Der Film "The Imitation Game" trägt stolz das "True Story"-Abzeichen, ist aber dennoch eine stilisierte Darstellung der Realität.
"Are you paying attention?", fragt Alan Turing im Film, eine Frage, die auch an das Kinopublikum gerichtet ist.
Turing fährt fort: "I will not pause, I will not repeat myself, and you will not interrupt me. You think that because you’re sitting where you are and I am sitting where I am, that you are in control of what is about to happen. You are mistaken. I am in control. Because I know things that you do not know." Diese Worte erinnern an eine andere Figur, die Benedict Cumberbatch verkörpert: Sherlock Holmes.
Beide Briten, Sherlock und Turing, sind von Genialität umgeben, wenn es darum geht, Rätsel zu lösen und zu dechiffrieren. Beide haben Schwierigkeiten im täglichen Umgang mit Menschen und scheitern oft daran, sich den Konventionen menschlicher Kommunikation und Interaktion anzupassen.
Sherlock bezeichnet sich selbst als "high functioning sociopath", während Turing sagt: "Mother says I can be a little off putting sometimes".
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Im Jahr 1939 versucht Turing, Commander Denniston davon zu überzeugen, dass der britische Geheimdienst ihn engagieren muss, um Enigma zu knacken. Enigma wird im Film als "the crooked hand of death itself" bezeichnet.
In Bletchley Park arbeiten etwa 9000 Menschen an der Dechiffrierung des Nachrichtenverkehrs der Deutschen, darunter Turing und eine kleine Gruppe an der Entschlüsselung der Enigma.
Was die Enigma so besonders macht, ist, dass ihr Tagesschlüssel täglich gewechselt wird. Man hat nur einen Tag, um die Nachrichten des jeweiligen Tages zu entschlüsseln. Es ist eine Sisyphosarbeit.
Turing wird Teil eines Teams, das Tag für Tag und Nacht für Nacht versucht, aus den 159 Trillionen Möglichkeiten den richtigen Schlüssel zu finden. Er baut im Alleingang eine elektromechanische Maschine, die Enigma knacken soll.
Turing ist der seltsame Außenseiter, ein Meister im Entschlüsseln von Codes, aber nicht in der Lage, freundlichen Smalltalk zu führen. Ironie prallt bei ihm auf Unverständnis, und seine Angewohnheit, alles Gesagte wörtlich zu nehmen, lässt sein Verhalten als eine Form von Autismus erscheinen.
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Ein Film kann natürlich nie die Wirklichkeit abbilden, auch dann nicht, wenn die Geschichte auf einer wahren Geschichte beruht. Es ist irritierend, dass Turing nicht der antisoziale innere Waldschrat war, wie er in "The Imitation Game" dargestellt wird. Frühere Kollegen beschrieben Turing als "very approachable man".
Das Kino und Fernsehen der letzten Jahre hat eine Vorliebe für Figuren entwickelt, die sich alle am ähnlichen Punkt des Autismus-Spektrum befinden: hochintelligent und inselbegabt, aber schwierig bis unfähig zu funktionierender, alltäglicher Kommunikation. Die Entwicklungsstörung wird mit einem Dasein als Genie gleichgesetzt. Soweit sich das heute sagen lässt, war Turing ein Genie, aber kein Autist.
Durch die Darstellung Turings als Ausgeburt des Rationalen, der in Gesprächen beinah roboterhaft agiert, wird der Bau seiner Maschine emotional aufgeladen. Er, der Einzelgänger, der Unverstandene ohne Freunde, baut sich einen Kompagnon aus Drähten und Kabel.
Tatsächlich scheint Turing seine Dechiffrier-Maschine mehr zu schätzen als viele seiner Mitmenschen und lässt den Mathematiker die Maschine Christopher taufen. Nach seinem verstorbenen Schulfreund und seiner ersten (wenn auch heimlichen) Liebe. Jenen Christopher gab es tatsächlich, nichtsdestotrotz trug die riesige Maschine einen weitaus weniger prosaischen und romantischen Namen: Bombe.
In kleinen Dosen zeigt "The Imitation Game" immer wieder schwarz-weiße Dokumentaraufnahmen des Zweiten Weltkrieges. Die tatsächlichen wenigen Szenen, die sich mit den unmittelbaren Konsequenzen des Krieges beschäftigen sind bizarr pittoresk. Es scheint, als würde der lästige Bombenalarm bloß die kuschelige Tweed und Teestubenromantik stören.
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Der Titel "The Imitation Game" bezieht sich auf den Titel eines Experiments, das in einer von Turings Publikationen beschrieben wird und das Imitieren ist auch ein Grundthema des Films. Turing imitiert das menschliche Alltagsverhalten, das gemeinhin als normal angenommen wird. Etwas vortäuschen, was man nicht ist, das muss Turing schon lange, denn homosexuelle Handlungen sind in England (bis 1967) strafbar. Der Auseinandersetzung mit Turings Gefühlsleben weicht der Film allerdings aus, nie sehen wir ihn mit einem Liebhaber. Und umso weniger einleuchtend wird plötzlich auch der emotional aufgeladene Bau der Maschine: Warum Emotionalität konstruieren anstatt von Turings Privatleben zu erzählen?
Dieses Ausblenden wird gegen Ende des Films auffällig, wo sich "The Imitation Game" kurz dann dem bitteren und tragischen Ende des genialen Mannes widmet: 1952 wird er wegen "homosexueller Handlungen" angeklagt und wählt Hormonbehandlungen (chemische Kastration) als Alternative zu einer Gefängnisstrafe.
Dass er zwei Jahre später an einer Zyanid-Vergiftung stirbt (Selbstmord, sagt der Film, es gibt aber auch die Unfall-Theorie), davon erzählt nur mehr der Abspann. Fast wirkt es so, als wollte Regisseur Morten Tydlum einem die Laune nicht verderben und hinterlegt die Worte zum Tode Turings mit Bildern aus glücklichen Tagen: Der Codeknacker und seine Kollegen stehen glücksstrahlend an einem Feuer und verbrennen nach Entschlüsselung der Enigma - auf Geheiß des Geheimdienstes - ihre Unterlagen. So wirkt die Thematisierung von Turings Homosexualität halbherzig und gehudelt.
Die leichte Enttäuschung über den wohlmeinenden und betulichen Film setzt allerdings erst danach ein, währenddessen ist man durchaus gefangen in etwas, was man wohl Schauspielkino nennt. Cumberbatch macht das, was er immer macht, er brilliert und wird flankiert von einem exzellenten Cast. Der Film ist "this year's 'The King's Speech'", nur, dass er wohl keine Oscars mit nach Hause nehmen wird. Dabei würd' er das so gerne, "The Imitation Game" ist pomadiertes Seitenscheitelkino, das die Banderole "True story" mit stolz geschwellter Brust trägt und in jeder Szene ein auf den Oscar schielendes "For your consideration" eingewebt zu haben scheint.
Wer ein ganz großes Herz hat, kann die Formelhaftigkeit und die Berechenbarkeit als Konzept und Hommage an die Codeknacker sehen. Allen anderen bleibt vielleicht als Kernstück des Films die Verbindung zwischen Alan Turing und seiner Codeknacker-Kollegin Joan Clarke, Freundschaft, Zuneigung und Zweck-Verlobung als Bündnis gegen eine sexistische und homophobe Umgebung. "I know it's not ordinary. But who ever loved ordinary?", beschreibt Clarke diese Beziehung.
Künstliche Intelligenz: Fortschritte und Grenzen
Seit sieben Jahrzehnten arbeiten Forscher daran, Maschinen mit menschenähnlicher Intelligenz auszustatten. Heute ist künstliche Intelligenz eine der vielversprechendsten Technologien unserer Zeit.
Nach der Jahrtausendwende merkten Wissenschaftler, die im Bereich künstliche Intelligenz (KI) forschten, dass das vergangene Jahrzehnt ihnen nur wenig Fortschritt gebracht hatte - trotz der neuen Aufmerksamkeit, die der Bereich erhalten hatte. Mit KI wollte die Wissenschaft in gewisser Weise das menschliche Hirn nachbauen.
Das Thema KI beschäftigt die Wissenschaft, seit Alan Turing 1950 einen Test zur Bewertung von maschineller Intelligenz einführte.
Steigende Rechenleistung, das Internet sowie Unmengen an digitalisierten Daten förderten den Aufstieg der Technologie. Manche Experten glauben jedoch, dass wir nun umdenken müssen: Der aktuelle Ansatz, wobei große Datenmengen ausgenutzt werden, dürfte demnach nicht ausreichen, um ein neues Kapitel in der KI-Geschichte aufzuschlagen. Denn das Ziel ist es ja, menschenähnliche Intelligenz in Maschinen zu erreichen. Und das bleibt vorerst unerreichbar.
"Was wir getan haben, war sehr erfolgreich", sagt Bourlard. Die Grenzen des gegenwärtigen Ansatzes werden jedoch immer deutlicher, so der Wissenschaftler: "Wir fahren jeden Tag in eine Mauer."
"Solange sie nur aus Daten lernen, werden Computer nie auch nur ein Mindestmaß an Intelligenz erreichen", sagt der Forscher. Oder etwas deutlicher ausgedrückt: "Künstliche Intelligenz verfügt über keine Intelligenz."
Was wir von KI meist sehen und lesen - unter anderem von Robotern, die komplexe Spiele wie Schach oder Go meistern -, ist letztendlich nur Ingenieurskunst. Diese Maschinen sind konzipiert, um bei einer spezifischen Aufgabe hervorragende Leistungen zu erbringen; sie sind jedoch nicht in der Lage, das breite Spektrum menschlichen Verhaltens zu imitieren. "Schon nach wenigen Monaten erwerben Kinder das, was wir als gesunden Menschenverstand bezeichnen", sagt Bourlard.
Während Hollywood jedoch fortgeschrittene Androiden oder virtuelle Assistenten mit Emotionen darstellt, bleiben Anwendungen in der realen Welt in gewisser Weise begrenzt.
Laut einer Studie des Beratungsunternehmens McKinsey haben 50 % der Unternehmen KI in mindestens einer Geschäftsfunktion übernommen. Weniger als ein Viertel der Befragten gab jedoch an, dass mehr als 5 % ihres EBIT auf die Technologie entfallen.
Die Bedeutung von KI für Europas Wirtschaft ist eindeutig - und fokussiert sich auf die herstellende Industrie. Mit 33 Millionen Arbeitsplätzen ist die Branche für 16 % der europäischen Wertschöpfung (BIP) verantwortlich.
Die Produktivitätsgewinne, die sich aus der Nutzung von KI ergeben könnten, haben ihren Ursprung in höherer Leistung, besserer Vorhersage von Fehlern und Ausfällen sowie einer genaueren Qualitätsprüfung und -kontrolle.
"In der physikalischen Welt müssen wir aus wenigen Daten lernen, die durch teure Experimente gewonnen wurden, um komplexe industrielle Prozesse zu steuern", erklärt Schmidhuber.
Ein Anwendungsbeispiel ist der Mainzer Glasmacher Schott, der unter anderem Objektive für Smartphonekameras produziert. Mithilfe von Sensordaten kann KI Erkenntnisse gewinnen und die optimalen Bedingungen für den Herstellungsprozess ermitteln, der häufig Temperaturen von mehr als 1.600 Grad Celsius benötigt.
Die Wissenslücke, die die großflächige Einführung der Technologie verhindert, ist für Vanessa Foser ein bekanntes Thema. "Wirklich interessant wird es, wenn unsere Kunden erkennen, dass KI Anwendungsfälle anbietet, die sie in ihrem Unternehmen oder in ihrem täglichen Leben einsetzen können", sagt Foser. "Die Anwendung könnte ihnen im Schnitt drei Stunden pro Tag ersparen, die sie derzeit noch für manuelle Aufgaben benötigen."
Curioni ist überzeugt, dass eine der größten Chancen für Unternehmen im Bereich Natural Language Processing (NLP) liegen wird - einem Teilbereich von KI, in dem Maschinen Bedeutung aus der menschlichen Sprache ableiten. Laut dem Datenanbieter Statista könnte der Markt bis 2025 auf 43 Milliarden US-$ wachsen - fast das 14-Fache der Größe im Jahr 2017.
Die Fähigkeit, die Proteine eines Virus sichtbar zu machen, könnte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung zukünftiger Impfstoffe und Behandlungen spielen. Die Technologie bringt aber auch Fortschritte bei der Diagnose von Brustkrebs und Hirntumoren, der Erkennung von Autismus bei kleinen Kindern und der Berechnung der richtigen Insulinmenge für Diabetiker.
Laut PwC könnte die Weltwirtschaft dank der Einführung von KI bis 2030 um zusätzliche 15,7 Billionen US-$ wachsen.
Während wir aber weit mehr Anwendungen als bloß kuratierte Newsfeeds erleben werden, entzieht sich der große Traum, eine Maschine zu erschaffen, die der menschlichen Intelligenz gleichgestellt ist, bisher selbst jenen, die der Forschung daran ihr Leben gewidmet haben.