Ein Terroranschlag, wie der in Wien, kann unterschiedliche emotionale Reaktionen auslösen wie Wut, Ärger, Unverständnis oder Entsetzen. Schon die Coronavirus-Krise hat viele Menschen verunsichert, nun auch noch der Terroranschlag in Wien: eine „extrem ungute Kombination“, wie es die Traumaexpertin Brigitte Lueger-Schuster nennt.
Akute traumatische Belastung
„Für Menschen, die direkt anwesend waren, ist das natürlich eine ganz massive, akute, durchaus traumatische Belastung. Betroffene „werden das wahrscheinlich jetzt langsam verarbeiten und vielleicht eine Zeit lang Nachbilder haben und sich verunsichert fühlen“. Das sei angesichts so einer außerordentlichen Situation und der Schock-, Stress- und Schreckreaktion jedenfalls normal.
Umgang mit Schockreaktionen
Beim Umgang mit Schockreaktionen helfe es, „wenn man sich Ruhe gönnt und nicht nur ständig in den Medien ist und sich das wieder und wieder anschaut“, rät die Psychologin. Man sollte sich dosiert Informationen holen - und zwar in seriösen Medien und „nicht in den Parallelwelten der Sozialen Medien mit ihren Gewaltvideos“ - und über das Erlebte sprechen. „Ganz schlecht ist, wenn man versucht, das Ganze zu verdrängen. Das wirkt wie ein Bumerang. Je mehr man das von sich wegzuschieben versucht, desto schneller und intensiver kommt es immer wieder zurück. Das hält dann an“, sagte Lueger-Schuster.
Lueger-Schuster: „Das muss erst mal ein Stück weit verarbeitet und verstanden werden. Problematisch wird es, wenn das länger als einige Wochen andauert. Wenn man sich nicht aus dem Ereignis lösen kann, wenn immer wieder Bilder auftauchen oder man möglicherweise immer wieder einen Alptraum hat.“ Erkennt man bei sich Tendenzen, potenziell ähnliche Situationen auch längerfristig zu vermeiden bzw. zuckt man auch nach längerer Zeit noch bei jedem Folgetonhorn „extrem zusammen“ und wähnt sich „wieder genau in der Situation in jener Nacht“, sollte man aufmerksam werden und professionelle Hilfe in Betracht ziehen.
Fünf Elemente für positive Wirkung
Wichtig sei, sich nun in den Wohnungen in Sicherheit zu fühlen, soziale Bezüge zu leben, soziale Ressourcen zu nutzen, Ruhe zu erleben und „Dinge tun, die einem guttun“, so die Wissenschaftlerin. „Wir wissen auch, dass seitens der Sicherheitsorgane alles getan wird, um diese Situation aufzuklären.“
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Die psychologische Forschung wisse von fünf Elementen, die in solch einer Situation positive Wirkung zeitigen: Dazu zählt das Gefühl der Sicherheit, das Gefühl der Verbundenheit, das Gefühl von Ruhe und Hoffnung und ein Gefühl dafür, dass man sich selbst schützen kann, und sich als effektiv im Umgang mit sich selbst zu erleben.
Dazu komme, dass es in Wien ein sehr gutes psychosoziales Auffangnetz gebe, wie Lueger-Schuster betonte: „Die Akutbetreuung der Stadt Wien ist schon an der Versorgung der betroffenen Menschen dran. Wir haben eine gute Versorgung, die es zu nützen gilt.“
Kinder und Jugendliche
Die aktuelle Situation ist natürlich auch für Kinder nur schwer zu verdauen, für ihre Eltern ist der Umgang mit der Situation eine Herausforderung. „Bezugspersonen liefern Emotionen mit“, sagte Traumapsychologe Cornel Binder-Krieglstein. „Eltern müssen nicht in jeder Situation souverän sein“, betonte gleichzeitig Soziologin Ulrike Zartler von der Uni Wien. Sie sollten nicht tun, als wären sie nicht emotional betroffen.
Binder-Krieglstein rät, die Information über die schrecklichen Nachrichten nicht völlig ungefiltert weiterzugeben, die Botschaft selbst einmal „emotional vorzuverdauen“. Die Wortwahl, die Stimmlage und der Affekt - ob etwas ruhig und langsam weitergegeben wird -, sind bei der Erklärung für die Kinder ausschlaggebend. Mit einer „konsistenten, nachhaltigen, gleichbleibenden, lösungsorientierten und ich-syntonen Form“ muss das Geschehene übermittelt werden, um es authentisch zu machen.
Zunächst muss die Gemütsbewegung der Eltern eingeordnet werden: Was bedeutet das für jemand Einzelnen? Dann sollten sich Mutter und Vater überlegen, was das für die Familie bedeutet: Gibt es ein Gefährdungspotenzial und wie handelt man? Danach sollte alles dem Kind altersgerecht übermittelt werden. „Einem Zweijährigen werde ich die Situation anders erklären als einem Zwölfjährigen“, sagte Binder Krieglstein.
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Kinder vertrauen ihren primären Bezugspersonen - egal ob beim Coronavirus, bei Terror oder bei Liebeskummer. Und sie haben das Recht auf authentische Antworten ihrer Fragen.
Altersgemäß sprechen, Sicherheit geben
Man dürfe nicht unterschätzen, dass die Kinder aufgrund der ständigen Unsicherheit während der Coronavirus-Pandemie schon vor dem Anschlag in einer Ausnahmesituation waren, betonte die Soziologin Ulrike Zartler. Die Eltern seien ebenfalls „schon am Anschlag“, so die Soziologin, die seit März die Auswirkungen der Pandemie auf Familien beforscht. Dass nun zusätzlich noch dieses bedrohliche Ereignis auftrete, könne für Kinder durchaus traumatisierend sein. „Das ist nicht zu unterschätzen.“
„Aber es erzeugt eine massive Verunsicherung, dass so etwas auch bei uns möglich ist“, so Zartler. Vor allem für Kinder in Wien sei der Anschlag an Orten, die sie selbst kennen und an denen sie schon waren, „auch ein Anschlag auf die eigene persönliche Integrität“.
Auch für Zartler ist das Wichtigste, dass Eltern mit ihren Kindern die Situation ausführlich altersgemäß besprechen und ihnen Stabilität geben, indem sie ihnen versichern, dass sie in Sicherheit sind und die Polizei sich darum kümmert, die Situation zu klären. Fantasien der Kinder, etwa von Angreifern vor der Haustüre, müsse man früh besprechen.
Fakten erklären
Erklären Sie Ihren Kindern den aktuellen Erkenntnisstand der Polizei in kindgerechter und altersadäquater Sprache:
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- Was ist passiert? (es gab einen Anschlag mit Toten und Verletzten)
- Was wird dagegen getan? (Polizei und Rettung arbeiten für die Sicherheit von uns allen)
- Sind wir in Gefahr?
Weder katastrophisieren noch bagatellisieren
Es ist wichtig (siehe Punkt 1 - Fakten erklären), Kinder proaktiv über die Vorfälle sachlich aufzuklären und darauf zu achten dabei weder zu übertreiben noch so zu tun als wäre nichts passiert.
Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen
Ob Schulbesuch oder nicht, ist eine elterliche Entscheidung und sollte nicht den Kindern überlassen werden. Treffen Sie mit den Kindern klare Vereinbarungen bezüglich Hinbringen oder -fahren bzw. Möglichkeiten zum Austausch geben.
Verständnis und Zuwendung
Nach dem ersten Schock brauchen Kinder viele Möglichkeiten, das zu verarbeiten und zu besprechen: mit ihren Freund*innen und Mitschüler*innen, mit anderen Kindern oder mit den Großeltern... Lassen Sie sie selbst bestimmen, ob und mit wem sie Kontakt haben möchten.
Unterstützungsangebote in Österreich
Es gibt zahlreiche Anlaufstellen für psychologische Hilfe und Unterstützung in Österreich:
- Rat auf Draht - 147: Die Notrufnummer 147 ist rund um die Uhr kostenlos erreichbar. Sie bietet telefonische, schriftliche und Chat-Beratung - anonym und vertraulich. Speziell geschulte Fachkräfte helfen bei der Verarbeitung belastender Ereignisse.
- Gesund aus der Krise: Das österreichweite Projekt “Gesund aus der Krise” stellt kostenfreie psychologische Beratung für junge Menschen bis 21 Jahre zur Verfügung. Bis zu 15 Einheiten bei Psychologinnen, Psychologen und Psychotherapeutinnen oder -therapeuten können in Anspruch genommen werden. Die Anmeldung erfolgt online unter gesundausderkrise.at.
- Schulpsychologische Beratungsstellen: Die Schulpsychologie steht in jeder Bildungsregion als Anlaufstelle zur Verfügung - für Schülerinnen und Schüler, Erziehungsberechtigte und schulisches Personal. Die Beratung ist kostenlos, vertraulich und niederschwellig erreichbar.
- Psychosoziale Beratungsstellen: Regionale Einrichtungen wie das Psychosoziale Netzwerk (PSN) bieten therapeutische Begleitung bei psychischer Belastung. Viele dieser Angebote sind kostenlos oder sozial gestaffelt.
- WEISSE RING: Der WEISSE RING unterstützt Opfer von Straftaten mit professioneller Beratung und Betreuung, psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung und in Notfällen auch durch materielle Unterstützung - rasch, kostenlos und unbürokratisch. Der WEISSE RING betreibt im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz den kostenlosen Opfer-Notruf 0800 112 112.
Unterstützung für Pädagoginnen und Pädagogen
Pädagoginnen und Pädagogen stehen in solchen Krisensituationen oft selbst unter hohem emotionalen Druck. Die Schulpsychologie unterstützt bei der Bewältigung und bietet auch konkrete Hilfestellung für die Arbeit mit Klassen - etwa durch vorbereitete Gesprächskonzepte oder persönliche Beratung.
In akuten Fällen kommen schulinterne oder regionale Krisenteams zum Einsatz. Diese helfen, eine erste Stabilisierung herzustellen, Gespräche zu führen und Rituale zur Rückkehr in den Schulalltag zu gestalten. Die Teams setzen sich meist aus schulpsychologischem Personal und Expertinnen und Experten für Notfallpädagogik zusammen.
Die Bildungsdirektionen verfügen über regionale Ansprechpartnerinnen und -partner für Schulentwicklung und Krisenmanagement. Diese koordinieren weiterführende Maßnahmen, wenn etwa externe Fachleute beigezogen oder schulinterne Prozesse begleitet werden müssen.
Was Schulen unmittelbar tun können
- Gespräche ermöglichen! Kinder und Jugendliche brauchen die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Gefühle auszudrücken. Pädagoginnen und Pädagogen können durch achtsames Zuhören und respektvolle Gesprächsführung Orientierung bieten.
- Strukturen aufrechterhalten! Ein geregelter Tagesablauf gibt Halt. Der gewohnte Unterrichtsrahmen kann mit einfühlsamen Anpassungen Sicherheit vermitteln.
- Hilfsangebote aktiv kommunizieren! Es ist wichtig, Schülerinnen und Schüler sowie Erziehungsberechtigte aktiv über Unterstützungsangebote zu informieren - etwa durch Elternbriefe, Aushänge oder Gespräche im Klassenverband.
Schlussendlich müssen auch pädagogische Fachkräfte ihre eigene Belastung im Blick behalten.
Basisregeln der Psychischen Ersten Hilfe (allgemein)
Bitte benutzen Sie aus den folgenden Kapiteln, was Ihnen hilfreich erscheint und ignorieren Sie, was irrelevant oder falsch ist für die Umstände, die Sie vorfinden.
„Nicht aktiv intervenieren ist manchmal die beste Intervention!“ und "Die beste Rettung ist die, nicht auf Rettung angewiesen zu sein" - wenn jemand selbst über genug Ressourcen verfügt, mit einer traumatischen Situation zurechtzukommen und auch keine Hilfe möchte, so drängen Sie der Person bitte nicht ihre Hilfe auf!
- Wenn Betroffenen Sie nicht kennen, so stellen Sie sich vor: "Ich heiße ... und bin Lehrperson/Nachbarin/etc ...." Sagen Sie, dass Sie da sind und etwas geschieht ...
- Gehen Sie zu den Betroffenen und stehen Sie nicht herum; erklären Sie, dass Hilfe verständigt wurde (die Rettung wird kommen, die Polizei, die Feuerwehr...), dies wirkt für die Menschen in einer Krisensituation enorm entlastend.
- Begeben Sie sich auf das "Niveau" des Betroffenen (wenn jemand liegt, setzen/knien Sie sich neben sie/ihn...)
- Führen Sie die Person zuerst von der unmittelbar belastenden Situation weg, sofern das möglich ist.
- Bringen Sie Betroffene vom direkten Ort des Geschehens weg - z.B. in einen Nebenraum oder lassen Sie sie zumindest mit dem Rücken zur Unfallstelle setzen; erfüllen Sie körperliche Bedürfnisse (gegen Kälte Decken holen lassen, evtl. Tee anbieten oder ein Glas Wasser, trockene Kleidung).
- Suchen Sie vorsichtig leichten Körperkontakt - Berührung ist neben der verbalen Ansprache eine weitere Möglichkeit für Betroffene, ihre Verlassenheitsängste zu milder. Wichtig: Sanfter Druck wirkt angenehmer und entspannender als ein dynamischer (Streichen oder Streicheln) - Hand halten ist oft wirkungsvoller als Berührung durch Kleidung. Berührung nur auf unverfängliche Körperteile beziehen (Arm, Schulter, Hand). Berührungen am Kopf werden eher als unangenehm erlebt. Bitte passen Sie vor allem bei Jugendlichen mit Körperkontakt auf!!!
- Hören Sie zu, bevor Sie sprechen!
Lassen Sie die Person ihre Geschichte erzählen; nach einem belastenden Ereignis muss man niemanden zwingen, das Erlebte zu erzählen - Erwachsene tun das normalerweise von selbst, Sie müssen nur zuhören und die Person wissen lassen, dass Sie interessiert sind.
Sprechen kann (muss aber nicht) für Betroffene wohltuend sein - hören Sie geduldig zu, vermeiden Sie Vorwürfe und nichtssagende Aussagen.
Betroffene sollen spüren, dass Sie aufmerksam sind, Äußerungen ernst nehmen und dass sie versuchen, diese zu verstehen.
Wenn Betroffene über ihre Emotionen und Ängste sprechen, sollte man Verständnis signalisieren, auch wenn deren Gedanken und Gefühle vielleicht einem selbst unwichtig oder sogar absurd erscheinen („Hoffentlich finde ich meine Schultasche wieder“).
Aufmerksam zuhören signalisiert man durch Blickkontakt, Kopfnicken, Worte wie „ja“, „aha“, „ach so“, außerdem durch Nachfragen („Können Sie das näher erklären? Wie meinen Sie das?“). Sie fassen in eigene Worte und wiederholen, was Sie von den Gedanken und Gefühlen verstanden haben („Sie meinen also, dass...“, „Sie haben das Gefühl, dass ...“).
Sie bewerten die Aussagen von Betroffenen nicht (also kein „Sie haben Recht!“ oder „... da liegen Sie ganz falsch“). Sie geben keine Ratschläge, Analysen und Deutungen.
Jokerfrage: „Soll jemand verständigt werden?“ (in Krisensituationen brauchen Menschen „the nearest and dearest“ - Menschen, zu denen sie Vertrauen haben und bei denen sie sich geborgen und verstanden fühlen).
Erlauben Sie das Erleben und den Ausdruck von Gefühlen.
Fragen Sie die betroffene Person, wie sie sich aktuell fühlt - aber erst nachdem er/sie die Geschichte erzählt hat. Lassen Sie Schreien, Weinen, Jammern und andere Ausbrüche der Person zu, wenn sie sich dabei nicht selbst oder andere gefährdet. Sie werden sich dabei oft nicht wohl fühlen und wünschen, die betroffenen Personen würden nicht so fühlen wie sie fühlen, wenn sie Schuldgefühle oder Wut äußern, oder Sie werden den Wunsch verspüren, sie von ihrem Leiden „zu heilen“.
Die Reaktionen der Person "normalisieren: Sagen Sie der betroffenen Person, dass das, was sie fühlt „... eine übliche Reaktion auf ein nicht-übliches Ereignis ist“ (Menschen kennen solche Reaktionen meist nicht an sich selbst und haben Angst, verrückt zu werden). Erklären Sie der betroffenen Person aber auch, dass sie im Zweifelsfall professionelle Hilfe aufsuchen soll und dass es kein Zeichen für eine geistige Erkrankung oder Schwäche ist, wenn man sich nach einem extrem belastenden Ereignis von jemandem helfen lässt.
Menschen fühlen sich nach belastenden Ereignissen sehr oft zwiegespalten - einerseits haben sie das Gefühl, dass sich die Welt genauso weiter dreht wie zuvor und andererseits wissen sie genau, dass alles, worauf sie sich verlassen konnten, zusammengebrochen ist.
Lassen Sie betroffene Menschen nicht allein!
Sollte es notwendig sein, dass Sie aus organisatorischen Gründen betroffene Personen alleine lassen müssen, so suchen Sie zuerst jemand anderen, der/die sich zwischenzeitlich um betroffene Personen kümmert. Das kann im Notfall jede anwesende Person sein, den/die Sie entsprechend instruieren: „Bitte bleiben Sie bei ... Suizidabsichten sollten immer ernst genommen werden. Sprechen Sie mit der Person, die Sie ablöst oder mit dem zuständigen Arzt oder der zuständigen Ärztin und lassen Sie die betroffene Person nicht allein!
Umgang mit Schuldgefühlen
Bei Schuldgefühlen ist dies besonders schwierig, weil Sie als Helfer:in in diesen Situationen den starken Impuls verspüren, den Personen ihre Schuldgefühle durch vorschnelle Erklärungen zu nehmen. Nahezu jede Person, die ein belastendes Ereignis erlebt hat, fühlt sich schuldig. Das ist ein Versuch der Person, der schmerzhaften Erkenntnis zu entkommen, dass Ereignisse eintreten könnten, die sie nicht unter Kontrolle hat. Lassen Sie das Sprechen über Schuldgefühle zu - Sie nehmen sonst den Betroffenen die Möglichkeit, sich auszusprechen!
Sie können niemandem die Schuldgefühle nehmen. Sie sollen sie allerdings auch nicht verstärken, indem Sie zustimmen oder gar Vorwürfe äußern. Nur wenn eine Person eine andere anwesende Person beschuldigt, sollten Sie klarstellen, dass gegenseitige Schuldzuweisungen im Augenblick nicht angebracht sind.
Wird ein Kind beschuldigt, dann stellen Sie sich bitte auf die Seite des Kindes! Denn Kinder sind besonders anfällig für Schuldgefühle, weil sie die Situation noch nicht wie Erwachsene begreifen können.
"Todsünden" im Umgang mit von traumatischen Ereignissen Betroffenen
Zu vermeiden sind jedenfalls Vorwürfe aller Art (diese entlasten bestenfalls den Helfer), Furcht erzeugende Diagnosen und Vermutungen ("das schaut aber übel aus, der kann das ja nicht überleben..."), Hektik (Gestik, Mimik, Tonfall, Sprechgeschwindigkeit) und "Gesprächsstörfaktoren" oder Floskeln (weil Sie Betroffenen damit vermitteln, dass Sie sie nicht ernst nehmen und ihre Bedürfnisse und Ängste abwerten). Zunächst soll eine Reduktion der emotionalen Überforderung der Person erreicht werden. Sie sollten so lange bei der Person bleiben, bis sie wieder in der Lage ist, selbständig zu „funktionieren“ oder Sie sorgen dafür, dass jemand anderer diese Aufgabe übernimmt.
Die meisten Lehrpersonen habe ein ganz gutes Gespür dafür, was ihre Schüler:innen brauchen und was nicht. Für Schüler:innen sind manche Lehrpersonen zudem Bezugspersonen, zu denen sie Vertrauen haben und an die sie sich wenden, wenn sie Probleme haben. Im Sinne dessen sind Lehrpersonen auch nach Krisenfällen wichtige Ansprechpartner:innen und es macht Sinn, dass gerade in kritischen Situationen Lehrpersonen mit "ihren" Schüler:innen sprechen.
Oft tritt dann die Verunsicherung auf, "ob man das schon kann...", "ob man nicht unbedingt professionelle Hilfe braucht...". Die meisten kritischen Situationen lassen sich mit Gefühl, Akzeptanz, Hausverstand, Einfühlungsvermögen und dem entsprechenden Vorwissen/Basiswissen ohne weitere zusätzliche Unterstützung bestens lösen.
Professionelle Hilfe braucht es dann, wenn Lehrpersonen und Schulleiter:innen mit der momentanen Situation überfordert sind.
Information führt häufig zur Reduktion von Schuldgefühlen und zur Richtigstellung von Fehlinformation. Bleiben Sie bei der Wahrheit, geben Sie aber Kindern die Informationen so, dass sie sie auch verstehen können.
Geben Sie keine Prognosen ab: Sagen Sie nicht "Er wird es sicher überleben…" oder "da besteht sicher keine Hoffnung mehr" - sagen Sie z.B. besser: "Er kommt jetzt in die Klinik, die Ärzte werden alles tun, was ihnen möglich ist..."
Kommunikation in der Notfallsituation
Im Alltagsgespräch verwendet man oft Floskeln, um die eigenen Gefühle zu verbergen, um Gesprächspausen, die unangenehm werden, zu füllen. Im Gespräch mit von einem Notfall betroffenen Menschen können sich Floskeln zu enormen Störfaktoren entwickeln, weil Sie Betroffenen damit vermitteln, dass Sie sie nicht ernst nehmen und ihre Bedürfnisse und Ängste abwerten. Die Gefahr, dass dies geschieht, ist besonders groß beim Trösten, Beruhigen und Ermutigen.
Es müssen nicht immer viele Worte sein, um zu vermitteln, dass Sie für Betroffene da sind.
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