Der Übergang von Bulimie zu Anorexie: Eine umfassende Betrachtung

Essstörungen sind komplexe psychische Erkrankungen, die das Essverhalten und die Gedanken einer Person über Essen und Gewicht stark beeinträchtigen. Es ist wichtig, zwischen Störungen im Essverhalten und diagnostizierten Essstörungen zu unterscheiden.

Verbreitung von Essstörungen

Störungen im Essverhalten sind weit verbreitet und umfassen beispielsweise Diäten, das Auslassen von Mahlzeiten oder übermäßigen Sport. Studien zeigen, dass bis zu 30 Prozent junger Frauen ein gestörtes Essverhalten aufweisen. Im Gegensatz dazu sind diagnostizierte Essstörungen weniger verbreitet. Eine Magersucht findet man bei ca. 0,4 Prozent der Mädchen und jungen Frauen, Bulimie kommt bei knapp einem Prozent vor. Die Vorkommenshäufigkeit von Magersucht in Oberösterreich wird auf 770 Erkrankte geschätzt, von Bulimie auf 1800 Erkrankte.

Interessanterweise zeigen 50 bis 70 Prozent der Patientinnen und Patienten, die eine Essstörungsambulanz aufsuchen, nicht das Vollbild von Magersucht und Bulimie, sondern Kriterien für atypische Essstörungen und Binge-Eating-Störungen.

Verlauf von Essstörungen

Es gibt viele Verlaufsuntersuchungen zu Magersucht, die allerdings aufgrund unterschiedlicher untersuchter Faktoren nur eingeschränkt vergleichbar sind. Auf dem Hintergrund dieser Einschränkungen kann man davon ausgehen, dass die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit Magersucht eine dauerhafte Genesung zeigt. Bei der anderen Hälfte kommt es zu einem chronischen Verlauf. Jeweils ein Viertel nimmt einen teilweise gebesserten chronischen Verlauf und ein Viertel einen ungünstigen Verlauf mit voll ausgeprägter Symptomatik. Zwischen 5 und 10 Prozent der Patientinnen und Patienten sterben an den Folgen der Magersucht.

Der langfristige Verlauf von Bulimie ist insgesamt günstiger. In Verlaufsbeobachtungen von 9 bis 12 Jahren finden sich in 70 Prozent Abschwächungen der Symptome. Die übrigen Erkrankungen verlaufen chronisch mit teilweise gebessertem Verlauf oder dem Vollbild der Symptome einer Bulimie. Ca. 2 Prozent der Betroffenen sterben an der Bulimie und deren Folgen.

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Langfristig werden ca. 70 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einer Binge-Eating-Störung symptomfrei im Sinne fehlender Essanfälle. Etwa 8 bis 10 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Binge-Eating-Störung zeigen langfristig Symptome einer Bulimie.

Prognostisch ungünstige Merkmale

  • Vorliegen von Heißhungeranfällen und Erbrechen
  • Erhöhte psychische Komorbidität
  • Erhöhtes Ausmaß an sozialen und psychologischen Problemen
  • Niedriger Body-Mass-Index bei Behandlungsbeginn und Behandlungsende
  • Später Krankheitsbeginn
  • Vorliegen von körperlichen Folgeschäden

Der Anteil magersüchtiger Patientinnen und Patienten, die eine Bulimie im langfristigen Verlauf entwickeln, ist eher gering und wird auf 5 bis 10 Prozent geschätzt.

Der Übergang von Bulimie zu Anorexie

Ca. 1 bis 2 Prozent der ursprünglich wegen Bulimie behandelten Patientinnen und Patienten entwickelt später eine Magersucht. Das Verhalten der Magersüchtigen wandelt sich vom vermeidenden zum gegensteuernden bulimischen Verhalten.

Ursachen von Essstörungen

Essstörungen entstehen aus heutiger Sicht der Forschung durch verschiedene Faktoren, die zusammenwirken können. Dazu gehören:

  • Biologische und körperliche Faktoren (genetische Veranlagung, Beeinträchtigungen des Gehirnstoffwechsels)
  • Gezügeltes Essverhalten (Diäten und Fasten)
  • Soziale und kulturelle Faktoren (Schönheitsideale)
  • Störungen der Entwicklung in Kindheit und Pubertät
  • Andauernde Probleme und belastende Lebensereignisse

Symptome und Diagnose

Bei einem Verdacht auf Magersucht ist der Kinder- oder Hausarzt ein guter erster Ansprechpartner. Er kann zunächst das Ausmaß der Gefährdung einschätzen, indem er den Patienten untersucht und Blutwerte bestimmt. Am Anfang jeder ärztlichen oder psychologischen Beratung steht die Anamnese: Im Gespräch berichtet der Patient von seiner persönlichen Magersucht-Geschichte, eventuellen körperlichen Beschwerden und Vorerkrankungen.

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Die Diagnose Magersucht erfolgt, wenn die folgenden vier Symptome vorliegen:

  • Untergewicht (BMI von unter 18,5)
  • Selbst herbeigeführter Gewichtsverlust
  • Körperschema-Störung

Psychologische Untersuchungen, wie das "Eating Disorder Inventory" (EDI), helfen, die psychischen Symptome zu erfassen.

Behandlung von Essstörungen

Essstörungen sollten möglichst rasch und umfassend behandelt werden. Die Behandlung kann ambulant oder stationär erfolgen und umfasst in der Regel Psychotherapie, Ernährungsberatung und gegebenenfalls medikamentöse Unterstützung.

Spezifische Therapieformen

  • Mantra (spezifische Therapieform für magersüchtige Jugendliche)
  • Succeat (Unterstützungsprogramm für Eltern)

Bei jüngeren Kindern mit Essstörungen setzt die Behandlung bei den Eltern an. In systemischer Therapie arbeitet man an der Kommunikation, um die Machtkämpfe zu klären. Erzielt man über die ersten Monate der Behandlung keine Gewichtszunahme, werden Erkrankte stationär aufgenommen und multidisziplinär versorgt mit Maßnahmen wie Psychotherapie, Körpertherapie, Ergotherapie, Ernährungsberatung.

Andreas Karwautz würde sich wünschen, dass Erkrankte schon früher fachgerechte psychiatrische Hilfe suchen. Um aber mehr Patient:innen behandeln zu können, bräuchte es mehr Ressourcen. Der Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sei dramatisch unterversorgt.

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Ausblick

Essstörungen sind ernstzunehmende psychische Erkrankungen, die eine rasche und umfassende Behandlung erfordern. Präventionsprogramme, die persönliche Ressourcen wie Selbstwert, Selbstbehauptung, Coping-Strategien und Stressmanagement stärken, können dazu beitragen, die Entstehung von Essstörungen zu verhindern.

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