Psychische Erkrankungen können viele Ursachen haben, von denen viele noch Gegenstand der Forschung sind. Bei der Entstehung wirken biologische, psychologische und soziale Faktoren zusammen. Dazu gehören ein mögliches Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn, genetische Veranlagung sowie Lebensumstände.
Organische Psychische Störungen (OPS)
Unter dem Oberbegriff „organische psychische Störungen“ (OPS) werden alle psychischen Befindlichkeitsstörungen zusammengefasst, denen direkt eine Schädigung des Gehirns zugrunde liegt. Früher waren diese Störungen u.a. unter dem Begriff „Hirnorganisches Psychosyndrom“ bekannt. Zu dem Formenkreis OPS zählen auch körperliche Erkrankungen, die das Gehirn beeinträchtigen (z.B. psychische Störungen bei Schilddrüsenfunktionsstörungen etc.). Mit dem OPS gehen meist auch soziale Beeinträchtigungen einher.
Ursachen von OPS
Es gibt eine Vielzahl an psychischen Störungen, die organisch bedingt sind. Am häufigsten treten Demenz oder das sogenannte Delir auf. Eine organische psychische Störung (OPS) kann erste Erscheinung einer Grunderkrankung sein oder im Verlauf einer bereits bekannten Krankheit als Folge bzw. Begleiterscheinung auftreten. Das Gehirn ist stärker zur Regeneration fähig, als ursprünglich angenommen, und in vielen Fällen kann hilfreiche Unterstützung geboten werden.
Im Prinzip handelt es sich bei OPS um eine Beschreibung von bestimmten Symptomkomplexen. Vor allem bei Demenz konnte die Forschung Entstehungsmechanismen klären. In anderen Bereichen herrscht noch großteils Unklarheit, wie es genau zu OPS kommt.
Folgende allgemeine Mechanismen können zum Beispiel zu Schädigungen von Hirnsubstanz führen:
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- Schädel-Hirn-Verletzungen
- Durchblutungsstörungen im Gehirn (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen)
- Störungen des Immunsystems (z.B. Infektionen - vor allem des Zentralnervensystems)
- Stoffwechselstörungen
- Medikamente (z.B. das Anti-Parkinson-Medikament Levodopa)
Komorbidität
Häufig besteht eine sogenannte Komorbidität. Das bedeutet, die Patienten/der Patient leidet zugleich an weiteren psychischen Problemen. So erhöhten z.B. eine ernsthafte körperliche Erkrankung sowie die Einschränkungen infolgedessen das Risiko einer psychischen Belastung. Auch andere nicht direkt organisch bedingte psychische Störungen können bereits vorbestehen oder (erneut) auftreten. Diese haben ihre Ursache nicht direkt in Schädigungen oder Funktionsstörungen des Gehirns, sondern entstehen meist aus einer Reihe verschiedener Faktoren (z.B. sozialen Belastungen, genetischer Veranlagung, Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn etc.).
Arten der Hirnschädigung
Die Art der Hirnschädigung spielt eine wesentliche Rolle:
- Druckschädigung durch Zunahme des Gehirnvolumens
- Übertritt von schädigenden Substanzen durch Beeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke
- Mangelnde Sauerstoffzufuhr
Es gibt primäre und sekundäre Schädigungen des Gehirns:
- Primäre Schädigungen: mit direkter Veränderung der Hirnsubstanz
- Sekundäre Schädigungen: durch andere körperliche Erkrankungen
Hirnschädigungen führen zu individuell unterschiedlichen Beschwerden. Das hängt auch damit zusammen, dass die Bewältigungsmechanismen verschieden sind.
Spezifische Psychische Störungen
Amnestisches Syndrom
Unter dem Begriff „amnestisches Syndrom“ werden eine Merkfähigkeitsstörung (neuer Informationen) und ein Gedächtnisverlust zusammengefasst. Ausgelöst durch:
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- Hirnschädigung (z.B. durch eine Verletzung, Sauerstoffunterversorgung, Kohlenmonoxidvergiftung, Mangel an Thiamin, Unterzuckerung)
- Hirnerkrankung
Delir
Ein Delir ist eine akute Erkrankung, die sofortiger medizinischer Hilfe bedarf. Zudem unterliegt sie tageszeitlichen Schwankungen. Symptome umfassen:
- Störungen der Wahrnehmung
- Schlafstörungen
- Verminderter oder vermehrter Bewegungsdrang
- Gefühlsbeeinträchtigungen
Ursachen können sein:
- Hirnschädigung
- Organisches und substanzbezogenes Delir (z.B. durch Alkohol oder Drogen verursacht)
- Vollnarkose
- Gehirnhautentzündungen
- Gefäßerkrankungen
- Störungen im Hormon- sowie Elektrolythaushalt
Demenz
Bei Demenz sterben Gehirnzellen aufgrund krankhafter Prozesse rascher als für den Altersprozess üblich ab. Zunehmende Vergesslichkeit und Beeinträchtigung wichtiger Gehirnfunktionen kennzeichnen diese Erkrankung. Schwierigkeiten bei Alltagstätigkeiten sowie in sozialen Kontakten erschweren zudem Betroffenen das Leben.
Affektive Störungen
Affektive Störungen betreffen die Stimmungslage. Die Depression ist eine Erkrankung, die sich unter anderem durch eine niedergedrückte Stimmungslage, das Gefühl der Hoffnungslosigkeit oder sozialen Rückzug äußert. Bei organisch depressiven Störungen liegt eine Hirnschädigung bzw. eine Gehirnfunktionsstörung vor. Auch manische Symptome können organisch bedingt sein (z.B. bei Schädigungen des Frontallappens des Gehirns).
Angsterkrankungen
Organische Angsterkrankungen haben - wie nicht organische - viele Facetten. Ausgelöst durch:
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- Hirnerkrankungen
- Internistische Erkrankungen
- Medikamente/Drogen
Wahn
Ein Wahn ist eine Überzeugung, die jedoch keinen realistischen Hintergrund hat und für niemanden außer den Betroffenen gut nachvollziehbar ist (z.B. Verfolgungswahn oder Beziehungswahn). Sie ist eine absolute Überzeugung in der Wirklichkeit der betroffenen Person. Für diese ist diese Vorstellung echt.
Wahnideen haben unterschiedliche Ursachen, mitunter auch organisch, z.B. im Rahmen einer Demenz oder nach Hirnentzündungen bzw. -verletzungen.
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
Persönlichkeitsstörungen äußern sich in starren Gefühlen und Verhaltensweisen. Sie betreffen das gesamte Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Verhalten eines Menschen. Verhaltensstörungen können unterschiedlichste Ausprägungen haben.
Bei organischen Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen liegt eine Erkrankung, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns vor (z.B. Degeneration im Vorder- oder Schläfenlappen des Gehirns, Schädel-Hirn-Trauma, Infarkte im Vorderlappen des Gehirns, Blutungen). Störungen der Impulskontrolle.
Diagnose von OPS
Bei vielen organisch psychischen Störungen (OPS) ist die Symptomatik jener von psychiatrischen Erkrankungen ohne konkrete organische Ursache gleich bzw. ähnlich. Daher ist eine Grundvoraussetzung der Diagnose von OPS, dass eine organische Erkrankung direkt oder indirekt einzelne oder mehrere Gehirnfunktionen beeinträchtigt.
Hinweise auf OPS können sein:
- Auftreten einer psychischen Erkrankung in einem dafür untypischen Alter
- Zusätzlich zu psychischen Symptomen neurologische Auffälligkeiten
- Ausbleibender Therapieerfolg bei etablierter Behandlung einer psychiatrischen Erkrankung
- Halluzinationen
Untersuchungsmethoden
- Funktionsdiagnostik
- Bildgebende Verfahren
- Laboranalysen
Bei OPS spielen zahlreiche Erkrankungen aus unterschiedlichen Fachrichtungen eine Rolle. Daher erfordern Diagnostik und Therapie eine multidisziplinäre Zusammenarbeit (Neurologie, Neurochirurgie, Psychiatrie, Innere Medizin etc.). Die Diagnose von OPS sollte möglichst frühzeitig erfolgen, damit die Behandlung so erfolgreich wie möglich sein kann.
Therapie von OPS
Die Therapie einer organisch psychischen Störung richtet sich nach der Ursache und den individuellen Symptomen, die sehr unterschiedlich sein können. Es kommen je nach Grunderkrankung diverse Behandlungstechniken von Medikamenten über Operationen bis hin zu Physiotherapie, Psychotherapie und anderen Maßnahmen (z.B. Rehabilitation) zum Einsatz.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Aktivierung der Betroffenen (z.B. tagesstrukturierende Maßnahmen etwa in Tageszentren). Sie sollen so selbstständig wie möglich leben können. Bewährt hat sich zudem eine Beratung (z.B. zu Pflegeleistungen, Selbsthilfegruppen) von Angehörigen, die sich oft mit sehr herausfordernden Situationen (z.B. rechtlich) konfrontiert sehen.
Weitere Psychische Erkrankungen
Schizophrenie
Schizophrenie ist eine psychotische Störung, von der ca. 1% der Bevölkerung, quer durch alle Einkommens- und Bildungsschichten, betroffen ist. Sie ist vor allem durch akustische Halluzinationen (Stimmen hören), Wahnwahrnehmungen und Erlebnisse der Beeinflussung des eigenen Körpers und des eigenen Denkens durch „äußere Mächte“ gekennzeichnet.
Der Ausdruck „Schizophrenie“ wird im Alltag oft missverstanden. Die salopp hingeworfene Charakterisierung einer Situation oder Handlung als schizophren, nur weil eine gewisse innere Zerrissenheit oder Gespaltenheit darin zum Ausdruck kommt, hat nichts mit einer schizophrenen Psychose zu tun.
Depression
Eine Depression ist eine psychische Krankheit, aber dennoch mit körperlichen Krankheiten wie Diabetes oder Asthma vergleichbar. Sie kann sich in zahlreichen Beschwerden äußern, wie etwa anhaltend gedrückter Stimmung, einer Hemmung von Antrieb und Denken, Interessenverlust sowie in vielfältigen körperlichen Symptomen. Diese können von Schlaflosigkeit über Appetitstörungen bis hin zu Schmerzzuständen reichen.
Bei einer Depression hat man keine oder nur wenig Freude am Leben. Man ist lustlos, kraftlos oder traurig. Nichts macht einem mehr Spaß. Man hat den Eindruck, dass alles schlecht ist. Wie jede andere Krankheit muss eine Depression ärztlich behandelt werden.
Symptome einer Depression
Die Anzeichen bei einer Depression sind unterschiedlich, und jede Depression verläuft anders. Eine Depression ist viel mehr, als bedrückt zu sein. Bei einer Depression zeigen sich körperliche, emotionale und kognitive Anzeichen - zum Beispiel beim Lernen, Ihre Aufmerksamkeit, Konzentration oder Kreativität - und zwar über einen längeren Zeitraum.
Wenn über zwei Wochen oder länger mindestens zwei der drei Hauptsymptome und zusätzlich mindestens zwei Nebensymptome vorliegen, wird von Ärzt:innen die Diagnose Depression gestellt. Je nach Anzahl und Ausprägung der Symptome wird zwischen leichter, mittelgradiger und schwerer Depression unterschieden.1,2 Bei verschiedenen Menschen kann sich die Depression also unterschiedlich äußern. Es sind auch nicht immer alle Symptome vorhanden.
Hauptsymptome einer Depression
- Gedrückte Stimmung: Betroffene berichten oft von einer niedergeschlagenen, gedrückten Stimmung. Viele sprechen auch von innerer Leere und der Unfähigkeit, eigene Gefühle wahrnehmen zu können. Sie geben an, sich wie versteinert zu fühlen.
- Interessen- oder Freudlosigkeit: Dinge und Aktivitäten, die früher wichtig und bedeutsam waren, erscheinen für Menschen mit Depression nicht mehr interessant. Nichts macht mehr Spaß, seien es früher geliebte Hobbies, das Berufsleben oder Treffen mit dem Freundeskreis.
- Antriebsmangel bzw. erhöhte Ermüdbarkeit: Im Rahmen einer Depression ist der Antrieb häufig gestört. Selbst alltäglicher Aufgaben wie Einkaufen, Aufräumen, Arbeiten usw. können große Überwindung kosten, schnell ermüden und zum Teil einfach auch nicht bewältigt werden.
Zusatzsymptome einer Depression
- Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
- Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit
- Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
- Schlafstörungen
- Verminderter Appetit
- Suizidgedanken/-handlungen
Arbeitsbedingte Psychische Erkrankungen
Arbeitsbedingte psychische Erkrankungen sind trotz vielfältigster Präventionsbemühungen weit verbreitet und gehören zu den häufigeren arbeitsbedingten Erkrankungen. Um diese an der Quelle zu bekämpfen, ist der Arbeitsschutz inzwischen deutlich differenzierter geworden und verfolgt einen ganzheitlicheren Ansatz.
Von arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen können wir sprechen, wenn die Erkrankung direkt von arbeitsbezogenen Risikofaktoren negativ beeinflusst wird. Arbeitsstressoren können eine auslösende Wirkung haben.
Gängigste arbeitsbedingte psychische Erkrankungen
- Depressionen
- Angststörungen
- Burnout-Syndrom (Einstufungsdiagnose)
Darüber hinaus gibt es Zusammenhänge von arbeitsbedingten, psychischen Belastungsfaktoren zu einigen somatoformen und psychosomatischen Störungen. Auch Suchterkrankungen (z.B. Alkoholsucht) und Schlafstörungen können von der Arbeit mitbedingt sein.
Gängige arbeitsbedingte Einflussfaktoren
- „Job Strain“ (Hohe Anforderung bei zu geringem Tätigkeitsspielraum)
- Geringe soziale Unterstützung
- Arbeitsplatzunsicherheit
- Gewalt
- Geringe Bedeutsamkeit der Arbeit
- Schwierige Emotionsarbeit
- Geringe Entwicklungsmöglichkeiten
- Überlange Arbeitszeiten
- Belastung durch Schichtarbeit
- Belastung durch Wochenendarbeitszeit
- Überwiegend durch Arbeitgeber:innen bestimmte Arbeitszeitvariabilität
- Arbeitsbezogene erweiterte Erreichbarkeit
- Unzureichende Arbeitspausen
Psychosomatische Erkrankungen
Als psychosomatische Erkrankungen bezeichnet man Krankheitsbilder, bei denen körperliche und psychische Symptome einander bedingen oder in Zusammenhang stehen. Wie körperliche Krankheiten auch psychisch belastend sein können, können sich auch seelische Probleme in körperlichen Folgeerscheinungen äußern.
Manche psychischen Erkrankungen zeigen sich nur durch körperliche Symptome, ohne dass die Person psychische Veränderungen wahrnimmt. Schwierig ist oft die Diagnose einer psychosomatischen Erkrankung, da die Symptome verschiedenartig sein können. Liegt einmal eine psychosomatische Diagnose vor, ist sie üblicherweise gut durch Therapie, psychosoziale Hilfe und Medikamente behandelbar.
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