„Mein ist die Rache, ich will vergelten, spricht der Herr.“ Kein anderes Zitat regt mehr zum Nachdenken über das Wesen der Rache an, über ihre theologische und psychologische Bedeutung, ihre Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit, als dieses Wort aus dem Alten Testament (Deuteronomium 32,35).
Rache ist ein starkes Gefühl, das oft aus Unrecht oder Kränkung entsteht. Um die verschiedenen Aspekte von Rache treffend zu beschreiben, gibt es zahlreiche Begriffe, die ihre Bedeutung in unterschiedlichen Nuancen wiedergeben.
Rache gehört zur Grundausstattung der menschlichen Gefühlswelt und bestimmt unseren Alltag. Jeder kennt Rachegefühle, viele quälen sich mit Rachegedanken, manche zerbrechen daran. Rache und deren Überwindung ist neben der Liebe das wichtigste Thema der Kultur.
Definition und Ursprung
„Rache“ bezeichnet eine Handlung, mit der jemand auf ein erlittenes Unrecht oder eine Kränkung reagiert. Ziel ist es, dem Täter Schaden zuzufügen oder ihn zu bestrafen. Rache kann aus Wut, Enttäuschung oder einem Gerechtigkeitsempfinden heraus entstehen.
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Das Wort „Rache“ stammt aus dem Althochdeutschen rāhha und hat germanische Wurzeln. Es leitet sich vom urgermanischen wræk-kō ab, was so viel wie „Vergeltung“ oder „Verfolgung“ bedeutete.
Rache beginnt bei Schadenfreude und Revanche. Sie will heimzahlen und vergelten und führt oft zu jahrelangen Fehden, ja zu Terror und Krieg. Aus psychologischer Sicht ist sie eng verbunden mit Kränkung. Denn man will sich rächen, weil man seelisch verletzt worden ist, löst aber durch Rachehandlungen beim ehemaligen Schädiger und nunmehrigen Opfer neue Kränkungsgefühle aus.
Die Vielschichtigkeit der Rache
Wie schwer wir uns mit der Rache tun, zeigt die Unterschiedlichkeit, mit der wir sie beschreiben. Wir charakterisieren sie als verständlich und verwerflich, als heilig und teuflisch, als heldenhaft und verbrecherisch oder als süß und bitter. Rache gibt uns Genugtuung und ruft gleichzeitig ein schlechtes Gewissen hervor.
Wie wichtig Rache für das menschliche Wesen ist, lesen wir schon im Flehen des Psalms 94,1: „Herr, Gott, des die Rache ist, des die Rache ist, erscheine!“ (Lutherbibel 2017)
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Sie liefert den Stoff für Mythen und Märchen, für Dramen und Opern, für Romane und Filme.
Rache im Kontext von Religion und Recht
Im Alten Testament, das man in der Rachethematik oft auf das „Auge für Auge-, Zahn für Zahn-Prinzip“ (Exodus 21,24) reduziert, wird die persönlich betriebene Rache verurteilt und das Recht auf Rache als Monopol Gottes betrachtet, worauf auch Paulus im Römerbrief (12,19) Bezug nimmt: „Übt nicht selbst Vergeltung, Geliebte, sondern lasst Raum für das Zorngericht Gottes.“
Gott kann sich in Ausübung seiner Königsherrschaft rächen, um die von ihm verbürgte Gerechtigkeitsordnung durch Bestrafen wieder herzustellen und den Unterdrückten zu ihrem Recht zu verhelfen.
Im Neuen Testament hingegen tritt das Gebot der Feindesliebe an die Stelle der Rache. In der Bergpredigt (Matthäus 5) heißt es: „Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andre hin!“ (Vers 39) und: „Liebt eure Feinde und betet für sie, die euch verfolgen.“ (Vers 44) Das Durchbrechen jeglicher Schuld-Rache-Logik ist also ein Hauptteil der Botschaft Jesu.
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In modernen Gesellschaften wird Rache oft durch das Rechtssystem ersetzt. Strafen sollen nicht aus persönlicher Vergeltung erfolgen, sondern der Gerechtigkeit dienen. Trotzdem gibt es noch heute Länder, in denen Blutrache oder Ehrenmorde vorkommen.
Psychologische Aspekte der Rache
Warum verspüren Menschen den Wunsch nach Rache? Psychologen erklären, dass Rache oft aus einem Gefühl der Ungerechtigkeit entsteht. Sie kann als Wiederherstellung des Gleichgewichts empfunden werden, bringt aber selten langfristige Zufriedenheit. Studien zeigen, dass Menschen, die Rache üben, oft nicht glücklicher werden, sondern sich in einem Kreislauf der Vergeltung verfangen.
Auslöser für Hass sind Kränkung, Enttäuschung, Entwertung und Benachteiligung. Große Wurzeln des Hasses sind Neid, Gier, Rache und Eifersucht. Hass entsteht also, er ist nicht angeboren.
Umgang mit Rachegefühlen in der Psychotherapie
Im Umgang mit der Rache treffen sich Psychotherapie und christliche Glaubenslehre ein Stück weit. Beiden geht es um die konstruktive Überwindung der destruktiven Rache. Während die biblische Antwort klar ist, stellt sich in der Psychotherapie die oft schwierige Frage, ob Rachebedürfnisse befriedigt oder übergangen werden sollen.
Werden Opfer sexuellen Missbrauchs mit dem Trauma besser fertig, wenn sie den Täter einer gerechten Strafe zuführen und bedeutet Verzicht auf Vergeltung nicht auch Verdrängen? Hat Rache dieser Art nicht auch einen gutmachenden und präventiven Aspekt?
Die Antwort ist nicht einfach, zumal es keine „Rachetherapie“ im eigentlichen Sinne gibt. Wichtig ist jedenfalls, dass die Patienten über das sprechen, was sie kränkt, dass sie ihre Rachebedürfnisse zu Wort bringen und jegliche Vergeltung differenziert betrachten.
Wenn denn Rache sein muss, soll sie mit Augenmaß erfolgen und nicht durch Unverhältnismäßigkeit eine Spirale aus Kränkung, Hass und Rache eröffnen. Die edelste Form des Umgangs mit der Rache ist aber sowohl aus religiöser als auch psychotherapeutischer Sicht das Verzeihen.
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