Als Depression wird eine krankhafte, psychische Störung bezeichnet, die durch einen Zustand mit deutlich gedrückter Grundstimmung, Interessenslosigkeit und Antriebsstörung gekennzeichnet ist. Die Weltgesundheitsorganisation warnt schon lange vor der neuen Volkskrankheit.
In Österreich leiden geschätzte 800.000 Menschen an depressiven Erkrankungen, in Deutschland sind es vier Millionen. Mehr als 20 Prozent aller Menschen erkranken einmal in ihrem Leben an einer Depression. Schätzungen der WHO zufolge leiden 5,1 Prozent der Österreicher an Depressionen. Da psychische Erkrankungen leider noch immer ein Tabuthema sind, wird vermutet, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegt.
Frauen sind zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer. Eine Depression kann in jedem Alter auftreten und ist eine ernst zu nehmende Erkrankung, die sich durch eine Vielzahl von Symptomen äußern kann. Für die Einteilung der Erkrankungsformen spielen Verlauf und Schweregrad eine Rolle. In Bezug auf den Schweregrad unterscheidet man leichte, mittelgradige und schwere Depressionen.
Symptome einer Depression
Generell sind die Manifestationsformen depressiver Episoden sehr vielfältig. Als zentrale Symptome einer depressiven Episode werden eine gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit und Antriebsverminderung angesehen. Allerdings ist es nicht selten, dass Patienten eine solche typische schlechte und niedergeschlagene Stimmung nicht beschreiben können, sondern vielmehr über eine innere Leere, ein „Gefühl von Gefühllosigkeit“ klagen.
Die Verminderung der Interessenvielfalt kann sich auf das eigene berufliche und private Leben, die soziale Umgebung, das politisch-gesellschaftliche Geschehen, aber auch die eigene Körperpflege beziehen. Die Frage „Über was können Sie sich im Alltag freuen?“ wird als eine der zentralen Screening-Fragen für eine depressive Symptomatik angesehen.
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Typischerweise klagen depressive Patienten über eine Verminderung des inneren Antriebs und Elans und die reduzierte Fähigkeit, morgens aufzustehen und die Tagesaktivitäten in Angriff zu nehmen. Überhaupt ist das Aktivitätsniveau depressiver Patienten im Vergleich zu gesunden Phasen meist deutlich eingeschränkt.
Antriebsmangel kann bis zum depressiven Stupor gehen, einem Zustand, in dem zwar die Wahrnehmung äusserer Reize möglich ist, die Patienten aber selber keinen Kontakt aufnehmen und keine Aktivität setzen können. Das (seltene) Vollbild eines Stupors erfordert intensive Pflege einschließlich parenteraler Ernährung. Seltener als in einer Verminderung kann sich eine depressive Antriebsstörung in einer Vermehrung, einer oft quälenden Agitiertheit, manifestieren. Eine solche innere und oft auch psychomotorische Unruhe ist hinsichtlich der Suizidgefährdung von großer Bedeutung.
Die Beeinträchtigungen der Kognition (Konzentration, Aufmerksamkeit, Auffassung, Gedächtnisleistungen) können mit neuropsychologischen Tests erhoben werden, fallen meist aber schon klinisch auf bzw. werden von den Patienten selber berichtet. Viele Patienten klagen über eine verminderte psychophysische Belastbarkeit und erhöhte Erschöpfbarkeit.
Im depressiven Zustand werden die eigenen Fähigkeiten und Lebensumstände meist negativ getönt wahrgenommen, positive und erfreuliche Dinge werden nicht wahrgenommen oder sogar ins Negative umgedeutet. Typischerweise bestehen im depressiven Zustand ein deutlich herabgesetztes Selbstwertgefühl und verringertes Selbstvertrauen. Die Patienten trauen sich Aktivitäten, die für sie normalerweise kein Problem darstellen, nicht mehr zu, fühlen sich unattraktiv und nicht liebenswert. In diesem Zusammenhang kann auch die sehr häufig in Depressionen anzutreffende Verminderung der Libido zu einem sekundären Problem werden. Auch andere sexuelle Dysfunktionen (Erektion, Orgasmusfähigkeit) können bestehen. Ebenfalls ein Ausdruck reduzierter Lebens- und Genussfreude ist der verminderte Appetit, es kann zu einem massiven Gewichtsverlust kommen, der immer auch eine körperliche Durchuntersuchung erfordert, da ja Depressionen auch als Begleitphänomen z.B.
Angst in den verschiedensten Ausprägungsformen (Angst vor oder um andere Menschen, soziale oder spezifische Phobien, Zukunftsängste, Panikattacken) sind bei fast allen depressiven Patienten zu erheben, manchmal ist eine komorbide Angststörung abzugrenzen.
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Weitere Symptome
- Schlafstörungen
- Appetitlosigkeit
- körperliche Beschwerden
- kognitive Beeinträchtigungen
- Gefühle von Wertlosigkeit
- Hoffnungslosigkeit
- häufig damit einhergehende Suizidgedanken
Viele Betroffene ziehen sich sozial zurück. Allerdings sollte auf der anderen Seite versucht werden, der Gefahr einer malignen Regression (also dem - teilbewussten - Abgeben von Verantwortung und Aktivität) gegenzusteuern und die vorhandenen Restaktivitäten des Patienten zu fördern.
Ursachen und Risikofaktoren
Depressionen sind kein homogenes Krankheitsbild, in der Entstehung spielen individuelle körperliche und seelische Faktoren eine Rolle. Eine alleinige Ursache kann meist nicht gefunden werden, häufig sind es eine Reihe von psychosozialen Belastungsfaktoren und biologischen Merkmalen, die den Ausbruch einer Depression begünstigen.
Gesichert ist, dass Depressionen familiär gehäuft auftreten und damit genetische Faktoren eine Rolle spielen. Außerdem können chronischer Stress (z. B. in einer andauernden beruflichen oder familiären Belastungssituation) sowie häufige Verlusterlebnisse Auslöser sein.
Depressive Erkrankungen werden heute als multifaktorielles Geschehen gesehen, zu dessen Entstehung neurobiologische, psychische und soziale Faktoren beitragen.
Nach den sogenannten Vulnerabilitäts-Stress-Modellen entstehen depressive Störungen vor dem Hintergrund:
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- der Veranlagung der Person (Vulnerabilität, zum Beispiel durch familiäre Vorbelastung oder bestimmte Persönlichkeitsmerkmale),
- durch die Interaktion von akuten oder chronischen Belastungen (auslösende Faktoren, zum Beispiel Stress, Armut, Gewalterfahrung, Arbeitslosigkeit),
- mit neurobiologischen (zum Beispiel Störungen der Neurotransmission und der neurohormonalen Regulation),
- beziehungsweise psychischen Veränderungen (zum Beispiel unverarbeitete Trauer),
- sowie anderen modifizierenden Faktoren (zum Beispiel Vorerkrankungen, mangelnde emotionale Unterstützung).
Verlauf und Prognose
Eine unbehandelte depressive Episode dauert in der Regel 6 bis 8 Monate, der weitere Krankheitsverlauf kann individuell stark variieren. Es gibt Formen, die als einmalige Episode im Leben auftreten und nicht mehr wiederkommen, häufiger ist jedoch, dass eine wiederkehrende depressive Störung vorliegt.
Als weitere Verlaufsform finden sich sogenannte bipolare Störungen, bei denen es nach einer depressiven Episode zu einem „Hoch“ in unterschiedlicher Stärke kommen kann. Diese sogenannten "manischen" Episoden zeigen in vielen Punkten gegensätzliche Symptome der Depression. Als typische Kennzeichen finden sich hier eine Euphorie, das Gefühl übermäßiger Energie, ein reduziertes Schlafbedürfnis, Hemmungslosigkeit, ein erhöhter Redefluss und Ruhelosigkeit. Der Zustand führt zur Selbstüberschätzung, kann die Risikobereitschaft für finanzielle und gesundheitliche Bereiche stark steigern und für den Betroffenen und seine Familie hohe psychosoziale Folgen haben.
Diagnose
Für die Diagnose einer depressiven Episode wird gewöhnlich eine Dauer von mindestens 2 Wochen verlangt. Kürzere Zeiträume können berücksichtigt werden, wenn die Symptome besonders stark ausgeprägt oder sehr schnell aufgetreten sind. Die Ärztin oder der Arzt fragt nach Symptomen und wie lange sie bestehen. Sie oder er erkundigt sich zudem nach der Lebenssituation und möglichen Problemen bei der Alltagsbewältigung. Die Ärztin oder der Arzt schließt auch andere mögliche Erkrankungen aus bzw. Zudem ist es wesentlich, organische Ursachen für die Depression auszuschließen - z.B. durch ein Schädel-Hirn-Trauma.
Es können auch Fragebögen zum Einsatz kommen, um die Stellung der Diagnose zu unterstützen. Fachleute teilen Depressionen in drei Schweregrade ein.
- Leichte depressive Episode: Mindestens zwei oder drei der oben angegebenen Symptome sind vorhanden.
- Mittelgradige depressive Episode: Vier oder mehr der oben angegebenen Symptome sind vorhanden.
- Schwere depressive Episode: Darunter verstehen Fachleute eine depressive Episode mit mehreren oben angegebenen quälenden Symptomen.
Der Verlust des Selbstwertgefühls und Gefühle von Wertlosigkeit sowie Schuld sind stark ausgeprägt. Suizidgedanken sowie Suizidhandlungen sind häufig. Bei einer schweren depressiven Episode können auch psychotische Beschwerden auftreten. Dazu zählen zum Beispiel Halluzinationen oder Wahnideen. Aber auch Bewegungsstörungen oder ein Stupor können vorhanden sein. Der Alltag ist stark beeinträchtigt.
Behandlungsmöglichkeiten
Aufgrund der unterschiedlichen Entstehungsgeschichten und Erscheinungsformen der Depression gibt es kein für alle gültiges Behandlungskonzept. Daher wird mit jedem Patienten eine individuelle Therapie entwickelt. Grundsätzlich gilt die Depression als gut behandelbare Erkrankung.
Zu wesentlichen Therapiemaßnahmen zählen vor allem Medikamente, meist sogenannte Antidepressiva, und Psychotherapie. In jedem Fall erfolgt eine Aufklärung über die Erkrankung. Die Fachwelt nennt das Psychoedukation. Bei der Behandlung einer Depression können auch Ergotherapie oder Musiktherapie zum Einsatz kommen.
Psychotherapie
Bei Depression ist in jedem Fall, wenn vom Patienten gewünscht, eine Psychotherapie indiziert. Beim Erstgespräch sollte auf die eigenen Ressourcen und Möglichkeiten der Beeinflussung des Therapieerfolgs, aber auch auf mögliche Auswirkungen einer Psychotherapie, wie z. B.
Neben der therapeutischen Beziehung zwischen Arzt und Patient, die der am besten abgesicherte allgemeine Wirkfaktor von Psychotherapie ist werden noch weitere Faktoren empirisch gestützt, die die Wirksamkeit und Wirkung psychotherapeutischer Interventionen erklären. Es sind dies Ressourcenaktivierung (Nutzen individueller Eigenschaften, Fähigkeiten), Problemaktualisierung (z.B.
Es kommen unterschiedliche Psychotherapieverfahren zum Einsatz: verhaltenstherapeutische, gesprächstherapeutische, psychodynamische, modifiziert analytische und systemische (familien-) therapeutische Verfahren sowie die Interpersonelle Psychotherapie. Diese werden durch weitere psychotherapeutische Behandlungsverfahren, wie z. B.
Unter Kognitiver Verhaltenstherapie werden verschiedene kognitive und behaviorale Therapieansätze zusammengefasst, die insbesondere auf die Entwicklungsarbeiten der Arbeitsgruppen um Beck und Lewinsohn zurückgehen. Die Verhaltenstherapie depressiver Erkrankungen beruht auf der Verstärkerverlusttheorie (Mangel an positiver Verstärkung) und der Theorie der gelernten Hilflosigkeit (Kontrollverlust in einer belastenden Situation).
Die Verhaltenstherapie beinhaltet:
- individuelle Problemanalyse
- Förderung der Veränderung des Problemverhaltens mithilfe verbesserter Problemlösestrategien; Selbstmanagement
- Förderung von Erfolgserlebnissen, Aktivitätenaufbau
- Entspannungstechniken für Schlaf- Stress- und Angstmanagement
- Verbesserung sozialer Fertigkeiten, Verbesserung von Selbstwert und Beziehungsfähigkeit
- Bearbeiten der depressiven Kognitionen bezüglich des Selbst, der Umwelt und der Zukunft („kognitive Triade“), Aufzeigen von automatischen, sich wiederholenden negative Gedankenketten (negative Schemata), die in belastenden Situationen aktiviert und verstärkt werden.
- Vermitteln von Fertigkeiten, um mit der Symptomatik besser umzugehen.
Medikamentöse Therapie
Sogenannte Antidepressiva sind Medikamente gegen Depressionen, denen ein ähnliches Prinzip zugrunde liegt. Diese sollen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen die Konzentration von sogenannten Neurotransmittern im Gehirn, vor allem von Serotonin bzw. Noradrenalin oder Dopamin, erhöhen.
Es dauert ungefähr 14 Tage, bis Antidepressiva wirken. Nach ungefähr drei bis vier Wochen rechnet man mit der vollen Wirkung. Dann bespricht die Ärztin oder der Arzt mit der betroffenen Person, ob die Symptome weniger geworden sind. Studien zeigen, dass Antidepressiva Beschwerden einer Depression lindern und Rückfälle verhindern können. Jedoch wirken sie nicht bei allen Betroffenen gleich gut. Ein Teil hat weiterhin Beschwerden. Tritt eine Wirkung nach ca.
Bei der Behandlung einer Depression können auch andere Medikamente als Antidepressiva zum Einsatz kommen. Auch Benzodiazepine oder Antipsychotika können zur Anwendung kommen. Zum Beispiel zur Beruhigung oder bei einer Psychose im Rahmen einer Depression. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt klärt Sie über die Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie Nutzen und Risiko der Medikamente auf.
Weitere Therapieansätze
- Elektrokonvulsionstherapie (EKT)
- Repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS)
- Bewegungstherapie und sporttherapeutische Maßnahmen
- Musiktherapie
- Lichttherapie
- Schlafentzugstherapie
Wichtige Hinweise
Wichtig für Angehörige und das gesamte Umfeld ist es, diese Depressions-bedingte Hemmung als ein „Nicht-können“ zu erkennen und nicht als ein „Nicht-wollen“ zu missverstehen. Letzteres kann in einer unkontrollierten Gegenübertragungsreaktion zu einer subjektiven Überforderung des Patienten und damit zu einer Verstärkung meist ohnehin schon vorhandener Insuffizienzgefühle, unter Umständen zu einer Verschlimmerung von Suizidalität, führen.
Für den Umgang mit depressiven Menschen (vor allem auch durch die Umgebung) ist es wichtig, die Erkrankung, die bei Angehörigen und Arbeitskollegen oft als ein „Nicht-Wollen“ imponiert, als ein „Nicht-Können“ zu erkennen. Eine unterstützende, die Phasenhaftigkeit (und damit das zu erwartende Ende der Symptomatik) betonende Haltung, die den Patienten ermuntert, seine - vorübergehend limitierten - Resourcen (leichte Mithilfe im Haushalt, Spaziergänge) zu nützen, aber nicht überfordert, ist von eminenter Wichtigkeit.
Die Genesungsraten sind vermindert, je länger die depressive Episode andauert. In den ersten 6 Monaten verringert sich die Wahrscheinlichkeit einer Remission um 50%. Vom 6. Bis zum 9. Monat verringert sich die Wahrscheinlichkeit nochmals um 15% um dann 1% pro Monat zu betragen.
Bei unipolaren Depressionen soll nach dem Abklingen der depressiven Symptomatik noch ein halbes bis zu einem Dreivierteljahr mit dem Antidepressivum weiterbehandelt werden, das zum Abklingen der Symptomatik gefuhrt hat (Erhaltungstherapie). Die Dosis soll jener der Akutbehandlung entsprechen, eine Dosisreduktion beinhaltet das Risiko eines Ruckfalles.
Eine prophylaktische Langzeittherapie über Jahre (oder lebensbegleitend) zur Verhinderung neuer depressiver Episoden ist bei Patienten angezeigt, die zwei oder mehrere depressive Episoden durchlitten, davon zwei innerhalb der letzten fünf Jahre, und bei Patienten mit besonderen Risikofaktoren (z.B. Suizidalitat, psychotische Symptome, lange Episodendauer, Komorbiditat, schwere soziale Funktionsstörungen). Es eignen sich alle neueren Antidepressiva zur Langzeitbehandlung.
Wichtig ist es jedoch, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen und diese auch anzunehmen. Auch für Angehörige kann es sehr schwer sein, wenn ein nahestehender Mensch an einer Depression erkrankt.
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