Einstein und Freud: Ein Briefwechsel über Krieg und Frieden

Sigmund Freud wurde 1856 in Mährisch Freiberg, heute Pribor, geboren; Albert Einstein starb 1955 in Princeton. Albert Einstein erschütterte am Beginn des 20. Jahrhunderts mit seiner Speziellen und Allgemeinen Relativitätstheorie das Fundament der klassischen Physik.

1932 forderte der Völkerbund Albert Einstein auf, mit einer Person seiner Wahl in einen öffentlichen Meinungsaustausch über ein frei gewähltes Thema zu treten. Im Juli 1932 kam es zwischen dem weltberühmten Physiker und dem Vater der Psychoanalyse zu einem einmaligen Briefwechsel über das Thema Krieg.

Sigmund Freuds ausführliche Antwort folgte im Dezember und fiel eher pessimistisch aus. Mit diesen Worten schließt Freud 1933 seinen kurzen Briefwechsel mit Einstein, der im gleichen Jahr vom Völkerbund unter dem Titel "Warum Krieg?" veröffentlicht wurde.

Das Verhältnis zwischen den beiden großen Denkern war von gegenseitigem Wohlwollen und ironischem Respekt geprägt. Wenn Einstein meinen Stil und meine Darstellungskunst lobt, zeigt das nur, ein wie wohlmeinender Mensch er ist. Er möchte mich anerkennen, für den Inhalt meiner Schriften fehlt ihm aber das Verständnis.

Einige Monate nach dem Neujahrstreffen im Jahr 1927 wurde Albert Einstein der Vorschlag gemacht, sich auf "Freuds Couch" einer Psychoanalyse zu unterziehen.

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Freuds "Zeitgemäßes über Krieg und Tod" datiert bereits aus dem Jahr 1915. Der in der Zeitschrift "Imago" erschienene Text ist eines der frühesten Dokumente über das Entsetzen, das der Stellungskrieg und die Materialschlachten des Ersten Weltkriegs hervorrief.

Die Aktivitäten des Sigmund Freud Museums werden in den Jahren 2021 - 2025 dem Leitmotiv FREI SPRECHEN folgen. Dem Doppelsinn dieses Themas sind zwei Aspekte eingeschrieben, die für den heutigen Diskurs ebenso relevant sind wie für die frühe Entwicklungsgeschichte der Psychoanalyse: Einerseits wird an Josef Breuers "kathartische Methode" erinnert, die der Psychoanalyse vorausging und ein SICH FREISPRECHEN ermöglichen sollte (weshalb die spätere Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim auch von "chimney-sweeping" sprach).

Andererseits bildet die Aufforderung, FREI ZU SPRECHEN, die Grundlage und das Anliegen eines jeden psychotherapeutischen Dialogs. Ziel dieses einst von Freud gemeinsam mit seinen PatientInnen entwickelten Sprechverfahrens der "Talking Cure" war und ist es bis heute, die Ursachen jener Symptome und Handlungsweisen zu ergründen, die das individuelle ebenso wie das gesellschaftliche Dasein erschweren oder gar gefährden.

Einen weiteren Grund, die Aufgaben, Projekte und Gesprächsreihen des Sigmund Freud Museums unter das Leitmotiv FREI SPRECHEN zu stellen, liefert die psychoanalytische Kulturtheorie. Längst etablierte Wertehaltungen verlieren scheinbar an Bedeutung. Entgegen der Lehren, die man einst aus der Geschichte zu ziehen vermeinte, wird neben der Herabwürdigung und Verletzung menschlicher Grundrechte im Zuge nationaler und/oder gesamteuropäischer Exklusionsmaßnahmen der Ruf nach autoritären Herrschaftssystemen immer lauter vernehmbar.

Im Versuch, konstruktive Antworten auf virulente Themen unserer Zeit zu finden, diese aufzubereiten und zu bearbeiten, erweist sich ein weiterer Faktor, der psychoanalytischen Kommunikationsstrategien seit jeher immanent ist, als hilfreich - ihre Inter- bzw. Transdisziplinarität. So wie sich andere Disziplinen psychoanalytischer Erklärungsmodelle bedienen, profitiert die Psychoanalyse bis heute von den Expertisen der unterschiedlichen Wissensgebiete und integriert Betrachtungsweisen und Annahmen der Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften in die eigene Forschungsagenda.

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Ab den 1950er Jahren gelangt Ruth Cohn, Tochter einer in Deutschland assimilierten jüdischen Familie, die als Studentin 1941 aus der Schweiz in die USA emigrierte, Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion: "Ich wurde Psychoanalytikerin in einer Zeit, in der humane Werte einer 'Exklusivitätsphilosophie' zum Opfer fielen. Was daraus folgte, ist im Lauf der Geschichte immer wieder geschehen und geschieht heute noch.", schreibt Cohn im Vorwort ihrer Textsammlung erstmals 1975.

Foerster stützt sich in seinen erkenntnis- und kommunikationstheoretischen Untersuchungen unter anderem auf die Methode der Beobachtung und fordert zusätzlich zur herkömmlichen auch eine "Beobachtung zweiter Ordnung" ein: die Beobachtung der/des Beobachtenden. Da jede Sicht- und Erklärungsweise von den Erkennenden, ihren Erfahrungen und Vorurteilen abhängt, gründet das Verständnis des Kybernetikers und Konstruktivisten ebenso wie das der PsychoanalytikerInnen darauf, dass es die "objektive Wahrheit" nicht gibt.

In den letzten Jahrzehnten zeitigen die kontinuierlich anwachsende Technologisierung und weltweite Globalisierung der Finanz- und Handelsmärkte immer komplexer werdende Arbeits- und Produktionsbedingungen, die auf die Strukturen ihrer Systeme nicht ohne Wirkung bleiben konnten. So wird ab den 1990er Jahren nicht nur im Bereich privater Lebensverhältnisse, sondern auch für betriebliche Systeme die Steigerung der Widerstandsfähigkeit ("Resilienz") vakant.

Nicht als eine ausschließliche Gemeinschaft von PsychoanalytikerInnen, aber mit ihnen und mit anderen propagiert FREI SPRECHEN zudem jene "Mehransichtigkeit", wie sie in den Künsten zugunsten eines systemumfassenden Dialogs gepflegt wird. Denn was für die Systemtheorie zutrifft, gilt für die Psychoanalyse und für das Museum an ihrem Ursprungsort schon lange - sie "eignet sich nicht dazu, anderen das Wort zu verbieten.

Stefan Zweigs in vieler Hinsicht archetypischen Weg als österreichischer Jude und als „deutscher Schriftsteller jüdischen Stammes“ dokumentieren die 120 ausgewählten Briefe quasi im Originalton. Mit 52 Jahren ist er dabei, seinen Hausstand am Salzburger Kapuzinerberg aufzulösen und ein unstetes Wanderleben als Emigrant zu beginnen, das ihn vorerst nach London führen wird.

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Je mehr sich der „gefährliche Traum eines Judenstaates“ zu verwirklichen drohe, umso mehr liebe er „die schmerzliche Idee der Diaspora“, schreibt er etwa 1918 an Martin Buber. „Ich habe es seit fünf Jahren gewusst“, schreibt er an seinen innigen Freund Schalom Asch im März 1938 aus London.

Seine katholisch getaufte erste Frau und ihre Töchter hingegen wollten nicht weg aus Österreich und hätten nun schwer gebüßt, dass sie „nicht Juden sein, nicht als Juden gelten wollten“. „Ich vermag nichts als mitzuleiden […] und sogar noch vorauszuleiden, was jetzt Millionen noch zugedacht ist“, schreibt er 1939 verzweifelt aus England an Felix Braun.

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