Antipsychotika-Spritze gegen Schizophrenie: Ein umfassender Überblick

Der chronische Verlauf einer Schizophrenie Erkrankung erfordert neben psychosozialen Therapien auch eine Langzeitbehandlung mit Antipsychotika, um Rückfälle zu vermeiden. Eine kontinuierliche pharmakologische Langzeittherapie mit Antipsychotika ist ein Grundpfeiler einer erfolgreichen Rezitativprophylaxe. Groß angelegte Langzeitstudien belegen eindrücklich, dass dadurch etwa die Hälfte der Rückfälle vermieden werden können. Leider setzen viele Schizophreniekranke (aber nicht selten auch ihre BehandlerInnen) diese Medikamente zu früh ab.

Compliance-Probleme können unterschiedlichste Gründe haben, diese rangieren von dem einfachen Vergessen, das Medikament einzunehmen, über Verträglichkeitsprobleme, einer grundsätzlichen Ablehnung gegenüber Medikamenten, bis hin zu fehlender Krankheitseinsicht. Die tägliche Einnahme von Medikamenten ist für viele mühsam. Täglich eine Tablette einzunehmen empfinden viele als mühsam, die Therapietreue sinkt. Für Menschen, die an Schizophrenie leiden, ist die konsequente Einnahme von Medikamenten enorm wichtig. Aber: "Oft genug passiert das nicht, und das ist eines der größten Hindernisse in der Versorgung", weiß Leslie Citrome, Psychiater am New York Medical College.

Depot-Antipsychotika als Alternative

Da inzwischen einige Antipsychotika auch als intramuskuläre Depotpräparate verfügbar sind, mit Injektionsintervallen zwischen 14 Tagen und sechs Monaten, sehen viele KlinikerInnen in dieser Verabreichungsart eine Chance, die Langzeitbehandlung zu optimieren, da auf diesem Wege, ohne die Notwendigkeit einer täglichen Medikamenteneinnahme, dauerhaft effektive Plasmaspiegel von Antipsychotika garantiert sind. Ob nun die Gabe von Depotantipsychotika den oralen Substanzen in Hinblick auf das klinische Nutzen-Risiko-Profil überlegen ist, war Gegenstand vieler klinischer Studien in den letzten Jahrzehnten. Es zeigte sich, dass die Ergebnisse dieser Untersuchungen ein uneinheitliches Ergebnis lieferten, was die AutorInnen der vorliegenden Studie auf unterschiedliche Versuchsdesigns zurückführten.

Die EULAST-Studie

Ob die tägliche orale Einnahme oder eine langwirksame Depot-Medikation geeigneter ist, die Langzeitbehandlung zu unterstützen, wurde in der groß angelegten internationalen EULAST-Studie (European Long-Acting Antipsychotics in Schizophrenia Trial) untersucht, die nun in The Lancet Psychiatry erschienen ist. Für das belastbare Datenmaterial der Studie inkludierte man im Zeitraum von 2015 bis 2020 über 500 Schizophreniepatientinnen und -patienten. Sie wurden in 15 europäischen Ländern und Israel jeweils eineinhalb Jahre begleitet. Ihnen wurden je zur Hälfte im Zufallsverfahren orale Antipsychotika oder eine Depot-Medikation verabreicht. Bei ersterer Methode mussten die Medikamente täglich eingenommen werden, im zweiteren Fall kam einmal im Monat die sogenannte „Depotspritze“ zum Einsatz, die das Medikament über einen längeren Zeitraum langsam im Körper ausschüttet.

Die „landläufige Annahme“, dass die „Depotspritze“ weniger abgebrochene Behandlungen zur Folge habe, habe sich nach Studienabschluss und Auswertung der Daten nicht bestätigt, so der Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck, der die Studie leitete. „Es gab im Durchschnitt keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen“, sagte Fleischhacker im APA-Gespräch. Die grundlegende Frage der Forschungsarbeit sei gewesen, welche Methode welche Abbruchrate nach sich ziehe, sagte Fleischhacker, der viele Jahre die Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie leitete.

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In die Studie eingeschlossen waren über 500 Schizophrenie PatientInnen ab 18 Jahren, die nach dem Zufallsprinzip einer der vier Behandlungsgruppen (langwirksame Injektionspräparate Paliperidon oder Aripiprazol bzw. die entsprechenden oralen Antipsychotika) zugeteilt und 19 Monate lang beobachtet wurden. „Entgegen unserer Erwartungen hing das Absetzen der Therapie nicht mit der Verabreichungsform zusammen. Einzig unter der Sammelkategorie „Sonstige Gründe“ fand sich ein signifikanter Vorteil der Depotmedikation.

Von Lisa Heinund , Apotheker und Pharmazie-Journalist9. August 2021Alle netDoktor.at-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.Aripiprazol gehört zu den wichtigsten Medikamenten bei Schizophrenie und Manie. Er wurde im Jahr 2004 zugelassen und wird inzwischen häufig eingesetzt. Als atypisches Antipsychotikum ist Aripiprazol besser verträglich als die älteren, klassischen Antipsychotika.

Aripiprazol: Wirkungsweise, Anwendung und Nebenwirkungen

Aripiprazol gehört zur Gruppe der atypischen Antipsychotika (auch Antipsychotika der zweiten Generation). Es unterscheidet sich sowohl in seinem Wirkmechanismus als auch seiner chemischen Struktur von den klassischen Antipsychotika der ersten Generation. Im Gehirn und Rückenmark (Zentrales Nervensystem) sorgt das Zusammenspiel verschiedener Botenstoffe dafür, dass man sich ausgeglichen fühlt und angemessen auf bestimmte Situationen (wie Aufregung, Freude, Angst etc.) reagieren kann. Dazu werden die verschiedenen Botenstoffe (Neurotransmitter) je nach Bedarf von Nervenzellen ausgeschüttet und später wieder aufgenommen und gespeichert.

Dieses Gleichgewicht der Botenstoffe ist bei Menschen, die unter Schizophrenie oder bipolarer Störung leiden, gestört. Die Gedanken und Wahrnehmungen der Betroffenen sind stark verändert. Durch gestörte Selbstwahrnehmung und andersartiges Verhalten ist es praktisch nicht möglich, den Alltag ohne fremde Hilfe zu meistern. Aripiprazol bindet an Andockstellen (Rezeptoren) von Dopamin und gleichzeitig von Serotonin. Dabei wirkt es an manchen Rezeptor-Typen aktivierend, an anderen desaktivierend und an wieder anderen übt es beide Funktionen aus. Die Wiederherstellung des Botenstoff-Gleichgewichts führt schlussendlich zu Ausgeglichenheit und Stimmungsaufhellung.

Der Wirkstoff wird in der Regel über den Mund verabreicht und daraufhin fast vollständig aus dem Darm ins Blut aufgenommen. Der Abbau erfolgt in der Leber unter Beteiligung der Enzyme CYP3A4 und CYP2D6. Weil sich der Wirkstoff im Körpergewebe anreichert, dauert es rund 75 Stunden, bis Aripiprazol zur Hälfte aus dem Körper ausgeschieden wurde.

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Anwendungsgebiete von Aripiprazol

  • Schizophrenie
  • Behandlung und Vorbeugung von manischen Phasen bei einer sogenannten bipolaren Störung

Der Wirkstoff wird darüber hinaus bei einer Reihe von weiteren Erkrankungen außerhalb seiner Zulassung ("Off-Label-Use") eingesetzt.

Normalerweise wird Aripiprazol in Form von Tabletten, Schmelztabletten oder Lösungen zur Aufnahme über den Mund (per oral) angewendet. In akuten Fällen kann es aber auch direkt in den Muskel gespritzt werden. Ebenfalls möglich ist eine monatliche Depot-Injektion in den Muskel, wodurch die tägliche Tabletteneinnahme wegfällt. Die Injektion wird einmal monatlich von einem Arzt verabreicht. Die Dosierung beträgt bei Erwachsenen 10 bis 30 Milligramm pro Tag, wobei die Dosierung für jeden Patienten individuell bestimmt werden muss. Bei Kindern und Jugendlichen entsprechend weniger.

Nebenwirkungen von Aripiprazol

Häufig, das heißt bei einem bis zehn Prozent der Behandelten, ruft Aripiprazol Nebenwirkungen wie Unruhe, Schlafstörungen, Schwindel, Magen-Darm-Beschwerden, Benommenheit und verschwommenes Sehen hervor. Außerdem kann es zu sogenannten „extrapyramidalen Störungen“ mit Symptomen wie Zittern, Trippeln beim Gehen, motorischer Unruhe und Muskelschwäche führen.

Gelegentlich (bei weniger als einem Prozent der Behandelten) treten beschleunigter Puls und erniedrigter Blutdruck auf. Auch kann es gelegentlich zu einer Gewichtszunahme kommen, wenngleich deutlich seltener verglichen mit anderen Antipsychotika.

Was ist bei der Einnahme von Aripiprazol zu beachten?

Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen und Krampfneigung (Epilepsie) sollten Aripiprazol nur mit Vorsicht einnehmen.

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Wechselwirkungen

Bei gleichzeitiger Einnahme von anderen Medikamenten, die ebenfalls über CYP3A4 oder CYP2D6 verstoffwechselt werden und/oder diese Enzyme induzieren beziehungsweise hemmen, kann es zu Wechselwirkungen kommen.

Aripiprazol verstärkt die Wirkung von Mitteln gegen Bluthochdruck und von zentral wirksamen Medikamenten (wie Mittel gegen Depressionen oder starke Schmerzmittel). Dies gilt insbesondere in Kombination mit Alkohol.

Manche Medikamente verstärken die Aripiprazol-Wirkung, weshalb eine Dosisreduktion notwendig sein kann. Hierzu zählen:

  • Chinidin (bei Herzrhythmusstörungen)
  • Ketoconazol und Itraconazol (bei Pilzerkrankungen)
  • Fluoxetin, Paroxetin und Escitalopram (bei Depressionen)
  • Mittel gegen HIV (wie Indinavir, Ritonavir, Atazanavir oder Lopinavir)
  • Diltiazem (bei koronarer Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen oder Blutdruck)

Folgende Substanzen verringern bei gleichzeitiger Gabe die Aripiprazol-Wirkung:

  • Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital und Primidon (gegen Krampfanfälle)
  • Rifampicin, Rifabutin (Antibiotika)
  • Efavirenz, Nevirapin (bei HIV)
  • Johanniskraut (bei leichten depressiven Verstimmungen)

Verkehrstüchtigkeit und Bedienen von Maschinen

Durch die zentrale Wirkung von Aripiprazol kann es bei den Behandelten zu einem verlangsamten Reaktionsvermögen kommen. Deshalb sollte gerade zu Beginn der Therapie auf die individuelle Verträglichkeit geachtet und zunächst nicht aktiv am Straßenverkehr teilgenommen werden.

Altersbeschränkungen

Aripiprazol ist bei Kindern und Jugendlichen mit Schizophrenie ab einem Alter von 15 Jahren zugelassen. Kinder und Jugendliche mit einer bipolaren Störungen können bereits ab einem Alter von 13 Jahren mit Aripiprazol behandelt werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Der Erfahrungsumfang zur Anwendung von Aripiprazol in Schwangerschaft und Stillzeit ist nicht sehr hoch. Studien zu rund 2000 Schwangerschaftsverläufen haben keinen Hinweis auf Teratogenität ergeben.

Bei der Einnahme im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel sind beim Neugeborenen Anpassungstörungen möglich. Diese können auch erst einige Tage nach der Geburt auftreten. Aripiprazol tritt in die Muttermilch über. Die Datenlage zu gestillten Kindern ist sehr dürftig. Bisherige Daten berichten fallweise über Schläfrigkeit beim Neugeborenen und verminderter Milchproduktion der Mutter.

Ihr Arzt wird den Nutzen einer Therapie mit Aripiprazol in der Schwangerschaft und Stillzeit gegen das Risiko für Sie und Ihr Kind streng abwägen.

So erhalten Sie Medikamente mit Aripiprazol

Medikamente mit Aripiprazol sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz verschreibungspflichtig und deshalb nur mit einem ärztlichen Rezept in der Apotheke erhältlich.

Seit wann ist Aripiprazol bekannt?

Aripiprazol entstammt der neuen Generation von Wirkstoffen gegen Psychosen (atypische Antipsychotika). Diese löst im Vergleich zur älteren Generation weniger häufig eine extrapyramidal-motorische Störung aus.

Weiterhin scheinen bei der neueren Generation - im Gegensatz zu den älteren Medikamenten - die sogenannten Negativsymptome der Schizophrenie (wie veränderte Selbstwahrnehmung, Depression und verlangsamte Motorik) verbessert zu werden.

Neues Medikament KarXT

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat ein neues Medikament zur Behandlung von Schizophrenie zugelassen - es ist die erste neuartige antipsychotische Therapie seit Jahrzehnten. Das neue Medikament KarXT mit dem Markennamen Cobenfy führt nicht mehr zu den typischen Nebenwirkungen bisheriger Antipsychotika. Es beeinflusst zwar ebenfalls den Dopaminspiegel, allerdings indirekt. Es verändert den Spiegel von Actylcholin, einem weiteren Neurotransmitter. Dieser Wirkmechanismus führt dazu, dass es nicht nur Halluzinationen und Wahnvorstellungen reduziert, sondern auch Probleme beim Denken.

Weitere Daten belegen eine Wirksamkeit von KarXT bis 52 Wochen nach Beginn der Behandlung. Zudem hatte das Medikament in den Studien eine bessere Verträglichkeit als die bisherigen Medikamente.

Schlussfolgerung

„In Zukunft wird es wichtig sein, einen differenzierteren Zugang für die Therapie zu finden, in dem individuelle Patientenmerkmale mehr Berücksichtigung finden. „Ich erwarte, dass wir in den nächsten Monaten genauere Ergebnisse und Erkenntnisse dazu haben“, merkte der Rektor an. Klar sei aber jetzt schon, dass damit ein wichtiger Schritt in Richtung „differenzierterem Therapiezugang“ einhergehen werde, so Fleischhacker.

Die monatliche Injektion von Antipsychotika der zweiten Generation ersetzt die tägliche orale Medikation und wirkt sich positiv auf Nebenwirkungen und die Lebensqualität aus.

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