Die schizoaffektive Störung ist eine komplexe psychische Erkrankung, die sowohl Merkmale einer Schizophrenie als auch einer affektiven Störung (wie Depression oder Manie) aufweist. Dies führt zu einer Vielzahl von Symptomen, die das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen erheblich beeinträchtigen können.
Erfahrungen von Angehörigen
Viele Angehörige von Menschen mit schizoaffektiver Störung stehen vor großen Herausforderungen. Eine Person berichtet, dass ihr Freund (44), der seit zwei Jahren an einer schizoaffektiven Störung leidet, im Februar zwangseingewiesen und medikamentös eingestellt wurde. Seit April ist er entlassen, hat aber keine Tagesklinik besucht und keine Tagesstruktur. Er geht einmal pro Woche zum Therapeuten und einmal im Monat zur Neurologin, die bereits zum zweiten Mal die Medikamente reduziert hat, was für die Angehörige schwer nachvollziehbar ist. Zusätzlich gibt es einen Berufsbetreuer und einen Betreuer am Übergang, die jedoch nicht miteinander zusammenarbeiten.
Die Beziehung gestaltet sich weiterhin schwierig. Obwohl es keine extremen Wutausbrüche mehr gibt, zieht er sich weiterhin für mehrere Tage zurück. Die Balance zwischen Nähe und Distanz zu finden ist schwierig, Sex ist kein Thema mehr, und auch die Liebe kommt und geht. In einem moderierten Gespräch mit seinem Therapeuten beendete der Freund die Beziehung, wollte diese aber in eine Freundschaft umwandeln. Die Angehörige lehnte dies ab und beendete den Kontakt.
Es wird erwartet, dass der Betroffene versuchen wird, Kontakt aufzunehmen, was die Situation zusätzlich erschwert.
Herausforderungen im Alltag
Ein häufiges Problem ist der Mangel an Tagesstruktur. Der Betroffene steht erst spät auf und unternimmt wenig. Dies könnte an den Medikamenten liegen, insbesondere an Neuroleptika.
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Es ist selten, dass jemand, der so krank ist, wie beschrieben, wieder vollständig hergestellt wird. Klinikaufenthalte sind wahrscheinlich immer wieder notwendig.
Warum machen Schizophrene Urlaub von der Realität?
Vielleicht, weil die Welt als so schroff erfahren wird und die Konflikte als so bedrückend empfunden werden, dass dies notwendig wird, um überhaupt überleben zu können.
Therapieansätze
Neben einer strengen Medikation wird auch eine kognitive Therapie empfohlen. Ebenso wird eine Familientherapie empfohlen, in der die Angehörigen lernen, mit dem Kranken und den eigenen Sorgen besser klarzukommen. Psychotische Rückfälle können früher erkannt werden, und die Angehörigen lernen, den Kranken nicht zu überversorgen, sondern ihn so weit wie möglich im täglichen Leben zu fordern.
Eine Arbeits- oder Bewegungstherapie kann den Patienten in Kontakt mit der Realität bringen und halten. Es ist wichtig, den Menschen zurück in seine Beine/Hände zu bringen.
Psychotherapie ist eine sinnvolle Ergänzung, um schwierige Erfahrungen wie eine akute Psychose oder die Gestaltung des weiteren Lebens mit einer so schwerwiegenden Diagnose wie Schizophrenie aktiv anzugehen. Auch Symptome, die auf die medikamentöse Behandlung schlecht ansprechen, können psychotherapeutisch beeinflusst werden.
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Psychotherapie ist ein wichtiger Teil einer umfassenden Behandlung der Schizophrenie und verwandter psychischer Störungen, wie in den Behandlungsleitlinien des National Institute for Health and Care Excellence (NICE-Guidelines) in Großbritannien und im skandinavischen Raum festgehalten ist.
Sowohl Einzeltherapien als auch Therapietreffen mit Familienmitgliedern haben sich bewährt. Oft verändert eine solche Diagnose nicht nur das Leben des Betroffenen, sondern stellt auch die Angehörigen vor Herausforderungen. Daher können auch Beratungen der Angehörigen ohne den Patienten sinnvoll sein.
Eine langfristige therapeutische Begleitung mit Terminen in vierzehntägigen oder monatlichen Abständen kann hilfreich sein.
Aktuelle Forschungsergebnisse
Eine Studie der MedUni Wien hat neue Einblicke in die Mechanismen der Schizophrenie gegeben. Bekannt ist, dass das Dopaminsystem bei Betroffenen übersensibilisiert ist und bei Stimulation überreagiert, so dass große Mengen des Neurotransmitters Dopamin freigesetzt werden. Dies führt zu Symptomen wie dem Hören von Stimmen, Wahnvorstellungen und Störungen im Denken. Antipsychotika wirken, indem sie die Weiterleitung des Dopaminsignals dämpfen.
Die Studie verglich das Dopaminsystem von Gesunden mit dem von Patienten mit Schizophrenie, die noch nie eine antipsychotische Therapie erhalten hatten. Bei der gesunden Vergleichsgruppe wurde das Dopaminsystem durch mehrmalige Verabreichung einer geringen Dosis Amphetamin „sensibilisiert“, um so die Veränderungen im Dopaminsystem der Patientengruppe ein Stück weit nachzuahmen.
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Präfrontaler Cortex reguliert den Dopamin-Spiegel
Die Ergebnisse zeigen, dass die überschießende Dopamin-Ausschüttung alleine noch keine Schizophrenie-typischen Symptome verursacht. In der Gruppe der gesunden Probanden traten trotz der Sensibilisierung und der damit verbundenen erhöhten Dopaminausschüttung keine Symptome auf.
Die Dopamin-Ausschüttung wird bei gesunden Probanden durch den präfrontalen Cortex (ein Areal im Gehirn) sehr gut reguliert, bei den Patienten funktioniert diese Regulation aber nicht so gut. Betroffene haben Schwierigkeiten, die Ausschüttung von Dopamin durch den präfrontalen Cortex zu steuern. Es liegt weniger an der ausgeschütteten Dopaminmenge, vielmehr an einer Funktionsstörung der Regulationsprozesse durch den präfrontalen Cortex.
Die Studie zeigte auch, dass ein größeres Volumen des Sprachareals (BROCA-Zentrum) im präfrontalen Cortex bei den gesunden Probanden mit einer geringeren Dopaminausschüttung einhergeht. Bei Schizophrenie-Patienten gab es diesen Zusammenhang nicht.
Der präfrontale Cortex ist ein Gehirnbereich, bei dem Sprache, Emotionen und Gedächtnis zusammenlaufen. Es handelt sich um einen wichtigen Ansatzpunkt für therapeutische Entwicklungen.
Die Ergebnisse der Studie wurden im Journal Translational Psychiatry veröffentlicht:
Ana Weidenauer, Martin Bauer, Ulrich Sauerzopf, Lucie Bartova, Lukas Nics, Sarah Pfaff, Cecile Philippe, Neydher Berroterán-Infante, Verena Pichler, Bernhard M. Meyer, Ulrich Rabl, Patrick Sezen, Paul Cumming, Thomas Stimpfl, Harald H. Sitte, Rupert Lanzenberger, Nilufar Mossaheb, Alexander Zimprich, Pablo Rusjan, Georg Dorffner, Markus Mitterhauser, Marcus Hacker, Lukas Pezawas, Siegfried Kasper, Wolfgang Wadsak, Nicole Praschak-Rieder and Matthäus Willeit; Translational Psychiatry.
Umgang mit Stigmatisierung
Akute Psychosen, schizophrene Erkrankungen und verwandte Phänomene sind immer noch mit einem großen Stigma behaftet. ‚Verrücktes’ Verhalten ist uns unerklärlich und unheimlich.
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