Wer diagnostiziert ADHS bei Erwachsenen? Ein umfassender Überblick

Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) ist eine in erster Linie genetisch bedingte Erkrankung, welche sich vor dem zwölften Lebensjahr erstmals manifestiert. Bei einem Großteil der Patient*innen bleibt die Symptomatik über die Pubertät hinweg bestehen und beeinträchtigt sie weiterhin als Erwachsene.

Symptome und Erscheinungsformen von ADHS bei Erwachsenen

Vor einigen Jahren wurde noch davon ausgegangen, dass sich die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung im Erwachsenenalter auswächst. Heute weiß man, dass das in sehr vielen Fällen nicht stimmt. Bis zu 60 % der Kinder mit ADHS haben auch noch im Erwachsenenalter Schwierigkeiten. Jedoch verändern sich die Symptome im Laufe des Lebens und zeigen sich bei Erwachsenen anders. Aus psychiatrischer Sicht sind es unterschiedliche Subtypen eines Spektrums.

Die motorische Unruhe nimmt dabei im Erwachsenenalter ab und zeigt sich durch eine innere Unruhe, ein Getriebenheitsgefühl. Anzeichen für ADHS beginnen bereits in der frühen Kindheit und halten im Erwachsenenalter an. Jedoch ist bei Erwachsenen eine ADHS durch Anpassung weniger offensichtlich, und oft werden Erwachsene erst hellhörig, wenn bei Ihrem Kind ADHS diagnostiziert wird.

Viele ADHS-Betroffene leben recht unauffällig und passen sich dem System des neurotypischen Umfelds so gut wie möglich an. Diese Anpassung an ein System, welches dem eigenen nicht entspricht, kostet viel Kraft und Lebensenergie. ADHS bei Erwachsenen kann zu instabilen Beziehungen führen, damit zu wenig Freund:innen und zu sozialer Isolation. Oft kommt es zu Problemen in Schule, bei Ausbildungen und am Arbeitsplatz und damit zu vielen Abbrüchen.

Die Erkrankung äußert sich zum Beispiel in chronischer Prokrastination oder häufigen Jobwechseln, beinahe regelhaft entwickelt sich ein Konsum von stimulierenden Substanzen (Amphetaminen, Koffein).

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Typische Symptome von ADHS

  • Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren
  • Unaufmerksamkeit
  • Impulsives Verhalten
  • Übermäßige Aktivität (oft innere Unruhe bei Erwachsenen)

Diagnose von ADHS bei Erwachsenen

Manchmal wird ADHS auch erst im Erwachsenenalter als Diagnose gestellt. Die Diagnostik der Erkrankung erfolgt im Rahmen eines standardisierten klinischen Interviews (ADHS Test). Die Ärztin/der Arzt erhebt die Krankengeschichte (Anamnese) und fragt nach Beschwerden. Um mögliche andere Erkrankungen auszuschließen, werden weitere Untersuchungen durchgeführt.

Unter anderem klärt die Ärztin/der Arzt ab, ob andere psychische Erkrankungen (z.B. bipolare Störung) bzw. eine Persönlichkeitsstörung (vor allem dissoziale Persönlichkeitsstörung und emotional-instabile Persönlichkeitsstörung) vorliegen oder ausgeschlossen werden können. Ebenso kann klinisch-psychologische Diagnostik ergänzend hilfreich sein (z.B. mittels Selbst- und Fremdeinschätzungsfragebögen).

Wer stellt die Diagnose?

Die Diagnostik von ADHS wird von klinischen Psychologen und Fachärzten für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin) durchgeführt. Diese Fachkräfte verfügen über die notwendige Ausbildung und Erfahrung, um eine genaue und fundierte Diagnose zu stellen.

Wird die Verdachtsdiagnose mit 18 Jahren oder später geäußert, ist die erste Anlaufstelle eine Fachärztin/ein Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin). Diese/dieser leitet dann weitere diagnostische bzw. therapeutische Schritte ein.

Ablauf der ADHS-Diagnostik

  1. Terminvereinbarung: Vereinbaren Sie einen Termin bei einem Spezialisten.
  2. Datenerhebung: Füllen Sie Online-Fragebögen aus. Ein Fragebogen sollte idealerweise von einer Person ausgefüllt werden, die Sie im Alter von 8-10 Jahren gut kannte.
  3. Anamnesegespräch: Ein persönliches Gespräch zur Erfassung Ihrer Lebensgeschichte und familiären Situation.
  4. Testverfahren: Standardisierte Tests zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen, kognitiven Fähigkeiten und Verhaltensweisen.
  5. Gutachten: Erstellung eines umfassenden Gutachtens mit Bewertung der Symptome und Empfehlungen für Behandlungen.

Behandlung von ADHS bei Erwachsenen

Die Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter richtet sich nach der persönlichen Lebenssituation und den bestehenden Symptomen bzw. Problemen. Sie wird gemeinsam mit Ärztin/Arzt bzw. auch etwa Psychotherapeutin/Psychotherapeut besprochen und sollte gut für Betroffene annehmbar sein. Erwachsene suchen sich auch häufig eigene Bewältigungsstrategien, um mit ADHS umzugehen.

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In der medikamentösen Behandlung des ADHS werden vor allem Amphetaminderivate und Substanzen aus der Gruppe der Amphetamine eingesetzt. Die Medikamente wirken gegen die Hauptsymptome von ADHS (Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit, Impulsivität). Es kommt dabei vor allem der Wirkstoff Methylphenidat zum Einsatz.

Neben Medikamenten gibt es auch andere Ansätze, die helfen können - abhängig davon, wie stark ADHS in den Patientinnen und Patienten ausgeprägt ist. Verhaltenstherapien oder Coachings können etwa dazu beitragen, mehr Struktur in den Alltag zu bekommen und Herausforderungen so besser zu meistern.

Weitere Behandlungsansätze:

  • Psychotherapie
  • Psychoedukation
  • Klinisch-psychologische Behandlung
  • Neurofeedback
  • Bewältigungsstrategien im Alltag

Herausforderungen und Perspektiven

ADHS bei Erwachsenen zu erkennen ist oft schwierig, da sich die Störung ganz unterschiedlich und mit verschiedenen Symptomen äußert. ADHS tritt auch oft zusammen mit anderen psychiatrischen Erkrankungen auf. In Österreich gibt es laut Experten eine starke Unterversorgung an Fachpersonal, das ADHS sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern diagnostizieren und behandeln kann. Wichtig wären mehr Ausbildungen in dem Bereich und spezialisierte Einrichtungen, um die Versorgung zu verbessern.

Eines sei klar: Mit individuell angepassten Behandlungen kann sich die Lebensqualität der Betroffenen oft stark verbessern.

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