

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Impulsiver Typ

Um dem Impulsiven Typ zugeordnet zu werden, müssen bestimmte Merkmale vorhanden sein. Zum Beispiel die Neigung zu Streitereien oder impulsiven, unerwarteten Handlungen ohne auf mögliche Folgen zu achten. Auch die Neigung zu unkontrollierten Wut- oder Gewaltausbrüchen und starke Stimmungsschwankungen gehören dazu.

Borderline-Typ

Typische Merkmale des Borderline-Typs sind, neben der ebenfalls vorliegenden Neigung zu Streitigkeiten, Unsicherheiten im Selbstbild beziehungsweise in der eigenen Identität, Neigung zu intensiven, aber instabilen Beziehungen, Angst vorm Verlassenwerden. Zudem kommt häufig die Androhung oder Durchführung von Selbstverletzungen und ein dauerhaftes Gefühl der Leere.

Diagnostische Kriterien nach DSM-IV/DSM-5

Im DSM-IV, dem Klassifikationssystem der American Psychiatric Association, wird die Borderline-Persönlichkeitsstörung wie folgt definiert:

Ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in den zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie deutliche Impulsivität. Der Beginn liegt oftmals im frühen Erwachsenenalter oder in der Pubertät und manifestiert sich in verschiedenen Lebensbereichen.

Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein, wenn von einer solchen Störung gesprochen wird:

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  • Starkes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden.
  • Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.
  • Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung.
  • Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (z. B. Geldausgeben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, zu viel oder zu wenig essen).
  • Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten.
  • Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung (z. B. hochgradige episodische Dysphorie, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern).
  • Chronische Gefühle von Leere.
  • Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren (z. B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen).
  • Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome.

Die diagnostischen Kriterien nach DSM-IV entsprechen denjenigen nach DSM-5.

Diagnostische Kriterien nach ICD-10

Im ICD, dem Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO), ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung eine Unterform der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung: Der Impulsive Typus dieser Störung ist geprägt durch mangelnde Impulskontrolle und unberechenbare Handlungen. Beim Borderline-Typus sind das eigene Selbstbild und das Beziehungsverhalten schwerer beeinträchtigt.

ICD-11: Dimensionale Einschätzung der Persönlichkeit

In der ICD-11 ist eine dimensionale Einschätzung der Persönlichkeit auf den 5 Domänen „Negative Affectivity“, „Detachment“, „Dissociality“, „Disinhibition“ und „Anankastia“ als radikale Alternative zu den 10 bisherigen Kategorien bereits abgesegnet und wird ab 2022 weltweit die Diagnosestellung verändern. Während hier zunächst alle bisherigen Kategorien eliminiert wurden, erreichten kritische Stimmen am Ende, dass die Borderline-Störung als einziger Qualifier in der ICD-11 erhalten bleibt.

Sofern die allgemeinen Kriterien als erfüllt betrachtet werden, kann der Schweregrad der Persönlichkeitsstörung eingeschätzt werden. Von den ursprünglichen Kategorien der Persönlichkeitsstörungen im ICD-10 (z.B. Borderline, antisozial, zwanghaft) sind wenige übrig geblieben, wobei auch die Symptomatik sehr ähnlich definiert wurde.

Wer ist vom Borderline-Syndrom betroffen?

In der Bevölkerung sind durchschnittlich etwa 1,6 Prozent von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen. Unter den jungen Menschen ist die Krankheit mit über 6 Prozent überdurchschnittlich oft vertreten.

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Die Borderline-Krankheit entwickelt sich oft in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter. Die ersten Anzeichen für die psychische Störung treten teilweise bereits im Kindesalter auf, es ist jedoch schwierig, Borderline bei Kindern zu diagnostizieren. Auffällige Anzeichen sind bei Kindern und auch Jugendlichen häufig nicht eindeutig dem Borderline-Syndrom zuzuordnen. Bei einem Verdacht auf eine Borderline-Erkrankung im jungen Alter sprechen Experten von einer Borderline-Entwicklungsstörung.

Früher galten junge Frauen als besonders anfällig für die Borderline-Störung. Neuere Untersuchungen weisen aber darauf hin, dass die Geschlechter-Verteilung ausgeglichen ist. Zwar sind bis zu 80 Prozent der Patienten in Therapie weiblich. Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass sich Borderline bei Männern anders äußert als bei Frauen. Männliche Borderliner neigen unter Umständen stärker zu Gewalt gegen andere und landen daher eher in Jugendstraf-Einrichtungen als in einer therapeutischen Anstalt.

Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Viele Patienten mit Borderline-Syndrom wurden in ihrer eigenen Kindheit vernachlässigt oder misshandelt. Ein eigenes Kind ruft möglicherweise Erinnerungen an solche traumatischen Ereignisse wach. Die Betroffenen fühlen sich dadurch wieder in die Kinderrolle versetzt und sind häufig nicht in der Lage, ihr eigenes Kind angemessen zu versorgen. Die Elternrolle überfordert sie, erzeugt Aggression - und in manchen Fällen auch Gewalt gegen die Kinder.

Viele Gründe also, warum es ratsam ist, sich als Eltern mit Borderline-Syndrom unbedingt Hilfe zu suchen. Es besteht die Möglichkeit, dass ein Therapeut die Familie auf ihrem Weg begleitet. Die Eltern haben mit entsprechender Unterstützung gute Chancen, zu lernen, wie sie die Bedürfnisse ihres Kindes erkennen. Wenn die Kinder über die Krankheit der Mutter oder des Vaters aufgeklärt werden, haben sie ein besseres Verständnis für schwierige Situationen.

Begleiterkrankungen

Das Borderline-Syndrom geht oft mit anderen Erkrankungen Hand in Hand. So treten bei einem Großteil der Patienten zumindest zeitweilig Depressionen auf.

Borderline-Persönlichkeitsstörung (abgekürzt BPS) oder emotional instabile Persönlichkeitsstörung des Borderline-Typs ist die Bezeichnung für eine Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, Stimmung und Selbstbild gekennzeichnet ist.

Bei einer solchen Störung sind bestimmte Bereiche der Gefühle, des Denkens und des Handelns beeinträchtigt, was sich durch negatives und teilweise paradox wirkendes Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie in einem gestörten Verhältnis zu sich selbst (siehe Identität) äußert. Die BPS wird sehr häufig von weiteren Belastungen begleitet, darunter dissoziative Störungen, Depressionen sowie verschiedene Formen selbstverletzenden Verhaltens (SVV). Die Störung tritt häufig zusammen mit anderen Persönlichkeitsstörungen auf (hohe Komorbidität).

Ursachen der Borderline-Störung

Für die Entstehung der Borderline-Störung lässt sich das Biopsychosoziale Modell heranziehen. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, die die Erkrankung hervorrufen können. Es gibt eine genetisch bedingte, erhöhte emotionale Sensitivität auf. Das bedeutet, dass Betroffene stärkere Emotionen als andere haben. Diese Emotionen werden dann vom sozialen Umfeld (z.B. Eltern) häufig nicht adäquat beantwortet, was zu einem traumatisch erlebten Invalidierung führen kann. Das bedeutet, dass Bezugspersonen die Emotionen eines Kindes runterspielen, als nicht passend bezeichnen oder sogar bestrafen. Dadurch kann es zu Schwierigkeiten in der Emotionsregulation kommen. Das Kind lernt nicht, adäquat mit Emotionen umzugehen und diese zu regulieren. Es kann auch passieren, dass das Kind nach außen hin Aggression zeigt, obwohl es eigentlich primär Angst oder Traurigkeit verspürt. Das führt dazu, dass sich die Betroffenen weder auf sich selbst, noch auf andere verlassen zu können. Bindungsstörungen können die Folge sein.

Diagnostik der Borderline-Persönlichkeitsstörung

In meiner Praxis wird vor jeder Behandlung eine ausführliche Diagnostik durchgeführt. Dabei wird vorweg auf einer allgemeinen und danach auf einer spezifischen Ebene geschaut, ob das Verhalten der betroffenen Person von den Normen der soziokulturellen Umgebung abweicht. Wenn all diese Kriterien erfüllt sind, kann der Subtypus der Persönlichkeitsstörung abgeklärt werden.

Die diagnostischen Kriterien umfassen:

  • Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (z.B. Geldausgeben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, zu viel oder zu wenig essen).
  • Affektive Instabilität und extreme Stimmungsschwankungen (z.B. hochgradige episodische Dysphorie, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern).
  • schwere dissoziative Symptome (z.B. Depersonalisation, Derealisation).

Es kommen dabei (halb-)strukturierte Interviews (z.B. SKID-5-CV) und Fragebögen (z.B. BSL-23, IPO-R, SIPP-118, FFPI, PAV-E, PAL, EAS, FARE, Persönlichkeitsakzentuierungen - IKP) zum Einsatz.

Nach der Diagnosestellung folgt die Psychoedukation. Dabei wird der Patient über die Erkrankung und die aufrechterhaltenden Bedingungen der Erkrankung aufgeklärt.

Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung erfolgt in erster Linie durch Psychotherapie.

Ein wichtiger Bestandteil ist die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT). Hierbei geht es darum, eine Balance zwischen Akzeptanz und Veränderung herzustellen.

Es ist wichtig, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, damit diese dann auch leichter akzeptiert werden können. Weitere Skills beziehen sich auf die Stresstoleranz. Dabei werden Fertigkeiten gelernt, die dabei helfen, die Anspannung zu regulieren und abzuschwächen.

Eines dieser Skills ist Achtsamkeit. Es ist wichtig, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, damit diese dann auch leichter akzeptiert werden können.

Ein adäquater Umgang mit emotional belastenden Emotionen wird ebenfalls gelernt. Dann kommen Prinzipien der Emotionsfokussierten Therapie zum Tragen. Dabei wird geschaut, welche Emotionen angemessen sind und welche zu stark, übertrieben oder unangemessen sind.

Borderline-Betroffene zeigen auch häufig dysfunktionale Denkmuster (z.B. "Ich bin wertlos" oder "Man kann anderen nicht trauen"). Diese gilt es zu hinterfragen und wenn notwendig, durch neue, hilfreiche und realistische Gedanken zu ersetzen.

Zudem soll sich auch der Selbstwert verbessern und das Selbstbild stabilisieren.

Medikamente können vor allem gezielt gegen Symptome zum Einsatz kommen. Dies gilt vor allem bei komorbiden Erkrankungen, wie Depressionen. Es gibt kein Medikament, dass primär zur Behandlung der Borderline-Störung entwickelt wurde.

Dimensionale Modelle vs. Kategoriale Diagnostik

Die jahrzehntelange und zunehmende Unzufriedenheit mit der bisherigen kategorialen Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen (PS) im amerikanischen DSM-IV und in der ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation hat u. a. mit fehlender empirischer Unterstützung vieler Kategorien, der sehr hohen Komorbidität der PS untereinander oder der großen Heterogenität von Symptomen innerhalb einer Diagnose zu tun. Sie hat in den letzten Revisionen der beiden Diagnosesysteme einen radikalen Wandel hin zu einem dimensionalen Klassifikationssystem unterstützt, das um vieles stärker in der empirischen psychologischen Forschung abgesichert ist.

Beispiel der „mittelgradigen Beeinträchtigung“ in der Skala zur Erfassung des Funktionsniveaus der Persönlichkeit (SEFP) im AMPD des DSM‑5
SEFP „2 = mittelgradige Beeinträchtigung“ (in zwei Bereichen notwendig für die Diagnose einer PS)
Identität Übermäßige Abhängigkeit von anderen bei der Definition der eigenen Identität; beeinträchtigte Wahrnehmung von Grenzen. Vulnerabler Selbstwert, Sorge um Bewertung durch andere, Wunsch nach Anerkennung, Gefühl von Unzulänglichkeit, kompensatorisch überhöhte oder verringerte Selbsteinschätzung
Selbststeuerung Ziele meistens nicht selbstbestimmt, sondern Mittel, Bestätigung von anderen zu erhalten, daher ev. mangelnde Stabilität von Zielen. Eigene Maßstäbe unangemessen hoch (z. B. gefallen wollen) oder niedrig (z. B.

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