Autismus bei Kindern erkennen: Anzeichen und Symptome

Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) nehmen ihre Umwelt oft als chaotisch und unvorhersehbar wahr. Sie haben Schwierigkeiten, sich flexibel an neue Situationen und Abläufe anzupassen und sich adäquat zurechtzufinden. Durch den Einsatz bestimmter Verhaltensmuster versuchen Betroffene daher, ihre Umwelt vorhersehbarer und durchschaubarer zu gestalten.

Was ist Autismus-Spektrum-Störung (ASS)?

Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die auf eine veränderte Zusammenarbeit verschiedener Gehirnstrukturen zurückzuführen ist. Entwicklungsauffälligkeiten sowie der Schweregrad von Autismus können individuell sehr stark variieren. Deshalb spricht man in diesem Zusammenhang von einem Spektrum an Erscheinungsformen. Autismus ist von „außen betrachtet“ häufig nicht sofort „sichtbar“.

Der Begriff Autismus-Spektrum-Störung wird in der ICD-10 und im DSM-IV-TR noch nicht ausdrücklich verwendet. Die neue (11.) Version der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) sieht nur noch den Oberbegriff "Autismus-Spektrum-Störungen" vor.

Unterschiedliche Formen von Autismus

Das Asperger-Syndrom unterscheidet sich von anderen Autismus-Spektrum-Störungen in erster Linie dadurch, dass oft keine Entwicklungsverzögerung bzw. der kognitiven Entwicklung vorhanden ist. Die meisten Menschen mit Asperger-Syndrom besitzen eine normale allgemeine, in Teilgebieten besonders hohe Intelligenz.

Wenn allgemein von "Autismus" die Rede ist, ist damit in der Regel der frühkindliche Autismus gemeint. Diese schwere Form einer Autismus-Spektrum-Störung macht sich schon vor dem dritten Lebensjahr bemerkbar. Sie wird nach ihrem Erstbeschreiber Leo Kanner auch als Kanner-Autismus oder Kanner-Syndrom bezeichnet.

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Es gibt aber auch Fälle von frühkindlichem Autismus mit durchschnittlicher oder überdurchschnittlicher Intelligenz. Dann sprechen Fachleute manchmal von "High-functioning-Autismus" (Hochfunktionaler Autismus): Die Betroffenen zeigen die üblichen Symptome wie Probleme in der sozialen Interaktion, haben aber keine geistige Behinderung oder Lernbehinderung. Die übliche Beeinträchtigung der Sprachentwicklung nimmt zudem meist einen recht guten Verlauf - meist verbessern sich die sprachlichen Fähigkeiten der Betroffenen mit der Zeit so weit, dass sie sich im Erwachsenenalter nicht mehr von denen von Menschen mit Asperger-Syndrom (einer weiteren Autismus-Spektrum-Störung) unterscheiden lassen.

Typische Anzeichen und Symptome von Autismus bei Kindern

Kinder mit ASS folgen keinen typischen Mustern bei der Entwicklung ihrer sozialen und kommunikativen Fähigkeiten. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass autistische Kinder subtile soziale Hinweise gar nicht bemerken. Gerade diese Hinweise wären hilfreich, um soziale Beziehungen und Interaktionen zu verstehen.

Im Bereich der Kommunikation gehören zu den typischen Meilensteinen in der kindlichen Entwicklung u.a. Worte sprechen können, ihren Kopf drehen, wenn sie ihren Namen hören oder zeigen können, dass sei ein bestimmtes Spielzeug haben wollen. Wenn ihnen etwas angeboten wird, das sie nicht haben wollen, dann machen sie diese durch Worte, Gesten oder Gesichtsausdrücke deutlich. Kinder mit ASS erreichen diese Meilensteine nicht bzw. nur einzelne Wörter sprechen oder einzelne Phrasen wieder und wieder wiederholen. Selbst solche Kinder mit relativen guten Sprachfähigkeiten haben oft Probleme mit der Wechselseitigkeit von Kommunikation, Andeutungen zu verstehen und auf sie zu reagieren.

Das Verhalten autistischer Kinder erscheint oft ungewöhnlich. Dabei können Gesten und Verhaltensweisen als extrem und auffällig gelten, wie z. B. (nur) nach einem spezifischen Muster. Manche Kinder mit einer ASS zeigen jedoch nur schwach auffallend und diskrete Verhaltensweisen, indem diese z. B. Augen bewegen.

In der frühen Kindheit fallen vor allem Merkmale auf, die früher als „Frühkindlicher Autismus“ diagnostiziert wurden. Seit dem Jahr 2013 wird im DSM 5 vom Autismus Spektrum gesprochen. „Mildere Formen“ von Autismus - oft auch als „Asperger-Syndrom“ bezeichnet - werden meist erst später auffällig.

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Soziale Interaktion

Vielen Autisten fällt es schwer, Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen. Das fällt oft schon im Säuglingsalter auf. So können viele autistische Kinder keine enge Bindung zu den Eltern aufbauen und nicht auf Reize aus der Umgebung reagieren.

Beispielsweise suchen Babys normalerweise den Blick der Mutter und körperlichen Kontakt, um Nähe aufzubauen. Autistische Babys hingegen weichen meist einem Blickkontakt aktiv aus. Viele ahmen auch das Lächeln ihres Gegenübers nicht nach. Das lässt sie oft teilnahmslos oder starr erscheinen. Manche Eltern vermuten anfangs sogar, ihr Kind sei taub oder blind, weil es kaum Reaktionen auf die Umwelt zeigt.

Auch im späteren Kindesalter sowie im Jugend- und Erwachsenenalter haben Autisten oftmals Probleme, Blickkontakt aufzubauen und zu halten. Bei einer ausgeprägten autistischen Störung können Betroffene zudem kaum freundschaftliche Beziehungen eingehen. So spielen betroffene Kinder am liebsten allein. Ihre Mitmenschen nehmen sie oft nur wahr, wenn diese ihre Bedürfnisse erfüllen sollen (z. B. bei Hunger).

Menschen mit Autismus tun sich oft schwer, die Gefühle anderer Menschen nachzuvollziehen und sich in andere hineinzuversetzen. Auch ihre eigenen Gefühle können sie oft nur schlecht oder gar nicht ausdrücken. So zeigen sie häufig kaum spontane Gefühlsregungen wie Freude oder Interesse an anderen Personen und an verschiedenen Tätigkeiten. Außerdem können Autisten ihre Reaktion oftmals nicht der allgemeinen Stimmungslage anpassen. So kann es etwa passieren, dass sie scheinbar grundlos einen Lachanfall bekommen.

Kommunikation

Gesten, Gesichtsausdrücke und andere nonverbale Kommunikation einer Person zu interpretieren, können Kinder mit einer ASS nicht angemessen beantworten. Ihre Gesichtsausdrücke, Bewegungen und Gesten sind oft eher wage oder passen nicht zu dem, was sie sagen. Ihre Stimme reflektiert oft nicht ihre eigentlichen Gefühle.

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Die Sprache von Autisten ist ebenfalls häufig gestört. So können viele Kinder mit frühkindlichem Autismus keine normale Sprache erlernen. Sprechen sie doch, wiederholen sie oft gleiche Sätze. Auch die Sprachmelodie fehlt. Dadurch entsteht manchmal ein roboterhafter Eindruck.

Bei Patienten mit Asperger-Syndrom hingegen ist die Sprache oft sehr hoch entwickelt. Sie wirkt aber manchmal seltsam monoton und gestelzt.

Auch für die Sprache haben Experten wichtige allgemeine Autismus-Symptome definiert:

  • Die Sprachentwicklung hinkt hinterher.
  • Die Kinder versuchen nicht, sich durch ihre Gestik oder Körpersprache auszudrücken.
  • Die Kinder haben Probleme, eine Unterhaltung zu beginnen oder aufrechtzuerhalten.
  • Der Umfang der Sprache ist sehr begrenzt und einseitig. Oft werden Sätze oder Fragen nachgesprochen.

Interessen und Verhaltensweisen

Autistische Kinder können Probleme damit haben, den Standpunkt anderer Personen zu verstehen, unterschiedliche Informationen, Gefühle oder Ziele haben, als die, die sie selbst haben. Kindern mit Autismus fehlt dieses Verständnis.

Betroffene Kinder tendieren dazu, übermäßig fokussierte Interessen zu haben, sich wiederholende Verhaltensweisen können auch in Form von beharrlicher und intensiver Beschäftigung mit einem Thema auftreten. Während autistische Kinder in ihren täglichen Aktivitäten sehr routiniert sind, ist ihre Inflexibilität teilweise sehr extrem und oft Grund für ernsthafte Schwierigkeiten. Sie beharren darauf, jeden Tag dasselbe zu tun, zu essen oder z. B. immer den gleichen Weg zur Schule zu nehmen, was zu emotionalen Ausbrüchen führen kann, wenn sie wütend, frustriert oder mit einer neuen Umgebung konfrontiert werden.

Das dritte große Hauptsymptom bei Autismus ist das oft stereotype Verhalten. So führen viele Betroffene beharrlich bestimmte Handlungen, Rituale und Gewohnheiten aus. Werden sie dabei unterbrochen oder daran gehindert, reagieren Sie teilweise mit Schreianfällen und Panikattacken.

Oft können sich Autisten auch nicht von ihren Lieblingsdingen trennen und nehmen sie überall hin mit. Außerdem konzentriert sich bei vielen Autisten scheinbar das ganze Interesse auf bestimmte spezielle Details oder Dinge, die sie voll und ganz in Beschlag nehmen.

Zusammengefasst sind bei diesem Symptomkomplex folgende Auffälligkeiten charakteristisch für Autisten:

  • Die Betroffenen befassen sich vornehmlich mit einem ungewöhnlichen Detail oder haben ein ungewöhnliches Interesse.
  • Bestimmte Handlungen oder Rituale können sie nicht aufgeben.
  • Die Handlungen sind oft stereotyp und monoton.
  • An einem Spielzeug suchen sie ein ganz bestimmtes Detail aus, mit dem sie sich beschäftigen. Selten binden sie den kompletten Gegenstand ins Spiel ein.
  • Die Spiele betroffener Kinder sind eher fantasielos und stereotyp. Auch nachahmendes Spielverhalten bleibt aus.

Weitere Anzeichen

Typische erste Anzeichen einer ASS können innerhalb des ersten Lebensjahres noch nicht eindeutig genug festgestellt werden. Das Asperger-Syndrom wird im Allgemeinen erst deutlich nach dem Kleinkinderalter diagnostiziert.

Das Kanner-Syndrom wird oft von weiteren Symptomen begleitet. So sind heftigste ängstliche Reaktionen auf Veränderungen nicht selten. Die Kinder weigern sich oft, bestimmte Kleidung anzuziehen oder lachen und kichern ohne ersichtlichen Grund. Mitunter schätzen sie alltägliche Gefahren wie den Autoverkehr falsch ein. Auch selbstverletzendes Verhalten kann bei autistischen Kindern auftreten. Bei Säuglingen sind zudem Schlaf- und Essstörungen häufig.

Diagnose von Autismus

Den Angehörigen sowie den Kinder- und Fachärzten kommt bei der Früherkennung von Autismus große Verantwortung zu, da die Betroffenen so bald wie möglich gefördert werden sollten. Die Frühförderung ist besonders wichtig, es kommt allerdings darauf an, die entsprechenden Methoden anwenden zu können. Generell zeichnet sich dieser Förderansatz durch das „strukturierte Lehren und Lernen“ aus.

Rund um den 30. Lebensmonat kann eine Diagnose mit größerer Sicherheit gestellt werden.

Bei der diagnostischen Abklärung von Autismus-Spektrum-Beeinträchtigungen werden, neben der bisherigen Entwicklungsgeschichte des Kindes, autismusspezifische Symptome im Rahmen eines Elterninterviews (ADI-R) standardisiert und ausführlich erhoben. Das kindliche Verhalten wird unter Anwendung eines standardisierten, autismusspezifischen Verfahrens (ADOS-2) beobachtet. Der aktuelle Entwicklungsstand bzw. die aktuellen intellektuellen Fähigkeiten werden überprüft. Weitere für die klinische Gesamtbeurteilung nötige Informationen werden - bedarfsorientiert - eingeholt (klinisch-psychologische Verfahren, Fragebögen, Austausch mit Kindergarten/Schule etc.).

Nach Abschluss der Diagnostik besprechen wir im Rahmen eines ausführlichen Befundgespräches alle Ergebnisse und die sich daraus ergebenden Empfehlungen, die weitere Förderung und Therapie betreffen. Die Ergebnisse und Empfehlungen werden darüber hinaus in einem klinisch-psychologischen Befund zusammengefasst.

Therapie und Förderung

Ein möglichst früher Eingriff kann dabei helfen, das Ausmaß der Beeinträchtigungen, die mit Autismus verbunden sein können, zu reduzieren. Sie brauchen Unterstützung durch das soziale Umfeld, denn Sie tun gut daran, sich für diesen Weg von Anfang an Unterstützung zu holen. Wichtig ist, dass Sie sich professionelle Unterstützung holen - Autismus-Therapie-Zentren, Frühförderung, Ergotherapeuten, ...

Die autismusspezifische Förderung hat das Erreichen der größtmöglichen Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit v.a. in den sozialen, kognitiven, emotionalen sprachlichen und motorischen Bereichen zum Ziel. Individuelle Strukturierungs- und Visualisierungshilfen und klare und nachvollziehbare Aufgabenstellungen helfen und bieten Orientierung. Dabei werden Besonderheiten und Interessen berücksichtigt.

Autismus lässt sich bislang nicht ursächlich behandeln. Die Symptome bleiben ein Leben lang bestehen, mildern sich mit den Jahren aber etwas. Das übergeordnete Therapieziel besteht deshalb darin, die Lebensqualität und die Teilhabemöglichkeiten von Betroffenen und ihren Familien zu verbessern. Zudem werden für die betroffenen Kinder spezifische Therapieziele festgelegt - gemeinsam mit den Eltern. Besonders wichtig ist es, die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten der Kinder zu verbessern. Auch belastende stereotype und repetitive Verhaltensweisen, Interessen und Aktivitäten werden angegangen.

Um diese Ziele zu erreichen, setzt sich das individuelle Behandlungskonzept aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Es kann zum Beispiel eine Autismus-spezifische Frühförderung, Logopädie, verhaltenstherapeutische und ergotherapeutische Methoden umfassen. Psychische und körperliche Begleitsymptome und -erkrankungen sollten ebenfalls angemessen behandelt werden, gegebenenfalls auch mit Medikamenten (z.B. bei begleitender Angststörung oder aggressiven Verhaltensweisen).

Wichtig ist auch, das Umfeld mit einzubeziehen. Die Angehörigen profitieren von einer psychosozialen Unterstützung, etwa einer genauen Aufklärung über das Störungsbild bei frühkindlichem Autismus oder einer psychologischen Beratung und Begleitung. Für den Erfolg der Behandlung ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Bezugspersonen des Kindes wie Lehrkräften wesentlich.

Umgang mit einem autistischen Kind

Denken Sie daran, dass Ihr autistisches Kind in kleinen Schritten lernt. Es reicht zum Beispiel, wenn es erst einmal immer wieder ein bestimmtes Teil in ein Puzzle einsetzt, erst dann muss es das nächste Teil ausprobieren. Ihr Kind braucht sehr viel Lob, wenn es etwas gut gemacht hat!

Viele autistische Kinder lieben Belohnungen (so genannte "Verstärker"), die Geräusche machen oder blinken und/oder leuchten. Wenn Ihre gemeinsamen Spielsequenzen einmal nicht so erfolgreich sind wie sonst, lassen Sie sich nicht entmutigen. Lassen Sie Ihr Kind beispielsweise etwas Einfacheres machen lassen oder sich eine kürzere Zeit mit ihm beschäftigen. Sie sind nicht allein! In Ihrer Nähe gibt es Eltern, denen es ähnlich geht, und Sie tun gut daran, sich mit diesen zu verabreden und auszutauschen.

Ihr Kind geht seinen Weg in die Selbständigkeit. Zunächst in die Krabbelstube oder in den Kindergarten. Einrichtungen mit Integration bzw. Inklusion d. h. Überschaubare Strukturen bzgl. Möglichkeiten von Entspannungs- und Erholungsangeboten (z.B. vertraut machen, ihm etwas Wichtiges von zu Hause mitgeben. Denken Sie daran, dass es für Ihr Kind ein großer Schritt ist, sich der neuen Herausforderung zu stellen.

Wichtig ist, dass die Kinder langsam darauf vorbereitet werden. Wenn Kinder selber kaum sprechen oder Sprache nicht verstehen, dann können Bilder von Handlungen, Reihenfolgen, Abläufen oder wichtigen Verhaltensregeln eine große Hilfe darstellen, denn bei den meisten Menschen mit Autismus ist der Sehsinn sehr gut ausgeprägt. Je einfacher und eindeutiger diese Bilder sind, desto mehr können diese Bilder von den Kindern „gelesen“, also verstanden werden.

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