Schizophrenie im Kindes- und Jugendalter: Symptome, Diagnose und Behandlung

Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, die sich durch eine Vielzahl von Symptomen auszeichnet, die fast alle Bereiche des inneren Erlebens und Verhaltens betreffen können. Obwohl Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis seit dem Altertum beschrieben werden, konnte bislang für sie noch keine einzelne alleinverantwortliche Ursache ermittelt werden. Man geht daher heute von einem Zusammenspiel mehrerer auslösender Faktoren aus.

Definition und Häufigkeit

Psychische Erkrankungen sind seelische Auffälligkeiten, die sich negativ auf den Alltag des Kindes auswirken und unter denen das Kind leidet. Von einer psychischen Störung sprechen Fachleute, wenn Erleben, Denken, Fühlen oder Verhalten eines Kindes über das normale Maß hinausgehen (z.B. übermäßige Angst, tiefe Antriebslosigkeit, starke Impulsivität), diese über längere Zeit anhalten und sie mit erheblichem Leidensdruck oder Einschränkungen im Alltag einhergehen.

Seit der Corona-Pandemie hat die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit psychischen Störungen stark zugenommen. Einem UNICEF-Bericht zufolge leiden rund 15 Prozent der 10 bis 14-Jährigen darunter, unter den 15- bis 19-Jährigen sind es etwa 17 Prozent.

Formen psychischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter

Alter und Geschlecht haben einen Einfluss darauf, welche Art von psychischen Auffälligkeiten bzw. Erkrankungen bei jungen Menschen gehäuft vorkommen:

  • Psychische Auffälligkeiten bei Kleinkindern unter vier Jahren beruhen meist auf Entwicklungsstörungen.
  • Bei Grundschulkindern sind Angststörungen, Depressionen, ADHS sowie aggressive, trotzige Verhaltensstörungen am häufigsten.
  • Depressionen, Essstörungen und Suchterkrankungen dominieren bei Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren.
  • Jungen entwickeln häufiger ADHS (etwa viermal so oft wie Mädchen), aggressive Verhaltensstörungen und Suchterkrankungen, während bei den Mädchen Essstörungen, psychosomatische Krankheitsbilder und Depressionen überwiegen.

Grundsätzlich können Kinder und Jugendliche die gleichen psychischen Erkrankungen wie Erwachsene entwickeln, etwa Depression, Angst- und Essstörungen, die zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zählen. Dagegen treten psychotische Erkrankungen wie Schizophrenie nur selten im Kindesalter auf, sondern entwickeln sich meist erst später (im jungen Erwachsenenalter).

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Neben diesen altersunabhängigen Erkrankungen gibt es noch psychische Störungen, die sich nur in der Kindheit entwickeln, sozusagen „psychische Kinderkrankheiten“. Sie bleiben oft auch im Erwachsenenalter präsent. Experten unterscheiden hierbei zwei Gruppen:

  • Disruptive Verhaltensstörungen: Das sind psychische Störungen bei Kindern, die vor allem das Verhalten beeinflussen, was sich belastend auf das soziale Umfeld auswirken kann. Beispiele sind ADHS, oppositionelle Verhaltensstörung und soziale Verhaltensstörung.
  • Neurologische Entwicklungsstörungen: Sie betreffen nicht nur die psychische Gesundheit, sondern die gesamte kindliche Entwicklung. Zu ihnen gehören zum Beispiel Autismus, Rett-Syndrom und Fragiles X-Syndrom.

Symptome der Schizophrenie

Im akuten Krankheitsstadium treten bei schizophrenen Menschen eine Vielzahl charakteristischer Störungen auf, die fast alle Bereiche des inneren Erlebens und Verhaltens betreffen, wie Wahrnehmung, Denken, Gefühls- und Gemütsleben, Willensbildung, Psychomotorik und Antrieb.

Die Symptome der Schizophrenie werden traditionell in zwei große Bereiche unterteilt: Positivsymptome und Negativsymptome. In jüngerer Zeit finden jedoch auch die kognitiven Symptome der Erkrankung zunehmend Beachtung und werden als eigener dritter Bereich gesehen. Kognitive Störungen dieser Art sind ein zentraler Symptomkomplex der Schizophrenie.

Die Ausprägung der Symptome hängt zum Teil von der Persönlichkeit des Betroffenen ab. Sie sind zwar insgesamt sehr variabel, die einzelnen Patienten behalten jedoch oft über lange Zeiträume ihr individuelles Symptom-Muster.

Positivsymptome

Als Positivsymptome oder Plussymptome gelten Übersteigerungen und starke Fehlauffassungen des normalen Erlebens bis hin zu Halluzinationen. Derartige Symptome wurden deshalb als eine Art „Überschuss“ gegenüber dem gesunden Zustand angesehen. Charakteristische Positivsymptome sind inhaltliche Denkstörungen, Ich-Störungen, Sinnestäuschungen und innere Unruhe. Typisch für die inhaltlichen Denkstörungen ist die Bildung eines Wahns.

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Häufig treten akustische Halluzinationen (Akoasmen) auf: Etwa 84 % der Menschen mit einer schizophrenen Psychose nehmen Gedanken wahr, von denen sie meinen, deren Ursprung komme von außen. Sie nehmen z. B. Stimmen wahr, die in seltenen Fällen auch Befehle erteilen. Dies wird im allgemeinen Sprachgebrauch als „Stimmen hören“ bezeichnet. Häufig haben Betroffene den Eindruck, durch fremde Stimmen beleidigt zu werden.

Zu den Ich-Störungen zählen:

  • Gedankeneingebung: Erleben der eigenen Gedanken als von anderen aufgezwungen
  • Gedankenausbreitung: Vorstellung, andere könnten die eigenen Gedanken „abhören“ oder „mitlesen“
  • Gedankenentzug: Verlustgefühl, dass andere die eigenen Gedanken stehlen oder abschneiden
  • Fremdsteuerung: Gefühl, von anderen wie ein ferngelenkter Roboter gesteuert zu werden.

Negativsymptome

Negativsymptome oder Minussymptome bezeichnen Einschränkungen des normalen Erlebens und von psychischen Funktionen, die früher vorhanden waren, aber durch die Krankheit reduziert sind oder ganz fehlen. Diese Symptome stellen also einen Mangel gegenüber dem gesunden Zustand dar.

Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Negativsymptome:

Negativsymptom Erklärung
Affektverflachung Mangelnde Bandbreite von Emotionen in Wahrnehmung, Erleben und Ausdruck.
Alogie Mangel an sprachlichen Äußerungen mit verzögerten, wortkargen Antworten und einer wenig differenzierten Sprache
Asozialität mangelnde Kontaktfähigkeit in Form von Desinteresse am Umgang mit anderen Menschen, sozialem Rückzug, wenigen Freunden und wenig sexuellen Interessen
Avolition mangelnde Fähigkeit, ein zielgerichtetes Verhalten zu beginnen und beizubehalten
Antriebsstörung verminderte Fähigkeit und Wille zu zielgerichteter Aktivität (Antriebsschwäche)
Abulie Mangel an Willenskraft in Form von Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen
Apathie mangelnde Erregbarkeit und Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen, was zu Teilnahmslosigkeit und Interesselosigkeit führt
Anhedonie mangelnde Fähigkeit, Freude und Lust oder Genuss zu empfinden
Dynamische Entleerung Mangelnde Motivation zu Aktivitäten mit resultierender Antriebsarmut. Umfasst fehlende Zukunftsplanung, bis hin zu weitgehender Perspektivlosigkeit.
Motorische Defizite Mangel an Mimik und Gestik mit reduziertem Bewegungsspiel.

Frühwarnzeichen bei Kindern und Jugendlichen

Im Kindesalter ist die Symptomatik oft sehr versteckt. Mögliche Anzeichen sind:

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  • Plötzlicher Leistungsknick
  • Sozialer Rückzug
  • Körperliche Halluzinationen
  • Regressive Symptome (z.B. Einnässen)

Bei Jugendlichen treten häufiger produktive Symptome wie optische oder akustische Halluzinationen auf. Wichtig ist auch, den Drogenkonsum abzufragen.

Diagnose

Wichtig ist eine sorgfältige Diagnose, da sämtliche Symptome einer Schizophrenie (also Positiv- wie Negativsymptomatik) auch durch Epilepsie oder andere Erkrankungen des Gehirns, Stoffwechselstörungen und durch den Konsum oder den Entzug von Drogen hervorgerufen werden können.

Heute werden schizophrene Erkrankungen nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) oder der Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (DSM-5) diagnostiziert.

Diagnosekriterien nach DSM-5

Nach DSM-5 ist Schizophrenie durch fünf von der Norm abweichende Hauptmerkmale gekennzeichnet:

  • Wahn
  • Halluzinationen
  • Desorganisiertes Denken (desorganisierte Sprache)
  • Grob desorganisiertes Verhalten oder gestörte Motorik (inklusive der Katatonie)
  • Negativsymptome

Diagnosekriterien im DSM-5:

A.) Zwei (oder mehr) der folgenden Symptome, jedes bestehend für einen erheblichen Teil einer einmonatigen Zeitspanne (oder kürzer, wenn erfolgreich behandelt). Mindestens eines dieser Symptome muss (1), (2) oder (3) sein.

  1. Wahn.
  2. Halluzinationen.
  3. Desorganisierte Sprechweise (z. B. häufiges Entgleisen oder Zerfahrenheit).
  4. Grob desorganisiertes oder katatones Verhalten.
  5. Negativsymptome (z. B. verminderter emoti...

Therapie

Wenn in jungen Jahren der Verdacht auf eine Schizophrenie besteht, sollte man keine Zeit verlieren, sagt die Kinder- und Jugendpsychiaterin Univ.-Prof. Dr. Isabel Böge. Denn jede schwere Episode birgt das Risiko einer Chronifizierung und damit lebenslangen Leids.

Je älter die Jugendlichen sind, desto weniger unterscheidet sich die Therapie von der der Erwachsenen. Im Jugendalter ist kaum ein Medikament zugelassen. Das einzige zugelassene Medikament im Kindesalter ist Haloperidol, das aber zu den „alten“ Antipsychotika zählt und damit die meisten Nebenwirkungen aufweist.

Für die Erhaltungsdosis versucht man die geringstmögliche Dosis zu nehmen, sodass die Jugendlichen gut „funktionsfähig“ und nicht zu müde sind, sich aber trotzdem noch im Wirkspiegel befinden. Nach einem Jahr versucht man, das Medikament auszuschleichen - genauso langsam, wie man es vorher eingeschlichen hat.

Wir versuchen immer im Rahmen der ersten Episode die Frühsymptome zu erheben, die vielleicht doch vorhanden waren, um anhand derer Frühwarnsymptome zu definieren, auf die Jugendliche und/oder deren Eltern achten sollen. Das können Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, sozialer Rückzug oder Leistungsabfall sein.

Psychoedukation und Angehörigenarbeit

Beides hat einen hohen Stellenwert. Bei Kindern und Jugendlichen steht die Angehörigenarbeit naturgemäß im Vordergrund. Aber auch die Jugendlichen selbst so aufzuklären, dass sie ihre Krankheit verstehen, ist enorm wichtig.

Home Treatment

Home Treatment habe ich bereits 2011 in Deutschland angefangen. Wir konnten relativ schnell feststellen, dass wir mit einem Besuch zuhause mehr sehen als in 5 Wochen Station. Das Erstaunliche für mich war damals, dass die Familien die Motivation für Hausbesuche aufbringen. Dabei sind wir sehr individuell auf die Situation bzw. die Problematik der Patientinnen und Patienten eingegangen und haben - je nach Bedarf - Eltern, Schule und Freunde miteinbezogen. Das Schöne ist aber, dass die Kinder in ihrem Umfeld verbleiben können.

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