Eine Bipolare Störung ist eine psychische Erkrankung, bei der die Stimmung zwischen zwei entgegengesetzten Extremen schwankt. Sie ist gekennzeichnet durch manische sowie depressive Episoden. Bei diesen wechseln die Stimmungen zwischen „himmelhoch jauchzend“ und „zu Tode betrübt“.
In extremen Hochphasen (Manie) sind Menschen mit einer Bipolaren Störung unter anderem überschwänglich, extrem aktiv, reizbar, sprunghaft und unruhig. Diese Hochphasen wechseln sich mit extremen Tiefphasen ab (Depression). In diesen fühlen sich Betroffene unter anderem sehr niedergeschlagen, antriebslos und ihr Selbstwertgefühl nimmt stark ab. Die depressiven Phasen überwiegen gewöhnlich.
Es gibt auch Mischformen, bei denen depressive und manische Symptome gleichzeitig auftreten. Zudem kann es vorkommen, dass die Manie nicht so stark ausgeprägt ist. Man spricht dann von Hypomanie. Hypomanische Symptome können auch im Rahmen einer Depression auftreten.
Wie es zu Bipolaren Störungen kommt, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. In der Fachwelt wird angenommen, dass mehrere Faktoren dabei eine Rolle spielen. Weiters dürften Umwelteinflüsse und Eigenschaften der Persönlichkeit eine Rolle spielen. Risikofaktoren für eine Depression - ob alleine oder als Episode im Rahmen einer Bipolaren Erkrankung - finden Sie unter Depression: Entstehung, Schutz und Risikofaktoren.
Ob einer Bipolaren Störung vorgebeugt werden kann, ist derzeit noch Gegenstand der Wissenschaft. Möglicherweise sind Stressbewältigungsstrategien für den Alltag hilfreich, um die Psyche zu entlasten. Menschen mit einer Bipolaren Störung haben ein erhöhtes Suizidrisiko.
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Die Kennzeichen einer Bipolaren Störung können sehr vielschichtig sein. Von der Bipolaren Störung abzugrenzen sind eine alleinige Depression sowie die Zyklothymie. Bei einer Zyklothymie kommt es zu einer andauernden Instabilität der Stimmung mit etlichen Phasen leichter Depression und leicht gehobener Stimmung. Auch eine Schizophrenie oder organische Ursachen müssen ausgeschlossen werden. Zudem können bestimmte Medikamente ähnliche Symptome wie die einer Manie oder Hypomanie hervorrufen (z.B. Kortison).
Je nachdem welche Symptome vorherrschen, wird die Bipolare Störung in Zusammenschau ihrer Episoden diagnostiziert - z.B. als Bipolar-I- oder Bipolar-II-Störung. Die Symptome sind jenen der hypomanischen Episode sehr ähnlich. Sie sind allerdings stärker ausgeprägt. Dies führt unter anderem auch zu sozialen Schwierigkeiten sowie Problemen im Arbeitsleben und in Beziehungen. Es fällt zunehmend schwer, die Folgen des eigenen Verhaltens einzuschätzen, bis dies schließlich nicht mehr möglich ist. Das kann auch zu gefährlichen Situationen führen.
Der manischen Episode geht oft eine Phase voraus, in der sich die Manie ankündigt: Das Energielevel steigt, das Schlafbedürfnis sinkt und die/der Betroffene fühlt sich zunehmend aufgewühlt. Depressive Episoden einer Bipolaren Störung unterscheiden sich nicht von schweren Stadien einer reinen Depression. Jedoch ist die Behandlung unterschiedlich. Bei einer gemischten Episode treten manische und depressive Symptome gleichzeitig auf. Das äußert sich z.B. in innerer Unruhe.
Behandlung der Bipolaren Störung
Bei der Akutbehandlung steht die Linderung der Symptome im Vordergrund. Ziel der meist anschließenden sogenannten Phasenprophylaxe ist die Reduktion bzw. Vermeidung von weiteren Episoden.
Die Behandlung einer Bipolaren Störung erfolgt in zwei Schritten:
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- Akuttherapie: Im Vordergrund steht die Verminderung der depressiven bzw. (hypo-)manischen Symptome.
- Phasenprophylaxe: Darunter versteht man eine vorbeugende Behandlung von (hypo-)manischen und depressiven Episoden. Das Auftreten von neuen Episoden sowie Einschränkungen der psychischen Funktion und Lebensqualität sollen dadurch vermieden werden.
Die Akuttherapie erfolgt meist in einem Krankenhaus, ggf. auch in einer Tagesklinik. Je nach Episode kommen Medikamente zum Einsatz sowie begleitende Therapien (z.B. Psychotherapie). Die Therapieziele sollten gemeinsam von Patientin/Patient und Ärztin/Arzt festgelegt werden.
Es finden engmaschige Kontrollen bei der Fachärztin/dem Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin) statt, um die aktuellen Ziele der Behandlung zu besprechen, den Verlauf zu kontrollieren und ggf. auch Behandlungsalternativen anzubieten.
Medikamentöse Behandlung
Welches Medikament bei einer Bipolaren Störung verschrieben wird, hängt vom jeweiligen Verlauf der Erkrankung ab. Vor einer medikamentösen Therapie sollten Laborwerte erhoben werden, die für die Verlaufsbeobachtung wichtig sind.
Folgende Medikamente können zum Einsatz kommen:
- Stimmungsstabilisierer (auch Phasenprophylaktika genannt): Dazu zählen etwa Lithium sowie die Antiepileptika Carbamazepin, Valproinsäure, Lamotrigin etc. und Antipsychotika.
- Antidepressiva: Diese sollen bei einer Bipolaren Störung nur in Zusammenhang mit Stimmungsstabilisierern und nicht in einer gemischten Episode zur Anwendung kommen.
Die Ärztin/der Arzt bespricht mit Ihnen die Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen bzw. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Die Einnahme von Medikamenten sollte immer mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt abgestimmt werden. Halten Sie sich an den verordneten Therapieplan - auch wenn eine längere Behandlung erforderlich ist. Damit können Sie Ihre Genesung maßgeblich unterstützen und Rückfällen vorbeugen.
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Psychotherapie
Psychotherapie ergänzt und unterstützt die medikamentöse Behandlung bei Bipolaren Störungen. Die Therapieziele werden gemeinsam mit der Patientin/dem Patienten festgelegt. Zum Beispiel: Symptome zu verstehen und zu mildern, die Lebensqualität zu steigern und Rückfälle zu verhindern.
Im Mittelpunkt stehen die therapeutische Beziehung, der Austausch und das Gespräch zwischen der Psychotherapeutin/dem Psychotherapeuten und der Patientin/dem Patienten über Gedanken, Gefühle, Beschwerden, Probleme im Alltag oder etwa die bisherige Lebensgeschichte. Diverse Übungen - je nach psychotherapeutischer Methode - können diesen Austausch unterstützen bzw. festigen. Auch soziale Kompetenzen können dabei erweitert werden.
Die sogenannte Psychoedukation ist ein wichtiger Baustein der Behandlung. Bei dieser soll das Verständnis für die Störung gefördert und der Bezug zum Alltag erläutert werden. Betroffene können so unter anderem auch lernen, ihr Verhalten, Fühlen und Denken besser zu verstehen und zu beobachten sowie bei nahenden Episoden so gut wie möglich gegenzusteuern.
Es wird dabei unter anderem besprochen welche Warnzeichen früh erkannt werden könnten, welche Lebensstilfaktoren hilfreich oder hindernd sein können und wie man mit Rückschlägen oder Stimmungsschwankungen umgehen kann.
Weitere Therapiemöglichkeiten
Es gibt weitere Therapiemöglichkeiten, die je nach Bedarf eingesetzt werden können:
- Lichttherapie: Bei einer depressiven Episode - vor allem mit deutlicher Wiederkehr in den Wintermonaten - kommt diese Methode zum Einsatz.
- Wachtherapie: Diese Behandlungsform eignet sich ebenso für depressive Episoden.
- Elektrokonvulsionstherapie (EKT): Bei der EKT (früher auch Elektrokrampftherapie genannt) wird ein generalisierter Krampfanfall künstlich durch elektrische Erregung des Gehirns erzeugt.
- Sport/Bewegungstherapie: Sportliche Aktivität bzw. Bewegung wirkt sich positiv auf die psychische Befindlichkeit aus.
- Entspannungsmethoden: Durch das Erlernen und Ausüben von Entspannungstechniken unter professioneller Anleitung wird gelernt, mit Belastungen besser umzugehen und zur Ruhe zu kommen (z.B. Progressive Muskelentspannung nach Jacobson).
- Ergotherapie: Mittels Ergotherapie soll es Betroffenen möglich gemacht werden, wieder mehr am Leben teilzunehmen.
- Musiktherapie oder klinisch-psychologische Behandlung können ebenfalls zum Einsatz kommen.
Hilfreich sind zudem ein guter Tagesrhythmus und eine ausgewogene Balance zwischen Anforderungen im Alltag und Erholungsmöglichkeiten. Zudem ist ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus empfehlenswert. Alkohol und Drogen hingegen verschlimmern die Erkrankung. Auch Stimmungstagebücher können unterstützend sein. Darin werden die Stimmung, wichtige Tagesereignisse, Therapiemaßnahmen etc. festgehalten.
In einer Selbsthilfegruppe können sich Betroffene zudem austauschen und voneinander lernen. Zudem bieten psychosoziale Dienste Unterstützung für den Alltag. Die Bipolare Störung führt meist zu Beeinträchtigungen im Umgang mit dem sozialen Umfeld. Daher ist es für Betroffene und auch ihre Angehörige wichtig, die soziale Teilhabe wieder zu ermöglichen.
Verlauf und Prognose
Der Verlauf einer bipolaren Störung unterscheidet sich von Person zu Person. Es gibt Patienten, bei denen die manisch-depressiven Episoden mit dem Alter schwächer werden, nur noch selten auftreten oder ganz ausbleiben. Andere begleitet die Erkrankung ein Leben lang. Methoden zur sicheren Heilung gibt es nicht.
Die Dauer der Krankheitsepisoden bei einer Bipolaren Störung kann zwischen einigen Tagen, mehreren Monaten und in sehr seltenen Fällen einige Jahre betragen. Durchschnittlich dauert eine Krankheitsepisode unbehandelt zwischen vier und zwölf Monaten. Manische, depressive oder gemischte Phasen können dabei auch ineinander übergehen.
Zwischen einzelnen Episoden können mehrere Monate oder Jahre liegen - im Durchschnitt zwei bis drei Jahre. In diesen kann die Patientin/der Patient beschwerdefrei sein oder zumindest eine stabile Stimmung aufweisen. Die Anzahl der Episoden kann sehr stark schwanken. Während manche Menschen ein oder zwei Episoden in ihrem Leben haben, erkranken andere deutlich häufiger. Im Durchschnitt kommt es bei Menschen mit Bipolaren Störungen zu etwas vier Episoden innerhalb der ersten zehn Jahre der Erkrankung. Je nach Art und Häufigkeit der Episoden richtet sich auch die Behandlung danach.
Die bipolare Störung macht sich meist erstmals im Alter zwischen 15 und 25 Jahren bemerkbar. Dabei gilt: Je früher die bipolare Störung auftritt, desto ungünstiger ist meist der Verlauf. Laut Studien besteht bei jungen Patienten eine höhere Suizidalität, und es treten oft weitere psychische Störungen auf.
Experten schätzen die Rate an Suiziden bei bipolaren Patienten auf circa 15 Prozent. Neben einem jungen Ersterkrankungsalter gibt es noch weitere Risikofaktoren für einen schweren Verlauf bei bipolarer Störung, sprich für häufig wiederkehrende Episoden. Dazu zählen weibliches Geschlecht, schwerwiegende Lebensereignisse, gemischte Episoden, psychotische Symptome (wie Halluzinationen) sowie ungenügendes Ansprechen auf die phasenprophylaktische Therapie.
Wichtig für die Prognose ist, eine bipolare Störung möglichst früh zu diagnostizieren und zu behandeln. Unbehandelt treten die manischen und depressiven Phasen immer öfter auf. Je mehr solcher Krankheitsepisoden ein Patient durchgemacht hat, desto schlechter wirkt in der Regel die Behandlung. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eine rechtzeitige fachgerechte Therapie den Verlauf deutlich verbessern kann.
Leider können aber auch dann Rückfälle nicht ausgeschlossen werden. Die Symptome der bipolaren Störung und damit der Leidensdruck lassen sich durch die Medikamente (und andere Behandlungsmaßnahmen) aber deutlich abschwächen.
Frühwarnzeichen und Einbeziehung von Angehörigen
Auf mögliche Warnsignale zu achten und die Selbstwahrnehmung zu schulen, kann Betroffenen und Angehörigen helfen, Krankheitsepisoden früh zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern bzw. zu helfen. Gefühl, durch nichts zu stoppen zu sein und alles zu können.
Eine Miteinbeziehung von nahen Angehörigen in die Therapie von Betroffenen mit Bipolarer Störung ist meist hilfreich. Voraussetzung dafür ist, dass die Patientin/der Patient damit einverstanden ist. Besonders bewährt hat sich ein trialogischer Zugang. Der „Trialog“ bezeichnet gemeinsame Gespräche zwischen Betroffenen, Angehörigen und professionellen Helferinnen/Helfern auf Augenhöhe. Dies ermöglicht es auch, besser an einem Strang zu ziehen, um die mit der Patientin/dem Patienten vereinbarten Therapieziele zu erreichen. Auch Selbsthilfegruppen für Angehörige bieten Möglichkeiten zum Austausch und zur Hilfe.
Diagnose und Behandlung durch Fachpersonal
Die Diagnose und Behandlung einer Bipolaren Störung erfolgt durch die Fachärztin/den Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin). Für Jugendliche unter 18 Jahren stehen auch spezialisierte Kinder- und Jugendpsychiaterinnen/Jugendpsychiater zur Verfügung. In die Diagnose bzw. Therapie werden meist weitere Gesundheitsberufe wie Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten, klinische Psychologinnen/klinische Psychologen oder Ergotherapeutinnen/Ergotherapeuten miteinbezogen.
Bei einem psychiatrischen Notfall (z.B. Suizidgefahr) ist rasche medizinische Hilfe unumgänglich. Rufen Sie in diesen Fällen sofort die Rettung unter 144! Wenn dies möglich ist, kann auch die nächstgelegene Ambulanz für Psychiatrie aufgesucht werden.
Die e-card ist Ihr persönlicher Schlüssel zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von Ihrem zuständigen Sozialversicherungsträger übernommen. Bei bestimmten Leistungen kann ein Selbstbehalt oder Kostenbeitrag anfallen.