TK Netzwerk psychische Gesundheit: Erfahrungen und Einblicke

Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiges Thema, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Weltweit gehören psychische Erkrankungen zu den häufigsten Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen mit einer Punktprävalenz von mindestens 15 % und einer Lebenszeitprävalenz bis zum Erwachsenenalter von bis zu einem Drittel.

Dieser Artikel beleuchtet die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgungslage in den deutschsprachigen Ländern Österreich, Deutschland und Schweiz. Zunächst werden epidemiologische Eckdaten sowie unterschiedliche Traditionen und Behandlungsphilosophien und deren Niederschlag im öffentlichen Gesundheitssystem der drei Länder vorgestellt. An dieser Stelle sollen die wichtigsten epidemiologischen Studien der drei Länder Österreich, Deutschland und Schweiz vergleichend dargestellt und ein Bezug zum jeweiligen Versorgungssystem hergestellt werden. Das Wissen um die Prävalenz und Inzidenz von psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter ist besonders wichtig zur Planung von Behandlungseinrichtungen.

Epidemiologische Studien und Versorgungslage

Die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung ist durch eine hohe Komplexität (multiprofessionell), durch unterschiedliche Settings wie ambulant, stationär, teilstationär und aufsuchend bei unterschiedlichen Kostenträgern und unterschiedlich ausgerichteten gesundheitspolitischen Zielen gekennzeichnet. Bei schweren psychiatrischen Erkrankungen sowie bei akuter Eigen- und Fremdgefährdung ist das derzeit vorherrschende Modell eine spezialisierte (akut-)stationäre Behandlung. Jedoch bestehen Kapazitätsengpässe - die sich durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie deutlich verstärkt haben - aufgrund von fehlenden Behandlungsplätzen und einer geografisch sehr unterschiedlichen Versorgungslage, was im Folgenden aufgezeigt werden soll.

Österreich

In der österreichischen kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung besteht - wenn man die epidemiologische Datenlage, die deutliche Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes der Kinder und Jugendlichen durch die Pandemie sowie die bisher niedrigen Bettenmessziffern (0,03-0,09) zugrunde legt - dringender Handlungsbedarf. Die europäischen Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wollen eine bessere und bedeutungsvolle Zukunft für die Kinder und Jugendlichen in Europa.

Die „Health Behaviour in School-aged Children“-Studie (HBSC) ist die größte Studie zur Kinder- und Jugendgesundheit in Europa. Sie erhebt im Vier-Jahres-Rhythmus Daten zu Gesundheit, Gesundheitsverhalten und Einflussfaktoren auf die Gesundheit von Schüler:innen aus den Sekundarstufen 1 und 2. Die Studie erfasst die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten der österreichischen Schüler:innen im Alter von 11, 13, 15 und 17 Jahren. Für die Messung der psychischen Gesundheit wurden die Variablen Lebenszufriedenheit, psychische Beschwerden und emotionales Wohlbefinden herangezogen. Die durchschnittliche Lebenszufriedenheit der österreichischen Schüler:innen vor der COVID-19-Pandemie betrug 7,8 auf einer Skala von 0 bis 10. Der Mittelwert für das emotionale Wohlbefinden lag in der HBSC-Studie 2018 bei 49,5 für Mädchen und 58,0 für Burschen.

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Darüber hinaus hat sich in Österreich die „Mental Health in Austrian Teenagers“-Studie (MHAT) mit der Epidemiologie im Bereich der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beschäftigt. 3477 Jugendliche im Alter zwischen zehn und 18 Jahren nahmen daran teil. Ein Großteil des Samples wurde dabei über Schulen (5., 7., 9. und 11. Klasse) in allen Bundesländern rekrutiert. Zunächst wurden mittels Screeningfragebögen internalisierende und externalisierende Störungen erhoben, bevor in einem weiteren Schritt klinisch-psychologische Interviews zu DSM‑5 Störungen durchgeführt wurden. Die Punktprävalenz für eine psychische Störung lag in der MHAT-Studie bei 23,9 % und es wurde eine Lebenszeitprävalenz von 35,8 % ermittelt. Am häufigsten traten Angststörungen gefolgt von Störungen der neuronalen oder psychischen Entwicklung (inklusive Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung und Ticstörungen) und depressiven Störungen auf. Auch ein Geschlechtsunterschied wurde ersichtlich.

Nur ca. 50 % der untersuchten Kinder und Jugendlichen mit einer psychischen Störung erhielten auch eine entsprechende Behandlung, was im Umkehrschluss bedeutet, dass knapp 50 % unbehandelt blieben - obwohl sich 18,1 % eine Behandlung wünschten. Bei weiteren 12,7 % wurden zudem nicht die vollständigen Kriterien einer psychischen Störung erfüllt, aber es bestanden deutliche Symptome. Kaum jemand aus dieser Subgruppe gab an irgendeine Form von Unterstützung zu bekommen.

Deutschland

Auch in Deutschland werden im Rahmen der HBSC-Studie Prävalenzen zum subjektiven Gesundheitszustand, zur Lebenszufriedenheit und zu psychosomatischen Beschwerden von 11-, 13- und 15-jährigen Kindern und Jugendlichen erfasst. Im Jahr 2017/18 schätzten die meisten der N = 4347 deutschen Kinder und Jugendlichen ihre Gesundheit und Lebenszufriedenheit positiv ein. Nichtsdestotrotz litt etwa ein Drittel der Mädchen und ein Fünftel der Jungen unter mehreren (multiplen) psychosomatischen Beschwerden. Die Beeinträchtigungen im subjektiven Wohlbefinden zeigten sich vor allem bei Mädchen, älteren Jugendlichen, Jugendlichen mit geringerem familiären Wohlstand sowie bei hoher schulischer Belastung.

Neben der HBSC-Studie gibt es in Deutschland die BELLA-Studie („BEfragung zum seeLischen WohLbefinden und VerhAlten“), die Teil der KiGGS-Studie („Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“) ist, und insbesondere psychische Gesundheit und Wohlbefinden erfasst. Die BELLA-Basiserhebung fand zwischen 2003 und 2006 statt, darauf folgten Welle 1 (2004-2007), Welle 2 (2005-2008), Welle 3 (2009-2011) und Welle 4 (2014-2017). An der Basiserhebung nahmen 2863 Familien mit Kindern und Jugendlichen im Alter von sieben bis 17 Jahren teil. 14,5 % der untersuchten Teilnehmer:innen wiesen nach dem „Strenghts and Difficulties Questionnaire“ (SDQ) mindestens eine psychische Störung auf. Auch hier berichteten weniger als die Hälfte der Kinder eine entsprechende Behandlung zu bekommen.

Im Jahr 2020 wurden Ergebnisse eines elfjährigen Beobachtungzeitraums publiziert. 3492 Personen im Alter von sieben bis 31 Jahren nahmen daran teil. Das Wohlbefinden wurde von jüngeren und männlichen Teilnehmern besser eingeschätzt als von älteren und weiblichen. Psychische Probleme in jungen Jahren sagten auch Beeinträchtigungen nach elf Jahren voraus.

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Schweiz

Die HBSC-Studie in der Schweiz kam zum Ergebnis, dass der Großteil der befragten Schüler:innen über eine hohe Lebenszufriedenheit verfügt. Jungen schätzten ihre Lebensqualität tendenziell etwas höher ein als Mädchen. In der Schweiz gibt es einzelne nicht-repräsentative Studien zu Prävalenzen psychischer Erkrankungen vor allem bei spezifischen Personengruppen, z. B. bei delinquenten Jugendlichen.

Es gibt keine aktuellen national repräsentativen Zahlen zur Prävalenz psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Es existieren lediglich Referenzwerte der im Kanton Zürich durchgeführten ZESCAP-Studie („Zurich Epidemiological Study of Child and Adolescent Psychopathology“) von 1994 sowie der darauf aufbauenden Längsschnittstudie ZAPPS („Zürcher Adoleszenten-Psychologie- und Psychopathologie-Studie“), wo zwischen 1994 und 2004/05 Daten erhoben wurden.

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Mit der COVID-19-Pandemie hat sich die Situation der Kinder und Jugendlichen noch verschärft. Schmidt et al. führten im Frühling 2020 eine repräsentative Studie zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (0-19 Jahre) aus Österreich, Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz durch. Zwischen 2,2 % und 9,9 % der Kinder und Jugendlichen wiesen emotionale Probleme und Verhaltensprobleme auf. 15,3 bis 43 % berichteten, dass diese Probleme während der Pandemie angestiegen sind.

In der „Tiroler COVID-19-Kinderstudie“ gaben die Eltern im Dezember 2021 sowohl für die Kindergarten- als auch die Grundschulkinder mehr internalisierende Probleme und posttraumatische Stresssymptome an als die Eltern zu Beginn der Pandemie im März 2020. Subjektives Bedrohungserleben und ökonomische Schwierigkeiten waren die besten Prädiktoren für eine verschlechterte psychische Gesundheit der Kinder. Der psychischen Gesundheit der österreichischen Jugendlichen (mittleres Alter: 16,3 Jahre, Standardabweichung: 1,4 Jahre) nahmen sich Dale et al. an. Im September bis November 2021 wiesen 62 % der österreichischen Mädchen und 38 % der österreichischen Jungen klinisch relevante depressive Symptome auf. 49 % der Mädchen und 29 % der Jungen hatten klinisch relevante Ängste und 28 % der Mädchen und 17 % der Jungen waren von Schlaflosigkeit betroffen. Die Prävalenz von Suizidgedanken innerhalb der letzten zwei Wochen betrug 47 % bei den Mädchen und 32 % bei den Jungen.

In einer „Gesund & Leben“-Umfrage mit österreichischen Schulärzt:innen gaben mehr als 81 % der Ärzt:innen an, dass sich der allgemeine Gesundheitszustand der Schüler:innen in der COVID-19 Pandemie verschlechtert hat. Sämtliche Schulärzt:innen sagten unisono, dass die psychische Belastung aufgrund der COVID-19 Pandemie bei den Schüler:innen zugenommen hat, 78 % meinten sogar „stark“ oder „sehr stark“.

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Der Anstieg des Mental-Health-Bedarfes zeigte sich auch an der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie Hall i. T.: Während es im Jahr 2020 keine Veränderung in der Gesamtanzahl der Akutaufnahmen im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 gab, stiegen die Akutaufnahmen im Jahr 2021 um 40 %.

In Deutschland haben Ravens-Sieberer und Kolleg:innen in der Coronazeit die längsschnittliche, repräsentative COPSY-Studie („COrona und PSYche“) durchgeführt und die Daten aus der Coronazeit mit den Prä-Corona-Daten der BELLA-Studie verglichen. Vor der COVID-19-Pandemie wiesen 15 % der deutschen Kinder und Jugendlichen eine niedrige gesundheitsbezogene Lebensqualität auf. Dieser Prozentsatz stieg in der Pandemie stark an (Mai/Juni 2020: 40 %; Dezember 2020/Januar 2021: 48 %; September/Oktober 2021: 35 %). Auch die Gesamtprävalenz psychischer Gesundheitsprobleme stieg von 18 % vor der Pandemie auf 29 % zu Erhebungszeitpunkt 1, 31 % zu Erhebungszeitpunkt 2 und 28 % zu Erhebungszeitpunkt 3. Angstzustände und depressive Symptome nahmen zu.

Eine Studie mit Schweizer Kinder und Jugendlichen zwischen sieben und 18 Jahren zeigt ein etwas anderes Bild als die österreichischen und deutschen Studien. Während das Wohlbefinden der Schweizer Kinder und Jugendlichen in der ersten Coronawelle im April/Mai 2020 beeinträchtigt war, erholte sich laut Schweizer Daten das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen im weiteren Verlauf der Pandemie.

Versorgungssituation in Österreich

Eine Einschätzung der Versorgungssituation für Österreich gelingt mit aktuell zur Verfügung stehenden Daten deutlich besser als noch vor einigen Jahren. Einerseits wurden 2017 mit der MHAT-Studie repräsentative epidemiologische Prävalenzdaten für österreichische Kinder und Jugendliche veröffentlicht. Die GÖG („Gesundheit Österreich GmbH“) veröffentliche zuletzt 2016 das Papier „Integrierte psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen“.

Die stationäre und ambulante medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen wird im „Österreichischen Strukturplan Gesundheit“ (ÖSG) in der Letztfassung von 2017 geregelt. Der ÖSG gilt als das zentrale Planungsinstrument des österreichischen Gesundheitswesens und ist Bestandteil der laufenden „Zielsteuerung Gesundheit“. Das Dokument wurde zuletzt vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) herausgegeben und steht über das „Rechtsinformationssystem des Bundes“ (RIS; ris.bka.gv.at) zum Download zur Verfügung. Für Abteilungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) sind darin Bedarfsrichtwerte in Form von sogenannten „Bettenmessziffern“ sowie in Form von Erreichbarkeitskriterien festgelegt.

Als Bettenmessziffer (BMZ) wird die Zahl von Behandlungsplätzen pro 1000 Einwohner:innen definiert, die zu einer ausreichenden Versorgung notwendig ist. Im Fall der KJP wurden im ÖSG folgende Richtwerte definiert: BMZ von 0,11 (geltend für alle intramuralen Angebote, also vollstationäre sowie tagesstationäre Plätze), Erreichbarkeit innerhalb von 60 min sowie eine minimale Bettenzahl von 30. Im ÖSG ist die real erreichte BMZ für 2018 mit 0,05 angegeben. Damit standen in Österreich 2018 weniger als die Hälfte der für eine ausreichende Versorgung notwendigen voll- bzw. teilstationären Plätze zur Verfügung.

Fliedl et al. betonen, dass sich die reale BMZ seither durch einen Ausbau der Kapazitäten auf zuletzt 0,06 erhöht haben dürfte. Zugleich betonen die Autor:innen, dass große regionale Unterschiede bestehen: Die anzustrebende BMZ von 0,11 sei in Vorarlberg und Salzburg nahezu erreicht, in der Steiermark und Wien aber mit 0,04 bzw. 0,05 unter der Hälfte des zu erreichenden Wertes. Die Autor:innen geben an, dass insgesamt österreichweit bei einer BMZ von 0,11 890 voll- bzw.

Der stationäre Bereich wird durch ambulante Angebote ergänzt. Diese können einerseits in Form von Ambulanzen bzw. Ambulatorien, andererseits durch niedergelassene Fachärzt:innen erfolgen. Fliedl et al. geben als zu erreichende Versorgungsdichte ein Ambulatorium pro 250.000 Einwohner:innen an, d. h. einen Gesamtbedarf von 36 Ambulatorien für Österreich. Derzeit liegt die Gesamtzahl der verfügbaren Ambulanzen bzw. Ambulatorien in Österreich bei 22. Auch hier zeigen sich große regionale Unterschiede zwischen Regionen ausreichender Versorgung (Salzburg, Vorarlberg) und unterversorgten Bundesländern wie Oberösterreich oder Wien.

Als dritte Säule der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung gelten niedergelassene Fachärzt:innen, die in Praxen, teils mit Kassenverträgen, teils als Wahlärzt:innen tätig sind. Hier besteht nach Fliedl et al. österreichweit bevölkerungsbezogen ein Bedarf von 111 vollzeitäquivalenten Kassenstellen zur Minimalversorgung. Von diesen waren 2019 32 Stellen besetzt.

Eine weitere Problematik besteht nach Fliedl et al. in der Personalentwicklung von Fachärzt:innen für KJP bzw. KJPP. Von den Autor:innen wird auf Basis der derzeitigen jährlichen Abschlüsse sowie der zu erwartenden Abgänge durch Pensionierungen eine stagnierende Zahl von Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) bzw. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medzin (KJPP) prognostiziert.

Trotz eines fortschreitenden Ausbaus von stationären Kapazitäten sind die Ressourcen diesbezüglich erst in etwa bei der Hälfte der nötigen Plätze angelangt, die vor der Pandemie im ÖSG als ausreichend genannt wurden. Besonders eklatant stellt sich die Lage im Bereich der niedergelassenen Fachärzt:innen dar, wo weniger als ein Drittel der benötigten Praxen zur Verfügung stehen.

Das Projekt CHIMPS-NET

Etwa drei Millionen Kinder in Deutschland haben eine Mutter oder einen Vater mit einer psychischen Erkrankung. Rund zwei Drittel dieser Kinder sind gefährdet, selber eine psychische Störung zu entwickeln. Der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss hat nun 6,8 Mio. Euro bewilligt, um bundesweit die psychodynamische Versorgung dieser Kinder und Jugendlichen zu etablieren. Das Projekt ist international einzigartig.

Das Projekt CHIMPS-NET (Children of mentally ill parents) will ein bundesweites Netzwerk aufbauen, um auch die Kinder psychisch erkrankter Eltern zu unterstützen. Sie haben ein sieben- bis achtfach erhöhtes Risiko, selber psychisch zu erkranken. Obwohl das seit rund fünfzehn Jahren bekannt ist, werden die Kinder in der Erwachsenenpsychiatrie oftmals übersehen.

Psychodynamische Verfahren umfassen zum einen die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und zum anderen die Psychoanalytische Psychotherapie, einschließlich die Psychoanalyse im engeren Sinne. Psychodynamische Therapien haben die Lebensgeschichte und frühkindlichen Beziehungserfahrungen im Fokus. Wenn eine Mutter z.B. unter Depressionen leidet und nicht einfühlsam auf ihr Kind eingehen kann, lernt dieses Kind, dass es allein ist und sich selber helfen muss. Dieses Muster nimmt es auch in andere Beziehungen mit. Das Projekt nimmt diese Beziehungsproblematik wahr und bearbeitet sie gemeinsam mit dem Kind und seinen Eltern.

Die frühkindlichen Erfahrungen werden aufgelöst, indem zum Beispiel Verständnis für die Hintergründe entwickelt und bei Bedarf auch konkrete weitergehende Hilfen bahnen. Die Kinder leben in einem Alltag, in dem sich die Eltern nicht immer adäquat um sie kümmern können. Depressionen, Suchterkrankungen oder Psychosen etwa schränken die Eltern phasenweise sehr ein. Sie haben dann mit sich selbst genug zu tun. Oftmals werden diese Kinder dann zu den Eltern ihrer Eltern und jüngeren Geschwister. Dieses Phänomen nennt man Parentifizierung. In einem gewissen Maße kann die Situation der Kinder sogar ihre Fähigkeit unterstützen, im späteren Leben Verantwortung zu übernehmen und Probleme selbstständig anzugehen. Sie kann, wenn auch in geringem Ausmaß, damit ihre Resilienz unterstützen.

Das Projekt sieht die ganze Familie. In zwei bis drei Elterngesprächen beleuchten wir die Situation der Erwachsenen sowie ihre Paarbeziehung. Danach widmen wir uns jedem Kind in einem eigenen Termin, bevor wir drei bis vier Gespräche mit der ganzen Familie führen. In den insgesamt etwa acht bis zehn Sitzungen, die sich über ein halbes Jahr erstrecken, ermitteln wir auch, an welcher Stelle die Familie Unterstützung von außen benötigt. Im Anschluss bieten wir im Rahmen von 14-tägigen Treffen von Kinder- und Jugendgruppen weitere Hilfe an.

Das Projekt ist in 15 Bundesländern angelegt. Das Projekt umschließt 30 Partner, darunter 18 Erwachsenen- und Kinder- und Jugendpsychiatrische Kliniken, Evaluatoren und fünf große Krankenkassen wie die TK, Barmer, DAK, Gesundheit KKH und BKK Mobil Oil, mit denen wir die Finanzierung klären mit dem Ziel, diese auch später in die Regelversorgung zu übernehmen. In dem Projekt sind auch systemische, Gesprächs- und Verhaltenstherapeuten beteiligt, für die wir Schulungen in psychodynamischer Arbeit anbieten.

In diesem zunächst auf drei Jahre angelegten Projekt können wir 1.000 Familien mit im Schnitt zwei bis drei Kindern ansprechen. Das heißt, wir können 2.000 bis 3.000 Kindern mit unserer psychodynamischen Intervention helfen.

Resilienz als wichtige Fähigkeit

Von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter ist unser Lebensweg von Herausforderungen durchzogen: Widrige Umstände, Ereignisse, die einen aus der Bahn werfen, aber auch langandauernde Krisen, gesundheitliche Probleme, Stress, starke Belastung am Arbeitsplatz oder auch die gewöhnlichen Probleme des Alltags wollen bewältigt werden. Um diese Krisen zu meistern, hat der Mensch eine Fähigkeit entwickelt, damit umzugehen: Resilienz.

Der Begriff stammt vom lateinischen Wort "resilire", was so viel bedeutet wie "abprallen" oder "zurückspringen". In der Psychologie versteht man darunter die Fähigkeit, mit innerer Stärke bzw. psychischer Widerstandsfähigkeit auf äußere Faktoren angemessen zu reagieren. Es handelt sich also um eine Art "seelisches Immunsystem". Es soll uns ermöglichen adäquat zu reagieren und handlungsfähig zu bleiben. Resilienz beschreibt also die Fähigkeit, Schicksalsschläge und Krisen zu bewältigen und dabei die eigene psychische Gesundheit trotz widriger äußerer Umstände aufrechtzuerhalten oder zumindest zeitnah wiederherzustellen.Unzureichende Bewältigungskompetenz kann zu Unsicherheit, Stress und psychischen Belastungen führen.

Bereits in den 1950er Jahren führte der amerikanische Psychologe Jack Block eine Langzeitstudie zur psychischen Widerstandskraft bei Kindern durch und prägte den Begriff. Auch im benachbarten Deutschland findet Forschung zum Thema Resilienz statt, beispielsweise am 2014 gegründeten Deutschen Resilienz-Zentrum in Mainz.

Zunächst ging die Resilienzforschung davon aus, dass Resilienz eine Art starre Persönlichkeitseigenschaft ist. Mittlerweile setzt sich eher eine Auffassung durch, die Resilienz als einen immerfort stattfindenden Interaktionsprozess mit der Außenwelt begreift. Die Resilienzforschung hat diesen Prozess der Anpassung in Form einer veränderten Widerstandsfähigkeit untersucht und festgestellt, dass er maßgeblich durch drei Säulen bestimmt wird:

  • Es gibt einen auslösenden Faktor, der Resilienz erfordert, beispielsweise eine konkrete Krise, dauerhafter Stress oder Traumata.
  • Außerdem können Ressourcen gefunden werden, die die seelische Widerstandsfähigkeit positiv beeinflussen. Ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein sowie eine positive Einstellung zum Leben begünstigen eine gute Resilienz.
  • Hat man eine ausgeprägte eigene Resilienz, verhilft dies dem Menschen zur Fähigkeit, Menschen und Dinge anders zu beurteilen, die Einstellung zum eigenen Leben zu verändern und auch entsprechende Konsequenzen zu ziehen, d.h. Veränderungen im Verhalten herbeizuführen.

Ein sehr wichtiger Faktor dabei ist ein intaktes soziales Netzwerk, das den Menschen auffangen kann. Gute Beziehungen zu anderen Menschen tragen auf diese Weise zur psychischen Gesundheit bei, stärken uns und fördern durch soziale Unterstützung die eigene seelische Widerstandskraft. Ein intaktes Netzwerk aus Familie, Freunden und Bekannten kann dabei nicht nur ganz praktische Unterstützung in Notlagen oder schwierigen Lebensphasen bieten, sondern bietet auch emotionale Sicherheit, in Krisenzeiten nicht auf sich allein gestellt zu sein.

In gewissen Umfang kann resilientes Verhalten trainiert werden. Das umfangreiche Wissen aus den letzten Jahrzehnten der Forschung kann durchaus dazu genutzt werden, die eigene Widerstandsfähigkeit zu fördern, um sich im Umgang mit Problemen zu stärken. Resiliente Menschen werden so in die Lage versetzt, Störungen nicht nur als Krisen-Situationen zu begreifen, sondern auch als Herausforderungen, aus denen sich Wachstumschancen ergeben.

Tipps für mehr Resilienz und seelische Gesundheit:

  • Erholung zulassen! Nicht nur die Muskeln benötigen Erholungspausen, um zu wachsen und zu regenerieren.
  • lernen, auch mal "nein" zu sagen
  • schöne Momente voll auskosten
  • Hilfe annehmen
  • verzeihen und loslassen
  • sich ein starkes soziales Netzwerk aufbauen
  • ein Erfolgstagebuch führen: Ein Zurückblicken auf bereits erzielte Erfolge und damit verbundene Glücksmomente steigern die Selbstwirksamkeitserwartung
  • meditieren, um Achtsamkeit zu erhöhen
  • positive Glaubenssätze entwickeln
  • bewusst leben

Unterstützung durch Heilpflanzen

In solchen Fällen können auch Heilpflanzen wie die Passionsblume dazu beitragen, sich diesen Situationen besser zu stellen und solche Phasen zu überwinden bzw. gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Pflanzliche Extrakte aus Heilpflanzen wie der Passionsblume können dabei einen Beitrag leisten, wieder zur Ruhe zu kommen, wenn z.B. Stress überwiegt und trotzdem mental leistungsfähig zu bleiben.

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