In psychiatrischen Krankenhäusern oder psychiatrischen Abteilungen von Spitälern kann unter bestimmten Voraussetzungen die Bewegungsfreiheit der Patientinnen und Patienten eingeschränkt werden. Diese Freiheitseinschränkung wird auch als „Unterbringung“ bezeichnet.
Gesetzliche Grundlagen und Voraussetzungen für eine Einweisung
Wann darf man in Österreich einen Menschen gegen seinen Willen in die Psychiatrie einweisen? Für eine Einweisung muss noch nichts „passiert“ sein, es handelt sich um einen rein vorsorglichen Freiheitsentzug - unter der Annahme, es könnte etwas geschehen. Das ist eine heikle Angelegenheit, denn persönliche Freiheit ist ein Grundrecht. Deshalb sind klare gesetzliche Regeln wichtig. Eine Einweisung gegen den Willen der betroffenen Person ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich:
- Erstens muss die Person psychisch erkrankt sein.
- Zweitens muss deswegen eine ernste und erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit der Person selbst oder für andere drohen, z.B. kündigt jemand einen Suizidversuch an oder könnte andere verletzen.
- Drittens ist die Einweisung nur zulässig, wenn es keine alternative Betreuungsmöglichkeit gibt.
Eine Person darf nur dann ohne oder gegen ihren Willen in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, wenn eine Amtsärztin bzw. ein Amtsarzt oder eine Polizeiärztin bzw. ein Polizeiarzt nach gründlicher Untersuchung eine entsprechende Bescheinigung ausstellt.
Beispiele für unzulässige Einweisungen
In welchen Konstellationen wäre z.B. eine Einweisung nicht zulässig? Zum Beispiel ist jemand zwar psychisch erkrankt, es liegt aber keine ernste und erhebliche Gefahr vor. Das ist ja meistens der Fall, weil eine psychische Erkrankung nur selten mit einer Gefährdung einhergeht. Anderes Beispiel: Jemand verhält sich aggressiv oder legt ein „seltsames“ Verhalten an den Tag. Wenn er:sie aber keine psychische Erkrankung hat, ist auch in solchen Fällen keine Einweisung angezeigt.
Ablauf einer Einweisung
Wie läuft eine Einweisung konkret ab? In erster Linie ist die Polizei zuständig. Die herbeigerufenen Polizist:innen beurteilen, ob eine Einweisung in Frage kommt. Im Regelfall wird ein:e Amtsärzt:in angefordert, der:die prüft, ob die Voraussetzungen (Erkrankung, Gefahr, fehlende Alternativen) wirklich vorliegen. Falls ja, bringt ein Rettungswagen die Person ins Krankenhaus. Dort wird man nochmal ärztlich untersucht. Die zuständigen Ärzt:innen entscheiden dann, ob eine Unterbringung gegen den Willen der Person auf der psychiatrischen Station nötig ist. Auch ein freiwilliger Aufenthalt ist ja als Alternative möglich, wenn sich z.B. die akute Situation entspannt hat und die Person zustimmt, sich behandeln zu lassen, oder eine stationäre Aufnahme ist aus ärztlicher Sicht gar nicht notwendig.
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Nach der Aufnahme in einer psychiatrischen Abteilung hat die Abteilungsleiterin bzw. der Abteilungsleiter unverzüglich das zuständige Gericht, eine Patientenanwältin oder einen Patientenanwalt, sowie mit Zustimmung der Patientin bzw. des Patienten einen Angehörigen zu verständigen. Die Ärztin oder der Arzt muss die Patientin oder den Patienten über Grund und Bedeutung der Behandlung aufklären.
Rechte der Patientinnen und Patienten
Die Patientenanwälte in der Psychiatrie (nicht zu verwechseln mit den Patientenanwaltschaften, die von den Bundesländern eingerichtet sind) vertreten, beraten und unterstützen die Patientinnen und Patienten. Sie werden laut Unterbringungsgesetz von Vereinen gestellt, die für die Patientenvertretung von psychisch Kranken zuständig sind. Das zuständige Bezirksgericht bestellt für jede psychiatrische Abteilung speziell geschulte Patientenanwältinnen bzw. Patientenanwälte, die bei einer Unterbringung der betroffenen Person zur Seite stehen. Sie sind von den Krankenanstalten unabhängig und werden den Patientinnen bzw. Patienten kostenlos zur Seite gestellt.
Wird jemand untergebracht, muss das Krankenhaus dies unverzüglich an die Patientenanwaltschaft von VertretungsNetz melden bzw. in Vorarlberg an das Institut für soziale Dienste. Unsere Aufgabe ist der Rechtsschutz bei Zwangsmaßnahmen. Die Mitarbeiter:innen besuchen die Patient:innen so bald wie möglich und unterstützen bzw. vertreten sie gegenüber dem Krankenhaus.
Weitergehende Beschränkungen
Zusätzlich zu einer Unterbringung sind sogenannte „weitergehende Beschränkungen“ möglich. Das betrifft z.B. Einschränkungen auf ein Zimmer, sedierende Medikamente oder Gurtsysteme zur Beschränkung am Bett. Das kommt nicht selten vor. Ca. ein Drittel der Patient:innen wird im Rahmen des Psychiatrieaufenthalts auf einen Raum oder innerhalb eines Raumes beschränkt. Rund ein Viertel wird mit Gurten am Bett fixiert. Solche Maßnahmen müssen immer ärztlich angeordnet, dokumentiert und an die Patientenanwaltschaft gemeldet werden. Wir sprechen dann mit den Patient:innen, schauen uns die Dokumentation an und reden mit dem Personal. Die Maßnahmen können auf Antrag der Patient:innen oder der Patientenanwaltschaft vom Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Das ist übrigens auch bis zu drei Jahre nach einem Psychiatrieaufenthalt möglich.
Persönliche Gegenstände und Kontakt zur Außenwelt
Ja, es gibt im Ausnahmefall „Beschränkungen von sonstigen Rechten. Z.B. werden persönliche Gegenstände oder die Privatkleidung abgenommen. Seit 2023 müssen solche Maßnahmen ebenfalls an die Patientenanwaltschaft gemeldet werden. Davor wurden sie lediglich dokumentiert und manchmal haben wir sie auf Wunsch der Patient:innen vom Gericht überprüfen lassen. Auch der Kontakt mit der Außenwelt kann beschränkt werden. Hauptsächlich geht es da um die Abnahme von Mobiltelefonen. Besuche könnten ebenfalls eingeschränkt werden, das wird aber wirklich sehr selten gemacht.
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Grundsätzlich gilt, dass man sich auch im Freien aufhalten darf. In der Praxis hängt das aber von den baulichen Gegebenheiten ab, also z.B. ob man über den Garten das Krankenhaus verlassen kann. Das Personal möchte natürlich wissen, an welchem Ort die Patient:innen sind. Normalerweise wird im Einzelfall am Stützpunkt entschieden, ob ein:e Patient:in in einen Außenbereich gehen darf. Wird der Zugang zu Außenbereichen auf weniger als eine Stunde pro Tag eingeschränkt, dann muss das ärztlich angeordnet und an uns gemeldet werden.
Dauer der Unterbringung und gerichtliche Überprüfung
Spätestens vier Tage, nachdem eine Person untergebracht wurde, muss ein:e Richter:in im Rahmen einer Erstanhörung entscheiden, ob die Unterbringung weiterhin zulässig ist. Solche Gerichtstermine finden direkt im Krankenhaus statt. Eine wichtige Aufgabe der Patientenanwält:innen ist es, die Patient:innen auf diese Termine vorzubereiten und dabei ihre Interessen zu vertreten. Meist ist es entlastend, wenn die Patient:innen verstehen, dass nicht sie selbst vor Gericht stehen, sondern dass das Gericht überprüft, ob das Krankenhaus sich an die gesetzlichen Regeln hält.
Entscheidet der:die Richter:in, dass die Unterbringung vorerst zulässig ist, findet innerhalb der nächsten 14 Tage eine mündliche Verhandlung statt. Dafür wird ein:e Sachverständige:r einbezogen. Wichtig zu wissen ist: Eine Unterbringung muss jederzeit von den Ärzt:innen aufgehoben werden, wenn sie nicht mehr erforderlich ist. Viele Unterbringungen werden sogar schon in den ersten vier Tagen aufgehoben, also bevor der:die Richter:in ins Krankenhaus kommt.
Vertrauensperson
Neu seit 2023 ist das Recht für Patient:innen, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen. Was ist deren Funktion?Die Vertrauensperson unterstützt vor allem emotional. Patient:innen können sich vielleicht leichter beruhigen, wenn ein vertrauter Mensch anwesend ist, demnach können Vertrauenspersonen zu Entlastung und Deeskalation beitragen. Das Recht darauf, eine Vertrauensperson zu benennen, ist auf jeden Fall wichtig, weil einzelne Stationen früher vertraute Personen manchmal abgewiesen haben.
Medizinische Behandlungen
Wer entscheidet über medizinische Behandlungen in der Psychiatrie, falls nicht Gefahr in Verzug ist?Wer entscheidungsfähig ist, entscheidet selbst über eine Behandlung, auch während einer Unterbringung. Wenn jemand nicht entscheidungsfähig ist, entscheidet die Erwachsenenvertretung, wenn es eine gibt. Ansonsten entscheidet in erster Linie das ärztliche Personal, muss aber versuchen, die Entscheidungsfähigkeit des:der Betroffenen durch Aufklärung und Beiziehung von unterstützenden Personen herzustellen. Seit der Gesetzesnovelle 2023 haben Patient:innen und Ärzt:innen zusätzlich das Recht, vor einer medizinischen Behandlung eine gerichtliche Überprüfung zu verlangen, sofern nicht Gefahr in Verzug ist.
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