Eine "schwere Zunge" kann verschiedene Ursachen haben, die sowohl physischer als auch psychischer Natur sein können. In der Medizin wird der Begriff oft im Zusammenhang mit Schluckstörungen (Dysphagie) oder Stimmstörungen (Dysphonie) verwendet.
Zungendiagnostik in der traditionellen Medizin
In der traditionellen indischen und chinesischen Medizin spielt die Zungendiagnostik eine wichtige Rolle. Eine gesunde Zunge ist rosa und sauber. Da die Zunge mit dem Verdauungstrakt verbunden ist, können sich Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Nährstoffmängel auf ihr bemerkbar machen. Aber auch über chronische Erkrankungen gibt die Zungendiagnostik Aufschluss. Indische Forscher:innen haben sogar eine Fern-Diagnose-Methode entwickelt, mit der Krankheiten über ein Zungen-Foto erkannt werden können.
Mögliche Anzeichen auf der Zunge:
- Entzündung: Kann auf eine Pilzinfektion oder eine Allergie hinweisen. Wirkt die Zunge entzündet, ist sehr rot oder weiß, könnte eine Pilzinfektion im Körper vorliegen. Der Sitz des Pilzes ist häufig im Darm und wird durch den Genuss von zu viel Zucker gefördert.
- Schwellung: Könnte der Körper gerade mit einer allergischen Reaktion oder einer Nahrungsmittelunverträglichkeit zu kämpfen haben.
- Schwarze Verfärbungen: Bei langer Antibiotika-Einnahme möglich.
- Glatte oder fleischige Zunge: Könnte ein Mangel an Vitaminen oder Mineralstoffen vorliegen. Ist die Zunge sehr glatt oder wirkt fleischig, könnte ein Mangel an Vitaminen oder Mineralstoffen vorliegen. Bei ungesunder Ernährung mit zu wenig Gemüse und Obst kann es zu einem Nährstoffmangel im Körper kommen.
- Längsfurchen: Auf der Zunge zeigt sich Syphilis durch Längsfurchen.
- Geschwüre: Geschwüre auf der Zunge könnten ein Zeichen auf Morbus Crohn, eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, sein. Morbus Crohn löst wiederkehrende Bauchschmerzen, Durchfall und Übelkeit aus.
- Klumpen und Blutungen: Klumpen auf der Zunge und regelmäßige Blutungen im Mundraum, die nicht auf das Zahnfleisch zurückzuführen sind, könnten ein Zeichen für Mundkrebs sein.
- Blasse Zunge mit weißlichem Belag: Bei einer Erkältung oder Grippe ist die Zunge plötzlich blass und die gewöhnliche Rosa-Färbung ist verschwunden. Der Belag ist weißlich.
- Grau-gelblicher Belag: Bei einer akuten Lebensmittelvergiftung, verursacht durch Keime in Fleisch oder rohe Eiern, ist die Zunge grau-gelblich belegt.
- Dicker, gelblicher oder bräunlicher Belag: Ein dicker, gelblicher oder bräunlicher Belag kann auf eine Schwäche im Leber- oder Gallen-Bereich hindeuten. Eine Hepatitis-Infektion könnte z.B. die Ursache für den Belag auf der Zunge sein.
Schluckstörungen (Dysphagie)
Dysphagien sind Störungen, die in der pharyngealen oder ösophagealen Phase des Schluckvorganges auftreten, und können als Symptome auf zugrunde liegende Erkrankungen aufmerksam machen. Sie stellen eine massive psychische und gesundheitliche Belastung für die Betroffenen dar und können unbehandelt speziell bei älteren Patienten zu schweren Komplikationen führen.
Ursachen von Dysphagie
Die Ursachen reichen von Fehlbildungen, Infektionen und neurologischen Schädigungen bis hin zu Tumorerkrankungen.
- Neurogene Dysphagien: Besteht die Dysphagie vor allem beim Trinken, liegt die Ursache häufig in der gestörten neuronalen Steuerung des Schluckaktes. Bei einer Störung in diesem Bereich (etwa infolge eines Schlaganfalls) spricht man von einer sogenannten neurogenen Dysphagie. Die Betroffenen verschlucken sich auch häufig. Einige Beispiele für Ursachen einer neurogenen Dysphagie:
- Schlaganfall
- Parkinson-Krankheit
- Multiple Sklerose (MS)
- Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
- Demenzielle Erkrankungen
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS; chronisch-degenerativ Erkrankung des ZNS) und Progressive Bulbärparalyse (Sonderform der ALS)
- Dysphagien durch Raumforderungen und Fehlbildungen: Auch im Mund-Rachen-Raum selbst können gut- oder bösartige Wucherungen eine oropharyngeale Dysphagie verursachen. Die größten Risikofaktoren sind dabei Nikotin- und Alkoholkonsum.
- Dysphagien durch Operationen und Beatmung: Infolge von operativen Eingriffen in der Mund- und Hals-Nasen-Ohren-Region können ebenfalls Schluckstörungen entstehen. Auch bei langen Aufenthalten auf einer Intensivstation mit künstlicher Langzeitbeatmung treten bei vielen Patienten und Patientinnen Dysphagien auf.
- Dysphagien durch Infekte/Entzündungen: Entzündungen durch Viren, Bakterien oder Pilze können ebenfalls Schluckstörungen verursachen.
- Sonstige Ursachen: Bei Menschen mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) hat man ebenfalls Schluckstörungen festgestellt.
Phasen des Schluckvorgangs und ihre Störungen
Beim Schlucken werden drei unterschiedliche Phasen unterschieden:
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- Orale Phase: Die Nahrung wird im Mund zerkleinert und mit Speichel vermischt.
- Pharyngeale Phase: Die Nahrung wird im Rachen über die Muskulatur zum Ösophagus transportiert.
- Ösophageale Phase: Die Nahrung wird durch die Ösophagusperistaltik in den Magen transportiert.
Schluckstörungen im Rachenbereich führen dazu, dass der Nahrungsbrei nicht in den Ösophagus transportiert werden kann. Der Brei fließt dann entweder zurück in den Mund-Nasen-Raum (Regurgitation) oder gerät in die Luftröhre (Aspiration), wodurch ein starker Würgereiz entsteht und der Brei wieder ausgehustet wird.
Presby-Dysphagie
Dysphagien, die im zunehmenden Lebensalter auftreten, werden unter dem Begriff Presby-Dysphagie zusammengefasst, wobei oropharyngeale Schluckstörungen weitaus häufiger auftreten als ösophageale Dysphagien.
Komplikationen von Schluckstörungen
Schluckstörungen können zu massiven gesundheitlichen Komplikationen wie Malnutrition und Dehydrierung führen. Aber auch die Auswirkungen auf die Psyche dürfen nicht unterschätzt werden: 41 % der Patienten mit oropharyngealer Dysphagie sprechen von Angstzuständen oder Panik im Zusammenhang von gemeinsamen Essen, wobei 36 % versuchen das gemeinsame Essen zu meiden. Daneben ist auch das Risiko für Aspirationspneumonien im Alter erhöht.
Stimmstörungen (Dysphonie)
Eine Dysphonie hat entweder körperliche Ursachen (organische Stimmstörung) oder beruht auf einer gestörten Kehlkopffunktion (funktionelle Stimmstörung). Demnach unterscheidet man zwei Arten von Dysphonie: eine organische und eine funktionelle.
Organische Dysphonie
Für eine "normale" Stimmbildung müssen die Stimmlippen ("Stimmbänder") im Kehlkopf frei vibrieren. Verschiedene körperliche Störungen können dieses freie Vibrieren behindern - eine Dysphonie resultiert.
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- Überlastung der Stimme: Bei Menschen, die aus beruflichen Gründen viel sprechen oder singen, entwickeln sich oft Überlastungserscheinungen an den Stimmlippen.
- Entzündungen des Kehlkopfes (Laryngitis): Wenn der Kehlkopf oder sogar der gesamte Rachenraum entzündet ist, stört das oft die Stimmbildung.
- Verletzungen des Kehlkopfes: Solche Verletzungen, wie sie etwa durch eine Intubation, bei Unfällen oder Operationen entstehen, lösen in vielen Fällen eine Dysphonie aus.
- Lähmung der Kehlkopfmuskulatur (Kehlkopflähmung, Stimmbandlähmung): Wenn Nervenbahnen im Bereich des Kehlkopfes geschädigt werden , können Nervenimpulse oftmals nicht mehr auf die kleinen Muskeln im Kehlkopf übertragen werden - eine einseitige oder beidseitige Lähmung der Stimmlippen ist die Folge.
- Spasmodische Dysphonie (Sprechkrampf, Kehlkopfkrampf, laryngeale Dystonie): Die Stimmstörung entsteht hier durch unwillkürliche, lang anhaltende Verkrampfungen der Muskeln im Kehlkopf.
- Gutartige Tumoren an den Stimmlippen: Nach Verletzungen der Stimmlippen (zum Beispiel durch den Beatmungstubus bei Langzeitbeatmung) bildet sich manchmal auf den Stimmlippen eine gutartige Wucherung (Stimmlippengranulom, Intubationsgranulom) - als Reaktion auf die Verletzung.
- Kehlkopfkrebs (Larynxkarzinom): Ein bösartiger Kehlkopftumor ist seltener die Ursache für eine Dysphonie.
- Angeborene Fehlbildungen der Stimmlippen oder des Kehlkopfes: Sie sind ebenfalls eine mögliche Ursache für eine Stimmbildungsstörung.
Funktionelle Dysphonie
Bei der funktionellen Dysphonie ist die Kehlkopffunktion gestört: Es besteht ein Ungleichgewicht der an der Stimmbildung beteiligten Muskulatur.
- Hyperfunktionelle Dysphonie: Diese Form der Dysphonie entsteht, wenn die an der Stimmbildung beteiligten Muskeln einen zu hohen Kraftaufwand leisten.
- Hypofunktionelle Dysphonie: Hier liegt eine Unterfunktion der Muskeln im Kehlkopf vor.
- Psychogene Dysphonie: Bei manchen Menschen äußeren sich psychische oder psychosomatische Ursachen in einer hypofunktionellen Dysphonie (Flüstern, Hauchen, kraftlose Stimme).
Behandlung von Dysphonie
Oftmals erhalten Betroffene eine individuelle Stimmtherapie, meist bei einem Logopäden, Sprachheilpädagogen oder Atem-/Sprechlehrer. Davon abgesehen richtet sich die Behandlung einer Dysphonie nach der Ursache.
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
Die Amyotrophe Lateralsklerose ist eine seltene Erkrankung des zentralen Nervensystems. Dabei gehen bestimmte Nervenzellen, die sogenannten Motoneurone, im Gehirn und Rückenmark zugrunde. Die Folgen sind u.a. Muskelschwäche, Muskelkrämpfe und fortschreitende Lähmungen in verschiedenen Muskelregionen. Sprech- und Schluckstörungen sowie Atemprobleme können den Alltag der betroffenen Person zusätzlich erschweren. Die Erkrankung schreitet unaufhaltsam fort und ist bisher nicht heilbar.
Symptome der ALS
- Probleme beim Schlucken
Diagnose und Therapie von ALS
Da die ALS Beschwerden verursachen kann, die auch bei anderen Erkrankungen des Nervensystems vorkommen, ist die Diagnose oft schwierig. Die Therapie wird immer persönlich an die jeweilige Situation und Bedürfnisse der betroffenen Person angepasst. Der Hauptfokus der Behandlung liegt aber auf einer symptomatischen Behandlung.
Multiple Sklerose (MS)
Die Multiple Sklerose kann viele verschiedene Beschwerden (Symptome) hervorrufen, die davon abhängen, an welchen Stellen des Zentralnervensystems die Entzündungen auftreten.
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Symptome der MS
- Bewegungsstörungen
- Blasenentleerungsstörungen
- Depression
- Fatigue (Müdigkeit)
- Gedächtnisstörungen
- Schmerzen
- Sehstörungen
- Sensibilitätsstörungen
- Spastik
- Sprechstörungen und Sprachstörungen
Psychische Ursachen
Psychische Belastungen können sich in körperlichen Beschwerden äußern. Das Phänomen, dass unbewusste psychische Belastungen körperliche Beschwerden machen können, ist in der psychosomatischen Medizin wie auch in der Psychotherapie gut bekannt.
Umgang mit psychischen Ursachen
Es ist wichtig, sich mit den Hintergründen zu beschäftigen, die diese Probleme verursacht haben. Parallel dazu kann man durch das Erlernen spezieller Bewältigungsstrategien lernen wie die Beschwerden besser in den Griff zu bekommen sind.
Stottern
Moses "schwere Zunge" (Exodus, 4, 10) ist die wohl früheste Erwähnung eines Leidens, das zu allen Zeiten quer durch die Schichten etwa ein Prozent aller Menschen bleibend trifft: das Stottern.
Ursachen und Therapie von Stottern
Aber so alt und verbreitet das Leiden ist, seine Ursachen liegen im Dunkeln und werden erst allmählich mit bildgebenden Verfahren erhellt, die das Geschehen im Gehirn zugänglich machen.
Oft hilft ein "Schrittmacher", laut lesen, singen, auch im Chor. Mit solchen äußeren Hilfen können im Gehirn offenbar Schaltungen etabliert werden, die für etwas Fehlendes einspringen.
In den Gehirnen zeigt sich immer mehr: in den Bewegungszentren. Dort wird bei Stotterern - und bei Opfern des Tourette-Syndroms, die Körper und Stimme partiell nicht unter Kontrolle haben - der Neurotransmitter Dopamin im Übermaß ausgeschüttet.
Neurologe Christian Büchel (Uni Hamburg) hat in einer Region namens "Rolandisches Operculum" identifiziert: "Dort kommt die Sprache nicht zum Sprechen." Vermutlich ist das der Flaschenhals, durch den die Worte beim Stottern ihren Weg schwer finden.
Zusammenfassung
Eine schwere Zunge kann also vielfältige Ursachen haben, von organischen Erkrankungen über neurologische Störungen bis hin zu psychischen Belastungen. Eine genaue Diagnose und eine individuell angepasste Therapie sind entscheidend, um die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.