In Zeiten rasanter Veränderungen und wachsender Anforderungen rückt ein Thema immer stärker in den Fokus leistungsfähiger Organisationen: psychologische Sicherheit. Die moderne Arbeitswelt verändert sich rasant - primär aufgrund der zahlreichen Veränderungen, die sich im Unternehmensumfeld vollziehen. Diese Projekte sind nicht selten mit einem Personalabbau verbunden. Sie machen zudem Strukturen und Routinen obsolet, die den Mitarbeitenden bisher ein Gefühl der Sicherheit vermittelt haben. Doch was bedeutet psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz und warum ist sie wichtig?
Was ist psychologische Sicherheit?
Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Mitarbeiter:innen das Vertrauen haben, dass sie bei Fehlern oder kritischen Meinungsäußerungen nicht bestraft oder bloßgestellt werden. Es geht darum, ein Klima des Respekts und der Offenheit zu schaffen, in dem jede:r seine Gedanken einbringen kann. Psychologische Sicherheit besteht dann, wenn man sich im Team gut aufgehoben fühlt, die Kolleg:innen einander vertrauen, einander zuhören und als Menschen ernst nehmen.
Geprägt wurde der Begriff „Psychologische Sicherheit“ von US-amerikanischen Sozialwissenschaftlerin Amy Edmondson. Sie definiert die PS folgendermaßen: Psychologische Sicherheit ist die von Gruppenmitgliedern gemeinsam geteilte Überzeugung, dass die Gruppe sicher ist, um zwischenmenschliche Risiken einzugehen.
Der Begriff psychologische Sicherheit hingegen beschreibt das Gefühl der Mitarbeitenden, offen sprechen, Fragen stellen, Fehler zuzugeben und Bedenken äußern zu können - ohne Angst vor negativen Konsequenzen.
- ihre Meinungen, Ideen, Bedenken usw.
- auch Fehler, Versäumnisse usw.
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Es geht darum, dass die Mitarbeitenden sich trauen, ihre Meinung usw. Fehler werden als gemeinsame Lernaufgabe gesehen, auf „Blame & Shame“ wird verzichtet, ohne deshalb in eine Konflikt vermeidende Kuschelkultur abzugleiten.
Warum ist psychologische Sicherheit wichtig?
Psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz ist ein entscheidender Faktor für die Produktivität, Innovation und das allgemeine Wohlbefinden von Mitarbeiter:innen. Psychologische Sicherheit schafft die Basis, um als Team sein volles Potential zu entfalten und sich weiterzuentwickeln. In einer Umgebung, in der Fehler nicht sofort bestraft werden, trauen sich Mitarbeiter:innen, neue Ideen auszuprobieren und innovative Lösungen zu entwickeln. Das Fördern von Kreativität kann langfristig auch zu individuellen Wettbewerbsvorteilen führen. Wenn sich Teammitglieder sicher fühlen, kommunizieren sie offener und ehrlicher.
Ein unsicheres Arbeitsumfeld kann zu Stress, Angst und Burnout führen. Fehler sind ein natürlicher Bestandteil von Entwicklungsprozessen.
- Steigerung der Innovationskraft
- Effektivere Zusammenarbeit in Teams und bessere Teamleistung: Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind produktiver und kreativer.
- Erhöhte Lernbereitschaft und Weiterentwicklung: Mitarbeiter:innen trauen sich, Fragen zu stellen und Wissen zu teilen
- Offene und mutige Kommunikationskultur
- Geringere Fehlerquote: Fehler werden offen besprochen, man kann man aus ihnen lernen und zukünftige Probleme vermeiden.
- Höheres Engagement und geringere Fluktuation
Psychologische Sicherheit vs. Vertrauen
Vertrauen bezeichnet das individuelle Überzeugungsgefühl, dass eine Person, Gruppe oder Organisation zuverlässig, ehrlich und kompetent ist. Es basiert auf Erfahrungen, Beobachtungen und Erwartungen.
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- Vertrauen ist transaktional: Es bezieht sich auf die Zuverlässigkeit in konkreten Situationen, z.B.
- Vertrauen ist persönlich: Es kann auf individueller Ebene bestehen, z.B.
Vertrauen schafft sozusagen die Grundlage für stabile Beziehungen im Unternehmen. Mitarbeitende, die ihren Führungskräften vertrauen, sind zum Beispiel eher bereit, sich auf neue Herausforderungen einzulassen. Psychologische Sicherheit hingegen sorgt dafür, dass Mitarbeitende ihre Ideen, Bedenken und Fehler offen kommunizieren.
Vertrauen und psychologische Sicherheit bilden sozusagen die zwei Seiten einer Medaille: Vertrauen bildet die Basis für stabile Beziehungen; psychologische Sicherheit hingegen schafft die Atmosphäre, in der eine offene Kommunikation möglich ist. Beide Faktoren sind für eine gesunde, weil nachhaltige Team- bzw.
Strategien zur Förderung psychologischer Sicherheit
Folglich zählt es zu den Aufgaben der Führungskräfte und Personalfachleute in den Unternehmen in ihrem Umfeld bzw. in der Organisation ein Umfeld zu kreieren, das die psychologische Sicherheit der Mitarbeitenden erhöht.
- Wie ausgeprägt ist das Gefühl der psychologischen Sicherheit aktuell bei den Mitgliedern meines Teams bzw.
- Welche Ängste, Bedenken usw.
- Welche Maßnahmen kann ich bzw. können wir ergreifen, um die psychologische Sicherheit zu erhöhen?
- Wie kann ich bzw.
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Bewährte Ansätze bzw.
- Offene und transparente Kommunikation fördern.
- Fehlerkultur etablieren. Wenn Fehler nicht sanktioniert, sondern als Lernchancen gesehen werden, über die man offen sprechen sollte, können individuelle und kollektive Lernfelder identifizierte werden.
- Wertschätzung und Respekt zeigen.
- Partizipation und Mitbestimmung ermöglichen. Werden Mitarbeitende (soweit möglich) in Entscheidungsprozesse eingebunden, erhöht dies das Gefühl der Zugehörigkeit und Selbst- statt Fremdbestimmung.
- Die emotionale Intelligenz der Führungskräfte erhöhen. Führungskräfte sollten lernen, aktiv und empathisch zuzuhören, auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden einzugehen und eine unterstützende Haltung zu zeigen.
- Klare Rollen und Erwartungen definieren. Transparente Zielvereinbarungen und Verantwortlichkeiten schaffen Klarheit und reduzieren Unsicherheiten.
- Unterstützung bei Stress und Belastung anbieten. Angebote wie Coaching, Supervision oder Gesundheitsförderprogramme helfen, psychische Belastungen zu reduzieren.
- Team-Building und soziale Interaktion fördern. Gemeinsame Aktivitäten stärken den Zusammenhalt und das Vertrauen im Team. Mit solchen Maßnahmen kann das Gefühl der psychologischen Sicherheit bei den Mitarbeitenden erhöht werden.
Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle: Sie müssen nicht nur die richtigen Tools bereitstellen, sondern sie auch sinnvoll nutzen und ihre Anwendung vorleben. Das bedeutet zum Beispiel, in Meetings gezielt auch zurückhaltende Personen einzubeziehen, bewusst Raum für Rückfragen zu schaffen oder mit eigenen Unsicherheiten offen umzugehen. Wer als Führungsperson aktiv zuhört, Feedback offen entgegennimmt und transparent kommuniziert, setzt ein starkes Zeichen - unabhängig vom Kanal.
Auch interaktive Tools wie digitale Whiteboards (z. B. Miro oder Microsoft Whiteboard) oder Live-Feedback-Plattformen (z. B. Mentimeter oder Slido) fördern psychologische Sicherheit, da sie anonyme Beteiligung ermöglichen. Gerade für eher introvertierte Teammitglieder kann das eine wertvolle Möglichkeit sein, sich ohne sozialen Druck einzubringen.
Die Rolle der Führungskraft
Der "Zünder" für die Entwicklung der PS ist in der Führung zu finden. Hier bekommen die operativen Führungskräfte die größte Einflussmöglichkeit durch ihre Führungshaltung (also die grundsätzliche Einstellung einer Person, die ihr Denken und Handeln in der Führung maßgeblich beeinflusst) und wie diese sich in der Führungsbeziehung mit den eigenen Mitarbeiter:innen zeigt. Diese Grundhaltungen können im Sinne einer offenen und authentischen Selbstreflexion hinterfragt und herausgefordert werden. Diese Bereitschaft soll demzufolge als wesentliche Eigenschaft jeder Führungskraft zu bewerten sein.
So erwähnt Amy Edmondson candor als erfolgskritische Grundhaltung von Führungspersonen für die Entfaltung von PS. Das Wort wäre ins Deutsche am besten mit „authentischer Offenheit„ zu übersetzen. Es impliziert die tiefe Überzeugung, dass die eigenen Ideen nicht über denen anderer stehen, dass Zuhören einen selbst und die Organisation weiterbringen kann und dass die Vermittlung ehrlicher Neugier mehr bewirkt und zu einem besseren Monitoring führt als strenge Kontrolle. Eine derartige Haltung fest zu verankern ist viel Arbeit, die sich aber in jeder Hinsicht lohnt.
Um dies aktiv zu gestalten, können Führungskräfte folgende Zutaten für die Teamführung nutzen:
- Sorgen Sie dafür, dass sich alle Teammitglieder einig über die gemeinsamen Ziele und Herausforderungen sind.
- Holen Sie das Scheitern aus der Problem-Schmuddelecke und machen Sie aus Scheitern eine Lernerfahrung. Fördern Sie Scheitern als Kultur zur Weiterentwicklung von Themen.
- Zeigen Sie die wechselseitige Abhängigkeit von allen auf und erläutern Sie, was geschehen kann, wenn sie sich nicht einbringen. Helfen Sie den Menschen zu verstehen, wie ihre Arbeitsaufgaben mit den Aufgaben anderer Teams zusammenhängen. Es ist von Bedeutung zu verstehen, dass es wichtig ist, Risiken im zwischenmenschlichen Bereich einzugehen, um Ideen und Bedenken zu teilen und somit Projekte vom Scheitern zu bewahren. Das fördert den Sinn für das individuelle Tun.
- Betonen Sie als Führungskraft, warum Ihre Mitarbeiter und ihr Tun wichtig sind. Zeigen Sie dazu immer auch den Wertbeitrag zum großen Ganzen auf.
- Seien Sie ein Vorbild und zeigen Demut sowie Wertschätzung für die Meinung Ihrer Teammitglieder. Ermutern Sie zur Beteiligung und nehmen Sie sich und Ihr Ego mehr zurück.
Trends und Entwicklungen
Die zunehmende Integration von KI in Arbeitsprozesse wird eine neue Dimension psychologischer Sicherheit erfordern: Teams müssen sich sicher fühlen, Bedenken gegenüber KI-Systemen zu äußern und deren Grenzen zu diskutieren, während sie gleichzeitig die Chancen dieser Technologie konstruktiv nutzen.
Hybrid- und Remote-Arbeit entwickelt sich zum Standard, was neue Herausforderungen für psychologische Sicherheit schafft. Führungskräfte müssen bewusst virtuelle Räume für informellen Austausch schaffen und digitale Formate so gestalten, dass auch leisere Stimmen gehört werden.
Die Bedeutung emotionaler Intelligenz bei Führungskräften wächst weiter. Neben fachlicher Expertise wird die Fähigkeit, psychologische Sicherheit auch in komplexen, diversen Teams zu etablieren, zur Kernkompetenz. Das umfasst insbesondere das Erkennen und Adressieren unterschiedlicher kultureller Perspektiven auf offene Kommunikation.
Ein zentraler Trend in Bezug auf psychologische Sicherheit ist der Einfluss der jüngeren Generationen, die andere Werte und Erwartungen an die Arbeitswelt mitbringen. Sie legen großen Wert auf Offenheit, Diversität, flache Hierarchien und einen respektvollen Umgang. Psychologische Sicherheit wird für sie zur Grundvoraussetzung, um sich im Team einzubringen und langfristig motiviert zu bleiben. Themen wie mentale Gesundheit, Work-Life-Balance und Authentizität gewinnen an Bedeutung, was von Führungskräften und Organisationen erfordert, diese Werte aktiv zu leben. Zudem fordern jüngere Generationen mehr Transparenz und Mitgestaltung, was einen stärkeren Fokus auf partizipative Führung und eine gelebte Feedbackkultur verlangt. In Zukunft wird es entscheidend sein, Arbeitskulturen so zu gestalten, dass sie diese Bedürfnisse aktiv adressieren.
Im Zuge der (Weiter-)Entwicklung von Teams wird der Schwerpunkt immer häufiger auf die Arbeit am WIR gelegt, um in Teams eine gute Basis für eine Zusammenarbeit zu legen, in der die psychologische Sicherheit für alle Beteiligten gut gegeben ist.
Aus meiner Sicht sind neben einer konstruktiven Fehlerkultur sowie Vielfalt und Inklusion vor allem drei Entwicklungen besonders relevant:
- Mentale Gesundheit und innere Balance am Arbeitsplatz werden immer wichtiger. Unternehmen, die psychologische Sicherheit ernst nehmen, schaffen Räume für ehrlichen Austausch. Sie bieten Möglichkeiten, innere Stabilität, Ruhe und Resilienz zu stärken - gerade in herausfordernden Zeiten. So entsteht ein Arbeitsumfeld, in dem Menschen sich entfalten und ihr volles Potenzial leben können.
- Hybrides und Remote-Arbeiten verändern die Teamdynamik. Ohne den direkten Austausch im Büro braucht es gezielte Maßnahmen, um Vertrauen und Offenheit zu fördern. Regelmäßige Check-ins, klare Kommunikation und ein Umfeld, in dem sich alle gehört fühlen, sind essenziell.
- Auch der technologische Wandel mit KI und Automatisierung bringt Unsicherheiten. Mitarbeitende müssen spüren, dass sie in diesen Veränderungen nicht allein gelassen werden. Transparenz, Weiterbildung und aktive Einbindung schaffen Sicherheit.
Wir sehen, dass in der heutigen Arbeitswelt psychologische Sicherheit eine immer größere Rolle spielt - und das aus gutem Grund. Hybride Arbeitsmodelle, diverse Teams und globale Zusammenarbeit bringen viele Chancen, aber auch neue Herausforderungen mit sich. Damit Teams wirklich erfolgreich sind, brauchen sie eine Umgebung, in der Offenheit, Vertrauen und ehrliche Kommunikation selbstverständlich sind. Viele Unternehmen setzen mittlerweile auf datengetriebene Ansätze, um die Teamdynamik besser zu verstehen und psychologische Sicherheit messbar zu machen.
Gleichzeitig rückt das Wohlbefinden der Mitarbeitenden stärker in den Fokus - mit Strategien, die Stress reduzieren und Burnout vorbeugen sollen. Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die Entwicklung von Führungskräften. Emotionale Intelligenz und effektive Kommunikation sind entscheidend, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich alle gehört und wertgeschätzt fühlen. Und gerade in globalen Teams ist kulturelle Kompetenz gefragt, um sicherzustellen, dass psychologische Sicherheit über Landes- und Kulturgrenzen hinweg gelebt wird.
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