Das Bayerische Psychisch-Kranken-Gesetz: Ein Überblick

Die Bayerische Landesregierung arbeitet an einem Gesetz, das die Versorgung psychisch kranker Menschen im Bundesland neu regeln soll. Oberstes Ziel ist dabei die Gefahrenabwehr.

Ursprünglicher Entwurf und Kritik

Die Fachwelt war entsetzt über die Vorlage, denn in ihren restlichen 35 Artikeln sprach sie zunächst nur über die Gefährlichkeit von psychisch Kranken, vor welcher man die Öffentlichkeit durch Polizeimaßnahmen bewahren will.

Ausdrücklich hat die Staatsregierung festgehalten: Psychisch Kranke, selbst jene, die noch niemandem etwas angetan haben, sollten laut dem mittlerweile entschärften Entwurf so ähnlich behandelt werden wie Personen im Maßnahmenvollzug - also wie gerichtlich verurteilte Straftäter, die man in der Psychiatrie wegsperrt.

Nach Ansicht von Opposition, der Medien und Demonstranten belegen beide Gesetzesentwürfe nur eins: Bayerns Landesregierung sei in einer Art „Sicherheitswahn“ befangen.

Schon im August 2017 hat die erste Neufassung des Polizeigesetzes die Schwelle abgesenkt; seither dürfen „Gefährder“ auch bei nur vagem Verdacht für praktisch unbegrenzte Zeit in Vorbeugehaft genommen werden.

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So weit, dass Experten bei einer Anhörung im Parlament vom „ersten Schritt zu einer Totalüberwachung der Bürger“ sprachen. „Eines Rechtsstaats unwürdig“ sei das, hieß es.

Die Polizei darf künftig bei „drohender“ Gefahr, nicht nur bei Terrorverdacht, zu Fahndungsmitteln greifen, die bisher dem Verfassungsschutz vorbehalten sind. Sie darf etwa Wohnräume auch mit Drohnen überwachen, „intelligente Videotechnik“ inklusive Gesichtserkennung einsetzen und aus DNA-Spuren Phantombilder von Gefährdern erstellen.

Entschärfung des Gesetzes

Mit dem Psychiatriegesetz indes machte Markus Söder als neuer Regierungschef kurzen Prozess: Der Aufschrei im Land war ihm als Wahlkämpfer zu laut.

So korrigierte die Landesregierung am Dienstag ihren erst zwei Wochen alten Entwurf in den umstrittensten Teilen wieder: Die „Unterbringungsdatei“, wo die Daten aller zwangsweise eingewiesenen Patienten fünf Jahre lang gespeichert werden sollten, zugänglich für alle möglichen Behörden, wird gestrichen.

Die „Sprache“ des Gesetzes soll mehr auf Kranke abgestellt werden; Verweise auf den Maßnahmenvollzug für Straftäter entfallen. In der Sache aber bleiben die Bestimmungen erhalten.

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Mit der wichtigen Klarstellung: Sie sollen nur gelten für Menschen, die anderen gefährlich werden können.

Kernpunkte des Gesetzes

Vor allem soll das neue Gesetz regeln, was passiert, wenn psychisch Kranke als gefährlich für sich selbst oder andere eingeschätzt und dann, eventuell gegen ihren Willen, in einer Klinik untergebracht werden.

Weitaus eindeutiger nimmt sich der bayerische Fortschritt im ursprünglichen Gesetzesentwurf zur Hilfe für psychisch Kranke aus. Da steht nämlich in den ersten vier Artikeln, dass der Freistaat flächendeckende und rund um die Uhr besetzte Krisendienste einrichten will. Die „wesentlichen Belastungen für den Staatshaushalt“ nimmt man gelassen in Kauf.

Reaktionen und Kontroversen

Nach heftiger Kritik entschärfte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ein neues Psychiatriegesetz: Psychisch Kranke hätten demnach wie verurteilte Straftäter behandelt werden können.

Bayerischer „Sicherheitswahn“ Innenminister Herrmann sagt, man wolle „beschützen, nicht überwachen“; mit mehr Richtervorbehalten als bisher bringe sein Gesetz sogar „mehr Rechtsschutz für den Bürger und nicht weniger“.

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Andere Juristen hingegen vertraten Herrmanns Linie: Der Rechtsstaat müsse seinen Herausforderern - der Blick richtet sich vorwiegend gegen islamistische Angreifer - technisch und polizeirechtlich „auf Augenhöhe begegnen“ können.

Dem entgegnet Spitzenmediziner Greil unter Verweis auf CoV-Patienten im Spital allgemein und auf Intensivstationen im Besonderen: „Wir reden von einer Verdoppelung bzw. Verdreifachung der Patientenzahlen innerhalb von vier Wochen. Dass die Politik derzeit von vielen Seiten unter Druck stehe, gesteht Gesundheitsreferent Stöckl ein.

Zusätzliche Informationen

Die Polizei darf demnach schon bei „drohender“ Gefahr tätig werden; sie muss nicht mehr abwarten, bis eine Gefahr „konkret“ wird.

Auch deren Umfeld darf ausspioniert werden, selbst ohne „konkrete“ Gefahr.

Der Kritik nachzugeben, dafür sieht Herrmann „keinerlei Anlass.“

Wellen schlägt ein anderer Beschluss des Landeskabinetts: Ab ab Juni muss in jeder Behörde ein Kreuz hängen. „Als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns, (. . .) als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern“, wie die Staatskanzlei mitteilte.

Überblick über die geplanten Änderungen:

Aspekt Ursprünglicher Entwurf Geänderte Version
Behandlung psychisch Kranker Ähnliche Behandlung wie Straftäter im Maßnahmenvollzug Gilt nur für Menschen, die eine Gefahr für andere darstellen
Datenspeicherung Unterbringungsdatei mit Daten zwangsweise eingewiesener Patienten (5 Jahre) Gestrichen
Sprache des Gesetzes Fokus auf Gefährlichkeit Fokus auf Kranke
Polizeiliche Befugnisse Fahndungsmittel bei "drohender" Gefahr Beibehalten, aber mit mehr Richtervorbehalten

tags: #Psychisch-Kranken-Gesetz #Bayern