Vater-Sohn-Beziehung in der Psychologie: Eine lebenslange Bindung

Was es bedeutet, ein Vater zu sein, hat sich innerhalb weniger Generationen stark verändert. Die Gesellschaft hat sich gewandelt, und es werden andere Ansprüche an Eltern gestellt als noch vor einigen Jahren, auch an Väter.

Die neue Vaterrolle und ihre Herausforderungen

Väter wollen - und sollen - heute vieles: Zeit mit der Familie verbringen, diese bestmöglich finanziell unterstützen, engagiert in der Erziehung und im Haushalt sein und ein verlässlicher, liebevoller Partner sein. Beruf, Familie und eigene Bedürfnisse lassen sich im Alltag kaum unter einen Hut bringen, es entsteht Druck und Stress. Väter verbringen dann oft viel Zeit im Beruf. Die Zeit als Familie ist schnell unwiederbringlich verpasst. Dabei tut eine gelungene Vater-Kind-Beziehung den Vätern und den Kindern gut. Ein ganzes Leben lang.

Wenn sich die Gesellschaft verändert, eröffnen sich dadurch auch Möglichkeiten, das eigene Vatersein aktiv zu gestalten. Dabei sich die Zeit zu nehmen, innezuhalten und zu reflektieren, welche Werte und Vorstellungen man mit dem Vatersein verbindet und wie man diese Vorstellungen in die Realität umsetzen könnte, kann immer wieder hilfreich sein. Nicht jede Tradition muss automatisch übernommen oder aufgegeben werden. Es ist ebenfalls ratsam, sich in der Partnerschaft über diese Gedanken auszutauschen. Die gegenseitige Unterstützung ist wichtig, auch da Väter vielleicht in Aufgabenbereiche vordringen, die traditionell der Mutter zugeschrieben werden und Frauen hier früher Aufgaben übernommen haben, in denen Neu-Väter vielleicht ungeübter sind. Verantwortungen, die traditionell den Vätern zugeschrieben waren, werden neu verteilt.

Diese Situation kann möglicherweise für beide verunsichernd sein. Väter machen sich manchmal Sorgen, dass sie nicht so gut sind wie die Mutter oder Fehler machen könnten oder haben das Gefühl, dass ihnen Kompetenz abgesprochen wird. Das Streben nach Perfektion ist nicht notwendig. Stattdessen ist es möglich, gemeinsam zu lernen.

Glück und soziale Beziehungen

Die Glücksforschung hat gezeigt, dass es vor allem langfristige soziale Beziehungen sind, welche Menschen glücklich machen. Es ist weniger Karriere und finanzieller Erfolg, die zur langfristigen Lebenszufriedenheit führen als vielmehr gute Beziehungen zu Familie und Freunden. Trotzdem herrscht die gängige Idee vom Vatersein, die Familie finanziell zu versorgen. Diese Traditionen sitzen tief und werden auch eingefordert, drohende Armut oder finanzieller Abstieg können schwere Verwerfungen und Leid erzeugen. Hier eine Balance zu finden zwischen unbezahlter Familienarbeit und traditioneller Familienversorgung ist nicht immer einfach und betrifft Väter und ganze Familien.

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Anstelle sich heroisch zu opfern, lohnt es sich vielleicht, daran zu arbeiten, dass Sie als Vater gut mit Ihrer Familie auskommen. Das würde bedeuten, dass Sie ähnliches brauchen wie die anderen in der Familie, nämlich gute Beziehungen. Väter können ein gleichwertiger Teil der Familie sein und stehen nicht außen vor.

Umgang mit Problemen

Es ist nicht immer einfach (ein Vater zu sein). Herausforderungen können zuhause, mit den Kindern, in Partnerschaften oder mit der Gesundheit auftreten und diese lassen sich nicht vermeiden. Die entscheidende Frage ist - wie geht man damit um? Reflektieren Sie, wie Ihr eigener Vater mit Schwierigkeiten umgegangen ist. Ist dies eine Tradition, die Sie übernehmen möchten oder verändern Sie diese lieber? Hier gibt es dennoch Entwicklungspotenzial: Oft wird versucht, mit Gewalt, Alkohol, Flucht in die Arbeit mit Problemen umzugehen. Dies verursacht sehr viel Leid.

Wie gehen Sie mit Problemen um? Wo gelingt es Ihnen, sich zu öffnen und die Stärke zu finden, sich Hilfe zu holen? Alle Menschen haben Herausforderungen. Holen Sie sich, was Sie wirklich brauchen, um damit langfristig fertig zu werden!

Anwesenheit und Abwesenheit

Zerrüttung und Konflikte sind belastend. Mit den Kindern spielen oder Aktivitäten mit der Familie können Spaß machen und stärken Bindungen. Sich Zeit für sich selbst und die Familie zu nehmen, lohnt sich, auch wenn der Alltag gerade stressig ist. Vielleicht ist hier Durchsetzungskraft gefragt, wenn Sie weniger Zeit im Beruf und mehr mit den Kindern verbringen möchten.

Eine gute Beziehung zu Menschen, die von Wohlwollen, Zuneigung und Geborgenheit geprägt ist, tut nicht nur Ihren Kindern, sondern auch Ihnen selbst gut. Die Abwesenheit von Vätern kann verschiedene Gründe haben und wirkt sich auf Kinder und Eltern aus. Konflikte und Trennungen auf der Paarebene sind einer der Gründe für mangelnden Kontakt zwischen Vätern und ihren Kindern. Deshalb haben Kinder und Eltern gesetzlich das Recht auf Kontakt und Zeit miteinander. Dieses zielt primär darauf ab, vor allem das Wohl der Kinder zu gewährleisten. Aber durch ein Kontaktrecht darf auch niemals der Gewaltschutz von Kindern und Frauen ausgehöhlt werden.

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Gemeinsam statt einsam

Tauschen Sie sich mit anderen Vätern aus. Offen und wertschätzend mit anderen Vätern zu sprechen, ohne in Konkurrenz zu gehen, kann entlasten. Den perfekten Vater, der allen Ansprüchen genügt, gibt es nicht. Zu sehen, dass nicht nur Sie, sondern auch andere Väter ähnliche Probleme haben, kann schon entlasten und Druck von Ihnen nehmen. Letztendlich geht es nicht darum, der perfekte Vater zu sein, sondern gut genug. Darum, eine Atmosphäre mitzutragen, die Geborgenheit, Sicherheit und Liebe innerhalb der Familie ermöglicht.

Die Rolle des Vaters in verschiedenen Entwicklungsphasen

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Vater-Kind-Beziehung in der Fachliteratur vorwiegend in der Ablösungsphase des Kindes von der Mutter und in der Geschlechtsidentität von Buben in der Pubertät eine Rolle gespielt hat. Wenn wir nun der Frage nachgehen, welche Rolle der Vater für ein neugeborenes Kind spielt, ist bemerkenswert, dass schon in dieser frühen Phase eine besondere Beziehung zu beobachten ist. Nähert sich die Mutter dem Säugling und nimmt dieser ihre Nähe, den Geruch und ihre Stimme wahr, verlangsamt sich seine Pulsfrequenz und die Motorik wird ruhiger. Wenn der Vater sich dem Säugling nähert, so beschleunigt sich Puls und Motorik und das Kind hebt die Schultern, wie wenn es einen Sprung machen möchte. Das könnte bedeuten, dass die Mutter in dieser frühen Lebensphase beim Kind Sicherheit und Geborgenheit auslöst, der Vater hingegen Aktivität und Neugier. Beide Impulse sind wesentlich für die Entwicklung eines Menschen.

Der Vater ist für kleine Kinder oft weniger vorhersehbar in seinem Verhalten als die Mutter, die sehr vertraut ist. Väter nehmen die Kleinen auf, balgen mit ihnen herum und sind allgemein nicht so vorsichtig in ihrem Umgang. Dadurch wird das kleine Kind zunächst irritiert und es kann bei Überforderung auch weinen, sodass die Mutter zu Hilfe kommt. Andererseits lernt das Kind Neues kennen, sich anders zu spüren und die eigenen Grenzen werden so bereits sehr früh erfahren. Das hat Folgen. Auch draußen in der Natur traut der Vater dem Kind häufig einiges zu, lässt es auf Bäume klettern oder macht mit ihm ein Lagerfeuer. Wenn Väter Kleinkinder in die KITA oder den Kindergarten bringen, werden diese häufig als weniger klammernd erlebt und lassen den Papa dann auch wieder leichter gehen.

Beobachtungen haben ergeben, dass Kinder in Anwesenheit des Vaters eher bereit sind, neue Spielsachen auszuprobieren und sich auch weiter aus der Sicherheitszone der Bezugsperson zu entfernen. Wenn der Vater den Raum verlässt, suchen sie diesen häufiger lediglich durch Blickkontakt. Wenn die Mutter geht, fangen sie hingegen schneller an zu weinen. Kinder jeden Alters lieben es, mit dem Vater herumzutollen und Spaßkämpfe zu führen. Inzwischen weiß man, dass solche Spiele dem Kleinkind schon sehr früh eine Ahnung von Fairness und Grenzen aufzeigen. Wenn der Vater beispielsweise „Stopp“ sagt und das Spiel unterbricht, wenn er einen Schlag auf die Nase bekommt, lernt das Kind, dass es Grenzen wahren sollte und probiert dann auch aus, eigene Grenzen zu signalisieren.

Es lässt sich während der ersten 6 Monate eindeutig erkennen, dass das Kind seinen Vater von seiner Mutter unterscheiden kann und mit beiden Eltern auf verschiedene Art zu kommunizieren vermag. Die Mutter ist für das Kleinkind meist beschützender, sanfter und in ihrem Verhalten vorhersehbarer. Der Vater ist fordernder und nicht so vorhersehbar in seinem Verhalten für das Kind. Während sich Mütter in der Regel sehr mit den ersten Lauten des Babys und den ersten Sprechversuchen befassen, sind auch hier die Väter oft anders. Mütter wählen eine kindgerechte Sprache, damit das Kleinkind sie je nach Alter und Entwicklungsstand auch verstehen kann. Väter sind nicht so „kindgerecht“ und nennen Dinge beim Namen, auch wenn sie das Kind noch nicht versteht. Ein „Gabelstapler“ heißt dann einfach so und wird vom Vater auch so genannt.

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Väter sind im Durchschnitt mit ihren Söhnen strenger und fordern Disziplin in Sport und Spiel, sie spielen auch wilder und direktiver mit einem Sohn. Mit der Tochter sind sie vorsichtiger und unterstützender. Auch heute noch fördern Väter bei den Söhnen den Umgang mit der dinglichen Welt, nehmen sie beim Reparieren des Autos oder beim Holzspalten mit. Die Töchter werden eher im Umgang mit anderen Menschen gefördert und auch unterstützt. Interessanterweise geben weibliche Führungskräfte häufig an, dass ihre Väter sie nicht geschont haben und ihnen Dinge zugetraut hätten in der Kindheit, die normalerweise den Buben vorbehalten bleiben.

Es ist nachgewiesen worden, dass Kinder mit Schulschwierigkeiten bessere Chancen haben, damit zurecht zu kommen, wenn sie vom Vater regelmäßig Unterstützung und Ermutigung erfahren.

Herausforderungen und neue Familienmodelle

Der Umbruch der Gesellschaft in Form neuer Geschlechtsidentitäten ist eine große Herausforderung nicht nur für Paare und Eltern, sondern auch für Kinder. Was ist, wenn ich als Kind nun zwei gleichgeschlechtliche Elternteile habe oder sich ein Elternteil für eine Geschlechtsumwandlung entscheidet? Das ergibt viele neue Fragen und Problemstellungen im Umgang mit dem Thema „Vater“.

Während bei einer Scheidung bzw. einer Trennung bisher die Kinder immer einem Elternteil zugesprochen wurden und den Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil hatten, gibt es aktuell in Österreich immer mehr richterliche Entscheidungen für ein sogenanntes Doppelresidenzmodell. Dabei haben die Kinder nach einer Trennung der Eltern zwei Wohnsitze und wechseln zum Beispiel wöchentlich zwischen dem Wohnsitz der Mutter und jenem des Vaters. Dies ist nur realisierbar, wenn die Wohnsitze nicht zu weit voneinander entfernt sind und ein Schulbesuch der Kinder an einem Ort möglich ist. Der Vorteil dieses Modells könnte sein, dass die Kinder nach einer Trennung weiterhin beide Eltern im Alltag erleben. Dies erfordert auch nach der Trennung jedoch einen guten Austausch der Eltern über die Belange der Kinder und auch über Erziehungshaltungen und Entscheidungen der Schulwahl und des Freizeitverhaltens.

Das Doppelresidenzmodell zeigt in der Praxis aber auch neue Herausforderungen für die Kinder, denen man bei der Entwicklung dieser Lösung bisher zu wenig Rechnung getragen hat: Ein Kind hat nicht mehr seinen vertrauten Rückzugsort im eigenen Kinderzimmer, in dem sich alle ihm wichtigen Dinge wie Spielsachen, Bücher, Bilder, Erinnerungen aber auch Kleidungsstücke usw. befinden, sondern zwei. Auch Freundschaften in der Nachbarschaft sind davon betroffen, wenn das Kind beispielsweise nur jede zweite Woche in diesem Haushalt wohnt.

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