Das erste Gespräch beim Psychotherapeuten: Tipps und was Sie erwartet

Der erste Besuch beim Psychotherapeuten löst bei vielen Menschen Ängste aus. Sie wissen nicht genau, was sie erwartet und wie sie sich verhalten sollen. Das Wichtigste gleich zuerst: Es gibt keinen Grund, nervös oder ängstlich zu sein. Auch wenn die Ursache für den Besuch womöglich unangenehm und problematisch ist, das Gespräch wird in der Regel freundlich und entspannt ablaufen.

Eine Unterhaltung mit Ihrem Psychotherapeuten unterscheidet sich prinzipiell nicht von einem Gespräch mit einem anderen Arzt - nur, dass der Psychotherapeut sich üblicherweise mehr Zeit nimmt. Damit Sie Ihrem Termin optimistisch entgegenblicken können, sehen wir uns kurz an, was Sie dort erwartet.

Manchmal fühlt es sich aber besser an, sich vorher informiert zu haben. Eine „Vorbereitung“ auf Ihr Gespräch ist eigentlich nicht notwendig. Üblicherweise ist man per „Sie“.

Hin und wieder kann es auch Ausnahmen geben, etwa auf Ihren ausdrücklichen Wunsch hin. Mit einem „Sie“ ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Das „Sie“ hilft auch, einen gewissen professionellen Abstand zu wahren und sorgt für eine höfliche Gesprächsführung.

Wenn Sie das „Du“-Wort bevorzugen, sprechen Sie es einfach an. Bei Kindern und Jugendlichen ist man zunächst ebenfalls per „Sie“. Jedenfalls sollte der Psychotherapeut fragen, ob „Du“ oder „Sie“ bevorzugt wird, bevor auf „Du“ gewechselt wird.

Lesen Sie auch: Verfahren in der Analytischen Psychotherapie

Dauer des Erstgesprächs

Ein Erstgespräch dauert etwa 50 Minuten. Sie werden genügend Zeit haben, alle wichtigen Themen in Ruhe zu besprechen. Manchmal braucht es aber auch mehrere Gespräche bis der Psychotherapeut den Klienten, seine Situation und das Problem in allen Details versteht.

Manche Klienten finden es beim Erstgespräch schwierig, über bestimmte Themen zu sprechen. Es ist also durchaus möglich und auch üblich, mehr als ein (Erst-) Gespräch mit dem Psychotherapeuten zu führen.

Das persönliche Problem

Vermutlich gibt es einen spezifischen Grund, weshalb Sie sich an einen Psychotherapeuten wenden. Häufig handelt es sich dabei um sehr persönliche Dinge, über die man normalerweise nicht offen reden würde. Vielen fällt es daher schwer - quasi auf Knopfdruck - ihr Problem zu formulieren und auf den Punkt zu bringen. Womöglich schämen Sie sich auch und möchten manche Dinge gar nicht direkt ansprechen.

Es gilt die Verschwiegenheitspflicht. Sie können offen über alles sprechen.

Wenn Sie es lieber vermeiden würden, konkret auf Ihr Problem einzugehen oder Bedenken haben, es einem Fremden anzuvertrauen: keine falsche Scham. Es gibt vermutlich nichts, das Ihr Psychotherapeut nicht in der einen oder anderen Form schon gehört hat. Es gibt also keinen Grund, nicht auch unangenehme Dinge auszusprechen. Alles was gesagt wird bleibt vertraulich. Es muss Ihnen also nichts peinlich sein, Ihr Psychotherapeut kennt diese Probleme vermutlich schon seit vielen Jahren.

Lesen Sie auch: Funktional-Analytische Psychotherapie: Eine Definition

Üblicherweise fühlen sich Patienten durch Ihre Probleme stark belastet. Es macht also Sinn, gleich beim ersten Kontakt darüber zu sprechen. Erzählen Sie einfach, was Ihnen am Herzen liegt. Wenn der Psychotherapeut danach noch Fragen hat, wird er diese vorsichtig und empathisch stellen. Sein Ziel ist es, ein möglichst vollständiges Bild Ihrer Lage zu bekommen.

Ihr persönlicher Hintergrund

Psychische Erkrankungen können sehr individuelle Aspekte aufweisen. Aus diesem Grund sollten Sie auch auf Ihre persönliche Geschichte eingehen. Wenn Sie das Gefühl haben, es könnte hilfreich sein, sprechen Sie ruhig über Dinge wie Ihre Lebenssituation, familiäre Verhältnisse, Beziehung, Krankengeschichte oder berufliche Tätigkeiten.

Im Zweifelsfall lieber zu viel als zu wenig erzählen.

Wenn Sie unsicher sind, ob Sie ein bestimmtes Thema überhaupt erwähnen sollten: Ja, wenn es Sie beschäftigt, sollte es auch beachtet werden. Sie helfen damit dem Psychotherapeuten, Ihre Bedürfnisse und Wünsche besser zu verstehen. Sie sollten alles ansprechen, das Ihnen wichtig erscheint. Im Gespräch mit dem Psychotherapeuten können Sie nichts Falsches äußern.

Körperliche Beschwerden

Ihr Psychotherapeut ist auch Mediziner. Sie sollten daher auch von Ihren körperlichen Leiden berichten, selbst wenn sie auf den ersten Blick scheinbar nicht mit Ihren psychischen Problemen zusammenhängen. Für den Psychotherapeuten sind diese Begleiterscheinungen genauso wichtig wie Ihre Gedanken und Gefühle.

Lesen Sie auch: Psychotherapie: Was Sie wissen sollten

Typische Fragen

Was sind nun typische Fragen, die man gestellt bekommt? In erster Linie werden sie sich natürlich um Ihr konkretes Problem handeln. Da diese Fragen je nach Art der Beschwerden unterschiedlich sein können hier ein Beispiel:

Angenommen Sie kommen wegen einer Depression.

  • Wie gut schlafen Sie?
  • Wie geht es Ihnen mit der Energie für die täglichen Aufgaben des Alltags?
  • Grübeln Sie häufig?
  • Worüber grübeln Sie?
  • Was bereitet Ihnen Sorgen?

Wenn Ihnen eine Frage unangenehm ist oder seltsam vorkommt, müssen Sie natürlich nicht antworten. Sagen Sie stattdessen einfach, weshalb Sie die Frage lieber nicht beantworten möchten.

Darüber hinaus wird häufig über folgende Themenbereiche gesprochen:

Suchtmittel / Drogen

Fragen zu Alkohol-, Nikotin- und Drogenkonsum werden bei jedem Erstgespräch gestellt. Sie helfen das Problem bzw. die Art wie jemand mit seinen Problemen umgeht, zu verstehen. Darüber hinaus ist es wichtig, den Substanzkonsum des Klienten zu kennen, falls ein Medikament verordnet werden muss. Fragen nach Substanzkonsum sind niemals wertend gemeint.

Sexualität

Auch sexuelle Themen kommen bei psychischen Problemen häufig vor. Ein guter Psychotherapeut sollte schon beim Erstgespräch auf eventuelle sexuelle Probleme eingehen. Die Nebenwirkungen mancher psychiatrischer Medikamente können auch das Sexualleben beeinflussen. Daher kann es notwendig sein, eventuell bestehende sexuelle Probleme nachzufragen. Das hat nichts mit Neugierde zu tun - nur so kann der Psychotherapeut sicher gehen, dass er (falls nötig) das richtige Medikament verordnet.

Kinder / Familie

Fragen zu Kindern bzw. Familie gehören zum Verständnis der Gesamtsituation des Klienten und kommen daher regelmäßig vor.

Krankengeschichte

Welche Medikamente werden derzeit eingenommen? Leiden der Klient an chronischen Erkrankungen? Gab es ähnliche Erkrankungen in der Familie?

Nach dem Erstgespräch

Viele Klienten fühlen sich bereits nach dem ersten Gespräch erleichtert. Es ist ein gutes Gefühl über belastende Dinge gesprochen und die Meinung eines Experten gehört zu haben. Schon beim ersten Gespräch sollte geplant werden, wie es mit der Therapie weiter geht. Diese Aussicht auf eine baldige Besserung wird bereits oft als hilfreich empfunden.

Ihr Behandlungsplan kann individuell gestaltet sein. Ein Besuch beim Psychotherapeuten bedeutet nicht, immer ein Medikament verschrieben zu bekommen. Es kann sein, dass Ihr Psychotherapeut empfiehlt einen Therapeuten aufzusuchen.

Die Anzahl der notwendigen Besuche kann individuell sehr unterschiedlich sein. Manchmal reicht ein Gespräch zur Abklärung, unter Umständen braucht man aber auch mehrere (dann kürzere) Termine.

Viele Psychotherapeuten sind auch Psychotherapeuten oder „Fachärzte für Psychotherapeutische Medizin“. Sie können und dürfen dann auch eine psychotherapeutische Behandlung anbieten.

Was ist Gesprächstherapie?

Die Gesprächstherapie - auch Gesprächspsychotherapie, klientenzentrierte, personenzentrierte oder non-direktive Psychotherapie genannt - wurde Mitte des 20. Jahrhunderts vom Psychologen Carl R. Rogers begründet. Sie gehört zu den sogenannten humanistischen Therapien. Diese gehen davon aus, dass der Mensch sich ständig weiterentwickeln und wachsen will. Der Therapeut unterstützt diese sogenannte Aktualisierungstendenz, indem er dem Patienten hilft, sich selbst zu verwirklichen.

Im Gegensatz zu anderen Therapieformen konzentriert sich die Gesprächstherapie nicht auf die Probleme des Patienten, sondern auf dessen Entwicklungspotenzial im Hier und Jetzt.

Laut dem Konzept der Gesprächstherapie entstehen psychische Störungen dann, wenn jemand Probleme hat, sich selbst zu akzeptieren und wertzuschätzen. Der Betroffene sieht sich also verzerrt und nicht so, wie er oder sie wirklich ist. Beispielsweise sieht sich die Person als mutig, schreckt aber vor Herausforderungen zurück. Daraus entsteht eine Inkongruenz - eine Nichtübereinstimmung. Das bedeutet, dass der Patient ein Bild von sich hat, das nicht mit seinen Erfahrungen übereinstimmt. Diese Unstimmigkeit erzeugt Angst und Schmerz. An dieser These für die Entstehung psychischer Störungen setzt die Gesprächstherapie an.

Bedingungen für eine Gesprächstherapie

Carl R. Rogers hat für die Gesprächstherapie sechs entscheidende Bedingungen aufgestellt:

  1. Es ist notwendig für die Interaktion, dass ein Kontakt zwischen Therapeut und Patient besteht.
  2. Der Patient befindet sich in einem inkongruenten Zustand, der ihm Angst bereitet und ihn verletzlich macht.
  3. Der Therapeut ist in einem kongruenten Zustand. Das bedeutet, dass er gegenüber dem Patienten wahrhaftig ist und sich nicht verstellt.
  4. Der Therapeut akzeptiert den Patienten bedingungslos.
  5. Der Therapeut fühlt sich in den Patienten hinein, ohne sich in dessen Gefühlen zu verlieren.
  6. Der Patient nimmt den Therapeuten als einfühlend wahr und fühlt sich bedingungslos akzeptiert und wertgeschätzt.

Wann macht man eine Gesprächstherapie?

Die Gesprächstherapie wird erfolgreich bei der Behandlung psychischer Störungen angewandt. Häufig handelt es sich um Angst- oder Zwangsstörungen, Depression oder Abhängigkeitsstörungen.

Wie in den oben genannten Bedingungen für eine Gesprächstherapie angeführt, eignet sich dieses psychotherapeutische Verfahren nur dann, wenn eine Person eine Unstimmigkeit (Inkongruenz) zwischen ihrem Selbstbild und ihren Erfahrungen wahrnimmt. Zudem sollte man eine gewisse Bereitschaft mitbringen, sich selbst genauer zu erforschen.

Bei psychotischen Symptomen sowie manchen Persönlichkeitsstörungen ist die Gesprächstherapie ungeeignet, weil die Betroffenen keine Problemeinsicht haben. Die Gesprächstherapie ist auch dann nicht zu empfehlen, wenn die Person Schwierigkeiten hat, sich sprachlich auszudrücken oder über sich selbst zu reflektieren.

In den ersten Probesitzungen kann der Patient herausfinden, ob ihm diese Art der Therapie zusagt. Zudem achtet der Therapeut auf die oben genannten Bedingungen und meldet dem Patienten zurück, ob die Gesprächstherapie für ihn geeignet ist oder nicht.

Was macht man bei einer Gesprächstherapie?

In den ersten Therapiesitzungen erstellt der Therapeut die Diagnose und erkundigt sich nach der Vorgeschichte. Daraufhin legt der Patient fest, welche Ziele er in der Therapie erreichen möchte.

Das Kernstück der Gesprächstherapie ist das Gespräch zwischen Patient und Therapeut. Der Patient schildert seine Probleme und seine Sichtweisen. Der Therapeut ist bemüht, die Gefühle und Gedanken des Patienten möglichst genau zu verstehen.

Die klientenzentrierte Gesprächsführung basiert darauf, dass der Therapeut immer wieder die Aussagen des Patienten in seinen eigenen Worten zusammenfasst. Durch die Reflexion des Therapeuten gelangt der Patient zu einem besseren Verständnis seiner inneren Welt.

Was der Therapeut in einer Gesprächstherapie nicht macht, ist, dem Patienten Ratschläge oder Anweisungen zu erteilen. Er sagt dem Patienten also nicht, wie er sich verhalten soll, sondern hilft diesem vielmehr dabei, eine individuelle Antwort in sich selbst zu finden.

Therapeutische Grundhaltung

Carl R. Rogers nahm an, dass in der Psychotherapie weniger die Technik, sondern vor allem die therapeutische Haltung gegenüber dem Patienten die entscheidende Rolle spielt. Zur Gesprächstherapie gehört daher, dass der Therapeut eine warme, einfühlende und bedingungslos wertschätzende Haltung dem Patienten gegenüber einnimmt. Er wertet den Patienten nicht und bringt ihm Achtung und Respekt entgegen. Dadurch sollen sich automatisch Veränderungen im Patienten vollziehen. Wenn sich der Patient in der Therapie sicher und geborgen fühlt, kann er nämlich ohne Hemmungen erforschen, welche inneren Konflikte ihn belasten, und diese frei äußern.

Selbstbild verändern

Viele Patienten leiden, weil sie die Ursache ihres Unglücks in äußeren Bedingungen sehen, die sie nicht verändern können. In der Gesprächstherapie leitet der Therapeut hin zu den inneren Vorgängen, die Leid erzeugen.

Eine häufige Ursache für Leid sind beispielsweise verzerrte Wahrnehmungen. Der Patient lernt Pauschalurteile ("Keiner mag mich") genau zu überprüfen. Dadurch gelangt er im Laufe der Gesprächstherapie zu einer realistischeren Sichtweise ("Meine Familie und meine Freunde mögen mich, auch wenn wir ab und zu Meinungsverschiedenheiten haben").

Ziel der Gesprächspsychotherapie ist, dass der Patient wertschätzend mit sich umgeht und lernt, sich so zu sehen und zu akzeptieren, wie er ist. Die Erfahrungen, die er macht, kann er offen annehmen und muss weder verdrängen noch verzerren. Der Patient ist dann kongruent, das bedeutet, dass sein Selbstbild mit seinen Erfahrungen übereinstimmt.

Welche Risiken birgt eine Gesprächstherapie?

Wie jede Psychotherapie kann auch die Gesprächstherapie in manchen Fällen zu einer Verschlechterung führen oder die Symptome nicht bessern.

Einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der Therapie hat das Verhältnis zwischen Therapeut und Patient. Deshalb ist es wichtig, dass der Patient Vertrauen zum Therapeuten hat. Ist dies nicht der Fall, ist ein Therapeutenwechsel sinnvoll.

Zudem ist die Gesprächstherapie nicht für jeden geeignet. Die Gesprächstherapie wird etwa nicht erfolgreich sein, wenn der Patienten Schwierigkeiten hat, über sich zu reflektieren oder das Beziehungsangebot des Therapeuten anzunehmen. Auch Menschen, die generell dazu in der Lage sind, können in schweren psychischen Krisen diese Fähigkeiten verlieren. Personen, die stärkere Orientierungshilfen brauchen, kommen möglicherweise mit verhaltenstherapeutischen Techniken besser zurecht.

Was muss ich nach einer Gesprächstherapie beachten?

Im Laufe der Gesprächstherapie entsteht oft eine starke Bindung zwischen Patient und Therapeut. Viele Patienten fühlen sich in dem warmen und wertschätzenden Klima der Gesprächstherapie sehr wohl und haben Angst, wenn sich die Therapie dem Ende neigt.

Solche Ängste und Sorgen sind vollkommen normal. Es ist jedoch wichtig, dass der Patient dem Therapeuten solche negativen Gedanken und Befürchtungen mitteilt - und auch, wenn er am Ende der Therapie das Gefühl hat, dass es ihm noch nicht besser geht. Therapeut und Patient können dann gemeinsam klären, ob eine Verlängerung der Therapie notwendig ist oder vielleicht ein anderer Therapeut oder eine andere Therapieform die bessere Lösung wäre.

Um das Beenden der Therapie zu erleichtern, kann der Therapeut die Abstände zwischen den Sitzungen allmählich vergrößern - die Therapie wird "ausgeschlichen", damit sich der Patient daran gewöhnt, ohne die Gesprächstherapie im Alltag zurechtzukommen.

tags: #psychotherapie #tipps #erstes #gesprach