Schizophrenie, eine schwere chronisch-psychotische Störung, ist ein heterogenes Krankheitsbild mit Unterschieden in Ätiologie, Symptomatik und Verlauf. Die Lebenszeitprävalenz der Schizophrenie beträgt weltweit bei engsten Diagnosekriterien zwischen 0,3 und 0,66 Prozent, mit einer Inzidenz von 10,2-22,0 per 100.000 Personenjahre. Männer sind mit 1,4-2:1 etwas häufiger betroffen als Frauen, erkranken früher und schwerer. Das Erkrankungsrisiko steigt mit dem Vorliegen bestimmter genetischer, sozialer und Umweltfaktoren (Stress-Vulnerabilitätsmodell).
Strukturelle und funktionelle bildgebende Untersuchungsmethoden haben viel zum Verständnis der Symptomatik beigetragen. Neurochemische Befunde zeigen, dass, besonders im Stadium der akuten Psychose, das klinische Bild, das häufig von produktiver Symptomatik geprägt ist, mit einer erhöhten Synthese, Freisetzung und Konzentration von Dopamin einhergeht. Dies spiegelt sich in der therapeutischen Effektivität von Dopamin-Rezeptor-blockierenden Antipsychotika in der Akutphase der Erkrankung wider, während die kognitiven und sozialen Störungen im weiteren Verlauf weit weniger durch diese Medikamentengruppe beeinflusst werden können.
Eine medikamentöse Intervention sollte in ein Gesamtbehandlungskonzept unter Einschluss therapeutischer und psychosozialer Maßnahmen eingebettet sein. Patienten müssen über Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikamente aufgeklärt und sollten in den therapeutischen Entscheidungsprozess miteinbezogen werden. Sowohl AP der ersten Generation („first generation AP“ FGA) als auch AP der zweiten Generation („second generation AP“ SGA) verringern effektiv psychotische Symptome (++). Einige SGA bieten möglicherweise Vorteile bei der Gesamtwirksamkeit und in der Rückfallprophylaxe (+). Wegen des erhöhten Risikos von neurologischen Störungen (EPMS) unter FGA sind bestimmte SGA zu favorisieren (+). Rasche Dosissteigerungen („loading dose“) sollten vermieden werden (+). Die niedrigste effektive Dosis ist anzustreben (+).
Therapieempfehlungen
Es folgen Therapieempfehlungen mit hoher und mittlerer Evidenz. Wichtig ist ein Gesamtbehandlungsplan mit multiprofessionellen Therapiemaßnahmen, der unter Beteiligung der Betroffenen und aller am Behandlungsprozess Beteiligten erstellt werden sollte. Als Behandlungs-Setting soll das am wenigsten restriktive (verfügbare) Setting gewählt werden, initial kann eine ambulante Behandlung versucht werden. Allgemeinmedizinische Probleme, Unfähigkeit, sich selbst zu versorgen, und mögliche Selbst- oder Fremdgefährdung erfordern stationäre Betreuung.
- Soziotherapie: In der Akutphase frühzeitig „erste Hilfe klinische Sozialarbeit“ zur Abwehr akuter sozialer Gefahren (Wohnen, Arbeit).
- Psychologische Verfahren: Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung zu Betroffenen und Angehörigen und intensive Psychoedukation (PE) für Patienten und Angehörige verbessern die Therapieadhärenz (+) und können durch Früherkennung die Rückfallrate reduzieren helfen (+).
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hilft bei der Entwicklung von Coping-Strategien zur Krankheitsbewältigung und Stressreduktion; fakultativ helfen kognitives Training, Ergotherapie und Training sozialer Kompetenzen.
Pharmakotherapie mit Antipsychotika (AP) - allgemeine Aussagen
AP sind die Therapie der Wahl in allen unterschiedlichen Stadien schizophrener Störungen. Bei jeder Auswahl von AP sollten potenzielle Nebenwirkungen und individuelle Risikofaktoren (Geschlecht, Gewicht, RR, Laborbefunde etc.) berücksichtigt werden. Vor dem Wechsel auf ein anderes AP sollte ein kontrollierter Behandlungsversuch unter optimaler Dosierung und Adhärenz für mindestens vier bis maximal acht Wochen erfolgen (+).
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- (Ultra) High Risk Mental State: Wichtigste Maßnahmen sind der Aufbau einer therapeutischen Beziehung und regelmäßige Symptomerfassung, um bei Konversion in eine manifeste Psychose rechtzeitig intervenieren zu können und so die Dauer der unbehandelten Psychose (DUP) zu minimieren. Individuelle Verhaltenstherapie (KVT) kann Stress und Symptome lindern.
- Akute Psychose, erste Episode: Einige FGA und SGA sind gleichermaßen wirksam, sollten aber in geringeren Dosierungen als bei chronisch Kranken zum Einsatz kommen (++). Wegen des geringeren Risikos für neurologische UAW (+) und geringerer Abbruchrate sollten SGA bevorzugt werden (+).
- Akute Psychose, multiple Episode: Auch hier gilt: alle FGA und SGA sind gleichermaßen wirksam, einige SGA aber möglicherweise effektiver.
- Erhaltungstherapie und Rückfallprophylaxe: Bei etablierter Schizophrenie ist eine dauerhafte Behandlung mit AP im empfohlenen Dosisbereich zu empfehlen (++) wobei einige SGA Vorteile hinsichtlich Negativsymptomatik, Behandlungsdauer und Rückfallsvermeidung bieten (+). Eine intermittierende AP-Therapie („drug holiday“) stellt keine Alternative zu kontinuierlicher Behandlung dar (++).
Lithium als Augmentationsmittel
Bei therapieresistenter Depression gilt die Lithium-Augmentation als Therapie erster Wahl. Diese Therapie erschien auch angesichts der Suizidversuche des Patienten indiziert. Durch die Lithium-Augmentation kam es zu einer Abnahme der Suizidgedanken.
Lithium kann bei der akuten Manie einsetzt werden, auch wenn Antipsychotika klinisch einfacher zu handhaben sind und hier der Wirkungseintritt deutlich früher eintritt. Wenn Lithium in die phasenprophylaktische Therapie überführt werden soll, stellt Lithium (oder Valproat) ein erste Wahl Medikament dar. Wenn eine schwere manische Episode vorliegt kann Lithium als Augmentation einem neueren Antipsychotikum hinzugefügt werden.
Als Monotherapie sollte Lithium bei der akuten uni- und bipolaren Depression nicht eingesetzt werden. Aber für eine Augmentation zu einem Antidepressivum ist die Evidenz sehr gut. Die Daten zur Rezidivprophylaxe manischer Episoden sind gut, die zur Prophylaxe depressiver Rezidive inkonkludent. Die Prophylaxe bei Bipolar II Patienten, scheint erfolgreich zu sein. Keine Empfehlung zum prophylaktischen Einsatz bei rapid cycling Verläufen. Lithium besitzt eine gut dokumentierte anti-suizidale Wirksamkeit und sollte bei gefährdeten Patienten eingesetzt werden.
Wichtige Hinweise zur Lithium-Therapie
Hier sind einige wichtige Hinweise zur Lithium-Therapie:
- Wurde ein „steady state“ erreicht empfehlen die CANMAT Guidelines die Lithium Plasmaspiegel auf 0,6-0,8 mmol/l einzustellen.
- Die APA empfiehlt für die Prophylaxe niedere Spiegel (0,4-0,6 mmol/l), wobei höhere Plasmaspiegel (0,8-1,0 mmol/l) für die aktive Beherrschung von interkurrenten Manien befürwortet werden.
- Konsens besteht auf jeden Fall über die niedrigst phasenprophylaktisch wirksame Dosierung von 0,4 mmol/l.
- Auf Grund der engen therapeutischen Breite von Lithium ist eine regelmäßige Überwachung des Plasmaspiegels von großer Bedeutung.
- Die Patienten müssen zum Zeitpunkt der Blutentnahme nicht nüchtern sein.
- Am Tag vor der Blutentnahme sollte der Patient die letzte Tablette deshalb möglichst genau 12-Stunden-Intervall einnehmen.
Für ältere Patienten oder bei Kombinationen mit anderen Medikamenten sollen niedrigere Spiegel verwendet werden. Patienten unter Lithium zeigen nach Absetzen der Therapie eine deutlich gesteigerte Rate von vor allem manischen Rezidiven. Mehr als 50% der Rezidive fanden innerhalb der 10 ersten Wochen nach Absetzten statt. Lithium sollte bei Absetzten langsam ausgeschlichen werden. Ebenfalls steigt die Suizidalität nach abruptem Absetzten stark an.
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Erfassung und Therapie von Negativsymptomen
Negativsymptome sind ein Kernmerkmal der Schizophrenie. Ihre Erfassung und Therapie sind komplex. Negativsymptome sind ein wesentliches Charakteristikum bei Schizophrenie und sind bei anderen psychotischen Erkrankungen weniger ausgeprägt. Negativsymptome sind medikamentös nicht gut zu beeinflussen und äußern sich nach DSM-5 [4] in Form von reduziertem Ausdruck (Affektverflachung, Alogie) und Apathie (Avolition, Asozialität, Anhedonie) mit konsekutiver Beeinträchtigung von zielgerichteten Aktivitäten.
Wichtig ist auch zu unterscheiden zwischen primären und sekundären Negativsymptomen. Sekundäre Negativsymptomatik als Ergebnis von akuter psychotischer Symptomatik wäre zum Beispiel soziale Isolation oder Rückzug aufgrund von Angst. Ein weiterer wichtiger Umstand, der zum Auftreten oder zur Persistenz von sekundären Negativsymptomen beitragen kann, ist die soziale Deprivation, zum Beispiel in wenig stimulierenden Umgebungen bei chronisch institutionalisierten Patienten. Wenn Substanzkonsum ein Thema ist, kann es sich auch um ein „amotivationales Syndrom“ bei chronischem Cannabiskonsum handeln, was sich überdies häufig auch negativ auf die Therapieadhärenz auswirkt.
Die Abgrenzung von Negativsymptomatik und depressiver Symptomatik kann schwierig sein und bedarf klinischer Erfahrung. Sowohl Depression als auch Negativsymptomatik äußern sich in reduziertem Antrieb und Interesse sowie auch reduziertem Ausdruck. Suizidalität kann zwar auch unabhängig von Depression auftreten, findet sich jedoch gehäuft bei depressiver Symptomatik.
Die Erfassung von Negativsymptomen im klinischen Alltag kann durch die Verwendung von Screening-Instrumenten optimiert werden, die dafür konzipiert wurden, u. a. die BNSS (Brief Negative Symptom Scale) sowie die SNS (Selbstbeurteilungsskala von Negativsymptomen).
Weitere Therapieansätze
Negativsymptome sind schwierig zu behandeln, moderate Behandlungseffekte wurden für einige psychosoziale Therapien wie soziales Kompetenztraining [19] und kognitive Verhaltenstherapie [20, 21] gezeigt, jedoch sind noch weitere Studien mit größeren Fallzahlen und dem primärem Ergebnis „Negativsymptomatik“ notwendig. Die medikamentöse Behandlung von Negativsymptomen ist wissenschaftlich nicht gut belegt, da die meisten Studien bislang auf die akute Behandlung der Positivsymptomatik ausgelegt waren und häufig maximal 8 Wochen dauern, ein Zeitraum, der zu kurz ist, um zu differenzieren, ob die Besserung der Negativsymptome auf die Besserung der Positivsymptomatik zurückzuführen ist, sodass die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Negativsymptomen schwierig ist.
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Kleine bis mittlere Effekte konnten für atypische Antipsychotika wie Amisulpirid, Clozapin, Olanzapin und Risperidon in einigen Studien zwar gezeigt werden.
Tabellen
Tabelle 1: Differenzialdiagnosen von Depressionen bei Schizophreniepatienten
| Diagnose |
|---|
| Schizophrenie (F20) mit depressiver Symptomatik |
| Postschizophrene Depression (F20.4) |
| Schizophrenes Residuum mit depressiver Symptomatik (F20.5) |
| Schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv (F25.1) |
| Schizoaffektive Störung, gegenwärtig gemischt (F25.2) |
| Bipolare affektive Störung, gegenwärtig depressiv mit psychotischen Symptomen (F31.5) |
| Unipolar depressive Störung mit psychotischen Symptomen (F32.3) |
| Organische Depressionssyndrome (F06.3) bei Schizophrenie |
Tabelle 2: Diagnostische Merkmale der Schizophrenie nach DSM-5
| Merkmal |
|---|
| 1) Wahn |
| 2) Halluzinationen |
| 3) Desorganisierte Sprechweise (z. B. häufiges Entgleisen oder Zerfahrenheit) |
| 4) Grob desorganisiertes oder katatones Verhalten |
| 5) Negativsymptome, z. B. |
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