ADHS Diagnose bei Erwachsenen: Ein umfassender Überblick

Sich mit den eigenen Schwächen und Defiziten auseinander zu setzen, erfordert Mut und Kraft. Den ersten Schritt haben Sie schon gemacht, indem Sie sich nach psychologischer Unterstützung umgesehen haben. Viele ADHS-Betroffene leben recht unauffällig und passen sich dem System des neurotypischen Umfelds so gut wie möglich an. Diese Anpassung an ein System, welches dem eigenen nicht entspricht, kostet viel Kraft und Lebensenergie.

Was ist ADHS?

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung) ist eine neurobiologische Entwicklung des Gehirns, die sich durch Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität auszeichnet. Bei ADHS ist das Gleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn (Neurotransmitter) verändert. Insbesondere Dopamin und Noradrenalin spielen hier eine Rolle. ADHS ist wie Autismus eine Entwicklungsstörung und eine neurologische Variante des Gehirns. Gehirne mit dieser Neurodiversität sind anders verdrahtet und geschalten als die Norm.

Prävalenz und Verlauf

Eine ADHS beginnt in den meisten Fällen im Kindes- und Jugendalter. Bei vielen Betroffenen nehmen die Symptome mit zunehmendem Alter ab. Jungen bzw. Männer sind häufiger betroffen als Mädchen bzw. Frauen. Bei manchen dauern die Symptome jedoch bis ins Erwachsenenalter an. Manchmal wird ADHS auch erst im Erwachsenenalter als Diagnose gestellt. Weltweit wird geschätzt, dass etwa 5-7% der Kinder und etwa 2-5% der Erwachsenen unter ADHS leiden. Die Prävalenz kann je nach Region und Diagnosekriterien variieren.

ADHS im Erwachsenenalter

Vor einigen Jahren wurde noch davon ausgegangen, dass sich die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung im Erwachsenenalter auswächst. Bis zu 60 % der Kinder mit ADHS haben auch noch im Erwachsenenalter Schwierigkeiten. Jedoch verändern sich die Symptome im Laufe des Lebens und zeigen sich bei Erwachsenen anders. Aus psychiatrischer Sicht sind es unterschiedliche Subtypen eines Spektrums. Die motorische Unruhe nimmt dabei im Erwachsenenalter ab und zeigt sich durch eine innere Unruhe, ein Getriebenheitsgefühl. Anzeichen für ADHS beginnen bereits in der frühen Kindheit und halten im Erwachsenenalter an. Jedoch ist bei Erwachsenen eine ADHS durch Anpassung weniger offensichtlich, und oft werden Erwachsene erst hellhörig, wenn bei Ihrem Kind ADHS diagnostiziert wird.

Symptome von ADHS bei Erwachsenen

Typische Symptome von ADHS sind Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, Unaufmerksamkeit, impulsives Verhalten und übermäßige Aktivität. Diese Symptome müssen über einen längeren Zeitraum und in verschiedenen Umgebungen (z.B. Schule und Zuhause) beobachtet werden, um eine Diagnose stellen zu können.

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  • Unaufmerksamkeit: Betroffene haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Aufgabe zu lenken und diese über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. Sie können leicht abgelenkt werden und haben oft Probleme, ihre Gedanken zu organisieren und ihre Aufgaben zu strukturieren.
  • Hyperaktivität: Dies bezieht sich auf übermäßige körperliche Unruhe und eine konstante Neigung zur Bewegung. Menschen mit ADHS können Schwierigkeiten haben, ruhig zu sitzen oder still zu bleiben, insbesondere in Situationen, die Geduld erfordern.
  • Impulsivität: Betroffene neigen dazu, spontan zu handeln, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Sie können Schwierigkeiten haben, Impulse zu kontrollieren, sei es beim Sprechen, Handeln oder Entscheiden. Impulsive Reaktionen können zu Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen und bei der Bewältigung von Alltagsaufgaben führen.

ADHS-typische Charakterzüge müssen nicht immer zu Beeinträchtigungen führen. Viele Frauen wirken lange Zeit unauffällig. Sie entwickeln von Kindheit an Kompensationsmechanismen, die lange gut funktionieren. ADHS bei Erwachsenen kann zu instabilen Beziehungen führen, damit zu wenig Freund:innen und zu sozialer Isolation. Oft kommt es zu Problemen in Schule, bei Ausbildungen und am Arbeitsplatz und damit zu vielen Abbrüchen.

Diagnose von ADHS bei Erwachsenen

Die Diagnose von ADHS bei Erwachsenen ist mitunter schwer zu stellen. Ein umfassendes Gespräch und der Ausschluss anderer Erkrankungen geben dem Psychiater erste Hinweise auf ADHS. Die Diagnose wird durch eine umfassende Bewertung gestellt, die Interviews, Fragebögen, Verhaltensbeobachtungen und manchmal auch psychometrische Tests umfasst. Die Diagnostik von ADHS wird von klinischen Psychologen durchgeführt. Diese Fachkräfte verfügen über die notwendige Ausbildung und Erfahrung, um eine genaue und fundierte Diagnose zu stellen.

Diagnosekriterien

Bei der Diagnose von ADHS bei Erwachsenen orientiert sich ein Psychiater oder Psychotherapeut in der Regel an den Diagnosekriterien von ADHS im Kindes- und Jugendalter. Um andere Ursachen wie zum Beispiel eine Schilddrüsenerkrankung oder Schlaferkrankungen ausschließen zu können, führt der Arzt auch eine körperliche Untersuchung durch.

Die Ärztin/der Arzt erhebt die Krankengeschichte (Anamnese) und fragt nach Beschwerden. Um mögliche andere Erkrankungen auszuschließen, werden weitere Untersuchungen durchgeführt. Unter anderem klärt die Ärztin/der Arzt ab, ob andere psychische Erkrankungen (z.B. bipolare Störung) bzw. eine Persönlichkeitsstörung (vor allem dissoziale Persönlichkeitsstörung und emotional-instabile Persönlichkeitsstörung) vorliegen oder ausgeschlossen werden können. Bildgebende Verfahren (CT, MRT) und EEG können zum Ausschluss neurologischer Erkrankungen zum Einsatz kommen. Ebenso kann klinisch-psychologische Diagnostik ergänzend hilfreich sein (z.B. mittels Selbst- und Fremdeinschätzungsfragebögen).

Die Verhaltensauffälligkeiten bestehen seit der Kindheit. Es gibt mindestens sechs Anzeichen dafür, dass Unaufmerksamkeit, Impulsivität oder Hyperaktivität vorhanden sind. Es gibt in mehr als einem Lebensbereich Schwierigkeiten. Das soziale Leben und der berufliche Alltag sind stark beeinträchtigt.

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Ablauf der ADHS-Diagnostik

Eine gründliche klinisch-psychologische Diagnostik bei Verdacht auf ADHS nimmt viel Zeit in Anspruch. Wenn Sie einen Termin vereinbaren, rechnen Sie mit einer Dauer von etwa vier Stunden.

  1. Terminvereinbarung und Vorbereitung: Sie können per Online-Terminbuchung einen Termin vereinbaren. Wichtig: Halten Sie eine ärztliche Überweisung bereit (Hausarzt oder Facharzt), welche eine klinisch-psychologische Diagnostik mit Verdacht auf ADHS empfiehlt, um die Diagnostik im Anschluss bei Ihrer Krankenkasse einreichen zu können.
  2. Datenerhebung (online): Nach Ihrer Buchung senden wir Ihnen gemeinsam mit der Terminbestätigung drei umfangreiche, psychologische (Online-)Fragebögen zu. Hier werden Informationen über ihre Symptome, Verhaltensweisen und Lebensumstände gesammelt. Dies trägt zur umfassenden Beurteilung bei und dient als Grundlage für das Anamnesegespräch und die weiteren Testverfahren. Sie erhalten drei Tage vor Ihrem Termin einen Code per SMS, um den Fragebogen auszufüllen. Achtung: Die ersten beiden Fragebögen sind für Sie bestimmt, während der dritte Fragebogen von einer Person auszufüllen ist, welche Sie im Alter von 8-10 Jahren gut kannte. (Dieser dritte Fragebogen ist optional!)
  3. Anamnesegespräch (vor Ort): Im Rahmen dieses persönlichen Gesprächs werden Ihre biografischen Informationen erfasst, um einen umfassenden Einblick in Ihre Lebensgeschichte, familiäre Situation und Entwicklung zu gewinnen. Das Anamnesegespräch ermöglicht es uns, den Kontext der aktuellen Symptome zu verstehen und mögliche Auslöser oder Zusammenhänge zu identifizieren. Achtung: Erscheinen Sie zu Ihrem Termin nicht unter Einfluss von Medikamenten oder anderen Substanzen, außer wenn nicht anders möglich!
  4. Testverfahren (vor Ort): Standardisierte Testverfahren werden verwendet, um Persönlichkeitsmerkmale, kognitive Fähigkeiten und Verhaltensweisen systematisch zu erfassen. Dabei können Tests zur Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität sowie zur Bewertung von emotionalen Funktionen und sozialen Interaktionen eingesetzt werden, um spezifische Merkmale im Zusammenhang mit ADHS zu quantifizieren. Des weiteren werden Komorbiditäten wie z.B. Depression und Angststörungen abgeklärt und Differentialdiagnosen wie z.B. Autismus und Borderlinestörung ausgeschlossen. Achtung: Bringen Sie zu Ihrem Termin alte Volksschulzeugnisse mit wenn verfügbar.
  5. Befund und Befundbesprechung: Nach Abschluss der Diagnostik werte ich die Ergebnisse aus und erstelle einen schriftlichen Befund, der alle wichtigen Informationen und gegebenenfalls eine Diagnose enthält. Basierend auf den Ergebnissen der vorangegangenen Schritte wird ein umfassendes klinisch-psychologisches Gutachten erstellt, das die Frage beantwortet, ob eine ADHS vorliegt oder nicht und welche Bereiche vor allem betroffen sind. Das Gutachten enthält eine Zusammenfassung der erhobenen Daten, eine klinische Bewertung der Symptome, sowie Empfehlungen für mögliche Interventionen oder weiterführende Behandlungen. Achtung: Da wir keine ärztlichen Tätigkeiten ausüben, erhalten Sie in der ADHS Praxis keine Medikamente! Gehen Sie dazu mit unserem psychologischen Gutachten zu Ihrem Haus- oder Facharzt.

Differentialdiagnostik

Für eine gründliche ADHS-Diagnostik ist es wichtig, andere psychische Erkrankungen wie z.B. Depressionen, Suchterkrankungen oder Autismus als Ursache auszuschließen.

Behandlung von ADHS bei Erwachsenen

Die Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter richtet sich nach der persönlichen Lebenssituation und den bestehenden Symptomen bzw. Problemen. Sie wird gemeinsam mit Ärztin/Arzt bzw. auch etwa Psychotherapeutin/Psychotherapeut besprochen und sollte gut für Betroffene annehmbar sein. Erwachsene suchen sich auch häufig eigene Bewältigungsstrategien, um mit ADHS umzugehen.

Medikamentöse Behandlung

Die Behandlung mit den passenden Medikamenten kann, neben einer psychologischen Therapie, Linderung oder Verbesserung in der Symptomatik bringen. Die Medikamente wirken gegen die Hauptsymptome von ADHS (Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit, Impulsivität). Es kommt dabei vor allem der Wirkstoff Methylphenidat zum Einsatz. Wurde der Wirkstoff Lisdexamfetamin bereits im Jugendalter eingenommen, kann die Behandlung damit bei Bedarf auch im Erwachsenenalter fortgesetzt werden. Kommt es mit den genannten Medikamenten nicht zum Therapieerfolg, kann auch der Wirkstoff Atomoxetin verschrieben werden.

Vor Beginn der Therapie erfolgt eine genaue körperliche Untersuchung sowie ggf. eine Blutabnahme. Es erfolgen regelmäßig Kontrolluntersuchungen. Treten Nebenwirkungen auf, sollen Betroffene dies der Ärztin/dem Arzt mitteilen.

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Psychologische und psychosoziale Behandlung

Bewältigung psychosozialer Probleme (z.B. die Behandlung von möglichen weiteren psychischen Erkrankungen (z.B. Dabei kommt Psychoedukation ein wichtiger Stellenwert zu. Zudem kommt auch klinisch-psychologische Behandlung zum Einsatz (z.B. Erinnerungshilfen einsetzen (z.B. Routinen festlegen (z.B. Gegenstände immer am gleichen Ort hinlegen, feste Abläufe in der Früh oder am Abend). Für jede/jeden Betroffenen kann es unterschiedliche Strategien geben, die hilfreich sind. Mit der Zeit, können diese herausfinden, was wirklich guttut.

Anlaufstellen und Kosten

Wurde die Diagnose ADHS bereits im Kindesalter gestellt, wird die behandelnde Ärztin/der behandelnde Arzt gegebenenfalls die Patientin/den Patienten noch einige Zeit im jungen Erwachsenenalter begleiten und nach gegebener Zeit an eine Fachärztin/einen Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin) überweisen. Diese übernehmen dann die weitere medizinische Betreuung. Auch eine bestehende Psychotherapie kann meist weitergeführt werden. Wird die Verdachtsdiagnose mit 18 Jahren oder später geäußert, ist die erste Anlaufstelle eine Fachärztin/ein Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin). Diese/dieser leitet dann weitere diagnostische bzw.

Die e-card ist Ihr persönlicher Schlüssel zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von Ihrem zuständigen Sozialversicherungsträger übernommen. Bei bestimmten Leistungen kann ein Selbstbehalt oder Kostenbeitrag anfallen. Detaillierte Informationen erhalten Sie bei Ihrem Sozialversicherungsträger.

Bei Vertragspsychologen erhalten Sie in der Regel rasch einen Termin und es wird sich mehr Zeit für Ihr Anliegen genommen. Die Versicherungen refundieren die Kosten jedoch nur zum Teil. Bei Kassenpsychologen wird die gesamte Leistung übernommen, jedoch sind die Wartezeiten unter Umständen deutlich länger. In der ADHS Praxis arbeiten ausschließlich Vertragspsychologen. Darin ist auch ein psychologisches Gutachten inkludiert.

Kostenrefundierung

Ja. Klinisch-psychologische Diagnostik ist eine Kassenleistung und wird teilrefundiert. Beachten Sie jedoch, dass dies nur auf die große Diagnostik zutrifft. Das psychologische Screening ist privat zu zahlen. Die Kostenrefundierung variiert je nach Krankenkasse. In der Regel können Sie mit einer Erstattung von ca. 350€ - 400€ rechnen. Die Kassen verlangen eine ärztliche Überweisung. Sprechen Sie dazu mit Ihrem Hausarzt oder Facharzt und lassen Sie sich eine Überstellung für eine klinisch-psychologische Diagnostik mit Verdacht auf ADHS mitgeben, welche Sie bei den Kassen gemeinsam mit unserer Rechnung einreichen können.

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Wir sind das erste klinisch-psychologische Zentrum in Wien, welches sich auf die Diagnostik von ADHS & ADS bei Erwachsenen spezialisiert hat.

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