Neurodegenerative und psychische Erkrankungen sind weltweit auf dem Vormarsch und stellen unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Die WHO prognostiziert bis 2050 einen rasanten Anstieg von Alzheimer, Parkinson, Autismus - aber auch Erkrankungen wie Gehirntumore, Depressionen, Epilepsie und Schizophrenie stellen unser Gesundheitssystem auf die Probe.
Psychiatrische Erkrankungen treten bei Epilepsiepatienten signifikant häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. So findet man Depressionen bei 11-55%, Angststörungen bei 15-25%, Psychosen bei 2-8%, ein ADHD bei 10-40% und dissoziative Anfälle bei 1-10%. Die Suizidrate liegt bei 5-12%. Zudem ist die psychiatrische Komorbidität bei Epilepsien signifikant höher als bei anderen chronischen Erkrankungen. Dies lässt auf eine gemeinsame biologische Grundlage von psychiatrischen Erkrankungen und Epilepsien schließen.
Häufigkeit von Epilepsie bei Schizophrenie-Patienten
Menschen mit Schizophrenie erkranken sechs Mal wahrscheinlicher an Epilepsie als Nicht-Schizophrene. Die Forscher werteten die Daten von rund 16.000 Patienten mit Epilepsie und Schizophrenie für den Zeitraum 1999 bis 2008 aus. Insgesamt wurden 5.195 Patienten mit Schizophrenie und 11.527 Patienten mit Epilepsie identifiziert. Bei diesen Personen wurde während der Laufzeit der Studie eine entsprechende Diagnose gestellt.
Die Studienergebnisse zeigen, dass Epilepsie mit einer Häufigkeit von 6,99 pro 1.000 Personenjahre bei den Patienten mit Schizophrenie auftrat. In der Kontrollgruppe lag dieser Wert bei nur 1,19. Schizophrenie trat mit einer Häufigkeit von 3,53 pro 1.000 Personenjahre bei Epilepsie-Patienten auf. Die Kontrollgruppe wies einen Wert von 0,46 auf.
Die aktuelle Studie ergab auch, dass Schizophrenie etwas häufiger bei Männern mit Epilepsie auftritt als bei Frauen, die an dieser Krankheit leiden. I-Ching Chou erklärt, dass diese Studienergebnisse zeigen, dass es in beide Richtungen einen starken Zusammenhang zwischen Schizophrenie und Epilepsie gibt.
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Tabelle: Vergleich der Häufigkeit von Epilepsie und Schizophrenie
| Gruppe | Häufigkeit (pro 1.000 Personenjahre) |
|---|---|
| Patienten mit Schizophrenie (Epilepsie) | 6,99 |
| Kontrollgruppe (Epilepsie) | 1,19 |
| Patienten mit Epilepsie (Schizophrenie) | 3,53 |
| Kontrollgruppe (Schizophrenie) | 0,46 |
Mögliche Ursachen für den Zusammenhang
"Verantwortlich dafür könnten die gemeinsame Pathogenese dieser Krankheiten wie eine genetische Anfälligkeit oder Umweltfaktoren sein. Das Team um I-Ching Chou schreibt in "Epilepsia", dass dafür genetische, neurobiologische oder umweltbedingte Faktoren verantwortlich sein könnten.
Formen psychiatrischer Störungen bei Epilepsie
Die Einteilung von psychiatrischen Störungen bei Epilepsiepatienten erfolgt gemäß ihrer zeitlichen Beziehung zu den epileptischen Anfällen und deren Behandlung. So können psychiatrische Störungen entweder in einer fixen zeitlichen Beziehung zu den Anfällen auftreten (man unterscheidet dabei präiktale, iktale und postiktale psychiatrische Störungen) oder sich unabhängig vom Auftreten der Anfälle manifestieren (interiktale psychiatrische Störung). In seltenen Fällen kommt es ausschließlich in Phasen der Anfallsfreiheit zu psychiatrischen Störungen, während diese bei Wiederauftreten der Anfälle remittieren (alternative psychiatrische Störung).
- Präiktale Störungen: Treten Stunden oder Tage vor einem Anfall auf.
- Iktale Störungen: Manifestieren sich während des Anfalls.
- Postiktale Störungen: Treten nach dem Anfall auf, oft mit einem symptomfreien Intervall.
- Interiktale Störungen: Unabhängig vom Anfallsgeschehen.
- Alternative Psychosen: Treten nur in anfallsfreien Phasen auf.
Depression und Epilepsie
Die Depression stellt die häufigste psychiatrische Begleiterkrankung bei Epilepsie dar. Die Häufigkeit von Depressionen korreliert dabei mit der Anfallskontrolle: Sie liegt zwischen 3 und 9% bei gut kontrollierter Epilepsie, jedoch zwischen 20 und 55% bei Patienten mit therapieresistenten Epilepsien. Umgekehrt belegen mehrere Studien, dass eine positive Anamnese für eine Depression einen signifikanten Risikofaktor für das Neuauftreten einer Epilepsie darstellt. Eine positive Anamnese für eine Major Depression erhöht das Risiko für das Auftreten von unprovozierten Anfällen um einen Faktor 1,7. Die bidirektionale Beziehung zwischen Epilepsie und Depression könnte durch gemeinsame Pathomechanismen beider Erkrankungen erklärt werden.
Psychotische Störungen bei Epilepsie
Die Prävalenz psychotischer Störungen bei Epilepsiepatienten liegt zwischen 2 und 8%. Die Einteilung der epileptischen Psychosen erfolgt gemäß ihrem zeitlichen Bezug zum epileptischen Anfall.
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- Iktale Psychosen: Stellen die klinische Manifestation eines nichtkonvulsiven Status epilepticus dar.
- Postiktale Psychosen: Sind durch psychotische und affektive Symptome (paranoide Wahninhalte) charakterisiert, die nach einer, dem Anfallsereignis folgenden, längstens sieben Tage andauernden symptomfreien Periode auftreten.
- Alternativpsychose: Eine inverse Beziehung zwischen Anfallskontrolle bzw. Normalisierung des EEG einerseits und psychotischen Symptomen andererseits.
- Interiktale Psychosen: Manifestieren sich die psychotischen Symptome zeitlich unabhängig vom Anfallsgeschehen.
Angststörungen bei Epilepsie
Die Prävalenz von Angststörungen bei Epilepsiepatienten liegt zwischen 15 und 25%. Angststörungen bei Epilepsiepatienten können wie folgt klassifiziert werden:
- Präiktale Angst: Prodromalphase mit Angst Stunden bis Tage vor einem Anfall.
- Iktale Angst: Verursacht durch epileptische Aktivität im Corpus amygdaloideum, im anterioren Gyrus cinguli, im orbitofrontalen und präfrontalen Kortex.
- Postiktale Angst: Angst nach einem Anfall für die Dauer von Stunden bis Tagen.
- Interiktale Angst: Angst im Rahmen einer Komorbidität von Angsterkrankung und Epilepsie; Angst als iatrogen verursachte Komorbidität (Nebenwirkung der antiepileptischen oder epilepsiechirurgischen Therapie); Angst als psychologische/ psychodynamische Reaktion auf die Tatsache, an Epilepsie erkrankt zu sein.
Bedeutung für die Lebensqualität
Das Vorliegen und der Schwergrad einer Depression sind die wichtigsten Prädiktoren für die Lebensqualität von Epilepsiepatienten und für die Lebensqualität entscheidender als die Anfallsfrequenz. Dennoch werden Depressionen bei Epilepsiepatienten unterdiagnostiziert und unterbehandelt.
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