Depressive Verstimmung im Herbst: Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

Schleppen Sie sich antriebslos, missgelaunt und müde durch die dunkle Jahreszeit? Wenn es draußen kalt, dunkel und regnerisch wird, fallen viele Menschen in ein Stimmungsloch, auch bekannt als Herbst-Winter-Depression oder „Winterblues“.

Jeder, der im Herbst eine andauernde signifikante Verschlechterung seiner Stimmungslage bemerkt, sollte die Hausärztin/den Hausarzt aufsuchen. Hinter dem Winterblues könnte auch eine saisonal abhängige Depression (SAD) oder Winterdepression stecken.

Was ist eine Winterdepression?

Die Winterdepression ist eine saisonal auftretende Form der Depression, die typischerweise in den Herbst- und Wintermonaten beginnt und im Frühjahr wieder abklingt. SAD wird seit den frühen achtziger Jahren als eigene Gruppe von Gemütserkrankungen geführt und als „wiederkehrende depressive Störung mit saisonalem Muster“ definiert.

Symptome der Winterdepression

Die Symptome reichen von Müdigkeit, Antriebs- und Motivationslosigkeit bis hin zu Libidoverlust und körperlichen Beschwerden, wie Rücken- oder Magenschmerzen. Die Symptome einer Winterdepression weichen in mancher Hinsicht von denen der klassischen Depression ab.

Sie äußert sich durch Symptome wie:

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  • Anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung
  • Schlechte Stimmung oder Reizbarkeit
  • Vermehrtes Schlafbedürfnis
  • Heißhunger auf Süßes und Kohlenhydrate
  • Gewichtszunahme

Das Aufstehen am Morgen fällt den Betroffenen zusehends schwer, das Verlangen nach Süßigkeiten und Kohlenhydraten steigt. Das klassische Symptom der Depression, die Schlafstörung fehlt, es kommt dagegen zu vermehrtem Schlafbedürfnis mit morgendlicher Müdigkeit. So sind Menschen mit Winterdepression extrem müde bis hin zur Schlafsucht (Hypersomnie). Insbesondere am Morgen finden sie nur schwer aus dem Bett.

Anders als bei einer klassischen Depression bleibt das Selbstwertgefühl oft erhalten, und die Symptome treten klar in Verbindung mit der Jahreszeit auf. Die vermehrte Nahrungsaufnahme führt in Kombination mit Bewegungsmangel in der Regel zu einer Gewichtszunahme.

Weitere Symptome einer Winterdepression sind:
  • Energielosigkeit
  • Allgemeine Lustlosigkeit
  • Unausgeglichenheit
  • Gedrückte Stimmung
  • Gereiztheit
  • Antriebslosigkeit
  • Vernachlässigung sozialer Kontakte und der eigenen Person

Ursachen der Winterdepression

Im Zentrum der Ursachenforschung steht der Lichtmangel. Die Ursache ist weitgehend unklar. Es wird angenommen, dass Betroffene eine angeborene erhöhte Sensibilität und eine Störung des Biorhythmus (das ist der natürlichen Tag-Nach-Rhythmus) haben. Kurze Tage und wenig Sonnenlicht beeinträchtigen den natürlichen Rhythmus des Körpers:

  • Melatoninspiegel: Weniger Tageslicht führt zu einem erhöhten Melatoninspiegel, dem „Schlafhormon“. Dies kann Müdigkeit und Antriebslosigkeit verstärken.
  • Serotoninmangel: Gleichzeitig sinkt die Produktion von Serotonin, dem „Glückshormon“, was die Stimmung drückt.
  • Gestörter Tag-Nacht-Rhythmus: Der innere biologische Rhythmus gerät aus dem Gleichgewicht, was das Wohlbefinden weiter beeinträchtigen kann.

Eine der Ursachen für das Stimmungstief ist das fehlende Tageslicht in den Wintermonaten. Tageslicht steuert unsere innere Uhr und damit auch das Zusammenspiel der Botenstoffe im Nervensystem, wie zum Beispiel Serotonin - ein wichtiger Neurotransmitter für unsere Stimmung.

Eine verminderte Tageslichtexposition löst daher psychische und physische Veränderungen aus. Dies passiert durch biologische Mechanismen, über welche sich unsere innere Uhr an äußere Bedingungen anpasst.

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Sobald es dunkel wird, setzt unser Körper Melatonin frei und wir werden müde. Bei SAD-Patienten verändern sich die Taktung sowie die Dauer der Melatoninproduktion.

Das Licht der Sonne hilft uns, gesund und aktiv zu bleiben. Neben der Helligkeit ist es vor allem der Anteil an blauem Licht, das die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin beendet.

Durch das Sonnenlicht angekurbelt wird auch die Vitamin-D-Produktion. Ist diese gedrosselt, kann sich das neben zahlreichen weiteren Nebenwirkungen auch negativ auf die Stimmung auswirken.

Diagnose

Nur ein psychiatrischer Facharzt ist in der Lage, einen leichten Winterblues von einer Winterdepression oder einer klassischen Depression zu unterscheiden. Deshalb ist es ratsam, bei trüber Stimmung in der kalten Jahreszeit einen solchen Arzt aufzusuchen.

Für die Diagnose einer Winterdepression sind die oben genannten, alljährlich in der dunklen Jahreszeit wiederkehrenden Symptome ausschlaggebend. Dabei treten die depressiven Symptome innerhalb mehrerer Wintersaisons auf und klingen binnen 90 Tagen wieder vollständig ab.

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Zuerst wird der Arzt Ihre Krankengeschichte erheben (Anamnese). Dazu fragt er zum Beispiel, wie häufig, wie lange und wie schwer die Symptome auftreten. Um die depressiven Symptome besser einzuschätzen, nimmt er spezielle Fragebögen zuhilfe.

An das Anamnesegespräch schließen sich eine körperliche Untersuchung (unter Berücksichtigung internistischer und neurologischer Aspekte), Blutuntersuchungen, Ultraschall (Sonografie) und in seltenen Fällen eine Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) des Kopfes an.

So schließt der Arzt andere mögliche Ursachen für die Beschwerden aus, wie zum Beispiel einen Mangel an Vitamin B12, eine Demenz oder eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose).

Behandlungsmöglichkeiten der Winterdepression

Verschiedenste Ansätze können bei einer Winterdepression helfen. Die Betroffenen beschreiben ihren Zustand manchmal als innerlich abgestorben.

Für sie stehen eine Lichttherapie, eine medikamentöse Behandlung sowie Psychotherapie zur Verfügung.

Lichttherapie

Eine der bewährtesten Methoden ist die Lichttherapie. Die Symptome vieler SAD-Kranker können mit spezieller Lichttherapie gelindert werden. Mithilfe einer Lichttherapie wird das Sonnenlicht nachempfunden und somit der Tag künstlich verlängert.

Man braucht dazu Vollspektrumlampen ohne UV-Licht mit einer Stärke von 5000 bis 10.000 Lux. Spezielle Tageslichtlampen mit einer Lichtstärke von mindestens 10.000 Lux simulieren Sonnenlicht und helfen, den Melatoninspiegel zu senken und die Serotoninproduktion zu fördern.

Patienten wird empfohlen sich jeden Morgen für eine halbe Stunde vor eine Therapielampe mit ca. 10.000 Lux zu setzen. Je nach Lichtstärke soll man eine halbe bis eine Stunde täglich neben der Lampe sitzen, die man etwa auf dem Schreibtisch platzieren kann. Besserung ist schon nach eine Woche zu erwarten.

Wichtig für die Lichttherapie ist, dass sichtbares Licht eingesetzt wird. Das Solarium, in dem UVA Licht genützt wird, ist dafür wirkungslos.

Medikamente

Bei mittelschweren und schweren Depressionen ist es oft sinnvoll antidepressiv wirksame Medikamente einzunehmen. In schweren Fällen kann der Einsatz von Antidepressiva notwendig sein. Medikamente wie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) wirken stimmungsaufhellend und sollten nur in Absprache mit einem Arzt eingenommen werden.

Diese muss man dann in Absprache mit der Hausärztin/dem Hausarzt meist einige Monate lang einnehmen und dann langsam wieder abbauen. Plötzliches Absetzen kann zu Rückfällen führen.

Neben rezeptpflichtigen Antidepressiva gibt es auch frei verkäufliche Präparate, die unterstützend wirken können:

  • Johanniskraut: Ein pflanzliches Mittel, das bei leichten Verstimmungen helfen kann. Vorsicht: Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind möglich.
  • Vitamin-D-Präparate: Unterstützen den Körper bei Lichtmangel.
  • Melatonin: Kann bei Schlafstörungen helfen, sollte jedoch sparsam und gezielt eingesetzt werden.

Psychotherapie

Bei leichten bis mittelschweren Depressionen - nicht nur der SAD - gilt die Wirksamkeit einer Psychotherapie als erwiesen. Bei schweren Fällen kann sie mit Medikamenten kombiniert werden.

Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) hat sich als besonders effektiv bei der Behandlung von Winterdepression erwiesen. Sie hilft, negative Denkmuster zu durchbrechen und besser mit Stress umzugehen.

Weitere Tipps und Maßnahmen

  • Raus in die Natur: In den trüben Monaten braucht der Körper so viel natürliches Tageslicht, wie er bekommen kann. Sich daher regelmäßig im Freien bewegen, denn da ist die Lichtintensität immer höher als in beleuchteten Innenräumen. Mit Bewegung im Freien lassen sich leichte Durchhänger oftmals vertreiben.
  • Regelmäßige Bewegung: Auch wenn es draußen grau ist: Ein Spaziergang im Tageslicht unterstützt den Körper bei der Regulation von Melatonin und Serotonin. Regelmäßige Bewegung, am besten im Freien, hebt die Stimmung und sorgt für eine Extraportion Energie. Sport hält nicht nur den Körper fit, sondern hebt auch die Stimmung.
  • Vitamin D: Ein Mangel an Vitamin D, das der Körper unter Einfluss von Sonnenlicht produziert, kann die Symptome verstärken. Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin D können helfen, den Spiegel zu stabilisieren. Lassen Sie jedoch vorher Ihren Vitamin-D-Wert von einem Arzt überprüfen.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten liefert wichtige Nährstoffe. Bananen, Nüsse, Kiwi und Tomaten enthalten Vorstufen von Serotonin, Fisch und Leinöl sind reich an Omega 3-Fettsäuren, die sich auch positiv bei Depressionen auswirken.
  • Strukturierter Alltag: Ein strukturierter Alltag hilft ebenfalls, der Energielosigkeit nicht zu viel Raum zu geben.
  • Tageslicht nutzen: Versuchen Sie, so oft wie möglich ans Tageslicht zu gehen, auch wenn die Sonne nicht scheint.
  • Entspannungstechniken: Yoga, Meditation oder Atemübungen helfen, Stress abzubauen.
  • Soziale Kontakte: Treffen mit Familie und Freunden tun der Seele gut und helfen, Einsamkeit zu vermeiden. Am besten in angenehmer Gesellschaft. Denn: Lachen aktiviert unsere Muskeln, sorgt für eine verstärkte Sauerstoffzufuhr und das Herz-Kreislauf-System wird angeregt. Zusätzlich wird die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Cortisol heruntergefahren und das System sorgt für Nachschub an Serotonin. Auch Berührungen durch unsere Mitmenschen sorgen für mehr Oxytocin und körpereigene Endorphine.

Was man vermeiden sollte

Aus Unwissen oder Gutmeinen versuchen Angehörige oftmals mit Floskeln wie „Kopf hoch, das wird schon wieder“, „Reiss dich zusammen, lass dich nicht so hängen“ den Depressiven zu motivieren. Das ist kontraproduktiv und kann den sozialen Rückzug sogar verschlimmern. Lieber keine Vorwürfe machen, sondern den Kranken ermutigen zum Arzt zu gehen. Ihm klar machen, dass die Depression keine Schwäche ist, sondern eine Krankheit, die man gut behandeln kann.

Unterschied zwischen Winterblues und Winterdepression

Vom Winterblues zu unterscheiden ist die depressive Verstimmung, welche unabhängig von der Jahreszeit auftreten kann. Der Winterblues ist eine mildere Form der Herbst-Winter-Depression.

Bei einer depressiven Verstimmung halten negative Gefühle wie Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und innere Leere länger an. Dazu können Lustlosigkeit, die Unfähigkeit, Freude zu empfinden, sozialer Rückzug, Selbstzweifel etc. kommen. Auch körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Schlafstörungen können eine depressive Verstimmung begleiten.

Bei leichteren Beschwerden und dem Winterblues können auch pflanzliche Präparate dienlich sein.

Die Grenzen sind sicherlich fließend. Unter einem Winterblues leiden Betroffene nicht so intensiv, er ist schwankend und man hat auch mal das Gefühl aus einem Stimmungstief wieder aufzutauchen. Ein guter Tipp von Freunden fruchtet hier eher und kann in eine andere Stimmung führen.

Entscheidend bei der Einordnung zwischen Winterblues, Winterdepression und Depression sind der Leidensdruck und die Dauer der Symptome. Wenn man ab und zu im Winter schlechte Laune hat, gereizt und antriebslos ist, am liebsten die Decke über den Kopf ziehen würde und zu einer Tafel Schokolade greift, ist das eher ein Winter Blues.

Die Abgrenzung zur Depression sollte von Fachleuten getroffen werden. Eine echte Depression kann auch im Winter beginnen und eine saisonal bedingte Depression kann in eine echte Depression führen.

Wie verläuft eine Winterdepression?

Die meisten Patienten mit einer Winterdepression haben eine gute Prognose, denn in der Regel hilft eine konsequente Behandlung. Im Frühling kündigt sich die Besserung mit Leistungssteigerung und Aktivitätszunahme an, im Sommer sind die Betroffenen symptomfrei.

Selten kommt es nach Abklingen der Winterdepression im März bis Mai zu einer Nachschwankung mit einer sehr gehobenen Stimmungslage. Die Übergänge zu einer manisch-depressiven Erkrankung (bipolaren Störung) sind hier fließend. Ein Facharzt für Psychiatrie ist in der Lage, die verschiedenen Krankheitsbilder voneinander abzugrenzen.

Sind schon mehrere saisonal bedingte depressive Episoden (SAD) aufgetreten, ist die Gefahr relativ groß, im nächsten Herbst wieder mit der Stimmung einzubrechen. Der Rückkehr einer Winterdepression lässt sich mit einer antidepressiven Dauertherapie wirkungsvoll vorbeugen (Prophylaxe).

Vorbeugung

Mit den richtigen Tipps und Tricks können Sie einer Winterdepression frühzeitig vorbeugen: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einer Winterdepression vorzubeugen:

  • Bewegen Sie sich auch im Winterhalbjahr viel im Freien, um Tageslicht zu tanken.
  • Beginnen Sie gegebenenfalls vorbeugend im Herbst mit einer Lichttherapie, wenn Sie schon in den Vorjahren unter Winterdepression litten.
  • Je nach Schwere der Winterdepression ist - wie bei anderen Depressionen - möglicherweise die vorbeugende Einnahme von Antidepressiva sinnvoll. Diese werden dann in geringer Dosierung das ganze Jahr über eingenommen. Besprechen Sie dies in jedem Fall mit einem Arzt.

Eine Winterdepression ist mehr als nur eine schlechte Laune. Doch mit den richtigen Maßnahmen und einer frühzeitigen Behandlung können Sie die dunkle Jahreszeit unbeschwert genießen.

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