ADHS und Schlafstörungen: Ein umfassender Überblick

Schlafstörungen sind eine häufige Begleiterscheinung bei Kindern und Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Berichten zufolge leiden bis zu 70% der Kinder mit ADHS unter Schlafstörungen. Diese Störungen können sich in Form von Einschlafproblemen, unruhigem Schlaf, nächtlichem Erwachen und Schwierigkeiten beim morgendlichen Aufwachen äußern.

Der Zusammenhang zwischen ADHS und Schlaf

Früher beinhalteten die ADHS-Kriterien auch Schlafstörungen. Kinder mit ADHS weisen in 50-70 % der Fälle Schlafstörungen auf. Die Schlafdauer und die Anzahl der nächtlichen Aufwachphasen bei Kindern mit ADHS unterscheiden sich von denen sich normal entwickelnder Kinder bereits in sehr jungen Jahren - oft schon vor der formellen ADHS-Diagnose. Schlafprobleme können die Symptome sogar verstärken. Konzentration, Geduld und Impulskontrolle leiden zusätzlich, wenn die Nachtruhe gestört ist.

Ursachen von Schlafstörungen bei ADHS

Es gibt verschiedene Erklärungsansätze für den Zusammenhang zwischen ADHS und Schlafstörungen:

  • Direkte Ausprägung von ADHS: Schlafstörungen können eine direkte Folge der ADHS selbst sein. Das Gehirn von Menschen mit ADHS ist oft besonders aktiv - auch dann, wenn es eigentlich Ruhe bräuchte. Etwa drei Viertel aller Erwachsenen mit ADHS erklären, dass sie nicht in der Lage sind, "den Kopf abzuschalten, um abends einschlafen zu können".
  • Gestörte innere Uhr: Menschen mit ADHS haben möglicherweise ein anderes Zeitgefühl und eine verzögerte Melatoninausschüttung, wodurch es schwieriger wird, zu normalen Zeiten müde zu werden.
  • Störungen der Botenstoffe: Studien zeigen, dass Störungen der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin, die für Wachheit und Motivation verantwortlich sind, zu Müdigkeit trotz ausreichend Schlaf führen können.

Auswirkungen von Schlafstörungen bei ADHS

Schlafstörungen können die Symptome von ADHS verstärken und zu einem Teufelskreis führen:

  • Verstärkte ADHS-Symptome: Mangelnder oder mangelhafter Schlaf kann zu großer Unruhe und ADHS-ähnlicher Symptomatik führen.
  • Beeinträchtigung von Konzentration und Verhalten: Die positiven Auswirkungen auf den Schlaf wurden mit einer Verbesserung des externalisierenden Verhaltens in Verbindung gebracht. Diese korrelierte ihrerseits mit einer Verbesserung des Wohlbefindens der Eltern.
  • Erhöhtes Risiko für komorbide Erkrankungen: Schlafstörungen können das Risiko für andere psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen erhöhen.

Behandlungsmöglichkeiten

Es gibt verschiedene Ansätze zur Behandlung von Schlafstörungen bei ADHS:

Lesen Sie auch: Wirkung von Medikamenten auf oppositionelles Verhalten bei ADHS

1. Schlafhygiene

Die wichtigste Strategie ist die Verbesserung der sogenannten Schlafhygiene - also aller Bedingungen, die gesunden Schlaf fördern. Dazu gehören:

  • Regelmäßige Schlafzeiten
  • Eine entspannende Schlafumgebung
  • Vermeidung von Koffein und Alkohol vor dem Schlafengehen
  • Regelmäßige körperliche Aktivität
  • Begrenzung der Bildschirmzeit vor dem Schlafengehen

2. Melatonin

Melatonin ist ein Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert. Slenyto® ist eine Melatonin-Formulierung mit verlängerter Wirkstofffreisetzung, die Melatonin während der Nacht freisetzt und das körpereigene Freisetzungsprofil gesunder Menschen nachahmt. Die Europäische Kommission hat die Zulassung von Slenyto® um die Indikation „Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung (ADHS)” erweitert hat. In einer Phase-III-Studie bei Kindern und Jugendlichen mit ASS und/oder SMS - mit und ohne ADHS - verbesserte es die Einschlafzeit, das Durchschlafen und die nächtliche Gesamtschlafdauer.

3. Medikamentöse Behandlung

Heranwachsende, die aufgrund von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) mit Methylphenidat behandelt werden, können dadurch auch besser schlafen. Bei bekannter ADHSStörung und neuauftretender depressiver Episode sollte die laufende ADHS-Therapie mit Methylphenidat (MPH) um ein Antidepressivum (SSRI/SNRI) ergänzt werden. Atomoxetin (ATX) sollte im Regelfall nicht mit SSRI/SNRI kombiniert werden, um eine Verstärkung der Nebenwirkungen sowie ein eventuell auftretendes Serotoninsyndrom zu vermeiden.

4. Digitale Unterstützung

Digitale Medien können durchaus unterstützend sein, bieten aber Eltern auch eine Fülle von Ratschlägen, von denen viele sehr fragwürdig sind. Dabei können digitale Medien eine gute Ergänzung darstellen, aber die gesammelten und gewonnenen Daten müssen unter ärztlicher Einbindung interpretiert und angewendet werden. Reine Schlaf-Apps sehe ich sehr kritisch, besser sind beispielsweise digitale Schlaftagebücher. In Deutschland gibt es Qualitätskriterien für jene Apps, die auch von den Krankenkassen bezahlt werden.

Die Rolle von Schlafroutinen

Schlafroutinen sind essenziell und erlauben auch, den Schlaf zu beeinflussen. Eine besondere Rolle spielen hierbei die Umgebung mit gewohnten Gerüchen und Geräuschen, aber auch Schlafrituale wie Gute-Nacht-Geschichten. Wichtig ist auch, den Schlafdruck, der sich bei jedem bzw. jeder von uns aufbaut, bei Kindern zu erkennen und ihnen die Möglichkeit zu geben, diesem Druck nachzugeben. Ein entscheidender Faktor ist, dass diese Rituale, wie z. B. Dennoch stößt man auch im Umgang mit Schlafroutinen an Grenzen. Dabei muss man immer beachten, dass DAS perfekte Schlafen nicht existiert. Entgegen landläufiger Meinung gibt es auch Kinder, die tatsächlich nicht mehr als 6 Stunden Schlaf benötigen, um ausgeschlafen zu sein.

Lesen Sie auch: Mehr über die ADHS-Trainer Ausbildung

Bedeutung der ärztlichen Betreuung

Jedenfalls braucht es eine ärztliche Betreuung. Besonders wichtig erscheint mir, die Bedeutung des Schlafes und dessen enge Verbindung mit Gesundheit, Entwicklung und Wohlbefinden hervorzuheben, und ich möchte Mediziner:innen motivieren, die Schlafanamnese eines jeden Kindes und Jugendlichen fix in die Betreuung einzubeziehen.

Tabelle: Schlafstörungen und ADHS

Aspekt Beschreibung
Prävalenz von Schlafstörungen bei ADHS Bis zu 70% der Kinder und Erwachsenen mit ADHS
Häufige Schlafstörungen Einschlafprobleme, Durchschlafstörungen, unruhiger Schlaf, Tagesmüdigkeit
Ursachen Direkte Ausprägung von ADHS, gestörte innere Uhr, Störungen der Botenstoffe
Auswirkungen Verstärkte ADHS-Symptome, Beeinträchtigung von Konzentration und Verhalten, erhöhtes Risiko für komorbide Erkrankungen
Behandlungsmöglichkeiten Schlafhygiene, Melatonin, medikamentöse Behandlung, digitale Unterstützung

Lesen Sie auch: Unruhige Beine bei ADHS?

tags: #ADHS #und #Schlafstörungen