Die psychische Erkrankung eines Menschen betrifft auch die Angehörigen. Besteht die Diagnose einer psychischen Erkrankung, so werden Betroffene vor völlig ungeahnte Herausforderungen gestellt.
Oftmals beginnt damit nämlich ein langwieriger, beschwerlicher Weg, bis Symptome durch verschiedene Methoden zumindest gelindert werden können, bestenfalls eine Heilung in Aussicht gestellt wird. Während dieses Prozesses benötigen Erkrankte entsprechende Hilfe, nicht nur von Professionalist*innen, sondern auch von den engsten Vertrauten und Angehörigen.
Der Alltag mit jenen Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, kann stark fordern und zum Teil auch überfordern. Schon zu Beginn, wenn die Diagnose gestellt wird, kämpfen Angehörige mit den eigenen Emotionen in Form von Wut, Trauer, Angst, aber auch mit Schuldgefühlen. Und in einigen Fällen besteht zunächst auch Unverständnis für die Erkrankung: So ist es für manche Menschen beispielsweise kaum bis gar nicht nachvollziehbar, warum Menschen mit Depressionen morgens kaum aus dem Bett kommen, weswegen man sodann dazu neigen könnte, der-/demjenigen Faulheit zu unterstellen.
Mangelndes Wissen über die Erkrankung, die Symptome und den Verlauf können nämlich zu kommunikativen Missverständnissen und zu Frustration, zu Ärger und auch zu Enttäuschung vor allem bei Angehörigen führen.
Was ist Schizophrenie?
Schizophrenie ist eine schwere psychische Störung. Die Betroffenen leiden phasenweise unter massiven Veränderungen ihrer Gedanken, Gefühle und ihrer Wahrnehmung. Auch ihr Verhalten ändert sich dramatisch und wirkt auf Außenstehende oft bizarr oder beängstigend.
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Experten zählen die Schizophrenie zu den endogenen Psychosen: Psychosen sind psychische Erkrankungen, bei denen die Patienten die Realität verändert wahrnehmen oder verarbeiten. „Endogen“ bedeutet, dass die betreffende Erkrankung durch verschiedene Faktoren „von innen heraus“ entsteht, also ohne erkennbare körperliche Ursache und ohne erkennbaren Zusammenhang mit bestimmten Erlebnissen.
Schizophrenie ist keine Persönlichkeitsstörung. Erkrankte Menschen tragen nicht zwei oder mehrere Persönlichkeiten in sich, die abwechselnd zum Vorschein kommen, wie das bei einer dissoziativen Identitätsstörung der Fall ist. Sie haben keine gespaltene Persönlichkeit, wie vielfach angenommen wird.
Allgemein ist Schizophrenie nicht eine Erkrankung, sondern viele, mit zahlreichen Unterformen. Schizophrene Erkrankungen sind mit vielen Vorurteilen behaftet, was zu einem zusätzlichen hohen Leidensdruck für die Betroffenen führt. Weltweit erleidet rund ein Prozent der Menschen im Laufe des Lebens eine schizophrene Erkrankung. Hinsichtlich des Erkrankungsrisikos gibt es kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowie zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen.
Die genauen Ursachen für die Entwicklung schizophrener Erkrankungen sind noch nicht bekannt; es wird ein komplexes Zusammenspiel unter anderem aus genetischer Veranlagung, neurobiologischen Faktoren, entwicklungsbedingten Faktoren und psychosozialen Belastungen vermutet. Eine Schizophrenie kann gemeinsam mit weiteren psychischen Erkrankungen auftreten, etwa mit Substanzmissbrauch beziehungsweise -abhängigkeit, Depressionen und Angststörungen.
Anzeichen und Symptome
Typisch für schizophrene Erkrankungen ist ein episodisches Auftreten psychotischer Phasen, wobei die Verläufe und Symptome von Person zu Person sehr unterschiedlich sein können. Für eine akute Psychose sind folgende Symptome typisch: Halluzinationen, Wahnvorstellungen sowie Denk- und Konzentrationsstörungen. Außerdem leiden die Betroffenen unter Antriebsmangel, einer Verarmung des Gefühlslebens und der Sprache sowie sozialem Rückzug.
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Wie Angehörige helfen können
Wenn Veränderungen im Verhalten auftreten oder bereits eine Diagnose besteht, so sollten Angehörige sich nicht davor scheuen, die/den Betroffenen darauf anzusprechen. Angehörige dürfen und sollten sich sogar dahin gehend mitteilen, dass sie sich Sorgen um die betroffene Person machen. Im Zuge dessen sollten sie ihre Hilfe beim Suchen nach geeigneten Anlaufstellen sowie bei der Organisation von Terminen bei Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen etc. anbieten und die/den Betroffene*n auf Wunsch begleiten. Natürlich sind Verständnis sowie eine angemessene Anteilnahme unabdingbar, um Betroffenen zu suggerieren, dass sie mit ihrer Erkrankung nicht alleine gelassen werden.
Grenzen setzen und auf sich selbst achten
Dennoch sollten Angehörige auch Grenzen setzen, an welchen sich Betroffene orientieren können, welche aber auch dazu dienen, sich selbst vor einer zu großen psychischen Belastung zu schützen. Oftmals besteht nämlich die Problematik, dass Personen im Umfeld der/des Betroffenen der Ansicht sind, es dürfe ihnen auch nicht gut gehen. Angehörige übernehmen in solchen Fällen auch häufig jene Verpflichtungen, welche erkrankte Personen kaum bis gar nicht mehr ausführen können, und werden so „nahezu zwangsläufig zu Ersthelfern im Krisenfall“.
Diese Doppelbelastung kann ebenso eine Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse nach sich ziehen und wiederum weitreichende Folgen die Psyche betreffend haben. Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen müssen sich vor Augen führen, dass sich auch viele andere in derselben Situation befinden. Dabei kann es von großer Hilfe sein, den Austausch mit ebendiesen Personen zu suchen, beispielsweise durch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe.
„Der Erfahrungsaustausch öffnet Schleusen“, wie die Wiener Psychotherapeutin Antonia Croy berichtet. Und einen weiteren Vorteil bieten solche Selbsthilfegruppen: „Oftmals ergeben sich aus der Gruppenarbeit Freundschaften oder ehrenamtliches Engagement“, berichtet Croy weiter.
Professionelle Unterstützung suchen
Neben Gesprächen mit Gleichgesinnten sollten Vertraute von Personen mit psychischen Erkrankungen auch nicht davor zurückscheuen, sich selbst professionelle Unterstützung zu suchen. Denn - wie bereits erwähnt - es ist keine Seltenheit, dass Angehörige aufgrund der großen Belastung in weiterer Folge selbst mit seelischen Problemen zu kämpfen haben. Auch das Aufsuchen von Beratungsstellen kann eine große Stütze dabei sein, mit der Situation besser umzugehen.
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In jedem Fall sollten Angehörige einen adäquaten Umgang mit Betroffenen pflegen, sie also bestmöglich unterstützen, dabei aber die eigenen Bedürfnisse nicht vollends vernachlässigen. So gilt es, diese Balance aufrechtzuerhalten, um selbst psychisch gesund zu bleiben.
Praktische Tipps für Angehörige
- Sich über die Erkrankung informieren: Symptome und Krankheitsverlauf zu kennen hilft, Anzeichen richtig zuzuordnen und Betroffene besser zu verstehen sowie zu unterstützen.
- Darüber reden: Mit jemandem Vertrauten über die eigene Situation zu sprechen entlastet meist. Da sich seelische Krankheiten auf menschliche Beziehungen auswirken, kann auch eine Beratung sehr hilfreich sein. Professionelle Helfer:innen oder andere Angehörige bringen zudem eine andere Sicht auf die Dinge mit.
- Auf sich selbst achten: Es ist wesentlich, auch auf sich zu schauen. Wenn es Ihnen selbst schlecht geht, können Sie andere nicht so gut unterstützen.
- Verständnisvoller, aber konsequenter Umgang mit Betroffenen: Zuhören und Mitgefühl sind wichtig, damit Menschen mit einer psychischen Erkrankung sich verstanden fühlen.
Was tun bei einem psychiatrischen Notfall?
Nicht nur bei Verletzungen, Vergiftungen etc. kann Erste Hilfe notwendig sein, sondern auch bei psychiatrischen Krisen. Es handelt sich dabei um teils lebensbedrohliche Zustände. Sofortige medizinische Hilfe ist notwendig.
Bei einem psychiatrischen Notfall tritt eine psychiatrische Störung akut auf oder verschlimmert sich bis hin zu einem medizinischen Notfall. Auch ein akutes körperliches Leiden (z.B. Gehirnblutung, Stoffwechselstörung) kann zu psychiatrischen Symptomen führen. Dabei kommt es zu einer unmittelbaren Gefährdung von Leben und Gesundheit der betroffenen Person (sowie ggf. auch seiner Umgebung).
Bei einem psychiatrischen Notfall droht Lebensgefahr (z.B. bei Gefahr der Selbstschädigung oder eskalierender Gewalt). Eine akute Verschlechterung eines Krankheitszustandes mit unter Umständen nicht rückgängig zu machenden Folgen ist möglich.
Daher ist bei einem psychiatrischen Notfall rasche medizinische Hilfe unumgänglich! Rufen Sie die Rettung unter 144 bzw.
Verhaltensweisen in einer psychiatrischen Krise
- Betroffene in Notsituation ansprechen: Versuchen Sie, Ruhe zu bewahren und die Lage zu erfassen. Sprechen Sie die betroffene Person an. Betroffene sollten Raum bekommen, selbst zu erzählen, wie es Ihnen geht. In jedem Fall ist die Privatsphäre der Person zu akzeptieren.
- Rasch Hilfe holen: Rufen Sie die Rettung unter 144 oder die Polizei unter 133 bei Risiko einer Selbst- oder Fremdgefährdung.
- In Kontakt bleiben bis die Rettung kommt: Versuchen Sie die Betroffene/den Betroffenen nicht alleine zu lassen! Bleiben Sie wenn möglich mit ihr/ihm in Kontakt, ermöglichen Sie jedoch auch einen Rückzugsraum.
- Vermeiden Sie Zurechtweisungen. Versuchen Sie diejenige/denjenigen zu beruhigen und gegebenenfalls noch weitere Hilfe zu holen. Nehmen Sie die Person und ihre Wahrnehmung ernst, stellen Sie diese nicht in Frage.
Die Rettungsleitstelle kann Ihnen auch über das Telefon Anweisungen geben, die Sie befolgen sollten. Es ist manchmal schwierig, selbst einen klaren Kopf in dieser Situation zu bewahren. Gefühle wie Ohnmacht und Verzweiflung können so stark mitempfunden werden, dass man selbst fast handlungsunfähig wird. Vor allem, wenn man zu der betreffenden Person ein nahes Verhältnis hat.
Diskutieren Sie jedoch nicht lange - holen Sie Hilfe. Manchmal kann es sein, dass das Hilfsangebot abgewiesen wird. Das gilt in den wenigsten Fällen Ihnen persönlich. Holen Sie dennoch Hilfe! Einfühlsam zu sein und gleichzeitig konsequent Hilfe zu organisieren, muss kein Widerspruch sein.
Versuchen Sie zudem, bei Menschen, die aggressiv sind, ruhig zu bleiben und sorgen Sie für Ihre Sicherheit, halten Sie Abstand. Zeigen Sie klar Ihre Grenzen.
Hilfe für Angehörige
Leidet ein Mensch an einer psychischen Erkrankung, stellt das auch sein näheres Umfeld häufig vor einige Herausforderungen und Fragen. In manchen Situationen können sich Angehörige etwa sprachlos oder hilflos fühlen. Meist möchten nahestehende Personen Betroffenen helfen oder sie motivieren, Unterstützung zu suchen. Informationen über die jeweilige Krankheit sowie Austausch mit anderen Angehörigen oder Beratungsgespräche können helfen.
Verschiedene Formen der Beratung für Angehörige psychisch erkrankter Personen. HPE bietet eine schriftliche Form der Beratung im Internet. Finden Sie Unterstützung beim Austausch mit anderen Angehörigen. Die HPE bietet Hilfe und Unterstützung in jedem Bundesland.
HPE (Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter)
HPE bedeutet Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter. Angehörige sind Verwandte und gute Freundinnen und Freunde einer Person. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der es sich zur Mission gemacht hat, die Lebensqualität Angehöriger psychisch Erkrankter zu verbessern. Zudem gibt es regelmäßige Selbsthilfegruppen und Seminare zu unterschiedlichen Themen. So kann sehr viel Austausch stattfinden.
Die HPE ist in allen Bundesländern aktiv. Durchstöbern Sie für weitere Informationen gerne unsere Homepage oder melden Sie sich einfach telefonisch.
Viele Aktivitäten bei HPE werden ehrenamtlich von Angehörigen geleistet.
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