Das wissenschaftliche Interesse daran, die Wirksamkeit der Psychotherapie auf den Evidenz-basierten Prüfstand zu stellen, ist in den vergangenen 30 Jahren deutlich gestiegen.
Das Äquivalenzparadox der Psychotherapie
Das Äquivalenzparadox der Psychotherapie besagt, dass Behandlungen gleichwertig positive Ergebnisse zeigen, obwohl ihre Theorien und Techniken nicht äquivalent sind.
Vergleich verschiedener Therapieansätze
Es wurden die Ergebnisse verschiedener Ansätze, wie sie in der täglichen Therapiepraxis verwendet werden, verglichen. Klienten (n = 1.309), die während dreier Jahre in einer von 58 NHS-Erst- und Nachsorgeeinrichtungen kognitiv-behaviorale Therapie (CBT), Personzentrierte Therapie (PZT) oder psychodynamische Therapie (PDT) erhielten, füllten zu Beginn und am Ende ihrer Behandlung den Fragebogen „Clinical Outcomes in Routine Evaluation-Outcome Measure (CORE-OM)“ aus. Ihre Therapeuten gaben auf einem Therapieende-Formular an, welchen Behandlungsansatz sie verwendet hatten.
Verglichen wurden die Ergebnisse von sechs Gruppen: drei, die ausschließlich mit CBT, PZT oder PDT, und drei, die mit einem dieser Ansätze plus einem weiteren Ansatz behandelt worden waren (zum Beispiel integrativ, unterstützend, Kunst).
Ergebnisse der Studie
Alle sechs Gruppen erreichten im Durchschnitt merkliche Verbesserungen (Prä-Post-Effektstärke = 1,36). Behandlungsansatz und Reinheitsgrad („nur“ versus „+ 1“) weisen beide auf statistisch signifikante, aber vergleichsweise geringfügige Varianzanteile bei den CORE-OMScores hin (jeweils 1 % und .5 % im Vergleich zur Prä-Post-Veränderung). Die Verteilungen der Veränderungsmaße waren weitgehend überlappend.
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Die Ergebnisse dieser drei Behandlungsansätze, wie sie routinemäßig in verschiedenen NHS-Settings praktiziert werden, stimmen im Allgemeinen mit früheren Befunden überein, wonach Ansätze, die in ihrer Theorie verschieden sind, dazu tendieren, gleichwertige Ergebnisse zu erzielen.
Wirksamkeit der Psychoanalyse
Seit über 100 Jahren sind Wirksamkeitsnachweise für die hochfrequente Psychoanalyse erbracht und publiziert worden. Dabei wurden jeweils die üblichen Forschungsparadigmata der jeweiligen Zeit verwendet. Unter hochfrequenter Psychoanalyse wird dabei das psychoanalytische Standardverfahren verstanden, das mit 3-5 Sitzungen pro Woche und im Couchsetting durchgeführt wird.
Eine nachhaltige und strukturelle Veränderung von impliziten Beziehungserfahrungen benötigt ein Setting mit adäquater Stundenfrequenz und ausreichender Behandlungsdauer. Der längerfristige gesellschaftliche Kosten-Nutzen-Faktor spricht nachweislich für die Anwendungen von höherfrequenter psychoanalytischer Therapie.
Studien zur Wirksamkeit der Psychoanalyse
Es gibt verschiedene Arten von Studien, die die Wirksamkeit der Psychoanalyse untersuchen:
- Katamnesestudien
- Quasi-experimentelle Studien
- Randomisiert-kontrollierte Studien
Katamnesestudien
Katamnesestudien beinhalten retrospektive Untersuchungen von Therapieerfolgen, wobei die Erfolge entweder von den TherapeutInnen, von den PatientInnen oder auch von unabhängigen UntersucherInnen eingeschätzt werden. Eine Baseline-Untersuchung (also die Erfassung des Zustandsbildes vor Beginn der Therapie) wird nicht durchgeführt.
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In der Zeit von 1917 bis 2003 wurden 13 Studien an insgesamt 5941 AnalysepatientInnen publiziert.
Quasi-experimentelle Studien
Im Unterschied zu den Katamnesestudien beinhalten die quasi-experimentellen Studien eine Baseline-Untersuchung, d.h. es wird vor Therapiebeginn und nach Therapieende untersucht. Auf diese Weise können Veränderungen prospektiv und objektiver erfasst werden. Dabei werden reliable und valide Untersuchungsinstrumente (Fragebögen, Interviews) eingesetzt, um die Veränderungen quantifizierbar und messbar zu machen.
Die quasi-experimentellen Studien sind nicht randomisiert und in der Regel naturalistisch, d.h. es werden PatientInnen bei PsychoanalytikerInnen bzw.
In der Zeit von 1972 bis 2012 wurden 9 Studien an insgesamt 425 PatientInnen publiziert. 50-85% der AnalysepatientInnen profitieren von der Psychoanalyse. Die Effekte sind groß und steigen nach Ende der Analysen weiter an.
Randomisiert-kontrollierte Studien
Es gibt zwei abgeschlossene und zwei laufende randomisiert-kontrollierte Wirksam-keitsstudien zur Psychoanalyse. In der finnischen Helsinki Psychotherapie Studie wurden 326 PatientInnen mit depressiven und Angststörungen mit entweder Langzeit oder Kurzzeit psychodynamischer Psychotherapie oder einer weiteren Kurztherapie (solution-focused therapy) behandelt. Zusätzlich wurde eine Gruppe von 41 PatientInnen mit hochfrequenter Psychoanalyse behandelt.
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Drei Jahre und fünf Jahre nach Therapiebeginn wurden Nachuntersuchungen durchgeführt. Es zeigte sich, dass alle Therapien zu Verbesserungen der Out-come-Parameter führten. Ab ca. drei Jahre nach Behandlungsbeginn war der Effekt der Psychoanalyse größer als der der Vergleichsbehandlungen.
In der Münchner Psychotherapiestudie wurden 100 depressive PatientInnen randomisiert-kontrolliert entweder mit kognitiver Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch-fundierter Psychotherapie oder Psychoanalyse behandelt.
Zwei weitere randomsiert-kontrollierte Outcome-Studien zur Psychoanalyse laufen derzeit. Insgesamt werden deutlich über 300 PatientInnen mit chronischer Depression behandelt.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass auch aus randomisiert-kontrollierten Studien erste Wirksamkeitsnachweise für die Psychoanalyse vorliegen. Diese zeigen insbesondere deutlich, dass die Effekte der Psychoanalyse auch nach Therapieende weiter wachsen, wobei ca. drei Jahre nach Therapiebeginn die Psy-choanalyse die anderen Verfahren »überholt«.
Kosten-Effektivität der Psychoanalyse
Es liegen vier Kosten-Effektivitäts-Studien zur hochfrequenten Psychoanalyse vor, die zeigen, dass Psychoanalyse zwar teurer als andere Psychotherapien ist, aber zu einer nachhaltigen Senkung der Gesundheitskosten führt. Die Analysen »amortisieren« sich nach ca.
In einer differenzierten Meta-Analyse zum Thema kommen de Maat et al. (2007) zu dem Schluss, dass aufgrund der vorliegenden Kosten-Effektivitäts-Studien von einer Kostenersparnis von 5.372 € pro Jahr ausgegangen werden kann. Diese Reduktion entsteht durch verminderte Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und weniger Arbeitsunfähigkeitstagen.
Weitere Aspekte der Psychotherapie
Moderne Metaanalysen ergeben für die Wirksamkeit der Psychotherapie bei Depressionen moderate Effektstärken. Die Kombination aus Pharmako- und Psychotherapie scheint weiterhin der ideale Weg zu sein, wobei die Abstimmung von psycho- und pharmakotherapeutischer Begleitung eine wesentliche Rolle spielen dürfte.
Für die kognitive Verhaltenstherapie, eine der bei Depressionen am häufigs ten angewendeten Psychotherapieformen, liegen die ermittelten Effektstärken im Bereich von 0,35.
Im Hinblick auf die Frage nach unterschiedlichen Effekten bei den Geschlechtern wurden bislang übrigens noch keine Gender-Effekte gezeigt. Demnach dürfte eine Psychotherapie bei Männern und Frauen etwa gleich wirksam sein, wenn auch Frauen im Allgemeinen eine höhere Motivation für psychotherapeutische Methoden aufbringen.
Als Evidenz-basiert gilt heute auch das Paradigma, dass sich in der Depressionsbehandlung - unabhängig von der Schwere der Erkrankung - die Kombination aus Psychopharmaka und Psychotherapie gegenüber den jeweiligen alleinigen Behandlungsformen als wirksamer erweist, speziell im Hinblick auf Langzeiteffekte. Dementsprechend wird heute bei der Entlassung aus einer stationären Behandlung den Patienten eine weiterführende Kombinationstherapie empfohlen.
Zwischen Psychotherapie und medikamentöser Therapie können Interaktionen auftreten, die zur gegenseitigen Verstärkung, aber auch zu gegenseitiger Behinderung führen können. Passen die Grundkonzepte nicht zusammen, etwa wenn Therapeuten ihre Klienten/Patienten nicht genügend zur Einnahme der Antidepressiva motivieren oder sogar eine negative Einstellung zur Pharmakotherapie äußern, können Stressmomente für Patienten entstehen.
Trotz aller Bemühungen betragen die Rückfallraten bei Depressionen selbst bei Kombinationstherapie noch immer rund 40 Prozent.
Viele psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angstzustände können nachweislich mit Psychotherapie deutlich verbessert werden. Bei leichteren und akuten Störungen sind kürzere Therapien ausreichend, bei schweren Störungen braucht es aber längere Therapie, wie zum Beispiel die Psychoanalyse.
Die hohe Wirksamkeit der psychoanalytischen Psychotherapie ist heute durch zahlreiche Studien untermauert. In aktuellen Studien wurde nachgewiesen, dass die psychoanalytische Psychotherapie zwar mehr Zeit benötigt als Kurztherapien, die Effekte aber umso nachhaltiger sind: Die Analysen brauchen zwei bis drei Jahre, um ihre Wirkung zu entfalten. Dafür steigen die positiven Effekte von psychoanalytischen Langzeittherapien danach weiter an. Die Psychoanalyse mag zwar teuer erscheinen, führt aber in Relation gesehen später zu einer nachhaltigen Senkung der Gesundheitskosten. Sie amortisiert sich nach etwa drei Jahren.
Psychoanalytische Behandlung, z.B. bei Depressionen, verändert aber auch die Funktion des Gehirns. Dies wurde erst kürzlich in einer Studie von Anna Buchheim an der Universität Innsbruck gezeigt. Die Normalisierung von Hirnfunktionen durch die Psychotherapie ähnelt in manchem der durch Psychopharmaka - möglicherweise hält sie aber länger an.
Während kürzere Psychotherapien gut geeignet sind, die Symptome von psychischen Erkrankungen zu reduzieren, zielt die psychoanalytische Therapie auch auf eine Veränderung der Persönlichkeit ab. Etwa bei der Persönlichkeitsstörung Borderline hilft die Psychotherapie nachweislich, die Persönlichkeit zu verändern. Der Effekt: Die Betroffenen verfügen dann zum Beispiel über eine verbesserte Impulskontrolle und Affektsteuerung.
Eine kompetente Persönlichkeit der Therapeut:innen ist ein prognostisch wichtiger Parameter für die therapeutische Beziehung und den Outcome der Therapie.
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