Die Frage nach dem Grad der Behinderung (GdB) bei paranoider Schizophrenie ist ein wichtiger Aspekt für Betroffene. Ein anerkannter GdB kann den Zugang zu verschiedenen Unterstützungsleistungen und Rechten ermöglichen. Dieser Artikel beleuchtet die relevanten Aspekte im Zusammenhang mit paranoider Schizophrenie und dem Grad der Behinderung.
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin stellte am 19.05.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, vertreten durch ihre mit Beschluss vom 29.03.2006 bestellte Sachwalterin. Dem Antrag angeschlossen waren ein stationärer Patientenbrief vom 19.12.2017 über einen stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 07.12. bis 19.12.2017.
Das Sozialministeriumservice holte im Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein allgemeinmedizinisches Gutachten ein, in dem das fachärztliche Gutachten vom August 2020 wiedergegeben wurde: „Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): 25.08.2020 FLAG Gutachten von Dr. römisch 40 mit Zuerkennung eines GdB 30 vH für die Diagnose Schizophrenes Residuum Anamnese: Die Patientin erscheint in Begleitung von Herrn römisch 40 vom Verein MIK. Der Verein MIK unterstützt vor allem wegen auswärts, Ämter, etc. Sie sei zuletzt 12/17 stationär in Behandlung gewesen, dzt.
Im gewährten Parteiengehör wurde vorgebracht, dass das allgemeinmedizinische Gutachten auf dem neurologischen Gutachten im Verfahren nach dem Familienlastenausgleichsgesetz basieren würde. In diesem neurologischen Gutachten würde fälschlicherweise stehen, dass die Beschwerdeführerin nicht in fachärztlicher Behandlung sei. Diese sei jedoch seit Februar 2019 in regelmäßiger Behandlung bei einem Facharzt für Psychiatrie. Die Depotmedikation erhalte sie regelmäßig von der Hauskrankenpflege im Rahmen ihrer Betreuung, eine eigenständige regelmäßige Einnahme sei der Beschwerdeführerin nicht möglich.
Das Sozialministeriumservice holte aus diesem Grund ein Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie basierend auf einer Untersuchung ein. Das Gutachten vom 09.04.2021 ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 von 100 und gestaltete sich wie folgt:
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In einer Stellungnahme im Parteiengehör wurde wiederholt, dass die Beschwerdeführerin an einer schweren schizophrenen Störung leide und auf den bereits vorgelegten psychiatrischen Facharztbefund verwiesen. Es sei sohin nicht richtig, dass keine aktuellen aussagekräftigen fachärztlich psychiatrischen Befunde vorlägen. Dass die Beschwerdeführerin die Untersuchung ablehne, beruhe alleine auf ihrer schweren psychiatrischen Erkrankung und zeige geradezu, dass ein erhöhter Grad der Behinderung vorliegen, der sie im Alltagsleben bzw. bei der ordnungsgemäßen Wahrnehmung von Behördenterminen erheblich beeinträchtige.
Mit Bescheid vom 10.06.2021 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 von 100 festgestellt. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten verwiesen.
Feststellungen
Die Beschwerdeführerin erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.
Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
beschwerderelevanter Status:Allgemeinzustand: altersentsprechend Status Psychicus: Nicht erhebbar. Beschwerdeführerin verweigerte die Untersuchung.
Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr. Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes: Pos.Nr. Gdb % 1 Schizophrenes Residuum 2 Stufen über unterem Rahmensatz, da lediglich Depotmedikation ohne fachärztliche Betreuung 03.07.01 30 Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30%.
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Beweiswürdigung
Die Feststellung hinsichtlich des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers gründet sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 09.04.2021, welches einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 % ergibt. Auch in ihrer Stellungnahme vom Juni 2021 blieb die befasste Ärztin bei der gewählten Einstufung. Da die Beschwerdeführerin eine Begutachtung verweigerte, konnte die Einstufung nur aufgrund der vorgelegten Dokumente erfolgen.
Im Verfahren nach dem FLAG im August 2020 kam der bestellte Gutachter ebenfalls zu einer gleichlautenden Einstufung, wobei sich die Beschwerdeführerin in diesem Fall einer Untersuchung nicht völlig verweigert hatte - sie kam zu dieser Untersuchung in Begleitung eines Vertreters der MIK-OG (Pflege und Betreuung). In diesem Gutachten wurde auch beschrieben, dass die Beschwerdeführerin nicht unfähig sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, da keine höhergradigen psychischen oder kognitiven Beeinträchtigungen vorhanden oder befundmäßig dokumentiert gewesen seien, die eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich machen würden.
Die Pos.Nr. 03.07 Schizophrene Störungen Schizophrenie, schizoide Persönlichkeitsstörung, schizoaffektive Erkrankungen, akut psychotische Zustandsbilder sieht für die Einstufung Folgendes vor:
03.07.01 Leichte Verlaufsform 10 - 40 % 10 - 20 %: Psychopathologisch stabil, Medikation im Schub, Akut psychotischem Zustandsbild in der Anamnese (z.B. drogeninduzierte Psychose) 30 %: Psychopathologisch stabil, Intervalltherapien, Residualzustand mit geringen Auffälligkeiten, Im sozialen und Arbeitsleben voll integriert 40 %: Psychopathologisch auffällig (beginnende Störung des formalen Denkens, gelegentlich Wahninhalt und Negativsymptomatik) trotz Dauertherapie, Mäßige soziale Beeinträchtigung, Arbeitsleistung gering eingeschränkt 03.07.02 Mittelschwere Verlaufsform 50 - 70 % 50 %: Mindestens zwei psychotische Zustandsbilder in den letzten 1,5 Jahren, Psychotische Symptome im Status Psychopathologisch instabil (Störung des formalen Denkens, Wahninhalte und Negativsymptomatik) trotz Dauertherapie, Soziale Integration und Arbeitsleistung deutlich herabgesetzt 60 %: Durchgängig geringe ...
Fallbeispiel aus der Rechtsprechung
Mit Eingabe vom 17.6.2019, beim Finanzamt erfasst am 21.6.2019, stellte der am GebDat geborene Mxxx VN1, in der Folge kurz Bf., vertreten durch VertretungsNetz - EV als Erwachsenenvertreter, einen Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für sich selbst ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung. Als Diagnose wurde "F 20.0. Paranoide Schizophrenie" angeführt.
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Mit Bescheid des Finanzamtes vom 9.8.2019 wies das Finanzamt den Antrag ab Juni 2019 ab und führte u.a. aus, auf Grund des Nichterscheinens zur Untersuchung habe kein Grad der Behinderung festgestellt werden können.
Am 3.12.2019 fand eine Untersuchung des Bf. in der Landesstelle Wien des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen statt, bei welcher ein Gutachten, datiert mit 3.12.2019, mit folgendem Inhalt erstellt wurde:
Anamnese:4/2014 Erstbehandlung im OWS wegen psychotischer Störung, dann keine stat. Datumsangabe):29.7.19 PSD 16: VN1 VN2 Mxxx, SVNr. SVNR, steht seit 10.09.2018 in regelmäßiger Betreuung und Behandlung unserer Einrichtung und war davor seit Mai 2014 in Behandlung im Sozialpsychiatrischen Ambulatorium XXXX. Er leidet unter einer schwerwiegenden chronischen psychischen Erkrankung. Diagnose: Schizophrenie.
Psycho(patho)logischer Status:Zeitlich, örtlich zur Person ausreichend orientiert, Auffassung regelrecht, Antrieb vermindert, subjektiv kognitive Einschränkungen, Stimmung depressiv, keine Ein- und Durchschlafstörung, zeitweise produktiv, nicht suizidal eingeengt
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellte aufgrund einer Begutachtung am 4.3.2021 ein mit 7.3.2021 datiertes Sachverständigengutachten mit folgendem Inhalt:
Anamnese:vorliegendes Vorgutachten:nervenfachärztliches Sachverständigengutachten, BASB, FLAG 03 12 2019:Paranoide Schizophrenie GdB 50% ab 04/2014Herr VN1 Mxxx ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JADie Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.
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